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Hier dreht sich alles um wertebasiertes Marketing ohne Social Media, Psychotricks und das übliche Marketing-Blabla.


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Warum ich Onlinekurse für 100 Euro verkaufe

Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass ich auf meiner Website Onlinekurse für 100 Euro (zzgl. MwSt.) verkaufe. Das ist kein Zufall. Was hinter der Bepreisung der Onlinekurse steckt, erzähle ich in diesem Blogartikel.

Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass ich auf meiner Website Onlinekurse für 100 Euro (zzgl. MwSt.) anbiete.

Das ist kein Zufall.

Als ich mich selbstständig gemacht habe, wollte ich – so wie viele andere auch – skalieren, skalieren, skalieren. 

Ich dachte, ich muss hochpreisige Onlineprogramme launchen und sie mit vielen Teilnehmerinnen füllen und dann werde ich reich und glücklich (lol).

Solange ich auf Social Media war, zweifelte ich nicht an meinem Vorhaben. Denn die Menschen in meiner Bubble machten es alle ähnlich. 

Erst als ich Social Media verließ, merkte ich, dass ich so meine Schwierigkeiten mit diesem Lebens- und Geschäftsmodell hatte:

  • Das klassische Launchen großer Onlineprogramme beinhaltet künstliche Verknappung, Druck und emotionale Trigger und mir wurde klar, dass ich das nicht länger unterstützen wollte.

  • Als Feministin empfinde ich es als einen Widerspruch, hochpreisige Produkte anzubieten, die sich kaum eine Frau leisten kann. Ich möchte, dass sich so viele Menschen wie nur möglich neues Wissen aneignen können, wenn sie es wollen. 

  • Ich bin nicht der Typ für ein großes Team. Ich sehe mich als kreative Selbstständige und nicht als Personalerin.

  • Ich bin auch nicht der Typ für aufwändig produzierte Videos und locker, flockig vor der Kamera sprechen. Dafür kann ich komplexe Themen auf einfache Schritte und Gedanken herunterbrechen und Menschen von A nach B führen.

  • Als introvertierter Mensch möchte ich meinen Arbeitsalltag überwiegend schreibend verbringen – und nicht mit großen Gruppencalls und Launchvorbereitung.

  • Die meisten Marketingversprechen halte ich für übertrieben. Erfolgreiches Marketing ist höchst individuell, besteht aus mehreren Komponenten und braucht vor allem eins: Zeit.

Während diese Gedanken und Erkenntnisse in mir reiften, verstand ich, dass ich ein neues Geschäftsmodell für mich brauchte. Eins, das zu meinen Stärken, Werten und dem gewünschten Arbeitsalltag passte. 

Und im Dezember 2022 kam mir plötzlich die Idee für die 100-Days-Kurse, die du auch zwei Jahre später noch auf meiner Website findest:

  • Onlinekurse, die jederzeit verfügbar sind und nicht gelauncht werden müssen

  • Onlinekurse, die für möglichst viele Menschen erschwinglich sind, weil sie nur aus Text bestehen und ich sie ohne großen Aufwand produzieren konnte

  • Onlinekurse, die auf 100 Tage ausgelegt sind und auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegt sind

  • Onlinekurse, die wie Bausteine alleine oder zusammen gekauft werden können – je nachdem, was gebaut werden soll

Zu Beginn eines jeden Jahres frage ich mich, welche Produkte und Angebote im alten Jahr bleiben dürfen und welche ich ins neue Jahr mitnehmen will. Und die Onlinekurse zum Social-Media-freiem Marketing halte ich 2025 für aktueller denn je.

Weil die Richtung, in die sich die Meta-Plattformen entwickeln, besorgniserregend ist und alle Selbstständigen und Unternehmen gut daran tun, sich jetzt unabhängig von Social Media aufzustellen.

Weil die Nutzungszeit von Social Media zum ersten Mal seit der Erfassung gesunken ist und es demnach immer mehr Menschen weg von sozialen Medien zieht.

Weil Leben und Arbeiten ohne Social Media nicht nur möglich ist, sondern eine richtig, richtig gute Idee, die verschiedene Wettbewerbsvorteile bietet.

Deshalb werde ich auch 2025 die Kurse der 100-Days-Reihe weiterhin für 100 Euro (zzgl. MwSt.) anbieten und den Preis nicht erhöhen. 

Hier findest du noch mal alle Selbstlernkurse zu Social-Media-freiem Marketing im Überblick:

100 Days of Bloggen

100 Days of Gastartikel

100 Days of Marketing ohne Social Media

100 Days of Newsletter

100 Days of Schreibflow

100 Days of SEO

100 Days of Über-mich-Seite

Was machst du in den nächsten 100 Tagen?

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Wo sind die Menschen ohne Social Media?

Hier sammle ich Texte oder Podcastfolgen von Menschen, die ohne Social Media leben und/oder arbeiten. Sie erzählen von ihrem Social-Media-Ausstieg oder einer alternativen Social-Media-Nutzung.

Als ich mich 2020 von Social Media verabschiedete, kam ich mir wie ein Alien vor.

Überall sah, las und hörte ich, dass wir unbedingt Social Media brauchen, wenn wir selbstständig sind. Und auch wenn mir Kundinnen und Kolleginnen immer wieder mal erzählten, dass auch sie mit Social Media struggelten, kannte ich kaum jemanden, die es tatsächlich wagte und Insta und Co. verließ.

Dabei wünschte ich mir nichts mehr als Gleichgesinnte.

Ich wünschte mir, von Menschen zu lesen oder zu hören, die Social Media verließen. 

Mich interessierten ihre Motivation, ihre Erfahrungen, ihre Erkenntnisse.

Damals war ich mit meinem Thema allein auf weiter Flur. Doch heute bin ich es eindeutig nicht: 

Nicht nur berate ich selbst Selbstständige dabei, Social Media zu verlassen. Ich stolpere auch immer öfter über Onlinetexte, die von Social-Media-Struggles und Social-Media-Ausstiegen handeln.

Und ich lese, dass Menschen sich immer öfter trauen, soziale Medien so für sich zu nutzen, wie es ihnen gut tut. 

Deshalb hatte ich die Idee, diese Blogartikel und Podcastfolgen zu sammeln und auf meinem Blog zu veröffentlichen. 

Ich möchte Menschen ermutigen, den Social-Media-Ausstieg zu wagen, und Antworten auf Fragen geben wie:

  • Wo sind die Selbstständigen ohne Social Media?

  • Gibt es noch mehr Menschen, die so ticken wie ich?

  • Wie ergeht es ihnen mit einem Social-Media-Ausstieg? 

Ich hoffe, dass wir so viele Menschen zusammentrommeln und zeigen können: 

Soziale Medien sind kein Muss, sondern nur eine von vielen Optionen.

Menschen und Unternehmen ohne Social Media

Hier sammle ich Texte oder Podcastfolgen von Menschen, die ohne Social Media leben und/oder arbeiten. Sie erzählen von ihrem Social-Media-Ausstieg oder einer alternativen Social-Media-Nutzung.

Positionierungsberater ohne Social Media

Sascha Theobald ist Positionierungsberater und hat sich aus Social Media (bis auf LinkedIn) verabschiedet.

Achtsamkeitscoachin und Autorin ohne Social Media

Rini Pegka ist Achtsamkeitscoachin und Autorin und hat Social Media den Rücken gekehrt, um mehr Ruhe und Balance in einer lauten Welt zu finden.

Rhetoriktrainerin ohne Social Media

Rhetorik- und Kommunikationstrainerin Beatrix Schwarzbach hat nach und nach allen Social-Media-Kanälen Lebewohl gesagt.

Fotografin ohne Social Media

Fotografin Michaela Krenn hat nach einer Social-Media-Pause beschlossen, sich von Instagram privat und beruflich zu verabschieden.

Kosmetikunternehmen ohne Social Media

Das internationale Kosmetikunternehmen Lush will mit seinen Produkten das Wohlbefinden von Menschen steigern und sieht es daher als einen Widerspruch, sie zu Plattformen zu schicken, die ihr Wohlbefinden beeinträchtigen. Deshalb hat sich Lush von den Meta-Plattformen Facebook und Instagram sowie TikTok und Snapchat verabschiedet.

Coachin und Yogalehrerin ohne Social Media

Coachin und Yoga-Lehrerin Claire Oberwinter war früher Social-Media-Beraterin und hatte soziale Medien geliebt. Nach einem Hackerangriff hat sie sich nun von ihrer Facebook-Seite und ihrem Instagram-Konto verabschiedet, aber ihr privates Facebook-Profil und ihren LinkedIn-Account behalten.

Künstlerin ohne Instagram

Mareike Heil verbrachte 2–3 Stunden täglich auf Instagram, als sie sich fragte: Was könnte ich in dieser Zeit stattdessen tun?

Franziska Schwarzkopf gibt Aquarell-Malkurse und wollte nie auf Social Media sein. Ist sie jetzt auch nicht:

Business-Coachin ohne Social Media

Business-Coachin Bettina Bergmann hat sich Ende 2023 von Instagram verabschiedet.

Business-Mentorin Linda Kunze hat sich im Oktober 2022 gefragt, was sie eigentlich von Social Media zurückbekommt, und sich als Antwort nach und nach ihre Kanäle gelöscht.

Tanztherapeutin ohne Social Media

Tanztherapeutin Astrid Pinter nutzt seit mehreren Jahren keine sozialen Medien zum Marketing mehr.

Podcastberaterin ohne Social Media

Podcastberaterin und Gründerin der Agentur Podcastwonder Anika Bors hat sich aus verschiedenen Gründen aus Social Media zurückgezogen. Nachdem sie aufgehört hat, Instagram als Marketingkanal zu nutzen, hat sie nun auch ihr LinkedIn-Profil und ihren privaten Instagram-Account gelöscht.

Virtuelle Assistenz ohne Facebook und Instagram

Claudia Gabel hat ihre Selbstständigkeit mit Instagram und Facebook begonnen, aber festgestellt, dass die Plattformen ihr nichts bringen. Nun sind ihre Business-Accounts gelöscht.

Zyklusberaterin und Autorin ohne Social Media

Zyklusberaterin und Autorin Josianne Hosner von Quittenduft hatte, wie sie selbst sagt, irgendwann ein Abdruck vom Hirn im Handy. Deshalb hat sie im Frühjahr 2022 beschlossen, Instagram und Facebook zu verlassen. Als Selbstständige und als Privatperson.

Atemtherapeutin ohne Facebook

Für Atemtherapeutin Susanne Wagner war Facebook sowieso immer nur eine „Alibiübung“. Deshalb hat sie ihre Business-Seite nun gelöscht. Instagram folgte wenig später.

Grafikdesignerin ohne Social Media

Michelle Bucher von Buchfink Design nutzt trotz ihres visuellen Themas keine sozialen Medien.

Unternehmer ohne Social Media

Sascha Boampong hat mehrere Unternehmen und sagt: Soziale Medien haben keinen Anteil an meinem unternehmerischen Erfolg.

Spirituelle Coachin ohne Social Media

Coachin Sandra Probian fühlte sich wie die Leibeigene von Instagram und sagte Insta und Co. vor drei Jahren für immer tschüss.

Tierheilpraktikerin ohne Social Media

Tierheilpraktikerin Claudia Selic-Köhler war irgendwann von Facebook und Instagram so gestresst, dass sie ihre Kanäle löschte.

Du bist auch ohne Social Media selbstständig?

Falls ich deinen Text oder deine Podcastfolge in die Sammlung aufnehmen soll – gerne. Schreib mir eine Nachricht.

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Warum ich kein Team habe und nichts daran ändern möchte

Team aufbauen oder kein Team aufbauen – das ist hier die Frage. Ich bin eindeutig Team #keinteam. Warum ich als Selbstständige kein Team habe und auch nichts daran ändern möchte, erzähle ich in diesem Blogartikel.

Es war einmal eine Frau, die vor fast neun Jahren beschloss, sich selbstständig zu machen. Schon bald hörte sie auf Facebook und auf Instagram, dass sie unbedingt ein Team bräuchte, um als erfolgreiche Onlineunternehmerin zu glänzen. So machte sie sich schnell daran, ein Team aufzubauen. Mit Mühe und Hingabe stellte sie kluge Köpfe zusammen, die ihr dabei helfen sollten, ihre Onlineprogramme einer großen Zahl von Menschen anbieten zu können. Doch je länger sie mit ihrem Team arbeitete, desto mehr merkte sie, dass irgendwas nicht stimmte. Statt der versprochenen Freude und Leichtigkeit spürte sie überwiegend Druck, Stress und Überforderung. Das fühlte sich nicht wie Erfüllung und Erfolg an, sondern wie ein Hamsterrad, das sie sich selbst geschaffen hat. Und schließlich traf die Frau eine wichtige Entscheidung …

Du hast es vermutlich schon geahnt: 

Die Frau in diesem Märchen bin ich. Und warum ich mich im Verlauf meiner Selbstständigkeit bewusst gegen ein Team entschied und wie das zu meinem persönlichen Happy End führte – davon will ich dir in diesem Blogartikel erzählen.

Es geht aber nicht nur um Teamaufbau, sondern auch um Geschäftsmodelle, Skalieren, Launchen und um das Allerallerallerwichtigste von allem und den Grund, warum ich mich (und vielleicht auch du) überhaupt selbstständig gemacht habe: Glück, Zufriedenheit und Frieden im Kopf.

Sascha Theobald hat mich zu diesem Blogartikel eingeladen. Und da wir in den letzten Wochen schon mehrmals so schön gemeinsame Sache gemacht haben (hier und bald auch hier), war ich natürlich gerne dabei, um meinen Weg von „Ich brauch’ unbedingt ein Team!“ zu „Ich bin happy ohne!“ zu schildern.

Das Gesamtpaket „Launchen, Outsourcen, Skalieren“ ist verlockend

Gehen wir noch einmal zu dem Anfang des Märchens zurück. 

Wer sich selbstständig macht und auf Instagram, Facebook und Co. die Businessblase betritt, lernt früher oder später, dass man unbedingt ein Team braucht, wenn man erfolgreich selbstständig sein will.

Nein, viel mehr noch: 

Man lernt, dass man sich gar nicht als „selbstständig“ bezeichnen, sondern als „Onlineunternehmerin“ sehen sollte, die an ihrem Business arbeitet (nicht in) und niemals, niemals (niemals!) Zeit gegen Geld tauscht.

Es ist ein schillerndes Gesamtpaket, das aus großen Launches, Outsourcen und Skalieren besteht und viele Menschen braucht, die es zusammenhalten. Nennen wir dieses System kurz: LOS! (So haben wir einen kompakten Namen für ein komplexes Gebilde und ich kann meine Schwäche für Akronyme ausleben.)

Und um das schillernde Lebensgefühl zu unterstreichen, sehen wir in den Social-Media-Posts Onlineunternehmerinnen, die es dank LOS! „geschafft“ haben. 

Sie feiern erfolgreiche Launches mit Champagner, lassen ihr Team Montag bis Freitag in die Schweiz zu einem Teammeeting einfliegen oder berichten von ihren sechs-, sieben- oder achtstelligen Jahresumsätzen, die es ihnen ermöglicht haben, eine Stiftung zu gründen.

Ich war sehr anfällig für diese Botschaften, denn sie sprachen genau das an, wonach ich mich zu Beginn meiner Selbstständigkeit sehnte: stabile Finanzen, Sichtbarkeit, Flexibilität und Erfolg.

LOS! zog mich magisch in seinen Bann. Ich war die Motte, die nur das Licht sah, aber nicht ahnte, was unweigerlich folgen sollte, wenn ich meinem Ziel zu nah kam …

Hinter der Social-Media-Fassade: Was „ein Team haben“ in der Realität bedeutet

Meine Erfahrungen mit einem Team starteten positiv.

2018 begann ich, die ersten Aufgaben an eine virtuelle Assistentin auszulagern. Zu Beginn waren es Dinge, die ich selbst nicht wusste, nicht gut konnte oder mit denen ich mich einfach nicht beschäftigen wollte. 

Das war eine große Hilfe und fühlte sich großartig an, weil ich so schneller voran kam, statt viele Stunden oder Tage für etwas zu nutzen, was jemand, die Ahnung hatte, in wenigen Minuten erledigen konnte.

2019 ging ich einen Schritt weiter und ließ die virtuelle Assistentin auch Aufgaben erledigen, die ich selbst eigentlich ganz gerne machte, aber von denen ich in meiner Hybris dachte: 

„Eine richtige Onlineunternehmerin beschäftigt sich nicht damit.“

Dann kam eine weitere virtuelle Assistentin für weitere Aufgaben dazu. Dann beauftragte ich zwei Kolleginnen, mich bei einem großen Onlineprogramm, das ich launchte, zu unterstützen. Und schließlich kam irgendwann eine weitere virtuelle Assistenz hinzu, deren alleinige Aufgabe es war, sich um meine Mails und die Antworten auf meine Newsletter zu kümmern.

Nach außen hatte ich ein Team, das mir bei meinem florierenden Onlinebusiness half. Nach innen hatte ich ganz schön damit zu knabbern:

Problem #1: Zeit

Je größer das Team wurde, desto mehr Zeit verbrachte ich damit, mit meinen Teammitgliedern zu kommunizieren, Aufgaben zu delegieren, ihnen Feedback zu geben oder sie zu motivieren, und immer weniger Zeit mit meinem eigentlichen Job. 

Irgendwann nutzte ich öfter Projektmanagementtools und Slack als den damaligen Schwerpunkt meiner Beraterinnentätigkeit (Pinterest). 

Problem #2: Geld 

Wer viele Menschen beschäftigt, muss sie auch bezahlen. Und das heißt, dass man jeden Monat einen bestimmten Betrag aufbringen muss – egal, was passiert. Das ist – je nach Teamgröße – jeden Monat ein großer Batzen Kohle.

Problem #3: Energie

Wenn Launches klappen MÜSSEN, Strategien aufgehen MÜSSEN, Marketing funktionieren MUSS, ist das eine Menge Zwang. Und das hat mich nicht nur unter Druck gesetzt, sondern auch wie ein Dementor jegliche Kraft aus meinem Körper gezogen. Ich fühlte mich gestresst und hibbelig und unter Strom und war so gar nicht mit mir im Einklang.

Problem #4: Persönlichkeit

Das hatte natürlich viel mit meiner Persönlichkeit zu tun. Ich bin introvertiert und ziehe meine Energie aus Zeiten, in denen ich für mich bin. Mit einem Team hatte ich aber täglich mit anderen Menschen zu tun. Das mag für extrovertierte Menschen okay sein – mich hat das ausgelaugt und dafür gesorgt, dass ich mich niemals vollständig erholen konnte. 

Problem #5: Unethisches Marketing

Programme, die mit möglichst vielen Teilnehmenden gefüllt werden MÜSSEN, sorgten dafür, dass ich Marketingstrategien nutzte, die mir Bauchschmerzen bereiteten. Ich sag nur: künstliche Verknappung („Schnell, die Türen schließen gleich!“), FOMO („Verpass’ nicht das Webinar, in dem ich …“) und Co. Das fühlte sich ätzend an und zog mir Energie, sodass sich #3 noch verstärkte.

Problem #6 Hamsterrad

Letzten Endes entpuppte sich LOS! für mich als ein klassisches Hamsterrad. Ich drehte mich immerzu im Kreis. Nach dem großen Launch war vor dem großen Launch. Und wenn ich mich fragte, wie lange ich noch so weiter machen wollte, hätte ich am liebsten geheult.

Dieses Gefühl „Ein Team ist einfach nicht das Richtige für mich…“ 

Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass LOS! irgendwie nicht das Richtige für mich war. 

Doch solange ich mich auf Social Media aufhielt und täglich gesagt bekam, dass das die einzige legitime Art und Weise war, eine Onlineunternehmerin zu sein, traute ich mich gar nicht, meine Selbstständigkeit auch nur anders zu denken.

Erst als ich Social Media verließ und mich – endlich! – damit beschäftige, was ich eigentlich von meiner Selbstständigkeit wollte, dämmerte mir, dass ein Team nicht dazu gehörte.

Ich verstand, dass LOS! absolut nicht das richtige Geschäftsmodell für mich war, weil es mich dazu zwang, Werbeanzeigen zu schalten, zu launchen und meist manipulatives Marketing zu praktizieren – schließlich müssten die Onlineprogramme ja irgendwie voll werden.

Mir wurde klar, dass LOS! mit einer großen Komplexität und einem hohen Organisationsaufwand kam, die ich, wenn ich ehrlich war, nicht in meinem Leben haben wollte. 

Ich erkannte endlich auch die Widersprüchlichkeit, die hinter LOS! steckt:

  • Auf Social Media wird LOS! als Garant für ein finanziell freies, flexibles Leben dargestellt.

  • In Wirklichkeit macht LOS! nicht frei und flexibel, sondern abhängig, weil wir auf einmal jeden Monat ein Team finanzieren müssen.

LOS! ist somit nicht der Ausweg aus dem Hamsterrad. LOS! ist das Hamsterrad.

Und als ich alles, was ich nicht wollte, aus meinem Berufsleben eliminierte, wusste ich endlich, was ich stattdessen wollte:

Schreiben. 

Soloselbstständigkeit – it’s not a bug, it’s a feature! 

Seit ich Social Media verlassen und mich von LOS! verabschiedet habe, bestehen meine Tage in der Hauptsache aus Schreiben und damit genau so, wie ich sie haben will.

Ich habe Anfang 2022 ein Buch im Selfpublishing veröffentlicht.

Und noch eins Ende 2022.

2024 ist mit „No Social Media!“ mein erstes Verlagsbuch erschienen. 

Mein eigenes Marketing besteht aus meinem Blog, meinem Podcast (der immer schreibend beginnt) und meinem Newsletter.

Und auch meine Marketingberatung dreht sich zu einem großen Teil ums Schreiben.

Damit sind wir am Ende des Blogartikels angelangt und der Erkenntnis, dass die Soloselbstständigkeit (für mich) kein bug, sondern ein feature ist.

Die Soloselbstständigkeit ist (für mich) kein Einstieg (mehr), um ein Unternehmen mit freien Mitarbeiterinnen oder Angestellten aufzubauen. Sie ist eine bewusste Entscheidung für ein bestimmtes Lebensgefühl und für Unabhängigkeit, Flexibilität, Zeit für kurzfristige Projekte und Raum für Spontaneität.

Ich sehe mich nicht als Einzelkämpferin, sondern als Einzelkreative. Ich bin nicht selbst und ständig, sondern ständig ich selbst

Ich befinde mich den überwiegenden Teil meines Arbeitstages in meiner Zone of Genius, die aus Schreiben oder Schreibberatung besteht, und muss mich nicht mehr mit Recruiting, Teammeetings, Teamdynamik oder Teambuilding beschäftigen.

Genau so will ich's haben.

Geht’s dir damit ähnlich? Glaub mir: Es ist fein.

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Warum ich ab sofort mit einem sozialen Preismodell arbeiten werde

Bei einem sozialen Preismodell steht im Fokus, dass auch diejenigen bei einem Kurs oder einem Programm partizipieren können, die über begrenzte finanzielle Ressourcen verfügen. Im Blogartikel erzähle ich, warum Selbstständige ein soziales Preismodell etablieren können und wie das soziale Preismodell konkret aussehen kann.

Ich selbst bin mit meiner Familie nach Deutschland gekommen, als ich knapp acht Jahre alt war. Wir kamen mit vier Koffern und jede Menge Träumen, doch gerade die ersten Jahre waren hart: 

Neben finanziellen Herausforderungen galt es Deutsch zu lernen, einen Job zu finden (für meine Eltern), in der Schule zurechtzukommen (für meinen Bruder und mich) und sich als Familie eine neue Heimat zu schaffen.

Nun könnte ich meine Integration auf meine eigene Leistung schieben, doch die Wahrheit ist: 

Ohne die Unterstützung von anderen Menschen hätte ich das nie so schnell geschafft. Es waren vor allem Eltern von einigen Mitschülerinnen, die sich dachten: 

„Oh, ein neues Kind, das kaum Deutsch spricht – laden wir sie doch zu uns zum Spielen ein / machen wir doch zusammen Ausflüge / nehmen wir sie doch in den Turnverein mit!“ 

Sie schenkten großzügig ihre Zeit – und oft auch ihr Geld –, ohne jemals eine Gegenleistung von mir zu verlangen. Einfach nur, weil sie mir ermöglichen wollten, schnell Teil der Schulklasse zu werden und neue Freund*innen zu finden.

Deshalb weiß ich nicht nur genau, wie herausfordernd es ist, wenn man zu wenig Kohle für geile Dinge hat. Ich weiß auch ganz genau, wie wichtig Solidarität für eine Gesellschaft ist. 

Und dass Solidarität das Leben von Menschen tatsächlich verändern kann.

Auch ich als Selbstständige möchte nun – nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen persönlichen Erfahrungen – solidarisch mit anderen Selbstständigen sein.

Konkret geht es mir darum, möglichst vielen Selbstständigen zu ermöglichen, etwas Neues zu lernen und beruflich weiterzukommen – völlig egal, über wie viele finanzielle Ressourcen jemand verfügt.

Deshalb habe ich mich entschieden, ab sofort mit einem sozialen Preismodell zu arbeiten.

Was ist ein soziales Preismodell?

Bei einem sozialen Preismodell steht im Fokus, dass auch diejenigen bei einem Kurs oder einem Programm partizipieren können, die über begrenzte finanzielle Ressourcen verfügen.

Finanzielle Ressourcen und Vermögen haben nämlich meist weniger mit der individuellen Leistung eines Menschen zu tun als mit gesellschaftlichen Strukturen, die diskriminierend sein können: 

  • 50% der alleinerziehenden Frauen haben zum Beispiel ein Einkommen von 1.700 Euro und weniger. (Quelle)

  • Menschen mit Migrationshintergrund verdienen laut einer Studie von McKinsey 25% weniger als Menschen ohne Migrationshintergrund. (Quelle)

  • Rentnerinnen bekommen im Durchschnitt knapp 400 Euro weniger als Rentner. (Quelle)

  • Usw.

Ein soziales Preismodell erkennt diese strukturellen Unterschiede an und will sie ein Stück weit ausgleichen, indem es Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen auf verschiedene Arten ermöglicht, an einem Programm doch teilzunehmen. 

Gründe für ein soziales Preismodell

Warum sollten Onlineunternehmer*innen das tun und soziale Preismodelle etablieren? Ich glaube, es gibt viele Gründe dafür:

Gesellschaftliche Realitäten anerkennen 

Zunächst einmal geht es mir darum, gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen. Die Lebenshaltungskosten sind dank Inflation gestiegen, und die Studien, die ich weiter oben zitiert habe, zeigen, dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die kaum genügend Geld haben, um jetzt über die Runden zu kommen, geschweige denn, um sich Onlineprogramme leisten zu können.

Nun können wir als Selbstständige sagen: „Solange es mir gut geht, ist das nicht mein Problem!“

Wir könnten uns aber auch fragen: „Wie kann ich solidarisch mit Menschen sein, die über weniger finanzielle Ressourcen verfügen als ich?“

Oder: „Wie kann ich Verantwortung übernehmen?“

Gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen

So ermöglichen wir letzten Endes gesellschaftliche Teilhabe – zumindest im Kleinen. 

Diese bleibt gerade Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen oder Menschen in Armut verwehrt. Sie können sich oft nicht den Kaffee, das Kinoticket, die Konzertkarte oder den Kurztrip leisten. Und erst recht haben sie nicht mehrere hundert oder gar tausend Euro für Onlineprogramme auf der hohen Kante.

Feminismus statt Pinkwashing 

Wie können wir davon sprechen, dass wir mit unserem Angebot Frauen stärken wollen, wenn wir Programme anbieten, die sich nur privilegierte Frauen leisten können?

Das ist für mich ein Widerspruch, und deshalb finde ich es so wichtig, Worten Taten folgen zu lassen und es so vielen Frauen, wie nur möglich, zu ermöglichen, an Wissen zu partizipieren.

Wie mein soziales Preismodell aussieht

Bei mir ist das so: 

Onlinekurse zum fairen Preis

Ein erster Pfeiler meiner sozialen Preismodelle sind meine Onlinekurse

Hier habe ich mein Marketingwissen in Textform aufgearbeitet, ohne die Erstellung der Onlinekurse durch Videos oder umfangreiche Workbooks unnötig zu verkomplizieren. 

Somit musste ich mir keine externe Unterstützung holen und kann die Onlinekurse zu einem – aus meiner Sicht – fairen Preis von 100,- Euro anbieten. 

Ratenzahlung ohne Aufpreis

Gerade wenn es um höhere Beträge geht, ist es wichtig zu berücksichtigen, dass sich nicht alle Menschen die Einmalzahlung leisten können.

Hier können Ratenzahlungen, die den Gesamtbetrag in mehrere kleine Häppchen aufsplitten, helfen.

Dabei finde ich es wichtig, Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen nicht zusätzlich zu benachteiligen, indem Ratenzahlungen insgesamt teurer sind als die Einmalzahlungen.

Somit gehört es zu meinem sozialen Preismodell, dass Menschen immer denselben Gesamtbetrag zahlen – völlig egal, ob auf einmal oder in zehn Raten.

Gutscheine von bis zu 50%

Früher habe ich Frühbucherrabatte, Webinarrabatte und ähnliche Preisnachlässe genutzt, um – so ehrlich muss ich an dieser Stelle sein – dank FOMO und Co. mehr zu verkaufen.

Jetzt möchte ich denjenigen Menschen Preisnachlässe gewähren, die sie – statistisch gesehen – auch wirklich gut gebrauchen könnten:

  • Alleinerziehende

  • Rentner*innen

  • Menschen mit einer Erkrankung oder Behinderung 

  • Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte oder mit Diskriminierungserfahrung

  • usw.

Denn es sind gerade diese Menschen, die statistisch weniger Geld verdienen und – so zumindest meine Erfahrung in meinen Programmen in den letzten Jahren – auch seltener an kostenpflichtigen Onlineangeboten partizipieren.

Ich finde: Das muss sich dringend ändern, und deshalb möchte ich ab sofort Menschen, die über nicht genügend finanzielle Ressourcen verfügen, entgegenkommen und einen Gutschein von bis zu 50% des Gesamtpreises erstellen.

Wichtig: Ich möchte bei den Gutscheinen auf Vertrauensbasis arbeiten. Das heißt: Niemand muss mir großartig was erklären, rechtfertigen oder gar nachweisen. 

Eigene Ideen

Möglicherweise sind auch die 50% immer noch viel zu viel für jemanden. Hier möchte ich grundsätzlich offen für weitere Ideen sein, wie auch die restlichen 50% alternativ finanziert werden können.

Das Wörtchen „nur“

Und schließlich hat das Wörtchen „nur“ für mich nichts mehr auf Verkaufsseiten verloren. 

Auch 100 Euro können für Menschen eine Menge Geld sein. Und deshalb finde ich Marketingbotschaften wie 

„Jetzt für NUR 100 Euro kaufen“ 

alles andere als sozial. Für jede*n bedeuten 100 Euro etwas anderes.

Sind soziale Preismodelle wirtschaftlich tragbar?

Letzten Endes bin ich selbst Unternehmerin und brauche natürlich Geld für mein Gehalt, für Rücklagen und Co. Niemandem ist geholfen, wenn ich nach ein paar Monaten noch nicht mal mehr über die Runden komme.

Deshalb werde ich mein soziales Preismodell das nächste halbe Jahr laufen lassen und es danach evaluieren. Möglicherweise werde ich es danach ergänzen, verändern oder etwas ganz anderes tun.

Ich habe mich bei der Recherche für diesen Artikel übrigens gefreut zu sehen, dass es bereits Selbstständige gibt, die ein soziales Preismodell praktizieren, zum Beispiel:

Ricardas Kiel

Maria Höck

Und vielleicht bald auch du?😊

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Hochpreis-Coachings im Female Empowerment: the bad and the ugly

Heute ist Welfrauentag und deshalb können wir ja mal vorsichtig in die Runde fragen: Ist es nicht irgendwie merkwürdig, dass manche Business-Coaches sagen, dass sie mit ihrem Angebot Frauen empowern wollen, dann aber Onlineprogramme anbieten, die sich kaum eine Frau leisten kann? Meine Kritik an Hochpreis-Coachings 

Heute ist Welfrauentag und deshalb können wir ja mal vorsichtig in die Runde fragen:

👉 Ist es nicht irgendwie merkwürdig, dass manche Business-Coaches sagen, dass sie mit ihrem Angebot Frauen empowern wollen, dann aber Onlineprogramme anbieten, die sich kaum eine Frau leisten kann? 👈

Ein paar Zahlen: 

  • Das Durchschnittsbruttoeinkommen von Frauen in Deutschland liegt bei 3.699 Euro. (Quelle)

  • Bundesweit haben nur 10% aller Frauen zwischen 30 und 50 Jahren ein Nettoeinkommen von mehr als 2.000 Euro. (Quelle)

  • 19% der Frauen haben kein eigenes Einkommen und 63% unter 1000 Euro.(Quelle)

  • Die Durchschnittsrente für Frauen liegt aktuell bei unter 900 Euro im Monat. (Quelle)

  • Das Armutsrisiko für Frauen liegt aktuell bei 16%. (Quelle)

  • Bekommt eine Frau ein Kind, verdient sie bis zu ihrem 45. Geburtstag bis zu 251.000 Euro weniger als eine Frau ohne Kinder. (Quelle, S. 112)

Wie kommt man angesichts dieser Zahlen eigentlich auf die Idee, dass Frauen irgendwo einen höheren vier-, fünf- oder sechsstelligen Betrag rumliegen hätten, der nur darauf wartet, in ein „empowerndes“ Coaching „investiert“ zu werden?

Nun soll dieser Text weder ein Plädoyer gegen hochpreisige* Coachings werden noch gegen Female Empowerment als vielmehr eine Erinnerung:

  • Wer hochpreisige* Onlineprogramme verkauft, macht Produkte nicht für „Frauen“, sondern für einen kleinen Teil wohlhabender Frauen. Das kann man natürlich gerne tun, nur dann hat es eben wenig mit „Female Empowerment“ zu tun.

  • Wer ausschließlich hochpreisige* Produkte anbietet, kann das Wort „Female Empowerment“ oder „Feminismus“ nicht in den Mund nehmen, ohne „Pinkwashing“ zu betreiben (= das Pflegen eines feministischen Images bei Handlungen, die diesem Image widersprechen).

Wie hochpreisige Produkte gerechtfertigt werden 

Wer selbst mal ein Business-Coaching macht, erfährt früher oder später am eigenen Leib: 

Es ist in den letzten Jahren geradezu verpönt geworden, bezahlbare** Kurse und Programme anzubieten. Business-Coaches haben eine Menge Argumente parat, warum wir als Selbstständige und Onlineunternehmer*innen unbedingt hochpreisige Produkte anbieten sollten. 

Hier die drei beliebtesten:

#1 „Wenn deine Angebote nicht hochpreisig sind, zeugt das vom ,falschen’ Money Mindset.“

Die Vorstellung, dass wir unser „richtiges“ Money Mindset unter Beweis stellen, wenn unsere Produkte hochpreisig sind, hält sich hartnäckig. Doch: WTF?!

Zunächst: Wer soll überhaupt entscheiden, was ein „richtiges“ und was ein „falsches“ Money-Mindset ist? Der Business-Coach? Und wenn ja – wie kommt er oder sie zu diesem Recht?

Unser Job als Selbstständige und Online-Unternehmer*innen ist es, Preise realistisch zu kalkulieren. So, dass unsere Ausgaben gedeckt sind und wir Gewinn machen können, den wir in Rücklagen, Vorsorge und Co. stecken können. 

Preise zu würfeln oder beliebige Zahlen aneinanderzureihen, nur damit der Preis ein bestimmtes Money Mindset an den Tag legt, „schön“ aussieht oder besonders „energetisch“ wirkt („7777 Euro“), ist nicht sehr verantwortungsbewusst gegenüber Menschen, die sich unter Umständen jeden Cent absparen, um sich ein hochpreisiges Produkt zu kaufen. Oder gar anfangen, sich zu verschulden, Kredite aufzunehmen oder Flaschen zu sammeln. (Ja, alles schon gehört.)

#2 „Verlange die Preise, die du wert bist.“

Die Verknüpfung von Geld und Wert ist ein besonders mächtiges Argument. Denn natürlich wollen wir alle wertvoll sein – und dass andere Menschen unseren Wert auf den ersten Blick anhand des Preises unserer Produkte sehen.

Doch die Verknüpfung von Geld und Selbstwert ist problematisch. 

Unser Wert als Mensch sollte überhaupt nichts mit Geld zu tun haben und unsere Finanzen sollten für unseren Selbstwert idealerweise überhaupt keine Rolle spielen. (Auch wenn das in der Praxis natürlich leichter gesagt als umgesetzt ist.)

Denn wenn Geld wirklich Ausdruck unseres Selbstwertes wäre, hieße das, dass …

  • … sich mein Wert als Mensch nach – je nach finanzieller Lage – ändert. Zum Beispiel, dass ich zu Beginn meiner Selbstständigkeit weniger wertvoll war als jetzt.

  • … der reichste Mann Deutschlands (Dieter Schwarz) 44,7 Milliarden Mal wertvoller ist als jemand, der überhaupt kein Vermögen hat und jeden Euro zweimal umdrehen muss.

  • … usw.

Ist es nicht so viel sinnvoller anzunehmen, dass unser Wert rein gar nichts mit Geld zu tun hat und dass wir, egal, ob unser Produkt 5, 50, 500, 5.000 oder 50.000 Euro kostet, einen unveränderlichen Wert als Mensch haben? 

Ich würde noch weitergehen und behaupten:

Ein Selbstwert, der von äußeren Faktoren wie Geld (wie dem Preis unserer Produkte) abhängig ist, ist ein Selbstwert, der einstürzt, sobald sich äußere Bedingungen ändern. Seinen Selbstwert an Geld zu koppeln, führt deshalb zu einem kontingenten Selbstwert – keinem echten. 

Stattdessen sollten wir unseren Selbstwert von äußeren Faktoren entkoppeln:

  • vom Umsatz

  • von der Anzahl der Kundinnen oder Followern

  • von Produktivität und von den abgehackten Punkten auf der To-do-Liste

  • und vielem anderen mehr, das die Hustle Culture uns erfolgreich eingeredet hat.

All diese Dinge sollten idealerweise überhaupt keine Rolle für unseren Selbstwert spielen.

#3 „Ob sich Menschen deine Programme leisten können, ist nicht deine Verantwortung.“

Ich finde: Auch als Selbstständige tragen wir gesellschaftliche Verantwortung. Das gilt umso mehr, wenn wir Reichweite haben und mit unseren Ansichten viele Menschen erreichen. 

Wir können – angesichts der vielen individuellen finanziellen Situationen, in denen Frauen sich befinden – vielleicht nicht die individuellen Situationen an sich lösen, ja. 

Doch wir tragen mit unseren unternehmerischen Entscheidungen dazu bei, dass sich bestimmte Strukturen und Systeme verfestigen – oder eben nicht.

Wenn wir zum Beispiel in unserem Marketing Frauen als defizitäres Wesen inszenieren und ihnen vermitteln, dass sie nicht gut genug sind, ihnen danach ein passendes hochpreisiges Coaching andrehen, das ihr vermeintliches Problem löst, und sie zusätzlich noch in einen Kredit treiben, weil wir Druck beim Verkaufsgespräch ausüben und keine Finanzierungsmöglichkeiten anbieten, können wir nicht einfach sagen: „Ist nicht mein Problem, wenn du dir das nicht leisten kannst.“

Dann sind wir das Problem.

Wie das Marketing für hochpreisige Produkte oft aussieht (und was es mit Female Empowerment zu tun hat)

Apropos Marketing: Gerade im Hochpreis-Coaching-Bereich werden eine Menge Marketingtaktiken, -tricks und -strategien an den Tag gelegt, die problematisch sind. Schauen wir sie uns im Einzelnen an.

Eigenen Lifestyle zur Schau stellen

Wenn jede*r plötzlich eine Personal Brand ist, heißt das auch, dass die Grenzen zwischen „privat“ und „beruflich“ verschwimmen. Für viele Coaches bedeutet das, Menschen auf Social Media hinter die Kulissen ihres Alltags mitzunehmen und ihnen die Errungenschaften ihres Erfolgs nach dem Motto „Mein Haus, mein Auto, mein Team“ zu präsentieren.

Wir sehen, wie sie vor ihrem Sportauto posen sich fotografieren lassen.

Oder mit ihrer Mastermind-Gruppe Privatjet fliegen. (Und es abfeiern.)

Oder in Luxushotels einchecken, die sich die meisten ihrer Follower niemals leisten können werden.

Oder ganz nach Dubai ziehen, weil sie dort kaum Steuern zahlen müssen dort jeden Tag die Sonne scheint.

Das soll in erster Linie zeigen: „Schau her, wie weit ich es gebracht hab! Schau her, wie erfolgreich ich bin! Schau her, was ich mir leisten kann!“

Doch es ist noch mehr:

Mythos Meritokratie

Diese Zurschaustellung des fancy Lifestyles wird in zweiter Linie genutzt, um in rosa-pastelligen Posts oder extrem „männlichen“ Inspirationszitaten, auf den Löwen abgebildet sind, mantraartig die immergleiche Botschaft zu teilen:

„Wenn ich das geschafft hab, schaffst du es auch!“ 

„Wenn Kundin X die Erfolge erzielt hat, kannst auch du erfolgreich werden!“

Das ist das typische neoliberale Narrativ, das Grundversprechen des Kapitalismus, der klassische American Dream: 

„Du kannst alles schaffen, was du willst, wenn du dich dafür anstrengst.“

Doch die Meritokratie ist – das gilt 2024 mehr denn je – ein Mythos. Es mag sein, dass ein gewisses Maß an Leistung sich positiv auf unser Leben auswirkt und dass wir sogar erfolgreich werden in dem, was wir tun. Doch entscheidender für die meisten Menschen ist laut Statistik immer noch, in welche Familie sie hineingeboren wurden.

Auch wenn Ausnahmen sicherlich die Regel bestätigen: Am wahrscheinlichsten ist das Szenario, dass nicht die „richtige“ Business- oder Marketingstrategie, das „richtige“ Mindset und erst recht nicht das „richtige“ Onlineprogramm Einfluss darauf hat, ob wir erfolgreich werden oder nicht, sondern unsere Herkunft.

Das ist traurig und ein Skandal, keine Frage. Doch es ist ein Fakt, den wir, wenn wir Marketing machen, auf jeden Fall kennen und beachten sollten und vor allem: nicht einfach das Gegenteil behaupten, weil es gerade so schön ins Marketing passt.

Wenig Verständnis für die Lebensrealitäten anderer Menschen

Mit dem Meritokratie-Mythos ist oft auch ein mangelndes Verständnis für die Lebensrealitäten anderer Menschen verbunden. Denn auch wenn Business-Coach Tobi, 23, es vielleicht nicht glauben mag, aber:

Für die meisten Menschen dieser Erde gibt es aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, körperlichen Verfassung, ihrem Aussehen oder sozioökonomischem Hintergrund gewisse Grenzen, Herausforderungen, Diskriminierungen oder Behinderungen. Da können sie noch so viel „wollen“ und „Affirmationen aufsagen“ und „an ihrem Mindset arbeiten“.

Ich erspare mir an dieser Stelle eine ausufernde Liste, doch nur so viel: Phrasen wie

„Ausrede“ 

„Falsches Mindset“

„Es ist leicht, das zu tun.“

sind nichts weiter als ein Zeichen der Privilegien derjenigen, die sie unreflektiert äußern, und sollten im Marketing 2024 nun wirklich nicht mehr verwendet werden. Erst recht nicht, um hochpreisige Coachings an die Frau zu bringen.

Druck und Psychospielchen

Du siehst vielleicht: Mit „Female Empowerment“ hat diese Art von Marketing nur wenig zu tun, denn es geht hier ja nicht darum, alle (oder möglichst viele) Frauen erfolgreich zu machen, sondern nur diejenigen, die bereit sind, diese hohen Preise zu zahlen.

Und da sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Wie bringen diese Business-Coaches Frauen eigentlich dazu, ihre Preise zu zahlen? 

Zunächst einmal, indem sie Menschen in einen ausgeklügelten Sales Funnel packen, aus dem es dank künstlicher Verknappung, Druck und FOMO kaum einen Weg mehr nach draußen gibt. 

Nicht selten werden zunächst neue Probleme, neue Bedarfe kreiert, die vorher so noch nicht da waren. 

Wir alle kennen diese Werbungen:

„Du wolltest schon immer schneller die Schuhe binden als deine Nachbarin? Mit MEINER METHODE kannst du sie in nur sieben Wochen um drei Sekunden übertrumpfen! Ich stehe jeden Morgen auf und bin überglücklich, weil ich weiß, wie ich mir mit der richtigen Methode die Schuhe binde – ich bin endlich ganz, geheilt, erleuchtet – und mit meinem nagelneuen Onlineprogramm ‚Erfolgreich Schuhebinden in 7 Wochen‘ kannst du es für nur 7777,- Euro nun auch! Aber weil ich WIRKLICH will, dass sich was bei dir ändert, habe ich dir meine wichtigsten Tipps in eine Masterclass gepackt, für die du dich JETZT kostenlos anmelden kannst. Aber SCHNELL, es melden sich so viele Menschen an, dass ich die Türen für mein automatisiertes Webinar BALD SCHLIESSEN muss! Also melde dich am besten jetzt sofort an, um ja NICHTS ZU VERPASSEN, und VERÄNDERE DEIN LEBEN für immer!“

Und wenn Menschen dann anbeißen – denn wer will nicht ganz, geheilt, erleuchtet sein? – und sich für die Masterclass anmelden, kommen sie in einen aggressiven Strudel aus Retargeting-Ads und Verkaufsmails. Und wenn sie dann einem 1:1-Verkaufsgespräch zustimmen, bekommen sie meist folgende Botschaften zu hören:

„Du musst Vertrauen haben!“

In den Coach. In die Methode. Ins Universum. Wenn du den Preis für das Coaching anzweifelst, hast du kein Vertrauen, und wie willst du mit dieser Einstellung überhaupt erfolgreich werden?

„Du musst in dich investieren!“

Wenn du zehntausend Euro für mein Coaching ausgibst in dich investierst, mit dem Wissen dann aber hunderttausend Euro verdienst, hast du das Geld schneller wieder drin, als du „Manipulation“ sagen kannst. Was, du brauchst eine Garantie? Guck doch mich und meinen Lifestyle an, Baby! Ich bin der beste Beweis dafür, dass du alles erreichen kannst, wenn du nur willst. Und überhaupt: Hast du denn überhaupt kein Vertrauen ins Universum?!

„Es geht nur mit meinem Programm!“ 

Du willst ohne mein Programm ein Business aufbauen / Marketing machen / erfolgreich werden / ein Trauma heilen? LOL. Viel Glück! Weißt du denn nicht, dass ICH bereits dort bin, wo du gerne sein möchtest? Dass ICH bereits alle Schritte gegangen bin, die noch vor dir liegen? Wenn du jetzt Geld für andere Kurse, Methoden oder Mentor*innen ausgeben würdest, wärst du schön blöd!

„Kein Geld ist eine Ausrede!“

Was, du hast kein Geld? Weißt du: Es ist nicht wirklich Geld, es ist nur das, was wir darüber denken. Für mich ist Geld einfach nur Energie. Energie fließt zu mir und wieder von mir weg. Ein natürlicher Lauf der Dinge. Jeder hat Energie – auch du!

Wenn du es wirklich wollen würdest, wenn du es wirklich ernst meinen würdest, dann würdest du deine Energie in mein Programm stecken. Ich habe Kunden, die nehmen sogar einen Kredit auf, weil sie ALL IN gehen.  

„Der Preis steigt!“ 

Entscheide dich schnell, denn der Preis steigt – täglich! Heute kostet das Schuhebinden-Coaching 7777,- Euro, morgen 8888,- Euro, übermorgen 9999,- Euro und in drei Tagen 123.456,- Euro. Warum? Weil ich es kann! 

Neben diesen Psychospielchen zeichnet sich das Marketing der Hochpreis-Branche oft durch mangelnde Transparenz aus.

Was nun genau im Coaching enthalten ist, welche Inhalte vermittelt werden oder wie eine Zusammenarbeit genau aussieht, wird oft unter Verschluss gehalten, denn: Du musst Vertrauen haben! Nachfragen oder gar Kritik äußern? Nicht erwünscht. 

Früher, als ich noch auf Social Media und insbesondere in Facebook-Gruppen unterwegs war, war ich oft live dabei, als kritische Kommentare gelöscht („Das hier soll ein positiver Ort sein!!!“) und Menschen, die nachfragten, zum Schweigen gebracht wurden.

Nicht selten entwickelte sich in diesen Gruppen eine merkwürdige Dynamik: Die Coachin, die für ihre Coachings einen sechsstelligen Betrag verlangte, als Marketing lediglich Fotos von sich im teuren Porsche postete und sonst nur wenig über die Inhalte des Coachings preisgab, wurde von den Facebook-Gruppen-Mitgliedern leidenschaftlich in Schutz genommen. Die Menschen hingegen, die nachfragten oder Kritik äußerten, wurden bloßgestellt („Das sagt ja viel über dein eigenes Mindset aus!!!“), beleidigt und – man könnte vielleicht sagen – letzten Endes rausgemobbt.

Merke: In der Coaching-Bubble dürfen Frauen anscheinend alles (Porsche fahren, sich teure Villen mieten, Privatjet fliegen, sechsstellige Preise für ihre Coachings verlangen) – außer kritisch nachzufragen.

Das ist nicht Female Empowerment. Das sind sektenartige Strukturen inkl. Brainwashing. 

Der Elefant im Raum: Wie können wir mit unseren Angeboten nun Frauen stärken?

Und doch gibt es einen Elefanten im Raum (er heißt Hugo), über den ich ebenfalls sprechen möchte. 

Denn natürlich ist es absolut fein, 

  • als Selbstständige oder Onlineunternehmer*in Geld für Beratung, Produkte, Coachings etc. zu bekommen (schließlich können wir alle nicht von Luft und Liebe leben)

  • ggf. auch viel Geld für Beratung, Coachings etc zu bekommen, weil viel von unserer Zeit, unserem Wissen, Können etc. in den Produkten steckt

  • und dabei gleichzeitig Frauen stärken zu wollen (schließlich ist das ein notwendiges Anliegen – wenn wir in dem Tempo so weitermachen, sind wir erst in 131 Jahren gleichberechtigt)

Die Frage ist: Wie können wir das tun, ohne dass es zu einem Widerspruch („Pinkwashing“) kommt?

Vielleicht so:

Wertschätzendes Marketing 

Wir könnten damit starten, Frauen in unserem Marketing wertschätzend zu behandeln, indem wir folgende Dinge – für mich inzwischen absolute Red Flags – vermeiden: 

  • Mangelnde Informationen über Ablauf, Inhalte und Preis des Coachings

  • Unhaltbare und pauschale Versprechen („Nach meinem Coaching hast du sechsstellige Launches“)

  • Heilversprechen, die laut HWG verboten sind 

  • Schwammige Versprechen wie „Transformation“ 

  • eine „Geheimstrategie“, die angeblich für alle funktioniert, unabhängig von ihrer individuellen Situation

  • Hohe Preise, die – selbst bei jahrelanger Erfahrung – jeglicher wirtschaftlicher Grundlage entbehren

  • Angel Numbers wie 7777,- Euro

  • Aggressives Marketing mit ausgeklügelten Funnels und Verkaufsmails

  • Schwammige Begriffe wie „Energie“ (im esoterischen Sinn, nicht im Sinne von „Kraft“), „Universum“ etc.

  • Gezieltes Auslösen von FOMO 

  • Aggressiven Einsatz von Testimonials

  • keine Zeit, um eine Nacht drüber zu schlafen 

  • Obsession mit Zahlen („Sechsstelliger Launch“, „Siebenstelliges Business“, „Zehntausend Follower“)

  • Lovebombing und keine Wahrung von Grenzen („Hallo du Liebe“, „Hallo mein Herz“)

In Strukturen denken, nicht in individueller Selbstverwirklichung

Auch wenn es schön ist, dass es einzelne Frauen „schaffen“ und erfolgreich werden mit dem, was sie tun, geht es im Feminismus darum, dass es alle (oder zumindest möglichst viele) Menschen „schaffen“. Unabhängig von ihrem Geschlecht, sexueller Identität, Herkunft, Behinderung etc. 

Nur wenn es für alle Menschen die gleichen Chancen gibt, haben wir es „geschafft“ – nicht wenn einzelne Frauen wie Sheryl Sandberg oder Angela Merkel mal für wenige Jahre an der Spitze eins Unternehmens oder Staates stehen, wir mal für ein paar Jahr einen Schwarzen Präsidenten im mächtigsten Land der Welt haben oder wenn hundert Onlineunternehmerinnen siebenstellig im Jahr verdienen. 

Denn auch der Trickle-down-Effekt, die Hoffnung, dass sich Geld, Macht oder was auch immer von „oben“ nach „unten“ verteilt, ist ein Mythos.

Deshalb muss die Frage nicht lauten: „Wie kann ich mit dem, was ich tue, einzelne (weiße, wohlhabende, hetero) Frauen dabei unterstützen, erfolgreich zu werden?“

Sondern: „Was kann ich für möglichst viele Frauen tun?“

Wie das aussehen mag, mag von Coach zu Coachin und Angebot zu Produkt variieren. Deshalb müssen wir anfangen, mehr darüber nachzudenken und zu reden und Dinge auszuprobieren.

(Und wie ich es persönlich handhabe, werde ich in einem separaten Blogartikel nächste Woche erzählen.)

Walk the walk

Es geht nicht darum, theoretisch für Female Empowerment zu sein, sondern das Gesagte auch in der Praxis umzusetzen, z.B. indem wir

  • die Frauen, mit denen wir zusammenarbeiten, angemessen und pünktlich bezahlen und wertschätzend 

  • für Diversität sorgen, sollten wir ein Team haben

  • in unserem Marketing Frauen nicht als defizitäres Wesen inszenieren

  • etc.

Nur wenn das, was wir nach außen kommunizieren, zu dem passt, was wir in unserem Unternehmen leben, können wir guten Gewissens behaupten:

Mir ist die Stärkung von Frauen ein Herzensanliegen.


Anmerkungen

*Mir ist natürlich bewusst, dass „hochpreisig“ ein höchst subjektiver Begriff ist, der für jede*n etwas anderes bedeutet. Ich verstehe in diesem Text unter „hochpreisig“ einen Preis, den sich eine Frau mit einem Durchschnittsgehalt in Deutschland statistisch nur schwer leisten könnte.

**Dasselbe gilt für „bezahlbar“.

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Einmal Achtsamkeit und zurück: Ein kritischer Blick auf die Achtsamkeitsbubble

Achtsamkeit kann eine hilfreiche Praxis fürs Individuum sein, doch sie ist im Kern unpolitisch. Denn wenn jeder vor sich hin meditiert, journalt oder affirmiert – wer geht dann auf Demos und setzt sich für gesellschaftlichen Wandel ein? Im Blogartikel werfe ich einen kritischen Blick auf die Achtsamkeitsbewegung.

Als ich mich 2020 von Social Media verabschiedete, war ich vor allem eins: müde. 

Jahrelange Dauerpräsenz in den sozialen Medien hat dafür gesorgt, dass ich keine Wochenenden, Feierabende oder Urlaub mehr hatte und den Kontakt zu mir und meinen Bedürfnissen (fast) verlor.

Und als ich – gerade nochmal rechtzeitig, bevor ich „so richtig“ erkrankte – die Reißleine zog, war Achtsamkeit wie ein Rettungsboot. Vor allem mit …

  • der Erinnerung, meine Bedürfnisse, Gefühle und meinen Atem wieder in den Fokus zu nehmen und radikal zu akzeptieren, was ich da finde.

  • den vielen hilfreichen Gewohnheiten, mit denen ich besser abschalten und in Balance bleiben konnte.

  • der Verbindung, die ich wieder zu mir bekam, nachdem Instagram und Co. mir das jahrelang abtrainierten.

Hätte ich damals die Achtsamkeit nicht entdeckt – wer weiß, was passiert wäre? 

Deshalb habe ich auch auf dieser Website hin und wieder über Achtsamkeit geschrieben und zwei Jahre lang eine Mastermind für „Achtsames Marketing“ angeboten. 

Doch irgendwann – ich kann gar nicht genau sagen, wann das war – begann ich, die vielen Probleme zu sehen, die es in der Achtsamkeitsbubble gibt. Und in mir entstand der Wunsch, mich von dieser Bubble zu distanzieren.

Aber der Reihe nach:

Achtsamkeit kann eine hilfreiche Praxis fürs Individuum sein

Noch immer halte ich eine achtsame Haltung gegenüber sich selbst, anderen Menschen und dem Planeten für eine wunderbare Art und Weise, durchs Leben zu gehen. Einen Blick dafür zu haben, was wir, andere Menschen und unsere Welt brauchen – das kann aus jeder erdenklichen Perspektive nur sinnvoll sein.

Deshalb finde ich die Grundgedanken der Achtsamkeit immer noch wichtig und richtig – auf einer individuellen Ebene.

Jedes Individuum darf für sich entscheiden, welche der vielen Werkzeuge, die das Konzept der Achtsamkeit bietet, hilfreich sind, um in Kontakt mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen zu kommen (oder zu bleiben). 

Das kann Meditation sein oder Yoga. Journaling oder Affirmationen. Spezielle Atemtechniken oder Dankbarkeitstagebücher. Doch das kann auch etwas ganz anderes sein.

„Ich dachte von dir immer, du meditierst jeden Morgen und schreibst in einem Dankbarkeitstagebuch und so Sachen“, sagte mal eine Kollegin zu mir. Da musste ich doch sehr lachen.

Mein Alltag ist mehr Heavy Metal als Meditation. Und ich lese öfter seichte Romane, als dass ich in ein Dankbarkeitstagebuch schreibe. Dennoch fühlt sich das für mich im Großen und Ganzen nach einem „achtsamen“ und präsenten Leben an – auf meine eigene Weise eben.

Doch egal, wie eine Achtsamkeitspraxis nun im Einzelnen aussehen mag, sie hat Grenzen – und genau das ist das erste Problem, auf das ich auf meiner Achtsamkeitsreise gestoßen bin:

Die Achtsamkeitsbubble ist im Kern unpolitisch

Wenn jetzt jede*r vor sich her meditiert, journalt und affirmiert – wer stürzt dann das Patriarchat? Wer setzt sich gegen Neonazis ein und für Demokratie? Wer geht auf Demos?

„Du hast selbst die Wahl, ob du das Geschirrspülen genießt oder dich darüber aufregst“, hab ich sinngemäß mal in einem Achtsamkeitsbuch (von einem Mann geschrieben) gelesen. Wirklich? Und zu den gesellschaftlichen Strukturen, die Frauen mehr Geschirrspülen als Männern aufbürden, gibt es dann rein gar nichts mehr zu sagen? Schon praktisch.

Natürlich will ich damit nicht sagen, dass Achtsamkeit und gesellschaftlicher Wandel oder Aktivismus sich grundsätzlich ausschließen. Grundsätzlich ist natürlich auch vorstellbar, dass jemand morgens meditiert und abends ehrenamtlich geflüchteten Menschen hilft. 

Doch in der Praxis hat ein Tag nun mal 24 Stunden und wenn ich diese Stunden damit verbringe, mir passende Apps für meine Achtsamkeitspraxis rauszusuchen, habe ich möglicherweise weniger Zeit, Energie und Headspace, um mich mit anderen Themen zu beschäftigen.

Mir ging es zumindest so.

Ich war lange Zeit in dieser Ommmm-Blase gefangen und so mit Ein- und Ausatmen beschäftigt, dass ich nicht mehr wahrnahm, was da um mich in der Welt alles passierte.

Spiritual Bypassing nennt sich das und meint, dass alles „Negative“, was einem auf dem erleuchteten Weg stört, aus dem Leben eliminiert wird.

„Ich konsumiere schon seit X Jahren keine Nachrichten mehr“ ist in diesem Zusammenhang eine Auszeichnung, mit der immer noch (zu) viele Achtsamkeitscoaches prahlen und „Was, du liest immer noch Nachrichten?“ eine Frage, die Menschen sofort in eine Rechtfertigungsposition bringt und den Eindruck erweckt, dass sie halt „selbst Schuld“ daran sind, wenn ihnen angesichts der Weltlage mal nicht die Sonne aus dem Popo scheint.

Doch wir können es uns nicht mehr erlauben, unpolitisch zu sein – auch als Selbstständige*r. 

Denn die Demokratie und die Werte, für die wir als Gesellschaft stehen, werden gerade ernsthaft bedroht. Das ist keine Übertreibung. Und das ist keine Übung. 

Gerade in letzter Zeit passieren Dinge, die 2024 wirklich nicht mehr passieren sollten.

Das hier zum Beispiel.

Oder das hier.

Wir können es uns nicht mehr erlauben, uns in unser stilles Kämmerlein einzusperren und den Weltschmerz wegzuatmen oder ihn gar nicht mehr an uns ranzulassen. Wir müssen laut und aktiv werden – jetzt.

Für mich haben soziale Medien, die Hass, Hetze und Falschinformationen mit Reichweite belohnen und die Möglichkeit zu Mikrotargeting bieten, einen großen Anteil daran, dass Europa und Deutschland wieder nach rechts rücken. Deshalb „nerve“ ich weiterhin Menschen mit diesem Thema und werde nicht müde, darüber auf dem Blog und im Newsletter zu schreiben oder auf dem Podcast zu sprechen. 

Es wird viel Unfug im Namen der Achtsamkeit getrieben

Kennt eigentlich noch jemand die Ursprünge der Achtsamkeit? Sie liegen im Buddhismus und ganz wichtig: Achtsamkeit ist dort keine herausgelöste, für sich stehende Technik, sondern eingebettet in Fragen der Ethik

Löst man Achtsamkeitstechniken nun völlig aus ihrem Kontext, geht das nicht immer gut. 

Die Achtsamkeitsbubble ist – wie vermutlich jede Bubble – wild durchmischt. Reflektierte Achtsamkeitsansätze sind genauso Teil der Bewegung wie pseudowissenschaftliche, esoterische oder allgemein völlig unkritische Ansätze.

Ich bin mehr als einmal mit Menschen in Kontakt gekommen, die wirklich wilde Theorien vertraten, und ich musste höllisch aufpassen, dass ich nicht zu tief in den Kaninchenbau falle und auf einer Seite auftauche, auf der ich eigentlich gar nicht sein will.

Wo Achtsamkeit draufsteht, ist auch nicht immer Achtsamkeit drin. Wenn große Unternehmen mit ausbeuterischen Strukturen der Belegschaft ein Achtsamkeitstraining spendieren, aber nichts an den Strukturen ändern, ist das genauso, wie wenn ein Unternehmen sich ein grünes Image aufbaut, während es weiterhin munter die Umwelt verschmutzt: ein Widerspruch, den man Achtsamkeitswashing nennen könnte.

Und dann so zu tun, als wäre das Individuum dafür verantwortlich, dass es ihm in ausbeuterischen Strukturen gut geht, setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf. 

Nicht nur große Unternehmen, sondern auch namhafte Achtsamkeitscoaches sind davor nicht gefeit. Achtsamkeit ist eben zur lukrativen Nische geworden und manch eine*r scheint zu denken, dass der Zweck die Mittel heiligt.

Überhaupt ist die Achtsamkeitsbewegung extrem kompatibel mit der Hustle Culture und der neoliberalen Logik: Statt Strukturen zu verändern, geht es darum, dass das Individuum durch Atemtechniken und Co. besser mit Hustle Culture zurechtkommt. 

Im Grunde bleibt also alles so, wie es ist, nur dass ich abends etwas besser einschlafen kann …

Achtsamkeit und ich

Fazit: Auf einer individuellen Ebene kann Achtsamkeit eine wunderbare Möglichkeit sein, mit der VUCA- oder sogar BANI-Welt zurechtzukommen. Und wen soziale Medien überfordern, findet eine Menge Werkzeuge, die dabei helfen können, seine Bedürfnisse zu spüren und wieder in Balance zu kommen.

Doch – und das ist für mich das Entscheidende – was passiert dann?

  • Gehe ich – gestärkt durch meine Achtsamkeitspraxis – mit meinen Themen nach draußen, suche Verbindung zu anderen, versuche gezielt, etwas in der Welt zu verändern? Werde ich aktiv?

  • Oder kapsel ich mich ab, rede mir ausbeuterische gesellschaftliche Strukturen schön und lasse überhaupt keine Weltereignisse mehr an mich heran? Geht es mir nur noch um „Good Vibes“? Verfestige ich sogar ausbeuterische Strukturen, indem ich ausnahmslos dem Individuum die volle Verantwortung für sein Wohlergehen zuweise, und ihm sage „Meditieren ist die Lösung“?

Ich will jedenfalls nicht zu dieser zweiten Gruppe gehören. Oder auch nur den Anschein erwecken, dass ich unter Umständen zur zweiten Gruppe gehören könnte. Das tue ich nämlich nicht.

Ich will von Social Media erschöpften Menschen nicht sagen: „Atme den Social-Media-Stress doch einfach weg.“ 

Ich will ihnen vielmehr zeigen, wie die Strukturen sozialer Medien überhaupt erst zu dieser Erschöpfung beitragen. Und dass es eine valide Möglichkeit ist, Social Media zu kritisieren, zu boykottieren und vielleicht sogar zu verlassen.

Deshalb wird Achtsamkeit weiterhin ein Teil meines privaten Lebens bleiben, aber es wird nicht (mehr) das sein, worum all meine Gedanken kreisen und worum es hier auf meiner Website gehen soll. Dafür ist mir der gesellschaftspolitische Aspekt an Social Media zu wichtig.

Und ist Marketing, das ethisch ist und nicht mit der Psyche der Menschen spielt, nicht automatisch auch achtsam? Marketing, das Achtsamkeit in den Mittelpunkt stellt, muss umgekehrt nicht immer ethisch sein …

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Kommunikationstipps für Selbstständige von Rhetoriktrainerin Beatrix Schwarzbach

Wie kommunizieren Selbstständige erfolgreich mit ihren Kund*innen, als Speaker*in oder in ihrem Podcast? Ich habe Rhetoriktrainerin Beatrix Schwarzbach interviewt und sie nach Kommunikationstipps und Rhetoriktipps gefragt.

Beatrix Schwarzbach ist Kommunikations- und Rhetoriktrainerin. Sie fasziniert die Frage, wie Menschen sich optimal ausdrücken und einander wirklich verständlich machen können. Außerdem liebt sie es, mit Menschen an ihrer Bühnen-Performance und ihrer Auftrittswirkung zu arbeiten. Mehr zu ihrer Arbeit findest du auf ihrer Website.


Liebe Beatrix, wer Marketing macht, will natürlich, dass Marketing Wirkung zeigt. Doch wie können wir andere Menschen von uns überzeugen, ohne Druck auszuüben oder gar zu manipulieren? Was ist deine Position als Rhetoriktrainerin dazu?

In der Rhetorik ist das Thema „Überreden oder Überzeugen“ ein Dauerbrenner. Meine Position dazu ist diese: Wenn wir eine andere Person zu etwas überreden, dann benutzen wir Druck; wir ziehen an ihr, schubsen, schieben oder versuchen immer noch ein Argument mehr zu liefern. 

Das kann natürlich dazu führen, dass das Gegenüber kurzfristig in unserem Sinne handelt (etwas kauft, etwas bucht oder eine andere gewünschte Handlung vollzieht) – doch wenn wir jemand anderen zu etwas überreden, wird immer so eine Art Restwiderstand bleiben. Eine innere Haltung von: „Das ist nicht so, wie ich das wollte. Das ist nicht meins.“ Daraus entstehen später oft Konflikte oder der Eindruck, dass die Zusammenarbeit einfach nicht so richtig gut läuft. 

Wenn wir jemand anderen jedoch von etwas überzeugen, dann kommt die andere Person freiwillig, aus eigener Entscheidung, auf unsere Seite. Es ist so, als wäre da eine Brücke, über die das Gegenüber aus freien Stücken zu uns auf die andere Uferseite marschiert. Das führt zu einer inneren Haltung von: „Das ist meine eigene Entscheidung und ich stehe dahinter.“

Auf Marketing übertragen, denke ich, sollte das bedeuten: Tue alles, was du kannst, damit du gut gefunden wirst und sich Interessierte optimal über dein Angebot informieren können. Tue alles, damit sie dich kennenlernen und einschätzen können. Strecke die Hand aus, baue Brücken. Sei aufmerksam, ob du etwas „zu sehr“ willst und vielleicht mehr anschiebst, als sinnvoll und gesund ist. Innerer und äußerer Druck sind Warnsignale. 

Sei da, sei erreichbar, hab Geduld.
Die richtigen Leute kommen zu dir. 

Und schließlich ist es auch am einfachsten, schönsten und nachhaltigsten, mit Menschen zu arbeiten, die sich wirklich von sich aus dafür entschieden haben. 

Viele Selbstständige haben einen Podcast – wie können sie beim Sprechen ihre Kompetenz hörbar machen?

Damit Kompetenz hörbar wird, dürfen beim Sprechen einige Dinge zusammenwirken.

Zum einen überträgt sich Kompetenz durch strukturiertes Sprechen. Das kann bei einem Podcast bedeuten: eine klare Einleitung und Hinführung zum Thema. Aussprechen der Agenda. Strukturiertes Durchleiten durch die Infoblöcke, die eigenen Gedanken oder das Interview. Zusammenfassung und erinnerungswürdigen Abschluss. Das alles klappt natürlich nur durch eine gute Vorbereitung. 

Hilfreich kann sein, sich immer wieder diese Frage zu stellen: Als WER spreche ich heute zu WEM aus welchem ANLASS und mit welchem ZIEL? 

Zum anderen überträgt sich Kompetenz-Wirkung sprecherisch so: Variables Sprechtempo (nicht nur schnell oder nur langsam, sondern situativ angemessen), deutliche Pausensetzung, eher kurze Sätze. Am Ende eines Satzes sollte dieser Satzabschluss auch hörbar sein: Die Stimmmelodie geht nach unten; die Stimme in die Lösungstiefe. 

All diese sprecherischen Parameter suggerieren dann auf der sogenannten paraverbalen Ebene: „Ich weiß wirklich, wovon ich spreche.“ Und das wird als kompetent wahrgenommen. 

Die einfachste Art, das sprecherisch umzusetzen, ist: Klare Pausen machen und damit das Gesagte wirken lassen. 

Porträtbild von Beatrix Schwarzbach
 

Hast du einen Trick, wie wir Füllwörter wie „eigentlich“, „eben“ usw. beim Sprechen loswerden können? Ich frage für eine Freundin.😅

Um Füllwörter loszuwerden, muss uns erstmal bewusst werden, welche wir benutzen – und wann. Das kann durch eine wertschätzende Rückmeldung von Kolleg*innen oder Partner*innen passieren – oder eben im Rhetoriktraining. Manchmal macht es auch Sinn, sich eine eigene, längere Sprachnachricht nochmal anzuhören. 

Viele Füllwörter schleichen sich ein, wenn wir die eigenen Aussagen abschwächen (oder manchmal auch verstärken) wollen, um etwa nicht zu „streng“ oder direktiv rüberzukommen. Das folgt dann dem Motto: Bloß niemandem auf die Füße treten. Beispiele sind Wörtchen wie die von dir oben erwähnten: Eigentlich, tatsächlich, sozusagen, wirklich … 

Andere Füllsel sind „äähm“ oder auch „genau“. „Ähm“ ertönt oft am Anfang eines Sprechabschnitts oder in Pausen, in denen der Satz weitergedacht wird. Dieser Laut liegt also über einem Denkprozess drüber. „Genau“ wiederum ist wie das rückwärtige Nachdenken am Ende eines Sprechabschnitts; verbunden mit der inneren Frage: „Habe ich alles gesagt, was ich sagen wollte?“

Nach einer ersten Rückmeldung und Analyse können wir lernen, uns selbst beim Sprechen genauer zuzuhören, Pausen auszuhalten – und mit mehr Sicherheit zu formulieren. Meistens bringt auch ein intentionaleres, zielgerichteteres Sprechverhalten (für WEN spreche ich?) viel. Klar verstehe ich den Wunsch nach einem schnellen Trick: Doch die Füllwörter sind auch nicht plötzlich in unsere Sprache reingekommen, sondern wurden hinein-wiederholt, so lange, bis wir sie gar nicht mehr bemerken. 

Um sie wieder loszulassen, braucht es Bewusstheit – und etwas Übung in die andere Richtung: durchatmen, denken, sprechen. 

Mir persönlich ist Smalltalk ja immer ein Graus. Doch gerade als Selbstständige kommen wir nicht immer drum herum, z.B. auf Netzwerkveranstaltungen. Wie wird Smalltalk für alle Beteiligten entspannter – und wirkungsvoller?

Ich kann dich da total verstehen – auch ich habe früher tendenziell versucht, Smalltalk-Situationen aus dem Weg zu gehen. Ich unterhalte mich einfach gerne „tiefer“ mit Menschen. 

Hilfreich kann sein, wenn wir uns klarmachen, dass es beim Smalltalk nicht darum geht, Daten und Fakten auszutauschen oder sich selbst anzupreisen, sondern eine wirkliche Verbindung zu den Menschen herzustellen. 

Das klappt am besten, wenn wir mit einer inneren Haltung von Neugier oder Interesse in diese Netzwerk-Situation hineingehen. Wer ist da? Wer sind die anderen? Am Anfang meiner Selbständigkeit habe ich mir für jede Netzwerkveranstaltung auch vorgenommen: Ich werde mindestens mit einer Person wirklich sprechen.

Ein Startpunkt können gemeinsame Beobachtungen in der Situation sein: Die liebevoll hergerichtete Location, die toll dekorierten Brownies, der inspirierende Input der Gastgeberin. Dann hat man einen gemeinsamen, situativen Nenner und muss nicht sofort fragen: „Und, was machst du so?“

Smalltalk ist eine Chance, etwas über andere zu erfahren – und sich auf leichte, positive Art mit ihnen zu verbinden. Ich habe bis heute Kontakt zu zwei Frauen, die ich auf den ersten beiden Netzwerkveranstaltungen getroffen habe, zu denen ich als neue Selbständige gegangen bin. Ein Netzwerk baut sich nicht über Masse auf, sondern über wirklichen Kontakt zu einzelnen Menschen. 

Spätestens seit Covid sind Videokonferenzen aus dem Arbeitsalltag von Selbstständigen nicht mehr wegzudenken. Inwiefern sollte ich in Videokonferenzen auf meine Körpersprache achten? Und wie kann ich souverän mit Zwischenfragen umgehen?

Bei Videokonferenzen auf Körpersprache zu achten, ist sehr wichtig! Die Kamera „schluckt“ viel von der Wirkung und Präsenz, und da sollte sehr bewusst gegengesteuert werden. Alles fängt mit der optimalen Ausrichtung der Kamera an: Du solltest vom Scheitelpunkt bis etwa zum oberen Brustbereich gut sichtbar sein. Die Kamera sollte so eingestellt sein, dass du „auf Augenhöhe“ reinsehen kannst, damit direkte Blicke in die Kamera gut möglich sind. Damit bekommen wir zwar noch immer keinen wirklichen Blickkontakt hin, aber die Wirkung ist so ähnlich wie „in echt“. 

Dann solltest du mit den Armen nicht am Tisch kleben, sondern etwas Raum vor dir haben, damit auch Gestik möglich ist und du deine Worte wirkungsvoll mit Arm-Hand-Bewegungen unterstreichen kannst. Außerdem sollten leichte ganzkörperliche Bewegungen sowohl nach vorne in Richtung Kamera als auch nach hinten zur Stuhllehne möglich sein. So lässt sich in einem Meeting auch nonverbal kommunizieren: „Ich will dazu etwas sagen.“ vs. „Ich bin fertig und lehne mich zurück.“

Außerdem achte darauf, dass die Lichtverhältnisse so gut sind, dass die Mimik optimal erkennbar ist. Hier lohnt es sich, mit einem Ringlicht zu arbeiten. 

Zwischenfragen sehe ich erstmal immer sehr positiv: Meistens entspringen sie auf Publikumsseite einem Wunsch nach mehr Wissen, nach mehr Verständnis. Es ist schlau, sie kurz und klar zu beantworten, damit dann alle weiterhin dabei sind und mitkommen. Dennoch kann eine Zwischenfrage auf Sprecher*innen-Seite erstmal irritierend wirken. Hier hilft klare Metakommunikation, um Orientierung für sich und andere zu schaffen: „Ich habe Ihre Frage gesehen.“, „Ich führe noch diesen Gedanken zu Ende.“ (...) „Vorhin waren wir gerade bei Punkt XY, da steige ich jetzt wieder ein …“ 

Und was ist, wenn Kommunikation mal nicht so gut läuft? Kann ich Schlagfertigkeit eigentlich üben? Oder bin ich als introvertierter oder schüchterner Mensch für immer dazu „verdammt“, den Kürzeren zu ziehen?

Jaaa, Kommunikation lässt sich üben. Schlagfertigkeit lässt sich üben. 

Wenn Kommunikation nicht gut läuft, hilft es, erstmal das Ganze in den Blick zu nehmen: Was waren die jeweiligen Ziele in der Sprechsituation? Wo sind vielleicht verschiedene Bedürfnisse miteinander kollidiert? Mit welcher kommunikativen Strategie hätten wir klarer zusammengefunden? 

Erfolgreiche Kommunikation bedeutet ja nicht, dass sich einfach das bessere Argument durchsetzt. Vielmehr ist es immer ein Prozess des Verstehens - und Verstanden-Werdens. Und das kann auf der Strategie-Ebene bedeuten, dass sich Zuhören und Sprechen, Reden, Fragen-Stellen, das Wiederholen in eigenen Worten, abwechseln. 

Und wenn es um Schlagfertigkeit geht, dann würde ich sagen: Nicht für alle ist schnelles Kontern die ideale Strategie. Es gibt so viele Techniken mehr! Gerade introvertierte oder schüchterne Menschen sollten verschiedene Ansätze ausprobieren und die, bei denen es „Klick“ macht, verfeinern. Manchmal ist es auch sehr wirkungsvoll, eine schwierige Aussage in eigenen Worten zu wiederholen, um einen „Puffer“ zu schaffen zwischen Reiz und Reaktion – und dann erst das eigene Statement anzuschließen. 

Und was empfiehlst du bei Redeangst oder Lampenfieber?

Wichtig bei Sprechängsten ist erstmal der Wille, sich damit auseinanderzusetzen und wirklich etwas zu verändern, um aus etwaigem Flucht- oder Vermeidungsverhalten rauszukommen. (Lampenfieber beschreibt eine mildere Form der Aufregung, die die meisten Menschen gut abfedern können und die nicht dazu führt, sich vor einer Sprechsituation zu drücken.)

Akzeptanz der Angst hilft: „Ah, da ist Angst. Es ist mir wichtig, dass ich heute gut ankomme.“

Außerdem ist es sinnvoll, sich mit dem eigenen Körperausdruck in so einer Stress-Situation zu beschäftigen: Lernen, trotz der Anspannung Blickkontakt aufzubauen und Gestik zu benutzen, sowie eine präsente Haltung einzunehmen. 

Und dann hilft natürlich Übung: Eine bevorstehende Präsentation mehrmals durchsprechen oder lernen, strukturierter zu sprechen. Außerdem ist es gut, sich Feedback einzuholen und der Frage nachzugehen: Wieviel von der innerlich so bedrängenden Angst dringt denn wirklich nach außen? Oft lässt sich dann nämlich feststellen, dass die äußere Wirkung ganz anders ist – und daraus kann dann eine neue Sprech-Sicherheit entstehen. 

Ich merke, dass viele Menschen anfangen, sich mit der Redeangst zu beschäftigen, wenn die Kosten der Vermeidung zu groß werden oder wenn etwas wirklich Wichtiges ins Haus steht: Die Einladung zu einer Podiumsdiskussion oder in einen Podcast, der Vortrag bei einer Netzwerkveranstaltung. Das sind super Gelegenheiten, um die Redeangst anzugehen und an dieser neuen Herausforderung zu wachsen. Also: Alles zusagen, sich genau vorbereiten – und als Chance begreifen! Und dann natürlich: Den Erfolg feiern und sich so eine neue Historie von toll bewältigten Sprechsituationen aufbauen. 

Wie können Selbstständige mit „schwierigen“ Kund*innen umgehen und was können sie konkret bei Beleidigungen oder Angriffen tun?

„Schwierige“ Kund*innen können natürlich eine Herausforderung sein. Ich denke, im ersten Schritt kann es hilfreich sein, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen. Das kann durch Fragen passieren, durch genaues Zusammenfassen des Gehörten, durch besonders verständliches Sprechen (kurz, strukturiert, die Frage beantwortend: „Was hast du davon, wenn du mir zuhörst / mir in meiner Lösung des Problems folgst?“). 

Die meisten Menschen fühlen sich unwohl, wenn Konflikte hochkochen oder die Dinge schwierig werden. Doch wenn Sichtweisen kollidieren, dann stecken oft verschiedene Zielvorstellungen oder auch unerfüllte Bedürfnisse dahinter. Ein klärendes Gespräch sollte also immer der erste Schritt sein. Auch, um die „Beziehungsebene“ zu sichern, ist es wichtig, eine Lösung zu finden.

Wenn dann dennoch Beleidigungen, Angriffe, Schuldzuweisungen den Gesprächsverlauf bestimmen, dann gilt es, klare Grenzen zu setzen: „Das ist ein Angriff.“ / „Mir gefällt der Tonfall in diesem Gespräch nicht.“ / „Diese Anschuldigung weise ich zurück.“  Vertritt deine Grenzen am besten mit klarer, fester Stimme und einem präsenten Körperausdruck. Danach solltest du eine Vorstellung haben, wie es weitergehen soll: Willst du die Zusammenarbeit nochmal auf andere Füße stellen? Sollen Aufgabenbereiche modifiziert werden? Was ist dein Ziel in diesem Gespräch? 

Was ich meinen Klient*innen rund um das Thema eskalierende Gesprächssituationen auch immer zu vermitteln versuche: Wenn es auf der anderen Seite keine wahrnehmbare Gesprächsbereitschaft gibt, dann ist es auch ein (letztes) Mittel, das Gespräch abzubrechen. Niemand muss sich beleidigen oder angreifen lassen. 

Vielen Dank für das Interview, liebe Beatrix!

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Was Emotionsarbeit mit unserer Selbstständigkeit zu tun hat

Was ist Emotionsarbeit, was hat das mit Selbstständigkeit, Social Media und Dienstleistungen zu tun und wie können wir mit den Auswirkungen und Herausforderungen von Emotionsarbeit zurechtkommen?

Hast du schon einmal locker, flockig in die Kamera für eine Instastory gesprochen und so getan, als wärst du bester Laune, obwohl dir gerade eigentlich eher nach Heulen zumute war?

Warst du schon einmal freundlich zu einem Kunden, obwohl du ihn aufgrund seiner problematischen Aussagen am liebsten zum Mond geschossen hättest?

Hast du auch schon mal eine Kollegin angelächelt, obwohl dir gerade gar nicht nach lächeln war?

Wenn du diese oder ähnliche Situationen schon einmal erlebt hast, dann hast du bereits Bekanntschaft mit Emotionsarbeit gemacht.

Was Emotionsarbeit ist, was es mit der Selbstständigkeit und Social Media zu tun hat und warum es so wichtig für Selbstständige ist, sich der geleisteten Emotionsarbeit bewusst zu werden, möchte ich in diesem Blogartikel zeigen.

Was ist Emotionsarbeit?

Emotionsarbeit ist ein Konzept, das in der Soziologie und Psychologie eine immer größere Bedeutung erlangt. Im Kern geht es um die Anstrengungen, die eigenen Gefühle zu kontrollieren, auszudrücken oder zu modifizieren, um sozialen Erwartungen gerecht zu werden.

Emotionsarbeit tritt in verschiedenen Bereichen des Lebens auf: auf der Arbeit, in der Partnerschaft, in der Eltern-Kind-Beziehung oder auf Social Media.

Emotionsarbeit als Selbstständige

Gerade in Dienstleistungs- und Serviceberufen haben Selbstständige häufigen Kontakt zu anderen Menschen. Per E-Mail, in Zoom, auf Social Media oder persönlich. Und natürlich geht diese Arbeit mit verschiedensten emotionalen Zuständen einher:

  • Manchmal geht es uns gerade nicht gut. (Wir fühlen uns traurig, wütend, gestresst, leer oder irgendwas dazwischen.)

  • Manchmal geht es unserem Gegenüber nicht gut (Er fühlt sich traurig, wütend, gestresst, leer oder irgendwas dazwischen.).

Doch egal, wie es uns oder unserem Interaktionspartner geht – die meisten Selbstständigen bemühen sich in solchen Situationen, professionell zu bleiben und das heißt: freundlich, empathisch, zurückhaltend.

Und so haben wir selbst in Zeiten größter persönlicher Herausforderungen ein Lächeln für unsere Kund*innen übrig. Oder bleiben ruhig, selbst wenn es – angesichts eines doofen Spruchs – innerlich in uns tobt.

Emotionsarbeit auf Social Media

Auch auf Social Media findet Emotionsarbeit statt.

Jemand findet in einem Kommentar nicht gerade nette Worte für uns – wir schlucken’s runter und versprühen weiterhin „Good Vibes“.

Und auch der Druck, ständig glücklich, erfolgreich und positiv zu erscheinen, führt zu einer verstärkten Emotionsarbeit, denn – surprise, surprise – wir sind nicht jeden Tag glücklich, erfolgreich und positiv.

Es gibt viele weitere Formen emotionaler Arbeit auf Social Media:

  • Vergleich: Wir vergleichen jeden Aspekt unseres Berufslebens mit anderen und müssen mit Gefühlen wie Unzulänglichkeiten klarkommen.

  • Inszenierung: Wir stellen uns anders da, als wir wirklich sind. Manchmal ist die Abweichung minimal. Manchmal etwas größer. Was macht das mit unseren Gefühlen?

  • Bewertungen: Likes oder keine Likes, positive, negative oder gar keine Kommentare. Wir werden auf Social Media ständig bewertet – das ist nicht immer angenehm. Kritik oder Anfeindungen erfordern emotionale Resilienz.

  • Erwartungen: Was, wie und wie oft wir posten – unsere Follower haben ganz konkrete Erwartungen und lassen es uns öfter auch wissen, wenn wir ihre Erwartungen enttäuscht haben. Wie geht es uns dabei? Reden wir mit jemandem darüber?

  • Privatsphäre: Selbstständige müssen ständig entscheiden, wie viel von sich selbst sie auf Social Media zeigen wollen. Das erfordert Emotionsarbeit.

Andere Formen der Emotionsarbeit

Auch eine Migrationsgeschichte kann bedeuten, zusätzliche Emotionsarbeit leisten zu müssen. Neben Marketing, Buchhaltung und der Zusammenarbeit mit Menschen geht es bei Selbstständigen mit Migrationsgeschichte oft auch darum, aktuelle Ereignisse wie Krieg und Krisen zu verarbeiten oder mit Traumata umzugehen.

Auch aus feministischer Perspektive ist Emotionsarbeit wichtig. Denn es sind häufig Frauen, die – in der Familie oder im Büro – Streit schlichten, vermitteln oder für Harmonie sorgen.

Die Auswirkungen von Emotionsarbeit

Warum ist es für Selbstständige nun so wichtig, über Emotionsarbeit Bescheid zu wissen?

Zunächst einmal: Weil Emotionsarbeit auch Arbeit ist. Selbst wenn sie nicht bezahlt, nicht wertgeschätzt und oft auch nicht gesehen wird, erfordert Emotionsarbeit unsere Zeit, Energie und manchmal auch Geld.

Das kann dazu führen, dass wir uns müde fühlen, ja regelrecht erschöpft und ausgebrannt. Selbst wenn wir nicht viele Termine haben und eigentlich nur im Homeoffice arbeiten.

Eng mit der Emotionsarbeit verknüpft ist auch das Konzept der emotionalen Dissonanz.

Emotionale Dissonanz tritt auf, wenn es eine Spannung gibt zwischen den tatsächlichen Emotionen und den Emotionen, die gezeigt oder ausgedrückt werden.

Klassisches Beispiel: Aufgrund einer Trennung oder eines Todesfalls ist jemand zutiefst traurig, zwingt sich aber dazu, auf Instagram „Good Vibes“ zu versprühen. Das erzeugt einen inneren Konflikt, der dann noch mehr Emotionsarbeit benötigt.

Manchmal kann der Erwartungsdruck auf Social Media, ständig gut gelaunt zu sein, sich bis ins Toxische steigern, was wiederum zu verstärkter Emotionsarbeit führen kann. Denn die Erwartung, immer glücklich oder positiv zu sein, heißt oft, die tatsächlich erlebten Gefühle zu unterdrücken oder zu verstecken.

Was ist im Hinblick auf Selbstständigkeit und Emotionsarbeit wichtig?

Es geht nicht darum, Emotionsarbeit abzuschaffen. Im Gegenteil: Emotionsarbeit ist notwendig für eine Gesellschaft.

Wem als Selbstständige*r psychische Gesundheit wichtig ist, sollte aber erst einmal ganz grundlegend anerkennen und auf dem Schirm haben, dass es Emotionsarbeit gibt und dass sie geleistet wird. Oft jeden Tag.

Vor allem bei Selbstständigen in Dienstleistungsberufen, auf Social Media, mit Migrationsgeschichte oder bei Selbstständigen mit Kindern ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Emotionsarbeit einen großen Teil der Zeit und Energie beansprucht. (Und Introvertierte können Emotionsarbeit vielleicht sogar noch zusätzlich als anstrengender empfinden.)

Was mir persönlich geholfen hat, war bekanntermaßen, Social Media zu verlassen und in meinem Marketing auf Social-Media-freie Plattformen zu setzen.

Ansonsten ist authentischer Selbstausdruck oft die beste Prävention. Und in einem akuten Fall von Erschöpfung heißt es: gut zu sich sein, ausruhen und Auszeiten einlegen. Auch wenn das bedeutet, nicht so schnell voranzukommen, wie die schnelllebige Welt das von uns will.

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Selbstständig mit Migrationsgeschichte: Was unsere Herkunft mit unserer Selbstständigkeit zu tun hat

Knapp jede vierte unternehmerisch tätige Person in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Was bedeutet die Einwanderungsgeschichte für Selbstständige? Wie zeigt sich die Herkunft im Arbeitsalltag?

Als ich nach Deutschland kam, war ich fast acht Jahre alt und kannte genau zwei deutsche Wörter: „Banane“ und „Nudelsuppe“.

„Banane“, weil das für meine Familie das Symbol des Westens war. („Stell dir vor: In Deutschland kann man Bananen im Geschäft kaufen! Bananen!!!“)

„Nudelsuppe“, weil es die bei uns wie bei fast allen Deutschen in der ehemaligen Sowjetunion jeden Sonntag zum Mittagessen gab. Mit selbstgemachten Bandnudeln, für die meine Oma meist den ganzen Vormittag in der Küche stand.

Ich bin 1983 in Nowosibirsk geboren.

Meine deutschen Vorfahren kamen unter Katharina der Großen nach Russland, lebten dort als Landwirte oder Schreiner, überlebten Umsiedlungen, Deportationen, Arbeitslager. Mal lebten sie in der heutigen Ukraine, mal im eiskalten Sibirien.

1991 zog meine Familie wieder zurück nach Deutschland, 2016 machte ich mich selbstständig.

Die längste Zeit meiner Selbstständigkeit dachte ich, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Doch heute denke ich, dass meine Herkunft einen großen Anteil an meinen Irrungen und Wirrungen als Selbstständige hat.

Sozialismus im Kopf

Geschätzt machen sich weniger als 2% der Russischstämmigen selbstständig

Das ist deutlich weniger als die knapp 10% von allen Erwerbstätigen in Deutschland. Oder von den 7,4% türkischstämmigen Berufstätigen.

Ich finde es nicht überraschend.

Wenn ich an meine Kindheit in der ehemaligen Sowjetunion denke, sehe ich mich immer irgendwo mit meinen Eltern in einer Schlange stehen.

Wir stehen an, weil mein Vater gehört hat, dass es in diesem Geschäft Sahne gibt. Oder weil die Cousine der Nachbarin erfahren hat, dass ein bestimmtes Geschäft Fleisch verkauft.

Wir stehen und warten und drehen Däumchen, um am Ende gesagt zu bekommen, dass wir zu spät sind und alles ausverkauft ist. Oder wir gehen durch die nahezu leeren Regale im Geschäft auf der Suche nach Brot und freuen uns nen Keks, wenn wir noch einen Laib erwischen.

Mein Default-Setting ist der Mangel.

Es ist zu wenig da.
Es reicht nicht für alle.
Es fehlt an allen Ecken und Kanten.

Als ich Ende 2015 meine Zehen in das kalte Selbstständigsein-Wasser tunkte, waren das meine Wahrheiten, die ich erst einmal nicht hinterfragte.

Gedanklich in einem Mangel zu leben, war als Selbstständige anstrengend:

  • Ich traute mich nicht, über Geld zu sprechen.

  • Ich nahm jeden noch so schlecht bezahlten Auftrag an und …

  • jede Kollegin als „Bedrohung“ wahr – schließlich ist ja nicht genug für alle da

Ich verbrachte Jahre, um mir dieser sabotierender Gedanken bewusst zu werden und sie gegen andere – stärkende – zu tauschen.

Bloß nicht auffallen

Aufwachsen im Sozialismus heißt auch: Wir bekommen ein Päckchen aus dem Westen – die mit Gummibärchen, losem Kaffee und Vollmilchnussschokolade aus dem Aldi – und ich soll niemandem davon erzählen.

Niemand soll wissen, dass wir Deutsche sind und Verwandtschaft im Westen haben. Dass wir keine „richtigen“ Russen sind.

Ich nehme heimlich Süßigkeiten mit nach draußen und verteile sie an die Nachbarskinder. Einige Tage später gucken mich einige Kinder komisch an und jemand sagt, dass ich ein „Nazi“ bin.

In Deutschland angekommen, bin ich die „Russin“. Auf der Tafel malt ein Mitschüler Russland auf, „zerbombt“ es mit Papierkugeln und sieht mir dabei herausfordernd in die Augen.

Und so ist es auch mit der Onlinesichtbarkeit, als ich mich fast dreißig Jahre später selbstständig mache: Sie klingt potentiell gefährlich.

Noch immer höre ich irgendwo eine Stimme in mir, die sagt:

Lieber nicht auffallen.
Bloß nichts riskieren.
Niemanden kritisieren.

Noch immer habe ich ein leicht mulmiges Gefühl, wenn ich auf meinem Blog auf den „Veröffentlichen“-Button drücke. Oder bei dem brandneuen Podcast. Ich muss mich bewusst daran erinnern, dass ich hier sicher bin. Dass ich auffallen und meine Meinung sagen darf.

Als ich dann vor Social Media verlasse, eine eher „rebellische“ Haltung zu Marketing einnehme und mir erlaube, auch mal anzuecken, fühlt sich das abwechselnd befreiend und beängstigend an. Eine wilde Mischung. 

Der böse Staat

Die Steigerung „Sei vorsichtig, traue niemandem, du weißt nie, wer mithört“ – das hatte ich auch schon als kleines Kind in der Sowjetunion verstanden. 

Die Behörden und der Staat sind die Bösen. Wir müssen auf der Hut sein.

Und so löst noch heute jeder Brief vom Finanzamt Herzklopfen aus. Jedes drohende Telefonat, jeder Gang zum Gewerbeamt klingt irgendwie gefährlich. Hat das Imposter-Syndrom vielleicht auch etwas damit zu tun? 

Der fremdklingende Nachname

In den ersten Jahren in Deutschland habe ich mich für meinen Nachnamen geschämt.

In der Schulzeit wird es etwas besser, doch ich muss meinen Nachnamen immer wieder buchstabieren, werde gefragt, wie man ihn „richtig ausspricht“. Meist dient mein Nachname als Anlass zur Frage, wo ich herkomme. 

Die Kleinstadt in Hessen, in der ich, seit wir in Deutschland sind, lebe, ist damit nicht gemeint. Das stelle ich immer wieder fest. „Nein, wo kommst du ursprünglich her? Wo bist du geboren?”, haken Menschen dann gerne nach.

Wenn ich „Russland“ sage, ernte ich meist ein „Ah“. Über Russland gibt es nichts Gutes zu sagen, deshalb ist das Gespräch an dieser Stelle meist wieder beendet. War auch schon in den 90ern so. „Hätte dem Klang nach auch Italien sein können“, sagen manche noch. Ja, hätte es. Ist es aber nicht.

Meine gesamte Kindheit und Jugend wünsche ich mir einen anderen Nachnamen. Am besten den deutschesten aller deutschen, damit ich endlich nicht mehr auffalle. 

Als ich dann einen „Müller“ heirate – ich schwöre, ich hab ihn mir nicht wegen seines Nachnamens ausgesucht –, entscheide ich mich auf dem Weg zum Rathaus spontan für einen Doppelnamen. Irgendwie kann ich es mir plötzlich nicht mehr vorstellen, den Namen, mit dem ich ein Vierteljahrhundert gelebt habe, wieder abzulegen.

Und als ich mich selbstständig mache, entscheide ich mich dafür, das völlig unter meinem Mädchennamen zu tun. 

Und dann kam der Krieg

Als dann das Unvorstellbare passiert und wieder Krieg in Europa ist, bin ich wie gelähmt. Für die nächsten Monate ist Ausnahmezustand in meinem Kopf. Ich bin nicht leistungsfähig. Lebe wie unter einem Schleier. Lese zu viele Nachrichten.

Durch meine Familiengeschichte fühle ich mich seltsam betroffen, selbst wenn ich Tausende von Kilometern weit weg bin und gerade keine Verwandtschaft mehr in der Ukraine lebt. (Dafür aber immer noch in Russland.)

Zusätzlich frage ich mich, was das nun für mich als Selbstständige bedeutet:

  • Wird sich jemand durch meinen russischen Nachnamen abgeschreckt fühlen und nicht mehr mit mir zusammenarbeiten wollen?

  • Muss ich mich aktiv vom Krieg distanzieren oder ist Menschen, die mich kennen, klar, dass ich kein großer Fan von Größenwahnsinnigen mit imperialen Machtansprüchen bin?

  • Was ist, wenn ich – so wie meine Vorfahren – den Wohlstand verliere und wieder neu anfangen muss?

Diese Gedanken sage ich niemandem, schreibe sie nicht auf. Zu groß ist die Angst, dass das negative Konsequenzen für mich hätte.

Und auch jetzt denke ich: Ist das wirklich eine so gute Idee, diesen Text zu schreiben und zu veröffentlichen? Was werden andere Menschen sagen? Was werden sie – im stillen Kämmerlein – über mich denken?

Doch gleichzeitig finde ich es wichtig.

Wir sehen Menschen ihre Einwanderungsgeschichte nicht an.

Wir sehen transgenerationale Traumata oder Diskriminierungserfahrungen nicht an.  

Aber sie sind da. Unsichtbar.

Und vor allem bedeuten sie für uns nicht selten Emotionsarbeit – zusätzlich zu den Herausforderungen, die eine Selbstständigkeit eh schon so mit sich bringt.

Deshalb kann es gut sein, dass wir dann und wann das Tempo drosseln, wenn andere Vollgas geben. Dass wir mit Verarbeiten und Heilen beschäftigt sind und nicht mit Wachsen. Dass Nachrichten und Kriege uns mehr aus der Bahn werfen als andere Selbstständige.

Es ist okay. Seien wir gut zu uns.

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Wer hat Angst vor Prokrastination?

„Prokrastination“ ist ein ganz normaler Teil eines kreativen Prozesses, ganz egal, ob es sich um Produktentwicklung, den Podcast oder einen Newsletter handelt. Wie wir mit vermeintlicher Prokrastination umgehen können, statt dagegen anzukämpfen, verrate ich im Blogartikel.

Neulich hatte ich in einem Beratungsgespräch eine Kundin, die sich beklagte:

„Ich habe immer so viele Ideen im Kopf, aber ich schaff’ es einfach nie, sie umzusetzen. Ich bin die Meistern des Aufschiebens!“😭

Kennst du dieses Problem auch? Dann ist dieser Blogartikel für dich.😊 

Doch Achtung: Ich gebe dir im Folgenden keine Tipps, wie du die „blöde“ Prokrastination „besiegst“, sondern möchte dir stattdessen zeigen, 

  • dass das, was viele „Prokrastination“ nennen, ein ganz normaler Teil eines kreativen Prozesses ist, ganz egal, ob es sich um Produktentwicklung, einen Podcast oder einen Newsletter handelt

  • warum es wichtig ist, wohlwollend sich selbst gegenüber zu sein – auch und vor allem als Selbstständige*r

  • was wir tun können, um gute Arbeit zu leisten – ohne über unsere Grenzen zu gehen

Lass uns mit unserer „Prokrastination“ verbünden, statt ständig gegen sie anzukämpfen.

Kämpfen ist anstrengend, und, wenn wir ehrlich sind, ist noch nie jemand dadurch produktiver geworden, dass er oder sie zu sich gesagt hat:

„Jetzt reiß dich doch mal zusammen und hör auf zu prokrastinieren!“ 

Angst vor Prokrastination?

Geht es nur mir so oder haben die Marketing- und Businessmenschen alle eine Riesenangst davor zu „prokrastinieren“? 

Ich glaube, dass – nicht nur, aber zu einem großen Teil – durch Social Media die toxische Hustle Culture zur neuen Normalität geworden ist. Ich erzähle dir ja nichts Neues, wenn ich dir sage, dass es normal geworden ist, 24/7/365 zu arbeiten. 

Pausen, Nichtstun, Langeweile oder eben Prokrastination wirken da fast schon bedrohlich. 

Inkubation statt Prokrastination

Dabei vergessen wir eine wichtige Sache: Für unsere Selbstständigkeit im Allgemeinen und Marketing im Besonderen brauchen wir Kreativität.

Wir brauchen coole Ideen und witzige Umsetzungen. Wir brauchen Überraschungen und Humor. Wir brauchen neue Wege und geniale Texte.

Doch Kreativität gibt es nicht ohne Inkubation – die Phase, in der Ideen ruhen, schlafen, wachsen, reifen dürfen. Wir können in einem kreativen Prozess die Inkubationsphase nicht überspringen, streichen oder abkürzen. Sie gehört dazu.

Und deshalb ist es völlig normal, 

  • wild zu brainstormen – ohne etwas davon umzusetzen

  • Ideen zu haben – und sie erst einmal nicht weiterzuverfolgen

  • Texte für den Blog oder Newsletter anzufangen – und sie erst einmal liegen zu lassen, ohne sie gleich fertigzustellen

In der Kreativität gibt es keine Garantie. Und wir sind keine Maschinen, die taktgenau Ergebnisse ausspucken. Wir sind Menschen. 

Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir freundlich zu uns sind, wenn wir nicht so können, wie es die Marketingcoaches auf Instagram von uns wollen.

Jeden Tag posten.
Jede Woche bloggen.
Alle drei Monate launchen.

Dieses Tempo ist für die meisten Menschen unrealistisch. Und vor allem ist es meistens nicht mit dem kreativen Prozess vereinbar.

Die innere Kritikerin ist … wichtig

Einen ebenso schlechten Ruf wie die Inkubationsphase hat auch die innere Kritikerin.

„Mein Problem ist auch, dass ich immer denke: Es geht noch besser. Deshalb veröffentliche ich nichts“, sagte die Kundin im Beratungsgespräch. „Was kann ich gegen die innere Kritikerin tun?“

Auch das ist etwas, was in den letzten Jahren zum Trend geworden ist: die Skepsis gegenüber kritischen Stimmen

Ich glaube, wir sollten das dringend differenzieren:

Kritische Stimmen sind wichtig. Sie sind es, die aus einem doofen Produkt ein gutes Produkt machen. Oder einen okayen Text zu einem sensationellen. Bevor ein Buch veröffentlicht wird, geht es erst einmal ins Lektorat, und auch ein Designprozess hat mehrere Korrekturschleifen. 

Texte, Bilder, Videos, Websites oder Produkte kritisch zu betrachten, ist keine Prokrastination. Feilen, schleifen, auseinandernehmen und neu zusammensetzen gehören genauso zur Kreativität wie brainstormen, loslegen und umsetzen. Die innere Kritikerin ist ein wichtiger Teil des Prozesses.

Gleichzeitig können uns kritische Stimmen lähmen. Dann nämlich, wenn sie nicht einfach nur Teil eines kreativen Prozesses sind, sondern den gesamten kreativen Prozess dominieren. Wenn vor lauter Kritisieren kein Platz mehr bleibt für das Wilde, das Chaos und das Spielerische. Diese kritischen Stimmen sind nicht konstruktiv, sondern destruktiv.

Wie wir das eine von dem anderen unterscheiden können:

  • Konstruktive kritische Stimmen sind konkret, z.B. „Dieses Kapitel ist zu kurz. Ich glaube, es müsste noch zwei Seiten länger sein.“

  • Konstruktive kritische Stimmen sind optimistisch und offen für Möglichkeiten, z.B. „Irgendwas stimmt hier nicht an dem Text. Ich könnte mal x, y oder z probieren. Vielleicht hört es sich dann besser an.“

  • Destruktive kritische Stimmen sind allgemein und haben oft keinen klaren Bezug, z.B. „Der Text ist total kacke.“

  • Destruktive kritische Stimmen wollen oft die Zukunft vorhersagen – pessimistisch: „Das wird doch nie was!“, „Das wird doof!“

Wie wir gute Arbeit leisten – ohne über unsere Grenzen zu gehen

Und wie können wir nun trotz Inkubation und kritischer Stimmen gute Arbeit leisten und produktiv sein, ohne in die toxische Hustle Culture abzudriften?

Ich habe drei Vorschläge:

Indem wir uns realistische Ziele setzen. Das Motto „Dream big“ ist – dank Gender Care Gap – für viele selbstständigen Frauen oft eine selbstausbeuterische Angelegenheit. Wer für den Großteil der Care-Arbeit verantwortlich ist, wird nicht gleichzeitig ein Imperium aufbauen können. Das ist auch kein „falsches Mindset“, sondern die Lebensrealität vieler Frauen, die in ihrem Leben nicht die Strukturen vorfinden, die es ihnen ermöglichen würden, ihre Ziele zu verfolgen.

Indem wir uns mit unserem Körper verbünden, statt gegen ihn zu arbeiten, und auf unseren Chronotyp, die Jahreszeiten oder unseren Menstruationszyklus achten.

(Hier sind noch mehr Ideen.)

Gerade das zyklische Arbeiten ist etwas, was meine kreative Arbeit nachhaltig verändert und bereichert hat. Diese Onlinekurse sind zum Beispiel alle durch zyklisches Arbeiten entstanden.

Und schließlich: Indem wir uns in Vertrauen üben und jede Phase des kreativen Prozesses annehmen – so, wie sie ist. Das wilde Brainstormen, das chaotische Konzeptionieren, das geordnete Strukturieren, das produktive Arbeiten, das kritische Überprüfen, das Schleifen, Aussortieren und Eliminieren. Alles hat seinen Sinn. Alles gehört dazu. Alles ist wichtig.

Ist das nicht ein wunderbarer Gedanke?

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Drei Jahre kein Instagram 🎂

Kein Instagram seit drei Jahren als Selbstständige: Das habe ich über Inspiration, Produktivität, Beziehungen und mentale Gesundheit gelernt.

Am 27. August 2020 – also vor genau drei Jahren – habe ich das letzte Mal etwas auf Instagram gepostet.

Wenn mir heute andere Selbstständige erzählen, dass sie überlegen, „was sie auf Insta posten sollen“ oder „wie ihre Ads besser laufen“, fällt es mir wieder ein. „Stimmt“, denke ich mir dann, „diese Themen haben dich früher auch immer die ganze Zeit beschäftigt.“

Es kommt mir wie eine Ewigkeit, ja, wie ein anderes Leben vor, als ich noch auf Social Media war und mir über Reels, Werbeanzeigen oder Karussellposts Gedanken gemacht habe. Und inzwischen hat sich so viel in meinen Ansichten über das Selbstständigsein geändert, dass ich unbedingt davon erzählen will.

Drei Jahre kein Instagram – das habe ich gelernt

… über Inspiration  

Wir denken, dass wir so viel verpassen, wenn wir nicht auf Social Media sind. Dabei brauchen wir so viel weniger Inspiration, als wir glauben. 

Ein guter Gedanke, eine gute Idee oder ein gutes Konzept reicht völlig, um uns ins Tun zu bringen. 

Wir brauchen nicht die Flut an Tipps, Tricks, Hacks und Zitaten, die wir auf Instagram bekommen. Diese Flut inspiriert uns nicht, sie lähmt uns. Sie sorgt eher dafür, dass wir abstumpfen und zu einem Zombie mutieren, der einfach nur von Post zu Post scrollt, ohne sich ernsthaft auf einen Gedanken einzulassen. 

Auch ohne Instagram gibt es genug Quellen für Inspiration: Bücher, Blogartikel, Gespräche, Empfehlungen, Museen, Ausstellungen, Podcasts, Reisen, Musik und … uns selbst.

… über Produktivität

Die Produktivität, die auf Social Media zelebriert wird, ist die toxische Hustle Culture

Schaut her, wie ich um 5 Uhr morgens aufstehe. Schaut her, wie ich meine Morgenroutine pflege. Schaut her, wie ich an meinem neuen Produkt arbeite. Schaut her, wie entspannt ich meine Mittagspause gestalte. Schaut her … Schaut her … Schaut her … 

Dabei gibt es ein großes Missverständnis:

Produktives Arbeiten braucht nicht die Abwesenheit von Pausen. Produktives Arbeiten braucht die Abwesenheit von Störungen. 

Wir können nur dann produktiv sein, wenn wir über einen längere Zeit ungestört arbeiten können:

  • ohne Pushbenachrichtigungen

  • ohne das ständige Checken, was es Neues auf Social Media gibt

  • ohne Posten darüber, wie wir gerade arbeiten

Produktivität findet nur selten öffentlich auf Social Media statt, sondern meist hinter verschlossenen Türen. Sobald ich über meine Arbeit auf Social Media erzähle, unterbreche ich meine Arbeit und bin vermutlich nicht mehr produktiv.

… über Beziehungen

Es ist nicht normal, jeden Tag mit so vielen Menschen zu tun zu haben, wie es auf Social Media möglich ist. Unser Hirn ist nicht dafür gemacht, so viele Kontakte zu haben. Wir stoßen an eine kognitive Grenze

Wenn wir Einblick in das Leben von hunderten oder gar tausenden von Menschen bekommen, ist das oft nicht bereichernd, sondern belastend

Die Menschen, die wir persönlich – ob offline oder online – kennen, sind genug.

Wir brauchen nicht hunderte oder tausende Accounts, denen wir folgen. Und erst recht brauchen wir nicht zehn- oder hunderttausend Follower zu unserem Lebensglück.

… über mentale Gesundheit 

Algorithmen sind nicht empathisch und soziale Medien sind nicht so konstruiert, dass sie unser Wohlbefinden steigern, sondern den Profit der Plattformbetreiber. 

Wir können es mit Achtsamkeit versuchen oder mit Digital Detox, aber die Wahrheit ist: Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit gibt es eine separate Berufsgruppe (die sogenannten Attention Engineers), deren alleinige Aufgabe es ist, Erkenntnisse der Psychologie zu nutzen, um Social-Media-Plattformen so zu gestalten, dass sie maximal süchtig machen. 

Wie sollte ein Individuum jemals dagegen ankommen? Es liegt nicht an uns, wenn es uns nicht gelingt, gesund zu bleiben, während wir Social Media nutzen.

… über Authentizität

Wie authentisch können wir im Marketing sein, wenn wir das machen, was alle anderen auch tun? Wie können wir „wir selbst“ sein, wenn wir uns zu bestimmten Plattformen zwingen? 

Wenn wir Social Media nicht mögen, können wir dennoch posten, Reels drehen und livegehen, doch wie können wir die richtigen Menschen damit anziehen, wenn wir selbst nur eine Rolle spielen? 

… über Prioritäten

Wir können Social Media vom Ende aus betrachten und uns fragen:

Wie würde ich am Ende meines Lebens über die sozialen Medien denken? 

Würde ich es bereuen, dass ich zu wenige Likes oder Follower hatte? Würde ich denken „Hätte ich doch mehr Selfies gepostet!“ oder „Hätte ich doch öfter Beiträge von Fremden im Internet kommentiert!“ oder „Wäre meine Interaktionsrate auf Insta bloß höher gewesen!“?

Oder würde ich es bereuen, zu wenig Zeit mit dem verbracht zu haben, was mir wirklich wichtig ist? Würde ich es bereuen, dass ich mich über Jahre zu etwas gezwungen habe, was ich gar nicht wollte?

… über Leichtigkeit

Leben und Arbeiten ohne Social Media heißt nicht unbedingt, dass alles „leicht“ ist. Arbeiten ohne Social Media ist immer noch Arbeit. Manchmal sogar sehr viel Arbeit. Und manche Tage fühlen sich auch ohne Social Media schwer und anstrengend an. 

Doch das ist nicht weiter tragisch, denn entscheidend ist eine Balance. Eine Balance aus Anspannung und Entspannung, aus Herausforderung und Komfortzone, aus außen und innen, aus mit anderen und für sich.

Nicht Leichtigkeit, sondern diese Balance sorgt dafür, dass wir auch langfristig gesund bleiben und zufrieden in unserer Selbstständigkeit sind. Sich ständig außerhalb der Komfortzone aufzuhalten, ist das Anstrengende – nicht wenn es hin und wieder anstrengende Tage gibt.

… übers Genug-Sein 

Über diese Fragen lohnt es sich nachzudenken:

  • Wann habe ich genug gearbeitet?

  • Wann habe ich genug Marketing gemacht?

  • Warum bin ich genug?

Soziale Medien lassen uns glauben, dass das, was wir tun, nie genug ist, dass wir nie genug sind. Doch das stimmt nicht. Wir können unser persönliches „Genug“ definieren. Wir können unser Gefühl fürs Genug-Sein zurückerobern, indem wir Social Media verlassen und vielleicht sogar unsere Social-Media-Kanäle löschen.

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Wie du einen Onlinekurs ohne „Höher, schneller, weiter“-Denke erstellst

Dies ist ein Gastartikel von Katharina Grad. Als Medienpädagogin und E-Learning-Coach begleitet Katharina Grad Selbstständige dabei, Onlinekurse bewusst, achtsam und menschlich zu erstellen. Im Gastartikel geht es darum, wie Selbstständige Onlinekurse ohne die „Höher, schneller, weiter“-Denke erstellen können.

Dies ist ein Gastartikel von Katharina Grad. Als Medienpädagogin und E-Learning-Coach begleitet Katharina Grad Selbständige dabei, Onlinekurse bewusst, achtsam und menschlich zu erstellen. Ihr liegt es am Herzen, Wissen nachhaltig weitergegeben wird und Lernen zu einer angenehmen Erfahrung zu machen. Dafür hat sie ihr Slow-eLearning-Konzept entwickelt, das auf der Idee der Slow-Bewegung aufbaut: einer bewussten Entschleunigung zu Gunsten der Qualität.


Ich bin ein bisschen wie Hermine Granger. 

Ok. Sogar ziemlich viel. 

Ich liebe es zu lernen.
Das ist für mich eine der schönsten Sachen auf dieser Welt. 

Wenn ich etwas lernen kann, habe ich die Möglichkeit, anders auf die Welt zu blicken, mein Verständnis für die Dinge zu erweitern oder auf einmal Sachen selber zu können, von denen ich vorher nur geträumt habe. 

Für diese Art von Lernen ist „höher, schneller, weiter“ ein Problem, weil es das Verstehen, Behalten und Anwenden der Lerninhalte erschwert. 

Warum das so ist, erkläre ich dir in diesem Artikel. 

Anschließend zeige ich dir, wie du dein Wissen mit einem Onlinekurs nachhaltig weitergeben kannst. 

So kannst du das in den Vordergrund stellen, worauf es wirklich bei einem nachhaltigen Lernprozess ankommt: dass die Lernenden auch etwas mit dem anfangen können, was sie neu lernen. Damit es nicht nur leere Informationsbrocken bleiben, sondern dass das Gelernte in ihrem Alltag spürbar wird.  

Wie sieht „höher, schneller, weiter“ bei einem Onlinekurs aus?

„Höher, schneller, weiter“ ist das Streben nach immer mehr. 

Immer mehr erreichen; immer bessere Ergebnisse erzielen; mehr Umsatz machen; schneller und effizienter arbeiten.  

Dadurch entsteht Stress. 

Stress, dass es so, wie es ist, nicht gut genug ist. Dass unsere Leistung nicht gut genug ist.

„Höher, schneller, weiter“ ist das Gefühl, immer mehr machen zu müssen. 

Der Fokus wird eng und richtet sich nur noch auf das vermeintliche Ziel. 

Es entsteht ein Tunnelblick. Wir sehen nur noch, was wir unbedingt erreichen wollen. Nein, erreichen müssen!

Bei einem Onlinekurs kann sich „höher, schneller, weiter“ auf verschiedene Weisen zeigen. 

Möglichst viel Inhalt

„Höher, schneller, weiter“ kann der Versuch sein, möglichst viele Inhalte in einen Kurs zu packen, um den umfassendsten Kurs zu einem Thema zu erstellen. 

Frei nach dem Motto „Viel hilft viel“ wird dabei alles, was auch nur entfernt mit dem Kursthema zu tun hat, in den Onlinekurs hineingenommen.  

Bei so einer Masse an Informationen geht der rote Faden sehr schnell verloren, weil sich das Thema in verschiedenste Richtungen auffächert. 

Lernende verlaufen sich leicht in dem Themen-Dschungel und können nur schwer unterscheiden, welche Informationen jetzt für sie wirklich wichtig sind.

Zusätzlich steigt dadurch die Gefahr, dass das Gehirn die vielen neuen Informationen nicht richtig einordnen kann, da der notwendige Überblick über das Thema fehlt.

Die Folge: Die Lernenden können sich später nur sehr schlecht an die Kursinhalte erinnern und es fällt ihnen schwer, das Wissen anzuwenden, weil sie gar nicht so recht wissen, was sie davon brauchen. 

Möglichst schnell fertig

„Höher, schneller, weiter“ kann auch der Versuch sein, mit dem Onlinekurs möglichst schnell fertig zu werden. So wenig Zeit wie möglich mit der Erstellung zu verbrauchen. 

Mit einem gut skalierbaren Angebot soll damit schnell passives Einkommen generiert werden.  

Bei der Kurserstellung wird dabei ein bestimmtes Thema ausgewählt und dann eine Information an die nächste gereiht. 

Vielleicht noch ein kleines Beispiel dazu, eine kurze Aufgabe in einem Workbook. Und schon geht es weiter zum nächsten Thema. 

Wenn der Kurs möglichst schnell fertig werden soll, ist nicht die Zeit da, die Inhalte mit der notwendigen Tiefe aufzubereiten und auf die Schwierigkeiten der Lernenden einzugehen. 

Das Kursthema wird zwar oberflächlich weitergegeben, aber es fehlt das, was es wirklich greifbar macht und wodurch Zusammenhänge deutlich werden. 

Für die Lernenden ist es dadurch schwierig, die neuen Informationen gut zu verstehen und auf ihre individuelle Situation zu übertragen.

Am Ende des Kurses verfügen sie zwar theoretisch über das notwendige Wissen – wissen aber nicht, was sie damit anfangen sollen.  

Möglichst schnell Lernergebnisse

„Höher, schneller, weiter“ kann auch der Versuch sein, die Lernenden unter dem Deckmantel der Motivation möglichst schnell zu einem Lernziel bringen zu wollen. 

Dazu wird in möglichst kurzer Zeit eine Unmenge an Inhalten vermittelt. 

Gleichzeitig haben solche Kurse auch oft einen sehr straffen Zeitplan, der die Lernenden antreibt, schneller zu machen (z.B. durch sehr eng getaktete Live-Termine). 

Dabei schränken Stress und Druck unsere kognitiven Ressourcen ein. 

Unser Gehirn beschäftigt sich mit der wahrgenommenen Bedrohung, wie beispielsweise dem Zeitmangel – und die Kapazität fürs Lernen wird geringer. 

Zusätzlich kann unser Gehirn nur eine bestimmte Menge an Informationen auf einmal verarbeiten. Der Rest wird gleich in den mentalen Papierkorb geschmissen. 

Um sich langfristig etwas Neues zu merken, reicht es auch nicht, sich die Sachen einmal anzuschauen. Vielmehr müssen sich die Lernenden damit auseinandersetzen und die Inhalte wiederholen oder anwenden.

Dafür ist aber in solchen Kursen kaum Zeit vorgesehen, was dafür sorgt, dass das, was gelernt wird, auch schnell wieder vergessen ist. 

Das alles kann für viel Frust bei den Lernenden führen und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie diesen Kurs weiterempfehlen.

Durch „höher, schneller, weiter“ verschwindet das, was einen nachhaltigen Wissenstransfer ermöglicht.

Es fehlt der Raum für eine tiefe, individuelle Auseinandersetzung mit dem Thema. 

In der Musik heißt es: Musik ist das, was zwischen den Tönen passiert. 

Beim Lernen ist es ähnlich: Lernen ist das, was zwischen den neuen Informationen geschieht. 

Ein nachhaltiger Wissenstransfer ist viel mehr als die Weitergabe von Informationen.

Nachhaltiges Lernen heißt, Wissen so weiterzugeben, dass du damit auch wirklich etwas anfangen kannst. 

Dass in deinem Leben durch das neue Wissen eine Veränderung spürbar wird, weil du es verstehst und auch anwenden kannst. 

Um einen nachhaltigen Wissenstransfer zu ermöglichen, lohnt es sich, bewusst aus dem „Höher, schneller, weiter“-Hamsterrad auszusteigen und einen langsameren Weg zu wählen.

Mir ist bewusst, dass ‚langsam‘ im deutschen Sprachgebrauch eher negativ besetzt ist, gerade von den Menschen, die nach „höher, schneller, weiter“ streben. 

In diesem Text verwende ich deshalb den Begriff ‚Langsamkeit‘ auch als bewussten Gegenpol zu „höher, schneller, weiter“.

Langsamkeit ist für mich eine Einstellung: Du entscheidest dich dafür, das, was du tust, bewusst und achtsam zu tun. In der Zeit, die es eben braucht.

Ganz im Sinne der Slow-Bewegung (wie bei Slow Food, oder Slow Life) geht es um eine bewusste Entschleunigung zu Gunsten der Qualität. 

Daher nenne ich diese Art von Langsamkeit für die Onlinekurs-Gestaltung auch Slow-eLearning. 

Was heißt es, einen Onlinekurs langsam zu gestalten?

Langsamkeit bedeutet hier ein grundlegendes Umdenken: 

Weg von einer reinen Informationsweitergabe hin zur Ausrichtung auf ein tiefes Verstehen, ein langfristiges Behalten und eine individuelle Anwendung der Kursinhalte. 

Langsamkeit bedeutet zuallererst, eine bewusste Entscheidung für einen Onlinekurs zu treffen.

Zu überlegen, ob du gerade die Zeit und Energie hast, einen Onlinekurs so zu gestalten, dass er die Lernenden nicht einfach nur für eine Zeit lang beschäftigt, sondern ihnen wirklich weiterhilft. 

Eine bewusste Entscheidung für einen Onlinekurs ist ein Zeichen der Wertschätzung für die Zeit, die andere Menschen aufwenden, um sich mit unseren Sachen zu beschäftigen. 

Auf diese Weise können wir wertschätzend mit der Zeit anderer umgehen und damit auch Asteya in unserer Selbständigkeit praktizieren

Langsamkeit bedeutet auch, die Lernenden mit ihren Bedürfnissen in den Vordergrund zu stellen.

Die Aufgabe eines Onlinekurses ist es, die Lernenden von einer bestimmten Ausgangssituation abzuholen und sie zu einem Lernziel zu begleiten – statt: alle Informationen zu einem Thema zur Verfügung zu stellen.

Wenn du weißt, welches Vorwissen die Lernenden mitbringen und was sie mit dem Kurs erreichen wollen, dann hilft dir das, die relevanten Informationen für deinen Onlinekurs auszuwählen.  

Die Lernenden mit ihren Bedürfnissen in den Vordergrund zu stellen bedeutet auch, die Zeit zwischen den neuen Informationen genauso wertzuschätzen und aktiv zu gestalten wie den Informationsinput selbst. 

Im Dazwischen ist der Raum für Übungen, Beispiele, Wiederholungen, Anwendungsaufgaben oder Impulse, die zum Nachdenken anregen. 

Oder auch einfach Zeit, um die neuen Informationen ankommen zu lassen. Sie im Kopf auszuprobieren und sich mit ihnen vertraut zu machen. 

Du kannst die Lernenden dabei unterstützen, sich individuell mit den Kursinhalten auseinanderzusetzen. Und sie können für sich selbst überprüfen, inwiefern das Gelernte für sie und ihre Situation stimmig ist. 

Langsamkeit bedeutet, die Kursinhalte sorgfältig zu erstellen und auszuwählen.

Für dich heißt das, die Formate und Medien zu nutzen, mit denen du gut kommunizieren kannst. 

Schreibe, wenn du gerne schreibend dein Wissen weitergibst.
Erstelle Videos, wenn du dich dabei wohlfühlst, in eine Kamera zu sprechen.
Oder variiere die Formate so, wie es sich für dich stimmig anfühlt und es für dein Thema passt. 

Genauso, wie du auch schreibend sichtbar werden kannst, kannst du auch schreibend einen Onlinekurs erstellen. 

Texte, Videos oder Workbooks sind nur Hilfsmittel, mit denen du dein Wissen weitergeben kannst. 

Viel entscheidender als das Format ist die Qualität deiner Inhalte. 

Dazu gehört:

  • ein klarer roter Faden

  • eine durchdachte Wortwahl

  • der notwendige inhaltliche Tiefgang mit Fokus auf das Thema

  • alle Informationen gut zu recherchieren und auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. 

Mit sorgfältig erstellten Materialien erleichterst du es den Lernenden, dein Thema zu verstehen, weil sie sich so direkt zu den wichtigen Informationen und Zusammenhängen finden.

Langsamkeit bedeutet, gut auf dich zu achten.

Einen Onlinekurs zu erstellen, kann ganz schön fordernd sein und auch einiges an Zeit und Energie in Anspruch nehmen. 

Genauso wie du auf die Bedürfnisse der Lernenden achtest, behältst du auch deine eigenen Bedürfnisse gut im Blick. 

Zum Beispiel, indem du genug Zeit für die Kurserstellung einplanst.

Es kann auch hilfreich sein, während du an deinem Onlinekurs arbeitest, liebevoll mit inneren Antreibern und Kritikern umzugehen, die versuchen, dich wieder in das „Höher, schneller, weiter“-Hamsterrad hineinzuschubsen. 

Einen langsameren Weg zu wählen, kann sich erst einmal seltsam und fremdartig anfühlen, weil wir von so vielen Seiten von „höher, schneller, weiter“ umgeben sind, aber es lohnt sich. 

Diese positiven Effekte hat Langsamkeit für deinen Onlinekurs 

Wenn du deinen Onlinekurs mit dieser Art von Langsamkeit erstellst, holst du deine Lernenden genau da ab, wo sie gerade stehen, und begleitest sie Schritt für Schritt zu ihrem Lernziel. 

Anstatt sie mit einer Informationsflut zu überrollen, bekommen sie in deinem Onlinekurs nach und nach die Infos, die sie wirklich brauchen. 

Dadurch wird es leichter, dem Kursverlauf zu folgen und die Inhalte zu verstehen. 

Sie werden dabei begleitet, sich mit dem Neuen auseinanderzusetzen und herauszufinden, wie sie das Gelernte umsetzen und anwenden können. 

Das Gedächtnis ist weder im Stress-Modus durch Zeitdruck noch überlastet durch ein Zuviel an Informationen, sondern arbeitet im eigenen Rhythmus.

So kann in deinem Onlinekurs Raum entstehen.

Raum für eine echte Auseinandersetzung mit den Kursthemen.
Raum für Verstehen.
Raum für Nachdenken.
Raum für Veränderung und Entwicklung. 

Statt die Menschen einfach nur mit Informationen zuzuballern, die sie kurze Zeit später wieder vergessen haben, können so Onlinekurse entstehen, die das Leben von Menschen bereichern. 

Statt sie nur für eine gewisse Zeit zu beschäftigen, können sie dabei helfen, eine tatsächliche Veränderung zu erreichen. 

Aber dafür brauch ich doch unendlich viel Zeit, oder?!

Tatsächlich ist oft das Gegenteil der Fall. 

Wenn du erstmal einen Schritt zurücktrittst, und dein Onlinekurs-Projekt bewusst und achtsam angehst, dann brauchst du dadurch unterm Strich sogar oft weniger Zeit, weil du 

  • durch eine klare Kursstruktur genau weißt, was in den Onlinekurs hinein kommt und gut den Überblick behältst. 

  • nur Materialien erstellst, die den Lernenden auf dem Weg zu ihrem Lernziel weiterhelfen.

  • genug Kapazitäten hast, den Onlinekurs konzentriert und in Ruhe bewusst zu gestalten. 

Genau wie Hermine Granger bin ich davon überzeugt, dass Wissen und Lernen etwas Wunderbares sind. 

Fangen wir also an, Onlinekurse langsam, bewusst, achtsam und menschlich zu erstellen und uns aus dem „Höher, schneller, weiter“-Hamsterrad zu befreien.

Dann ist mit deinem Onlinekurs eine Veränderung möglich. Durch das, was du Gutes in diese Welt weiterzugeben hast. 

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Was heißt es, unsere Energie zu „managen“?

„Manage deine Energie, nicht deine Zeit.“ – Doch was heißt das konkret? Wie können wir in unserem Arbeitsalltag anfangen, unsere „Energie zu managen“ und uns nicht mehr von Termin zu Termin zu stressen? Im Blogartikel verrate ich sieben Ideen für „Energiemanagement“ für Selbstständige.

„Manage deine Energie, nicht deine Zeit“ – vielleicht hast du diesen Spruch auch schon einmal gehört. Der Grundgedanke ist, dass wir uns vom klassischen Zeitmanagement mit kilometerlangen To-do-Listen, deren Abhaken wir euphorisch zelebrieren, verabschieden und stattdessen etwas anderes „managen“: unsere Kraft, Energie oder Ressourcen.

Auch wenn das Wort „managen“ an dieser Stelle doof ist, weil ich nicht finde, dass eine auf ökonomische Prinzipien ausgerichtete menschliche Handlungsweise etwas im Bereich unserer Körper verloren hat, ist der Gedanke, im Einklang mit unserem Körper zu arbeiten, richtig.

Und gerade als Selbstständige haben wir eigentlich alle Freiheiten, unseren Arbeitstag so zu gestalten, dass er zu dem, was wir brauchen, passt.

Doch was heißt „Energiemanagement“ nun konkret? Wie können wir in unserem Arbeitsalltag anfangen, unsere „Energie zu managen“ und uns damit vom klassischen Zeitmanagement lösen?

Hier kommen sieben Ideen, die allesamt nicht der Leistungssteigerung oder Selbstoptimierung dienen, sondern dass es uns als Selbstständige gelingt, langfristig gesund zu arbeiten.

#1 Im Einklang mit unserem Chronotyp arbeiten

Alle Menschen haben einen inneren Wecker, der entscheidet, wann wir wach und müde werden. Chronotyp wird das genannt; und neben den allseits bekannten „Eulen“ und „Lerchen“ gibt es auch noch die Unterscheidung zwischen „Bären“, „Löwen“, „Wölfen“ und „Delfinen“. (Quelle)

Der Chronotyp hilft uns zu verstehen, wann wir mit unserem Arbeitstag starten und wann wir ihn beenden sollten, um auch langfristig bei Kräften zu bleiben.

So können „Lerchen“ vielleicht morgens um 5 Uhr in den Tag starten, für „Eulen“ hingegen wäre das eine Qual. Ihnen wiederum fällt das abendliche Arbeiten leichter, während Lerchen abends oft keinen klaren Gedanken mehr zustande bringen.

Deshalb sind pauschale Empfehlungen, dem „5am-Club“ beizutreten, auch so kritisch – nicht für jede*n ist es eine gute Idee, so früh mit dem Arbeiten loszulegen.

Die verschiedenen Chronotypen ziehen oft auch verschiedene Leistungskurven nach sich. Wann wir uns am besten konzentrieren können, wann wir eine Pause brauchen (und wie lange), wann wir kreativ sind – all das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Ich kann mich morgens und vormittags am besten konzentrieren und lege mir dort am liebsten Aufgaben wie Schreiben hinein. Mittags tut mir eine längere Mittagspause von mindestens einer Stunde gut (inklusive Spaziergang und richtigem Mittagessen). Am späten Nachmittag oder gar abends geht mit dem Kopf meistens nicht mehr so viel, weshalb jetzt Sport eine gute Idee ist. Wenn ich nach 18 Uhr arbeite (selbst wenn es nur kurz ist), kann ich danach meist nicht gut einschlafen und wache am nächsten Morgen gerädert auf. Deshalb sind meine Abende zu 99,9% arbeitsfrei.

Fazit: Wer seinen Chronotyp kennt, weiß, wann sein Arbeitstag beginnen und enden soll und wie ein Arbeitstag aussehen kann. Das ist ein wertvoller Rahmen für langfristige körperliche Gesundheit und genug Schlaf.

#2 Im Einklang mit den Jahreszeiten arbeiten

Besonders spannend: Ein natürlicher Rhythmus ändert sich im Verlauf der Jahreszeiten. Nicht viel, aber doch spürbar.

In den Sommermonaten werde ich manchmal noch vor dem Weckerklingeln wach, drehe gleich eine Runde mit dem Hund und sitze, direkt nachdem die Kinder zur Schule aufbrechen, gegen sieben Uhr morgens motiviert am Schreibtisch.

Im Winter hingegen, wenn es morgens länger dunkel ist, komme ich später aus dem Bett, warte auf die ersten Sonnenstrahlen, bis ich mit dem Hund rausgehe, und fange deshalb gut zwei Stunden später mit dem Arbeiten an.

Während ich im Winter gerne auch mal nachmittags arbeite, bin ich in der Nachmittagshitze des Hochsommers dafür so gar nicht leistungsfähig und hänge meine Beine lieber in kaltes Wasser.

Auch die beiden Zeitumstellungen merke ich noch Tage später und mache in der Zeit lieber etwas langsamer.

Fazit: Auch die Jahreszeiten und damit die Helligkeit oder Dunkelheit draußen haben Auswirkungen auf unsere Energie und Konzentration.

#3 Im Einklang mit unserem Menstruationszyklus arbeiten

Sich mit dem Körper zu verbünden, kann auch den Menstruationszyklus mit einschließen – selbst im beruflichen Kontext.

Denn die verschiedenen Hormone in den einzelnen Zyklusphasen (Östrogen, Progesteron und Co.) gehen mit einem Set an verschiedenen Emotionen, Stärken etc. einher. Ist es somit nicht absurd, unseren Zyklus in unserem Arbeitsalltag auszuklammern und stattdessen jeden Tag dieselbe Leistung von uns zu erwarten?

Wenn wir das Arbeiten hingegen zyklisch begreifen, findet jeder Aspekt unserer Tätigkeit – die Kreativität, produktives Abarbeiten, das Soziale, die Pausen – seinen natürlichen Platz. 

Es fällt uns auf einmal leicht, etwas zu schreiben, SEO zu betreiben oder unser Thema mutig für einen Gastauftritt zu pitchen, denn unser Körper ist gerade darauf ausgerichtet.

Hier findest du 100 Impulse, wie zyklisches Arbeiten aussehen könnte.

#4 Grenzen schützen

Das Wissen um unseren Chronotyp, den Einfluss der Jahreszeiten oder unseres Menstruationszyklus nützt nichts, wenn wir dieses Wissen nicht umsetzen und unsere Energie schützen.

Das fängt damit an, dass wir für unsere Kund*innen nur in unserer Arbeitszeit zur Verfügung stehen und uns selbstverständlich Pausen, Feierabende, Wochenenden, Kranksein und Urlaub zugestehen.

Unsere Programme können wir in einem Rahmen gestalten, in dem Pausen schon mitgedacht sind (z.B. Support nur werktags etc.) und wir könnten überdenken, unsere Kund*innen via Smartphone zu betreuen (z.B. in Telegram- oder Signal-Channels) – denn damit verwischt die Grenze zwischen Job und Freizeit völlig.

Gerade selbstständige Mütter tun sich oft schwer damit, ihre Grenzen zu wahren. Lieber arbeiten sie abends und bis tief in die Nacht, wenn die Kinder schlafen, statt mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin eine gerechte(re) Aufteilung von Arbeitszeit und Fürsorgearbeit auszuhandeln.

Dabei wäre gerade das nötig, um auch langfristig gesund arbeiten zu können.

#5 Loslassen, was Energie raubt

Trauen wir uns, unsere Freiheit als Selbstständige zu nutzen? Oft denke ich: nein. Dabei sind wir so flexibel wie kaum eine Berufsgruppe.

Wir können entscheiden, wie wir arbeiten. Wir können entscheiden, mit wem wir arbeiten. Wir können entscheiden, was unsere Arbeitszeit wert ist, wozu wir „ja“ und wozu wir „nein“ sagen.

Launchen, Social Media, Werbeanzeigen, ein bestimmtes Produkt – wir können alles loslassen, wenn es uns Energie raubt. Haben wir uns nicht für gerade diese Freiheit selbstständig gemacht?

#6 Wenige große Aufgaben statt viele kleine

Je mehr Aufgaben wir in einen Tag packen, desto mehr Zeit und Energie müssen wir aufwenden, um von einer Aufgabe zur nächsten zu wechseln.

Deshalb sind lange To-do-Listen mit vielen Kleinigkeiten wahre Energieräuber:

Nicht nur haben wir wahnsinnig viele Aufgaben zu erledigen, wir müssen uns auch immer wieder auf neue Aufgaben einstellen und fühlen uns am Ende des Tages nicht selten, als hätten wir einen Marathonlauf hinter uns.

Ein, zwei größere Aufgaben pro Tag sind deshalb energieschonender; und oft haben wir sogar bessere Resultate, weil genug Zeit für Reflexion und Pausen vorhanden ist.

#7 Gesundes Gleichgewicht statt „Leichtigkeit“

Viele sehnen sich nach einem „Business mit Leichtigkeit“. Doch harte Arbeit ist meiner Erfahrung nach nicht zwingend ein Energieräuber.

So kann ich zum Beispiel ein paar Tage nonstop an einem Text arbeiten und bin danach körperlich müde. Doch das Schreiben gibt mir so viel Energie, dass es mir alles in allem gut geht.

Soziale Medien wiederum waren vom Prinzip her nicht sonderlich anstrengend für mich – schließlich saß ich meist gemütlich auf dem Sofa, als ich Posts likete oder kommentierte –, es zog mir allerdings so viel Energie, dass es mich langfristig völlig auslaugte.

Wichtiger als Leichtigkeit finde ich deshalb eine Balance.

Zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen mutig sein und in der Komfortzone bleiben, zwischen „mit anderen“ und „für sich“, zwischen „innen“ und „außen“ usw.

Wenn auf harte Arbeit ein paar faule Tage folgen oder auf mutiges Pitchen ein paar Tage unaufregende Aufgaben, spüren wir langfristig, dass es uns gut geht – selbst wenn nicht immer alles „leicht“ ist.

Und erneut: Der Menstruationszyklus ist ein toller Rahmen, solch ein Gleichgewicht herzustellen.

Fazit: Es gibt eine Menge Möglichkeiten, mit dem Körper zu arbeiten, statt gegen ihn

Hier sind einige Ideen:

  • im Einklang mit unserem Chronotyp arbeiten

  • die Helligkeit und Dunkelheit der verschiedenen Jahreszeiten berücksichtigen

  • unseren Menstruationszyklus im Blick haben

  • unsere Energie schützen, indem wir unsere Grenzen wahren

  • das loslassen, was uns Energie raubt

  • uns lieber wenige große statt viele kleine Aufgaben für einen Tag vornehmen und

  • ein Gleichgewicht statt „Leichtigkeit“ anstreben

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Preise ohne Gedöns

Warum machen wir unsere Preisgestaltung mit Rabatten, Aktionen und Frühbucherpreisen nur so unfassbar kompliziert? Mein Plädoyer für Preise ohne Gedöns und gegen Rabatte, charmante Preise und Co.

Letztes Jahr hatte ich eine „Frühlingsaktion“ am Laufen, bei der es für mein damaliges Blogmentoring 10% Rabatt gab, wenn es bis zu einer bestimmten Deadline gekauft wurde.

Mir wird schon fast beim Schreiben dieses Satzes schwindelig, und als eine Interessentin mich fragte, wie denn der Preisunterschied genau wäre, wenn sie das Mentoring mit Einmalzahlung oder in Raten mit oder ohne Rabatt kaufen würde, wurde mir noch schwindeliger.

Mann, hatte ich eine komplizierte Preisstruktur für mein Angebot!

Es gab einen regulären Preis als Einmalzahlung. Es gab einen etwas höheren Preis, falls Ratenzahlung gewünscht wurde. Und in der „Frühlingsaktion“ dann 10% Rabatt auf den regulären Preis als Einmalzahlung. Und schließlich 10% Rabatt auf den etwas höheren Preis, falls Ratenzahlung in der Frühlingsaktion gewünscht war.

Wer kommt noch mit?😅

Also ich irgendwann nicht mehr. Und als ich dann die vier verschiedenen Preise für die Interessentin durchrechnete, kam eine Frage hoch, die ich die Jahre zuvor erfolgreich ignorierte:

Warum machte ich es mir nur so unfassbar kompliziert?

Ich bin durch eine „klassische“ Onlinemarketingschule gegangen und mit Webinarrabatten und Frühbucherpreisen „groß geworden“. Für mich war es jahrelang normal, verschiedene Preise für ein Angebot zu nutzen, um Menschen optimal zum Kauf zu „motivieren“.

Doch wenn man mal ein bisschen über Preise nachdenkt, gibt es viele gute Gründe, sich von dieser wirren Preispsychologie zu verabschieden.

Das ist gut für unser Produkt. (Denn der Wert unseres Produkts ist ja immer gleich und ein Rabatt verwässert diesen.)

Das ist gut für unsere Marke. (Denn sicherlich soll nicht der Stempel „Ausverkauf“ oder „Wühltisch“ an unseren Marken haften.)

Das ist gut für die Menschen, die wir erreichen wollen. (Denn wir zeigen Wertschätzung, indem wir sie nicht mit Psychotricks in unsere Programme zerrren, sondern ihnen Zeit und Raum geben, sich in Ruhe für unser Programm zu entscheiden.)

Und das ist gut für uns. (Denn damit können wir endlich damit aufhören, das Verkaufen mit „charmanten“ Preisen, Rabatten und nervigen Aktionen unnötig komplizierter zu machen als nötig.)

Wie wäre es, wenn unsere Produkte so viel kosten, wie viel sie kosten, völlig egal …

  • wie schnell oder langsam sich jemand für das Angebot entscheidet

  • ob der Betrag auf einmal oder in Raten gezahlt wird und

  • ob gerade Frühlingsanfang, Valentinstag, Black Friday oder „Hast du gepupst“-Tag ist.

Das ist nicht nur ethischeres Marketing, sondern auch eine Form von Wertschätzung und Vereinfachung.

Preise ohne Gedöns lassen uns Raum für nachhaltige Marketingstrategien oder für Kuchen.🧁

Genau! Wenn sich am nächsten Black Friday mal wieder alle mit ihren exorbitanten Aktionen überbieten und in die Rabattschlacht ziehen, lassen wir den Posteingang doch einfach mal zu und essen ein Stück Kuchen.

Das ist JOMO („Joy of missing out“) in Reinstform!

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Gesunde Grenzen: Energie für das, was wirklich wichtig ist – Gastartikel von Sabine Praher

Gesunde Grenzen setzen: Sabine Praher erforscht das Thema in ihrem Gastartikel aus einer ganzheitlichen Sicht und zeigt dir, wie du deine Zeit und Energie wertschätzen kannst.

Dies ist ein Gastartikel von Sabine Praher. Sabine begleitet Frauen auf einfühlsame Weise zu mehr Selbstbewusssein, Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Hier findest du ihre Website. Auf ihrem Blog und in ihrem Inspirations-Letter teilt sie alles rund um Körperbewusstsein, Energiemanagement und Haltung – innen und außen – für Frauen.  


Es mag vielleicht paradox klingen, aber im Grunde ist es so: Bei gesunden Grenzen geht es eigentlich um Verbindung.

Lass es mich dir erklären.

Jeder von uns kennt vielleicht eine dieser Situationen:

  • Du genießt dein Wochenende und eine Kund*in oder Klient*in schreibt dir eine Nachricht und braucht nur kurz und dringend deine Hilfe.

  • Du sitzt bei deiner Arbeit, dein Handy immer neben dir (natürlich nicht im Flugmodus), weil du erreichbar sein „musst“.

  • Du hast es dir mit einem Buch auf der Couch bequem gemacht, möchtest 20 Minuten lesen und plötzlich läutet das Telefon und gleichzeitig braucht dein Kind dringend Hilfe bei der Hausübung.

  • Du machst gerade mit deiner Familie einen Ausflug, ihr kommt am Ziel an und du holst dein Handy raus. Das Panorama ist wunderschön und du „musst“ davon noch kurz eine Story auf Insta posten.

In all diesen Situationen bist du nirgendwo wirklich präsent, weil immer so vieles gleichzeitig „passiert“ und „wichtig“ ist.

Das Thema „Gesunde Grenzen“ hat auch ganz viel mit der Wertschätzung unserer Zeit und Energie und der Zeit unserer Mitmenschen zu tun.

Ich möchte diese und weitere Situationen aus einer ganzheitlichen Sicht auf das Thema „Gesunde Grenzen“ mit dir erforschen und dich zu neuen Perspektiven inspirieren. 

Außerdem möchte ich dich ermutigen, genau hinzuspüren und deine Grenzen vielleicht neu zu definieren oder klarer zu kommunizieren.

Beim Thema Grenzen geht es für mich eigentlich um Verbindung. Das mag vielleicht paradox klingen – ist aber ganz logisch.

Lass mich dir anhand ein paar kurzer Beispiele veranschaulichen, was ich meine:

  • Es geht um die Verbindung zu deinem Körper, darum deine Grenzen zu kennen und diese gegebenenfalls auch erweitern zu können.

  • Es geht um die Verbindung zu deinen Werten und Visionen. Wenn du deine Werte kennst und mit ihnen verbunden bist, erkennst du, wenn diese durch dich selbst oder andere verletzt werden.

  • Es geht um die Verbindung zu deiner Energie – wozu kannst du noch JA sagen – wofür reicht deine Energie – und wofür nicht (mehr).

  • Es geht um die Verbindung zu den Menschen, die dir am Herzen liegen und denen du am Herzen liegst.

  • Es geht auch um die gesunde Verbindung zu deinen Kund*innen, Klient*innen, Kolleg*innen und Freund*innnen.

Deine Grenzen bestimmst immer du. 

Sie sind ein Ausdruck deiner Fürsorge dir selbst gegenüber.

Das heißt, dass auch du etwas ändern kannst, wenn du mit der Situation nicht zufrieden bist.

Wenn du deine Verbindung zu dir gut spürst, dann braucht es keine Mauern, die aufgezogen werden, sondern „einfach“ eine klare Kommunikation deiner Grenzen.

Wenn du diese Verbindung in den Vordergrund stellst, dann brauchst du auch niemanden fern- oder abzuhalten.

Um wirklich gut spüren zu können, wo eine Verbindung noch gut und gesund ist und wo es eine Grenze braucht, ist es in erster Linie wichtig, dass du eine gute Verbindung zu dir hast. Im Detail heißt das:

  • Zu deinem Körper (Was spürst du?)

  • Zu deinen Gedanken (Was denkst du?)

  • Zu deinen Gefühlen (Was fühlst du?)

  • Zu deiner Energie (Wo ist deine Energie? Wem oder was schenkst du deine Energie?)

Ich möchte auf diese 4 Bereiche – besser: Ebenen deines Körpers – noch näher eingehen, damit du ein tieferes Verständnis dafür bekommst:

Körperliche Grenzen

Hier geht es um deinen physischen Körper. Es geht darum, wie nahe dir ein Mensch tatsächlich physisch kommen darf. 

Es geht auch um deine Kraft und um deine Flexibilität. Es geht um Bewegung und Sport, um Ruhe und Entspannung. 

Ich habe hier ein paar Fragen für dich, die dich dazu inspirieren sollen, dir selbst über deine körperlichen Grenzen bewusster zu werden:

  • Wie nahe möchtest du Menschen tatsächlich physisch an dich heranlassen?

  • Kannst du spüren, wo deine körperlichen Grenzen beim Sport oder beim Yoga sind? 

  • Spürst du, dass du bewusst und gezielt auch mal deine Grenzen auf physischer Ebene liebevoll erweitern kannst?

  • Schenkst du deinem Körper Ruhe und Entspannung, wenn er sie benötigt, oder wirst du dann noch aktiver, schnappst dir einen Kaffee, um wieder fitter zu werden und übergehst so deine physische Grenze?

  • Schenkst du deinem Körper ausreichend Bewegung oder sitzt du viel zu viele Stunden vom Laptop?

Nimm dir gerne Stift und Papier und beantworte diese Fragen für dich schriftlich.

Mentale Grenzen

Mentale Grenzen sind zum Beispiel diese, wenn wir denken, dass etwas nur genauso funktionieren kann, wie wir uns das gerade vorstellen.

Diese Grenzen setzen wir uns selbst.

Dadurch trennen wir uns von all den anderen Möglichkeiten, die es noch gäbe.

Wenn du allerdings gut verbunden bist mit deinen Werten, mit deiner Vision, mit deiner Vorstellung vom Leben, dann kannst du auch gut andere Lösungen und Möglichkeiten neben deiner zulassen.

Du öffnest dich auch wieder dafür, andere Möglichkeiten überhaupt zu sehen.

Eine weit gesündere Herangehensweise wäre es daher, dieses „Entweder-oder“ durch ein „Sowohl-als-auch“ zu ersetzen:

  • Wir dürfen alternative Heilmethoden nutzen UND zum Arzt gehen, wenn wir eine Verletzung haben oder wirklich einen ärztlichen Rat benötigen.

  • Wir dürfen vollkommen überzeugt von unserer Businessidee, unserer Nische, unserer Lösung für unsere Kund*innen sein UND wir dürfen anerkennen, dass es auch noch tausend andere Wege für sie geben kann, um ans Ziel zu kommen. 

  • Wir dürfen es lieben, auf der Bühne zu stehen, UND wir dürfen es lieben, uns ganz allein zurückzuziehen und mit einem Buch einzukuscheln.

  • Wir dürfen unser Marketing ganz ohne Social Media betreiben UND wir dürfen aber genauso Social Media in dem Umfang nutzen, in dem es für UNS stimmt.

  • Wir dürfen „ultimative, einzigartige, gamechanging Lösungen“ von Businesscoaches hinterfragen UND unsere ganz eigene Strategie entwickeln.

Wir dürfen alles sein und uns alles erlauben. (Selbstverständlich immer nur so weit, wie wir uns und anderen Menschen nicht schaden.)

Laut und leise.
Wild und zart.
Verletzlich und stark.

Meine Fragen hier an dich:

  • Wo steckst du dich in eine Schublade, aus der du dich befreien möchtest?

  • Wo erlaubst du dir nicht, das zu leben, was du dir wirklich wünschst?

  • Wie möchtest du dein Business wirklich führen?

  • Wie möchtest du dein Leben wirklich gestalten?

  • Wem oder was möchtest du deine wertvolle Zeit und Energie tatsächlich schenken?

Nimm dir gerne wieder Zeit, um diese Fragen für dich in Ruhe zu beantworten.

Emotionale Grenzen 

Eine emotionale Grenze ist einerseits deine Kapazität, Gefühle zu halten (oder „auszuhalten“).

Wie viel Traurigkeit, wie viel Wut, wie viel Freude, wie viel Glücklichsein hältst du aus?

Wir können mit Hilfe unseres Körpers, diese Grenzen auch erweitern. Die Gefühle sind immer da. Emotionen sind die Gefühle plus die unwillkürliche körperliche Reaktion dazu. 

Indem du innehältst und körperlich spürst, WAS ein Gefühl körperlich mit dir macht, kannst du langsam deine Kapazität erweitern, auch mehr von diesem Gefühl zu halten.

Hier ein paar Fragen zu deinen emotionalen Grenzen:

  • Kannst du deine eigene Wut spüren?

  • Erlaubst du dir deine eigene Wut, oder schluckst du sie runter?

  • Wie glücklich erlaubst du dir zu sein?

  • Erlaubst du dir dein Glück, deine Zufriedenheit, deine Freude, mit der Welt zu teilen?

  • Zeigst du es, wenn du traurig bist oder versuchst du darüber hinwegzulächeln?

Nimm dir gerne wieder Zeit, diese Fragen schriftlich zu beantworten.

Energetische Grenzen

Die chinesische Medizin spricht von Meridianen. Die Yogis nennen sie Nadis. Und beim Nuad-Thai (Thai-Massage) nennt man sie die Sen-Linien. Alle 3 meinen im Grunde Ähnliches. Sie sprechen von Energiebahnen in unserem Körper, die in unserer westlichen Medizin (noch) keinen Raum finden.

Diese Energiebahnen sind, genauso wie unser physischer Körper, unser mentaler Körper und unser emotionaler Körper, Teil des großen Ganzen. Eine Blockade in diesen Energiebahnen ist gleichbedeutend mit einer Blockade unserer Lebensenergie. 

Wenn wir immer wieder unsere Grenzen überschreiten, indem wir zum Beispiel immer mehr von uns fordern und uns immer weiter pushen, dann entstehen auch in diesem Energiesystem Blockaden. 

Diese können sich dann im physischen Körper zu Verspannungen und Schmerzen manifestieren.

Ganz besonders möchte ich in diesem Zusammenhang unsere Mitte erwähnen – also den Bereich unseres Bauchs. 

Stell dir deine Energie vor wie Fäden eines Spinnennetzes, die von dir weggehen zu all diesen Dingen, die dich beschäftigen. Emotional, mental, physisch, energetisch. 

Das sind Menschen, für die du sorgst, das sind Kund*innen, und alle anderen Themen rund um dein Marketing und dein gesamtes Business, das sind deine Sorgen und die Gedanken, über deine Vergangenheit und deine Zukunft. 

Es geht darum, diese Fäden bewusst zu dir zurückzuholen. Diese Fäden stehen für deine Energie. Und je mehr du sie verstreust und offene Enden oder Aufgaben mit dir herumschleppst, desto weniger Energie steht dir in deinem Körper JETZT zur Verfügung.

Und hier schließt sich der Kreis. Wenn du gut mit dir in Verbindung bist, dann weißt du, wann deine Energie nicht mehr reicht, dass es Zeit wird, Stopp zu sagen und etwas zu verändern. 

Ich arbeite mit Bewegung, Berührung und Pflanzenessenzen am Körper. Über unseren Körper können wir alle Ebenen beeinflussen und klären, um uns wieder besser zu spüren. Und dann in weiterer Folge auch besser zu erkennen, wo unsere Grenzen sind.

Wenn du hier tiefer einsteigen möchtest, findest du in den beiden Artikeln zum Thema Energieräuber und Loslassen lernen hilfreiche Tools, um dir deine Energie zurückzuholen.

Wie kannst du die eigenen Grenzen erkennen und kommunizieren?

Wenn du für alle da bist, kannst du bald für niemanden mehr da sein.

Durch die Verbindung zu deinem Körper und das differenziertere Wahrnehmen deiner Körperebenen (physisch, mental, emotional, energetisch) kannst du bewusster erkennen, was du im Moment brauchst. 

Und das ist der erste Schritt beim Thema Grenzen.

  • Was spürst du in deinem Körper?

  • Was brauchst du im Moment?

  • Welcher deiner Werte wurde verletzt?

  • Wo solltest du jetzt in Verbindung zu gehen (zu anderen und auch zu dir selbst)? 

  • Wo braucht es gerade eine klare Grenze?

All diese Ebenen sind miteinander verbunden und sie beeinflussen sich gegenseitig. 

Hier ist ein Beispiel auf all den vier Körperebenen mit Lösungsansätzen für dich, um es noch klarer zu machen: 

Nehmen wir an, du bist erschöpft.

Wenn du physisch erschöpft bist, dann brauchst du vermutlich einfach Schlaf und Erholung. Es kann sein, dass du dich beim Sport sehr überanstrengt hast, mehrere Nächte in Folge nicht gut geschlafen hast oder gerade noch dabei bist, dich von einer Krankheit zu erholen.

Wenn du mental erschöpft bist, der Kopf brummt und ganz voll ist, dann braucht dein Kopf eine Pause. Diese kannst du ihm geben, indem du zu einem deiner Lieblingssongs tanzt, eine kurze aktivierende Bewegungseinheit in deinen Tag einbaust oder eine Runde spazieren gehst.

Wenn du emotional erschöpft bist, dann brauchst du vielleicht jemanden, mit dem du deine Sorgen teilen kannst, jemanden, der dir eine Umarmung schenkt. Wenn du aber ganz akut niemanden hast, der dir eine Umarmung schenkt, dann schenke dir selbst eine. Nutze ätherische Öle, die Trost spenden und dich stärken und bewege dich. 

E-motionen sind „Energy in Motion“ (Energie in Bewegung). Die Gefühle fließen durch deinen physischen Körper. Gefühle wollen gefühlt werden, dann können sie durch dich durchfließen. Wenn du sie nicht fühlen willst, nicht spüren willst oder runterschluckst, dann können sie sich in deinem Energiekörper festsetzen und sich so auch wieder auf der physischen Ebenen manifestieren, das heißt, in Form von Verspannungen oder Ähnlichem in deinem Körper auftauchen.

Es geht gar nicht darum, ganz genau benennen zu können, was du fühlst (Gefühle), sondern vielmehr darum, dass du dich spürst und es dann auch benennst. Den Boden unter deinen Füßen, die Verspannung in den Schultern, dein verspannter Kiefer, deine weichen Knie, dein schmerzender Nacken, deine Füße, deine Hände – sind sie warm, kalt? 

All das hilft der Energie (E-motion), frei durch deinen Körper zu fließen und auch wieder gehen zu können.

Wenn du energetisch erschöpft bist, dann zeigt sich das, wie die physische Erschöpfung, obwohl du genug geschlafen hast, dich körperlich nicht zu stark verausgabt hast und dich gerade auch nicht von einer Krankheit erholst. Es liegt daran, wie oben beschrieben, dass du deine Energie zu stark verteilt hast und es notwendig ist, deine Energie zu dir zurückzuholen. 

Das heißt konkret: Dinge abzuschließen, Dinge loszulassen, die du nicht mehr abschließen wirst, Entscheidungen zu treffen, deine eigenen Regeln aufzustellen, JA zu sagen, NEIN zu sagen.

Warum gesunde Grenzen deine Beziehungen stärken

Wenn du so gut mit dir verbunden bist, dass du genau spürst, was du brauchst, dann ist es für dich leichter, dies zu kommunizieren.

Es schenkt deinem Gegenüber Sicherheit. 

Diese Sicherheit ist nichts Greifbares. 

Sie ist für dein Gegenüber spürbar.

Und es ist auch für die Menschen in deinem Leben eine Einladung, es dir gleich zu tun und auch deren eigene Grenzen zu kommunizieren.

Eine Einladung für alle Menschen, wieder mehr auf den eigenen Körper zu hören und auszusteigen, aus dem Rund-um-die-Uhr-das-ganze-Jahr-über-funktionieren-Modus.

Nehmen wir an, du hast vereinbart, dich mit einer Freundin zu treffen, bist aber unglaublich erschöpft, weil die letzten Tage so anstrengend waren (vielleicht waren die Kinder krank und du musstest nebenbei dein Business am Laufen halten).

Wenn du hier ganz ehrlich kommunizierst, wie es dir geht, dass du einfach zu müde bist, um dich noch zu treffen, macht dich das verletzlich und angreifbar. 

Besonders, wenn es um Menschen geht, die von dir gewohnt sind, dass du immer zuverlässig bist und nie etwas absagst.

Aber diese Entscheidung gegen dieses eine Treffen ist eine Entscheidung für deine Energie und auch dafür, dass du bei dem Kontakt mit Menschen ganz DA sein willst – voll präsent sein.

Es ist eine Entscheidung für dich und ein Zeichen für die gesunde Qualität deiner Beziehungen.

Gesunde Grenzen in deiner Selbstständigkeit: Klarheit & Kraft von innen

Termine zu den Wunschzeiten der Kundin – auch am Wochenende wenn nötig.
Nur schnell Hilfe am Wochenende.
Kostenloses Coaching per E-Mail, Messenger, WhatsApp.
Erreichbarkeit für telefonische Anfragen immer – auch am Wochenende.

Wir wollen helfen. Wir können auch helfen. Aber eigentlich hatten wir mit uns selbst etwas anderes vereinbart.

All das kann zu Beginn vielleicht noch gut funktionieren, aber irgendwann wirst du feststellen, dass es dir nicht gut tut und dass du dir wünschst, gesunde Grenzen zu ziehen.

Setz dich hin und nimm dir Zeit dafür, zu definieren, was deine Regeln im Business sind. 

  • Wie willst du es haben?

  • Wann bist du erreichbar?

  • Auf welchem Weg sollen Anfragen zu dir kommen?

  • Auf welchem Weg sollen/dürfen deine Kund*innen dich kontaktieren?

  • Willst du per Messenger erreichbar sein und Auskunft geben – wenn ja, für wen und wann?

  • Kommunizierst du all das, wie du es willst, klar auf deiner Website?

Und genau hier komme ich wieder zu dem Punkt mit deiner Verbindung: Um all diese Fragen für dich beantworten zu können, ist es wichtig, dass du gut mit dir in Verbindung bist und spürst, was du brauchst, was du willst und was nicht.

Verbindung zu dir stärken: Wie geht das?

Starte gleich hier und jetzt.

Leg eine Hand auf dein Herz, eine Hand auf deinen Bauch.

Nimm wahr, wie dein Atem in den Bauch ein- und wieder ausströmt.

Durch das Lenken deiner Aufmerksamkeit auf deinen Körper – auch durch die Berührung – kommst du ganz im JETZT und in deinem Körper an.

Dann stell dir diese Fragen und lass die Antworten in dir auftauchen:

  • Was spürst du? (Körper)

  • Was fühlst du? (Gefühle)

  • Welche Gedanken tauchen auf?

Ich wünsche dir viel Freude beim Erforschen und Entdecken der tiefen Verbindung zu dir. 

Dieser kleine Mini-Check-in sollte wie das tägliche Zähneputzen sein. Er sollte für dich so sehr zur Gewohnheit werden, dass du gar nicht mehr extra daran denken musst.

Diese tiefe Verbindung ermöglicht es dir, gesunde Grenzen zu setzen und auch in der Verbindung zu anderen Menschen, ganz bei dir und ganz du zu sein.

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Wie wir „Asteya“ (Nichtstehlen) in unserer Selbstständigkeit praktizieren können

Im Yoga gibt es ein Prinzip, das sich „Asteya“ nennt. Asteya bedeutet Nichtstehlen. Was dieses Yogaprinzip mit Selbstständigkeit und Marketing zu tun hat? Alles oder nichts, es ist unsere Entscheidung. Hier sind einige Ideen, wie wir Asteya – das Nichtstehlen – in unserer Selbstständigkeit praktizieren können.

Im Yoga gibt es ein Prinzip, das sich Asteya nennt.

Asteya bedeutet Nichtstehlen. 

Was dieses Yogaprinzip mit Selbstständigkeit und Marketing zu tun hat? Alles oder nichts, es ist unsere Entscheidung.

Hier sind einige Ideen, wie wir Asteya – das Nichtstehlen – in unserer Selbstständigkeit praktizieren können:

#1 Asteya als Nichtstehlen von Zeit

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Zeit.

Wir könnten aufhören, zu spät zu Meetings zu kommen und Menschen unnötig warten zu lassen. Wir könnten anfangen, pünktlich zu sein. 

Vielleicht könnten wir auch ein paar Minuten früher zu unseren Terminen erscheinen, uns kurz sammeln, zur Ruhe kommen, uns fokussieren, sodass wir nicht unnötig Zeit vom Gegenüber nehmen und direkt starten können. 

Vielleicht könnten wir sogar vorausdenken und Störungen oder kleinere „Notfälle“ antizipieren. Die Türklingel. Das Telefon. Wir könnten sie ausstellen. Wir könnten Stift und Papier bereitlegen. Uns ein Glas mit Wasser auffüllen. Sodass alles bereit steht, sollten wir es brauchen.

Wir könnten großzügiger und realistischer unsere Termine planen. Lieber ein ehrliches „Nein, das schaffe ich an dem Tag nicht“ als immer nur „Ja, ja, ja“.

Wir könnten aufhören, Menschen Lebenszeit zu stehlen, indem wir unnötig (!) lange Texte schreiben. Oder Newsletter aus einem Gefühl des Müssens verschicken, obwohl wir gerade eigentlich gar nichts zu sagen haben. 

Wir könnten anfangen, Texte zu schreiben, die wirklich etwas bedeuten. Die das Leben von anderen Menschen bereichern, die das Internet nicht (nur) zu einem volleren, sondern zu einem besseren Ort machen.

Vielleicht könnten wir uns auch darin üben, auf den Punkt zu kommen. Wir könnten auch mal kürzere E-Mails, kürzere Blogartikel, kürzere Newsletter schreiben und Menschen damit zeigen, dass wir ihre Zeit wertschätzen.

Wir könnten auf unserer Kontaktseite Fragen antizipieren und sie beantworten. 

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Zeit – in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren.

#2 Asteya als Nichtstehlen von Ideen

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Ideen.

Wir könnten darauf achten, Ideen von anderen nicht als unsere eigenen auszugeben und uns nicht mit fremden Federn schmücken.

Wir könnten es uns zur Gewohnheit machen, Quellen anzugeben, Zitate als solche zu markieren. Transparent damit zu sein, woher unser Wissen kommt. 

Vielleicht könnten wir uns sogar darin üben, weniger auf andere zu gucken und mehr in uns. Uns immer wieder daran erinnern, dass unsere eigenen Ideen gut genug sind.

Wir könnten die Botschaften teilen, die Texte schreiben, die Produkte anbieten, die wir wollen – und nicht weil „man“ es so macht.

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Ideen – in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren.

#3 Asteya als Nichtstehlen von Geld

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Geld

Wir könnten aufhören, danach zu streben, was uns jemand nicht freiwillig gibt

Wir könnten aufhören, „Sales Funnel“ auszutüfteln, „Erfolgsversprechen“ und „Geheimformeln“ anzupreisen, mit künstlicher Verknappung zu arbeiten. Wir könnten aufhören, mit Freebies und anderen „Lockmitteln“ Menschen in unsere Programme „hineinzufunneln“.

Wir könnten anfangen, Menschen die Zeit für ihre Kaufentscheidung zu lassen, die sie brauchen. Geduldig sein. 

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Geld – zu praktizieren.

#4 Asteya als Nichtstehlen von Aufmerksamkeit

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Aufmerksamkeit.

Wir könnten aufhören, Belanglosigkeiten auf Social Media zu teilen. Täglich zu posten, unser Gesicht in den Storys zu zeigen, nur um den Algorithmus bei Laune zu halten. (Und nicht, weil wir gerade etwas zu sagen haben.)

Wir könnten anfangen, Benachrichtigungen auszustellen, bevor wir in ein Meeting gehen. E-Mails, Messenger, Instagram. 

Wir könnten Familienmitgliedern Bescheid sagen, dass wir nun für zwei Stunden in einem Zoom-Meeting und nicht verfügbar sind. Wir könnten den Menschen, mit denen wir uns gerade online treffen, Ungestörtheit schenken. Einen geschützten Raum ohne Ablenkungen schaffen.

Vielleicht könnten wir sogar anfangen, unsere eigene Aufmerksamkeit nicht zu stehlen, indem wir stundenlang sinnlos durch Social-Media-Feeds scrollen. Wir könnten anfangen, unsere Handlungen mit einer Intention zu begehen. Uns in Bewusstsein zu üben. 

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Aufmersamkeit – in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren.

#5 Asteya als Nichtstehlen von Vertrauen 

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Vertrauen.

Wir könnten aufhören, unrealistische Versprechungen zu geben. Ergebnisse, die nur vom kleinsten Teil unserer Kund*innen erreicht werden und für den überwiegenden Teil niemals Realität wird. 

Wir könnten darauf achten, ehrlich zu sein, wenn wir über unsere Produkte und Angebote sprechen. Uns darin zu üben, (noch) klar(er) zu kommunizieren. 

Wir könnten uns darin üben, transparent zu sein. Es explizit zu sagen, wenn nicht wir es sind, die eine Supportgruppe betreuen, sondern ein Teammitglied. 

Wir könnten anfangen, selektiver mit unserem Ja zu sein. Wir könnten es uns zur Gewohnheit machen, öfter Nein zu sagen, um nicht mitten in einem Projekt wieder einen Rückzieher zu machen und so das Vertrauen, das Menschen in uns gesetzt haben, zu enttäuschen. 

Vielleicht könnten wir sogar aus dem „Mehr ist immer besser“-Wahn aussteigen und wieder auf Qualität setzen. Wir könnten uns vornehmen, nicht mehr zu kommunizieren, sondern deutlicher. Vor allem, wenn wir über unsere Produkte und Angebote sprechen.

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Vertrauen – in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren.

#6 Asteya als Nichtstehlen von Selbstvertrauen

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Selbstvertrauen.

Wir könnten aufhören, unser Marketing so zu gestalten, dass wir andere Menschen als Mangelwesen inszenieren. Wir könnten aufhören, Frauen systematisch einzureden, dass sie nicht gut genug sind, und dass sie unbedingt unser Programm brauchen, um ein vollständiger, glücklicher Mensch zu werden.

Wir könnten Schluss damit machen, künstlich einen Bedarf zu wecken, wo keiner ist. Wir können aufhören, uns im Marketing auf die „Pain Points“ zu fokussieren. So lange in den Wunden der Menschen rumzubohren, bis sie taub werden.

Wir könnten anfangen, in unserem Marketing Selbstvertrauen zu schenken und Frieden zu stiften.

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Selbstvertrauen – in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren.

#7 Asteya als Nichtstehlen von Energie

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Energie.

Wir könnten uns darin üben, mitzudenken. Jemandem, der einen Gastartikel von uns veröffentlicht, nicht nur den Text, sondern gleich ein paar Fotos zur Auswahl mitzuschicken. Für Treffen nicht nur einen Termin anzubieten, sondern mehrere.

Wir könnten aufhören, Standardmails mit Standardanfragen mit der Gießkanne auszuschütten und so Menschen, die gar nicht zu uns und unserem Anliegen passen, unnötig Energie zu rauben. Wir könnten uns öfter daran erinnern, dass jedes Wort, jede Mail, jeder Post, jeder Text das Leben eines anderen Menschen beeinflusst. 

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Energie – in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren.

#8 Asteya als Nichtstehlen von Rechten

Asteya könnte bedeuten: ein Nichtstehlen von Rechten.

Wir könnten aufhören, nicht gesetzeskonforme Geschäftspraktiken mit Wachstum und Umsatz zu legitimieren.

Wir könnten mehr darauf achten, die Rechte, die Menschen in der Zusammenarbeit mit uns haben, zu wahren. Das Widerrufsrecht. Das Datenschutzrecht. Das Recht auf alle notwendigen Informationen vor dem Kaufvertrag.

Alles Möglichkeiten, Asteya – das Nichtstehlen von Rechten – in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren. 

#9 Asteya als Nichtstehlen von unserer Unterstützung

Und schließlich könnte Asteya bedeuten: ein Nichtstehlen unserer Unterstützung.

Wir könnten aufhören, Menschen unserer Hilfe und Unterstützung zu berauben. Wir könnten uns entscheiden, den Text zu veröffentlichen, das Angebot zu erstellen, sichtbar zu sein.

Wir könnten aufhören, unser Licht unter den Scheffel zu stellen. 

Wir könnten anfangen, unser Wissen, unsere Talente und Fähigkeiten mit der Welt zu teilen. Die eigenen Talente nicht vorenthalten. Geben, was wir zu geben haben. Es nicht mehr verstecken. 

Hier sind noch einmal die Möglichkeiten, Asteya in unserer Selbstständigkeit zu praktizieren:

  • pünktlich sein 

  • früher zu Terminen kommen und uns kurz auf den Termin einstimmen

  • Störungen und kleine Notfälle antizipieren und uns darauf vorbereiten

  • großzügiger und realistischer Termine planen

  • öfter nein sagen

  • Texte mit klarer Botschaft schreiben statt aus einem Gefühl des Müssens

  • kürzere Mails, Newsletter und Blogartikel schreiben

  • auf der Kontaktseite Fragen antizipieren und beantworten

  • Ideen von anderen nicht als eigene ausgeben

  • Quellen angeben und Zitate als solche markieren 

  • an eigenen Ideen und Themen orientieren statt daran, was „man“ zu tun hat, wenn „man“ selbstständig ist

  • nicht danach streben, was uns jemand nicht freiwillig gibt

  • Sales Funnel, Freebies und andere Lockmittel hinterfragen

  • Menschen Zeit für ihre Kaufentscheidung lassen

  • uns in Geduld üben

  • Benachrichtigungen ausstellen, bevor wir in ein Meeting gehen (E-Mails, Messenger, Instagram)

  • Familienmitgliedern Bescheid geben, dass und wie lange wir nicht gestört werden sollten

  • Handlungen mit einer Intention begehen

  • realistische Ergebnisse im Marketing versprechen

  • ehrlich und transparent über unsere Angebote und Produkte sprechen (z.B. dass ein Teammitglied die Supportgruppe des Kurses betreut und nicht wir)

  • selektiver mit unserem „Ja“ sein

  • auf Qualität in der Kommunikation setzen: nicht mehr, sondern klarer kommunizieren

  • Selbstvertrauen schenken und Frieden stiften, statt Menschen systematisch einzureden, dass sie nicht gut genug sind

  • mitdenken (z.B. nicht nur Text, sondern gleich Fotos mitschicken, wenn wir einen Gastartikel einreichen)

  • individuelle, maßgeschneiderte Anfragen verschicken statt Standardanfragen mit der Gießkanne auszuschütten

  • Rechte, die Menschen in der Zusammenarbeit mit uns haben, wahren (z.B. Widerrufsrecht, Datenschutzrecht etc.)

  • die Welt nicht unserer Talente und Fähigkeiten berauben, sondern das, was wir können und wissen, mit der Welt teilen

Ich wurde zu diesem Blogartikel durch folgende Artikel inspiriert:

Asteya

Die fünf Yamas und unser Umgang mit der Umwelt

The Yamas: Asteya – non-stealing

Yogasutra 1x1: Asteya – die Kunst der eigenen Fülle

How to practice Asteya – nonstealing of others’ time – in your work and everyday life

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Was wirst du bauen?

Stell dir vor, du kaufst ein Lego-Set mit dem Namen „Selbstständigkeit“. Du öffnest die große, bunte Packung und entdeckst unzählige Steine in den verschiedensten Größen, Farben und Formen. Was wirst du bauen?

Stell dir vor, du kaufst ein Lego-Set mit dem Namen „Selbstständigkeit“.

Du öffnest die große, bunte Packung und entdeckst unzählige Steine in den verschiedensten Größen, Farben und Formen.

Der eine dunkelblaue Lego-Stein heißt Facebook.
Der lilafarbene Stein Instagram.
Der grüne Stein Blog, der gelbe Stein Podcast und der weiße SEO.
Und die große, graue Platte, auf der du alle anderen Steine draufsetzen kannst, nennt sich Website.

Was wirst du bauen?

Wirst du sofort nach der Bauanleitung suchen und jeden einzelnen Schritt akribisch befolgen?
Wirst du den langen gelben Vierer auf den langen roten Vierer setzen und nicht umgekehrt?
Wirst du etwas bauen, was alle anderen Menschen auch bauen, die sich an der gleichen Anleitung orientieren? (Um dich dann nachher zu beschweren, dass dein Bauwerk nicht genügend heraussticht?)

Oder wirst du die Steine nach deiner eigenen Vorstellung zusammensetzen?
Die Steine, mit denen du nichts anfangen kannst, einfach weglassen?
Nur die Steine nutzen, bei denen es dir in den Fingern kribbelt?
Wirst du dich von deinen Ideen und Vorstellungen leiten lassen und etwas Einzigartiges bauen? Etwas, das es so noch nicht gibt?

Alle Steine aus dem Lego-Bausatz „Selbstständigkeit“ liegen vor dir:

Website, SEO, Blog, Podcast, Facebook, Instagram, TikTok, Webinare, Newsletter, persönliche Kontakte, Weiterempfehlungen, Affiliate-Marketing, Werbeanzeigen.

Schau sie dir genau an und entscheide selbst, was du daraus baust und welche Steine du nimmst.

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Wir müssen das nicht machen

Hier ist eine Liste von Dingen, die wir nicht tun müssen, obwohl wir selbstständig sind.

Hier ist eine Liste von Dingen, die wir nicht machen müssen, nur weil wir selbstständig sind:

Skalieren.

Launchen.

Einen „Sales Funnel“ entwickeln.

SEO betreiben.

Passives Einkommen generieren.

Ein Logo haben.

Oder ein professionelles Brand Design.

Eine Website haben.

Blogartikel schreiben.

Bücher schreiben.

Auf Social Media sein.

Werbeanzeigen schalten.

Ein Freebie haben.

Newsletter schreiben.

Unser Gesicht täglich in den Storys zeigen.

Liken.

Kommentieren.

Reels drehen.

Jeden Tag auf Instagram posten.

Digitale Produkte haben.

Ein Team haben.

Auf Netzwerkveranstaltungen gehen.

Webinare halten.

Eine Membership haben.

Onlinekurse erstellen.

Ein „Tiny Offer“ haben.

Eine Mastermind anbieten.

Speakerin sein.

Interviewt werden.

Gastartikel schreiben.

Affiliate-Marketing betreiben.

Bei Kongressen mitmachen.

Produkt einem Bundle beisteuern.

Livegehen.

Eine „Challenge“ durchführen.

Oder ein „Bootcamp“.

Facebook-Gruppen für den Support von Kund:innen haben.

Videos drehen.

Uns spitz positionieren.

Karussellposts erstellen. 

ChatGPT nutzen.

Diese Strategien sind Werkzeuge. Wir können alle diese Werkzeuge nutzen oder nur drei.

Wir können sagen „Das passt alles nicht zu mir“ und es ganz anders machen.

Wir können ein Werkzeug testen, nur um festzustellen, dass es nicht gut in der Hand liegt und wir damit nicht weiter arbeiten möchten.

Das ist okay.

Wir müssen nichts machen, was wir nicht wollen.

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Ein kritischer Blick auf das Female Empowerment auf Social Media

Wie feministisch sind die üblichen „Female Empowerment“-Posts auf Social Media? The answer may (not) surprise you: Bedingt. In diesem Blogartikel geht es um die widersprüchlichen und problematischen Botschaften der Girlbosse auf Instagram und Co.

In knapp einem Monat ist internationaler Weltfrauentag.

Und wie immer wird – neben wichtigen Anliegen, Aktionen, Impulsen und Statistiken – eine Menge gefährlicher Blödsinn im Namen des „Female Empowerment“ verbreitet.

Oft (und insbesondere) von Coaches.

Für mich gehört das zu den Hauptwidersprüchen der hippen Girlboss-Female-Empowerment-Selbstverwirklichungsbubble:

Wir tun so, als wäre uns die Stärkung von Frauen eine Herzensangelegenheit – doch unsere Handlungen sprechen eine andere Sprache.

Hier eine lange Liste von Begriffen, Bildern, Botschaften und Handlungen, die dem Anliegen der Female-Empowerment-Bewegung schaden – und abschließend ein paar Ideen, wie wir es besser machen können.

#1 Die Sprache im Female Empowerment

Alles fängt mit der Sprache an.

Powerfrau
Karrierefrau
Fempreneur
Bosslady
Ladyboss
Working Mum
Mumpreneur
Mompreneur
SHEO
 

Diese Begriffe mögen nett oder sogar als ein Kompliment gemeint sein, doch sie zeigen ganz deutlich:

Wenn Frauen oder Mütter arbeiten oder sich selbstständig machen, ist das immer noch eine Abweichung von der Norm und sollte extra betont werden. Als wären wir immer noch ganz verwundert darüber, wenn Frauen Karriere machen oder Mütter arbeiten.

In der Linguistik nennt man das eine konversationelle Implikatur: Wir sagen zwar nicht explizit, dass es „nicht normal“ ist, dass Frauen arbeiten oder Karriere machen, aber wir meinen das stillschweigend mit. 

Das liegt an den sogenannten Konversationsmaximen, die der Sprachphilosoph H. P. Grice 1967 „entdeckt“ hat. Im Fall von „Powerfrau“ oder „Karrierefrau“ gilt die Maxime der Relevanz. Wäre es nicht relevant, die „Power“ oder „Karriere“ extra zu betonen, würden wir es gar nicht erst so formulieren.

Wie im Grice’schen Beispiel vom Kapitän und dem Maat. 

Der Kapitän schreibt ins Logbuch: Heute, 11. November, der Maat ist betrunken. Der Maat liest den Eintrag, wird wütend und schreibt seinerseits: Heute, 12. November, der Kapitän ist nicht betrunken. 

Die Implikatur ist klar: Normalerweise ist der Kapitän betrunken, doch heute – es geschehen noch Zeichen und Wunder – mal nicht! 

Die Maxime der Relevanz greift auch, wenn wir sagen:

Heute war das Essen in der Mensa mal lecker.

Oder:

Heute hat Michael mal selbst das Klo geputzt.

Wir implizieren mit diesen Sätzen, dass der Normalfall ein ganz anderer ist. Deshalb sind auch solche Begriffe wie „Frauenfußball“ bescheuert. Und deshalb tut sich die Female-Empowerment-Bewegung keinen Gefallen damit, von „Powerfrauen“, „Karrierefrauen“ und Co. zu sprechen. 

Wie absurd diese Wörter eigentlich sind, merken wir spätestens, wenn wir das männliche Pendant bilden:

Powermann
Karrieremann
Manpreneur
Bosssir
Sirboss
Working Dad
Dadpreneur
HEO

Diese Begriffe gibt es nicht, weil es für Männer „normal“ ist, „Power“ zu haben oder Karriere zu machen. Und weil die Frage, ob ein Mann Kinder hat, in einer Gesellschaft, in der Mütter immer noch einen Großteil der Care-Arbeit übernehmen, zu vernachlässigen ist. 

Deshalb ist es auch so witzig, wenn der Satire-Account „Man who has it all“ twittert:

Working husband? How do you keep your energy levels up? Jack, age 28 „I keep an almond in my coat pocket“. Inspirational.

Mindestens genauso problematisch ist die Verniedlichung von Frauen mit Begriffen wie

Girlboss
Bossbabe
Girlpreneur
Girlpower

„Girlboss“ geht auf „Nasty Gal“-CEO Sophia Amoruso zurück, die den Begriff mit ihrem gleichnamigen Buch 2014 in die Welt gebracht hat. 

Doch was sagen Begriffe wie „Girlpower“ und Co. überhaupt aus? 

Vielleicht: „Keine Angst, ich werde mit meiner ‚Power‘ das Patriarchat schon nicht zum Einsturz bringen. Schließlich bin ich ja nur ein kleines Mädchen.“

Oder: „Ich bin nur ein ‚Girl‘ und will ein bisschen ‚Boss‘ spielen.“

Inzwischen hat es sich zum Glück auch ein Stück weit „ausgegirlbosst“. Während Anfang 2017 der Begriff „Girlboss“ im Urban Dictionary noch so erklärt wurde: 

A woman in control, taking charge of her own circumstances in work & life. Someone who knows her worth and won't accept anything less. […] She is empowering and inspiring to those around her. She kicks ass!

Heißt es bereits 2021 und 2022:

A person who co-opts popular feminist “girl power” rhetoric as a way to virtue signal to other neoliberals and shield themselves from criticism.

Oder:

Someone who is lauded by themselves or others as a feminist icon, despite not typifing feminism in many ways or sometimes being unpleasant and unethical in a way that is antithetical to feminism.

Von „empowering“ (2017) zu „gegensätzlich zum Feminismus“ (2022) in nur fünf Jahren – wie konnte das passieren?

#2 Die Ästhetik im Female Empowerment

Bevor wir diese Frage beantworten, müssen wir zuvor über die Botschaften sowie über die Bilder und Ästhetik sprechen, die manchmal im Namen der Girlboss-Mumpreneurs-Female-Empowerment-Bewegung verbreitet wird.

Geben wir den Begriff „Girlboss“ in Fotodatenbanken wie Canva ein, sehen wir zu 95% einen ganz bestimmten Typ Frau.

Weiß.
Jung.
Schlank.
Gestylt.
Reine Haut.
Volles Haar.
Stilvoll gekleidet.

Blonde Frau sitzt mit übergeschlagenen Beinen auf einem weißen Eames-Stuhl und guckt selbstbewusst in die Kamera.

Ein typisches „Girlboss“ laut Canva: jung, schlank, schön.

 

Eine heile, glorifizierte, pastellige Welt aus Apple-Gerät, duftenden Blumensträußen, Kaffeebechern und Terminplanern (denn ein Girlboss ist busy!).

Flatlay von einem Laptop, einem Notizbuch, Stift und einem Strauß Rosen

Ein typischer „Workplace“ eines „Girlboss“: Laptop, Blumen, Pastell.

 

Wen sehen wir auf prototypischen Girlboss-Bildern nicht oder vergleichsweise selten? Richtig: Women of Colour, Muslimas, Transfrauen, Frauen jenseits der 50 oder Vielfalt von Frauenkörpern.

Was findet auf den prototypischen Girlboss-Bildern üblicherweise nicht statt? Richtig: der meist unglamouröse Alltag von Frauen, die sich selbstständig machen und dabei mit diversen Gender Gaps zurechtkommen müssen.

#3 Botschaften im Female Empowerment

Die typischen Bilder der Selbstverwirklichungsbubble stehen für einen weißen, wohlhabenden „Feminismus“ und haben mit der Realität der meisten Frauen nur wenig zu tun. 

Nicht selten legen sie einen so starken Fokus auf „Good Vibes Only“, sodass ihre „positiven“ Botschaften ins Toxische gehen und Herausforderungen, Probleme, Rückschläge grundsätzlich ignorieren.

Vor allem aber passen diese Bilder zu der Kernbotschaft, die im Namen des Female Empowerment verbreitet wird:

Du kannst super erfolgreich werden, wenn du nur hart genug (an dir) arbeitest und dabei stets positiv bleibst.

Sheryl Sandberg hat diese neoliberale Message im Namen der Frauenbewegung 2013 in die Welt gesetzt. 

In ihrem Buch – mittlerweile ein Bestseller und Klassiker – „Lean in. Frauen und der Wille zum Erfolg“ schreibt Sandberg sinngemäß:

„Wenn Frauen hart arbeiten und mutig sind, können sie alles erreichen, was sie sich vornehmen.“

Hört sich erst einmal gut an, ist bei näherem Hinsehen aber nur ein unreflektierter Worthaufen, der stark nach Privilegien riecht.

Sheryl Sandberg, die bis Herbst 2022 COO von Facebook war, hat ein geschätztes Vermögen von 1,5 Milliarden Dollar. Nicht Millionen, MILLIARDEN. Und vermutlich lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage:

Einer weißen, reichen Frau kommen solche Sätze leichter über die Lippen als beispielsweise Alleinerziehenden, deren Zeit, Kraft und finanzielle Ressourcen nun einmal beschränkt sind. Oder Schwarzen Frauen, die täglich Diskriminierungserfahrungen machen.

Für die meisten Frauen dieser Erde gibt es in patriarchalen Strukturen Grenzen. Selbst wer als Frau weiß und glücklich verheiratet ist – sobald Kinder ins Spiel kommen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir nach durchgemachten Nächten und dank Gender Care Gap erst einmal nicht sooo leistungsfähig sind.

Überhaupt gehen Female Empowerment und die Hustle Culture, für die vor allem Millenials anfällig zu sein scheinen, erstaunlich oft Hand in Hand.

Häufig das Credo der Selbstverwirklichungsbubble: hustle and grind.

Ein echtes „Girlboss“ meint es ernst und gibt jeden Tag alles.
Trinkt erst Kaffee und rettet dann die Welt.
Macht ständig Selfies von sich bei der Arbeit oder eine Instastory davon, wie sie eine Pause macht.

Die Spitze der Selbstverwirklichungsbubble-Hustle-Bubble ist der 5am Club – ein Konzept, das auf das gleichnamige Buch von Robin Sharma zurückgeht. 

Sharmas These: 

Frühmorgens, wenn alle schlafen, können wir ungestört unseren Zielen nachgehen. Wir können Sport machen, meditieren, lesen. Morgens um 5 Uhr sind die wertvollsten Stunden. (Dich ruft garantiert niemand an. Selbst der WhatsApp-Gruppenchat des Fußballvereins des Kindes bleibt stumm.) Das Wissen, dass du schon etwas für dich getan hast, wird dich den ganzen Tag beflügeln und dich unglaublich produktiv machen. 

Einschlägige Beispiele sind schnell gefunden: Tim Cook steht laut Business Insider um 3:45 Uhr auf. Ehemalige First Lady Michelle Obama um 4:30 Uhr. Tim Armstrong um 5 Uhr. Sergio Marchionne um 3:30 Uhr.

Die Botschaft ist klar: Erfolgreiche Menschen sind Frühaufsteher!

Und so zwingen sich „frischgebackene“ Girlbosses Tag für Tag um 5 Uhr aus den Federn, weil erfolgreiche Menschen nun mal nicht snoozen. 

Dass wir in der Leistungsgesellschaft weniger schlafen sollen, um noch mehr zu leisten und noch produktiver zu sein, ist zunächst einmal wenig überraschend: Schlaf ist aus kapitalistischer Sicht völlig wertlos. Denn wer schläft, leistet nichts und kann noch nicht einmal etwas konsumieren. 

Die Forschungslage ist allerdings gar nicht so eindeutig, wie die 5am-Befürworter*innen tun. 

Es gibt Studien, die belegen, dass Morgenmenschen gesünder sind und länger leben. Es gibt aber auch genauso Studien, die zeigen, dass es nichts bringt, sich zum Frühaufstehen zu zwingen, wenn mensch einen anderen zirkadianen Rhythmus hat. Oder dass es keinen Zusammenhang zwischen der Aufstehzeit und dem sozioökonomischen Status gibt. 

Kurz: Wer von sich aus früh wach ist, darf gerne um 5 Uhr aufstehen und meditieren. Wer sich schwer damit tut, wird vermutlich nicht produktiver und leistungsfähiger, sondern durch den Schlafmangel auf Dauer krank werden.

Wem ist mit diesem hustlenden, früh aufstehenden Female Empowerment also geholfen? Na, vor allem Männern.

Denn wenn die Antwort der Female-Empowerment-Bewegung auf die diskriminierenden gesellschaftlichen Strukturen lautet, dass Frauen einfach noch härter arbeiten und noch früher aufstehen müssen, wird sich in absehbarer Zeit nichts an diesen Strukturen ändern.

Und wer Frauen zu 100% die Verantwortung für ihren Erfolg oder Misserfolg überträgt oder alles als eine Frage des „richtigen Mindsets“ darstellt, erzeugt unrealistische Ideale, die Frauen in eine Selbstoptimierungsspirale bringen, sie unter Druck setzen und an sich zweifeln lassen.

Das könnte zum Beispiel so aussehen:

#1 Frau möchte mich selbstständig machen.

#2 Frau entdeckt auf Instagram einschlägige Accounts, die ihr sagen: Für dich ist alles möglich, wenn du hart genug arbeitest!

#3 Frau fühlt sich bestätigt, freut sich und beginnt, hart zu arbeiten und sich den Wecker auf 4:30 Uhr zu stellen.

#4 Nach ein paar Tagen/Wochen/Monaten/Jahren merkt sie: Hmmm, irgendwie ist es nicht so glamourös, wie es bei den „Bossbabes“ immer aussieht. Ich arbeite nicht in einem Büro mit Blick auf eine Skyline, sondern auf der Couch zwischen Wäschebergen und Krümeln der Tiefkühlpizza, die ich mir abends um 23 Uhr noch schnell gegönnt habe. Ich bin durch das frühe Aufstehen erschöpft und hab trotz täglichem Meditieren Streit mit meinem Mann, weil ich nicht als einzige den Haushalt schmeißen will. Und zahlende Kund*innen finde ich nach einem Jahr auch nicht!

#5 Frau scrollt noch einmal durch sämtliche Accounts, denen sie auf Insta folgt, und stellt immer wieder fest: Alle anderen schaffen es doch auch. Es muss an mir liegen. Bei allen anderen sieht es leicht aus. Bei mir ist es schwer. Ich bin das Problem. Mit mir stimmt was nicht. 

Das ist der große, traurige Widerspruch des Female Empowerment

Frauen sollen empowered werden, doch durch die einseitigen Botschaften, die auf Social Media wie am Fließband produziert und geteilt werden, bekommen sie immer wieder vermittelt, dass sie nicht gut genug sind. 

Zum Beispiel, weil sie nach einer Nacht, in der ihre Kinder gekotzt haben und sie zweimal das Bett komplett neu beziehen mussten, es nicht schaffen, um 5 Uhr aufzustehen, Affirmationen aufzusagen und Tony Robbins zu lesen.

Thanks for nothing, Female Empowerment!

#4 Handlungen im Female Empowerment

Doch am beunruhigendsten ist für mich das sogenannte Pinkwashing.

So wie „Greenwashing“ Methoden meint, sich in der Öffentlichkeit ein klimafreundliches Image aufzubauen, während die Handlungen des Unternehmens in der Realität alles andere als umweltfreundlich sind, meint „Pinkwashing“ ein feministisches Image von Unternehmen oder Unternehmer*innen, während die Handlungen eine ganz andere Sprache sprechen.

Sollten Frauen, die sich Female Empowerment auf die Fahnen schreiben, nicht gerade solidarisch mit anderen Frauen sein?

Möchte mensch meinen. Doch die Praxis sieht alles andere als solidarisch aus.

Das Vereinbarkeitsproblem – der Gender Care Gap – zum Beispiel wird nicht etwa dadurch gelöst, Männer und Väter stärker in die Pflicht zu nehmen und für eine gerechtere Aufteilung der Care-Arbeit einzustehen, sondern durch „Nannys“ und „Putzfeen“. 

Als ich 2018 das allererste Mal ein größeres Onlineprogramm buchte, war das einer der ersten Tipps, den ich von etablierten Business-Coaches bekam.

Nicht nur, dass sie für sich selbst entschieden, andere Frauen nicht angemeldet oder in Minijobs als Reinigungskraft zu beschäftigen und sie damit in die Altersarmut zu treiben – sie empfahlen ihren Kund*innen, dasselbe zu tun.

Schließlich können wir Frauen ja nicht gleichzeitig ein Imperium aufbauen und das Klo putzen. Oder?

Seit 2018 sind fünf Jahre vergangen, doch geändert hat sich wenig:

Noch immer geben manche Frauen im Namen des Female Empowerment anderen Frauen den Ratschlag, weniger privilegierte Frauen auszubeuten, um erfolgreich zu sein und ihr individuelles Vereinbarkeitsproblem zu lösen.

Es sei ein altes, veraltetes Modell, schreibt Teresa Bücker pointiert, in dem „Macht bedeutet, die ‚Drecksarbeit‘ an Menschen abzutreten, die nur Zugang zu diesen Arten der Arbeit haben. Und privilegierte Frauen machen in diesem Modell mit. Sie stärken es, statt einzufordern, die Arbeitswelt neu zu organisieren.“ (Quelle)

Das Outsourcen der Care-Arbeit, für die frau nun keine Zeit mehr hat, weil sie sich selbst verwirklichen will, steht also im krassesten Widerspruch zu der Botschaft des Female Empowerment: Frauen zu „ermächtigen“, sie handlungsfähig zu machen, Chancengleichheit zu schaffen und die Einkommensschere zu schließen.

Ähnlich sieht es aus, wenn erfolgreiche Onlineunternehmerinnen Freelancerinnen beschäftigen. 

Immer wieder sind es gerade die Unternehmerinnen, die sich medienwirksam „Female Empowerment“ auf die Fahnen und Instaposts schreiben, die ihre eigenen Mitarbeiterinnen aus irgendeinem Grund ausklammern, jeden berechneten Euro in Frage stellen, um jedes Angebot grundsätzlich feilschen und Stundensatzerhöhungen pauschal ablehnen, Wochen ins Land ziehen lassen, bevor sie Rechnungen begleichen. 

Außen Girlpower, innen Scrooge.

Wenige Jahre nach „Lean in“ müssen wir also feststellen: Es reicht eben nicht, einzelne Frauen an der Spitze zu sehen, solange frauenfeindliche Strukturen in der Gesellschaft und in Unternehmen existieren. Denn natürlich sind auch erfolgreiche Frauen nicht davor gefeit, Mitarbeitende auszubeuten und toxische Unternehmensstrukturen fortzuführen.

So wie Girlboss Sophia Amoruso, die schwangere Mitarbeiterinnen feuerte und mit Nasty Gal letzten Endes Insolvenz anmeldete.

Oder Audrey Gelman, die mit „Wing“ einen sicheren Coworking-Space für Frauen und nicht-binäre Menschen gründen wollte, der sich dann aber als rassistisch und diskriminierend entpuppte. 

Oder Elizabeth Holmes, die in ihrem Unternehmen Theranos eine Kultur der Angst und Geheimhaltung schuf, einige Zeit als erste Selfmade-Milliardärin galt und inzwischen wegen Anlagebetrugs zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. 

Die Bilanz der (selbsterklärten) Girlbosses ist also ernüchternd. Doch die Spitze der systematischen Ausbeutung von Frauen im Namen von Girlpower sind sogenannte MLMs

MLM ist die Abkürzung für Multi-Level-Marketing, was auch als „Network-Marketing“ oder „Direktvertrieb“ bezeichnet wird. Die vielleicht bekanntesten Beispiele für MLMs in Deutschland sind Tupperware, Vorwerk (Thermomix), Mary Kay oder die DVAG

Der Grundgedanke ist, dass Produkte direkt von zufriedenen Kund*innen empfohlen und verkauft werden. 

Ganz praktisch sieht das dann so aus: 

Deine Nachbarin ruft dich an und lädt dich zu einer Tupperparty ein …

Die Mitschülerin, von der du schon neunzehn Jahre nichts gehört hast, findet dich plötzlich auf Facebook und fragt dich, ob du schon von diesem Nahrungsergänzungsmittel gehört hast, mit dem sie ihren bettlägerigen Cousin dritten Grades wieder zum Laufen gebracht hat …

Eine völlig Unbekannte schreibt dir auf Instagram, dass sie genauso jemanden wie dich sucht und es viele Möglichkeiten für solche Macher-Menschen wie dich gibt, sich selbst zu verwirklichen … 

Ein Kumpel faselt auf einmal etwas von Strukturvertrieb und Lebensversicherungen und davon, dass es ganz einfach ist, fünfstellig im Monat zu verdienen …

Die Versprechen der MLM-Bubble sind in der Tat gigantisch.

Wir können völlig flexibel Geld verdienen.
Ganz bequem von zu Hause aus.
Selbst wenn wir siebzehn Kinder und drei Goldfische haben.
Es sind überhaupt keine Vorkenntnisse nötig.
Dafür winken quasi grenzenloses, passives Einkommen, ja finanzielle Freiheit gar – solange der richtige Einsatz gebracht wird.

Dabei ist inzwischen klar, dass der Hauptumsatz bei MLMs nicht durch den Verkauf der Produkte generiert wird, sondern durch das Anwerben von neuen Mitgliedern, die wiederum Produkte verkaufen.

Solche Praktiken sind sowohl in der Europäischen Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken (Richtlinie 2005/29/EG) als auch im deutschen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG §16 Abs. 2) nicht erlaubt. 

Deshalb wird in MLMs einfach nicht transparent gesagt, dass die Rekrutierung von neuen Mitgliedern im Fokus steht. Fertig ist der durch und durch undurchsichtige „Werde dein eigener Girlboss“-Kuchen.

Denn ja: Natürlich werden durch die Betonung auf Flexibilität und Vereinbarkeit vor allem Frauen angesprochen

Doch wie Dr. Claudia Groß vom Institute for Management Research der Radboud University Nijmegen zeigt, werden die Selbstverwirklichungs- und Umsatzversprechen nicht eingelöst. Durch die teils illegalen Praktiken, den Missbrauch sozialer Beziehungen und die sektenähnliche Zustände profitieren nur wenige an der Spitze. 

Ein Mensch aus 40.000 wird mit MLMs reich.

Ein Mensch aus 2.000 kann mit MLMs ein Nettoeinkommen von 2.500–4.000 erwirtschaften.

Die durchschnittlichen Einkünfte, so Dr. Claudia Groß, liegen bei MLMs aber weit unter dem Mindestlohn. (Quelle)

Daran ändert auch nichts, dass eine Reihe von Celebritys sich positiv über MLMs äußern, als Speaker auf MLMs-Events auftreten oder gleich ganz einsteigen. Tony Robbins, GaryV, Chuck Norris, Jürgen Klopp. Die Liste ist lang.

MLMs sind für nahezu alle Menschen, die mitmachen, ein Verlustgeschäft und ganz sicher nicht die Möglichkeit für Frauen, sich selbst zu verwirklichen und finanziell frei zu werden. 

Und weil es so unfassbar traurig ist, dass vor allem Frauen so bewusst und systematisch – oft im Namen des Female Empowerment – getäuscht werden, etwas Comic Relief.

#5 Kapitalismus in pink 

Die Female-Empowerment-Bewegung auf Social Media ist also auffällig systemkompatibel. Schließlich müssen sich weder Männer noch Strukturen ändern, sondern wieder einmal wir Frauen.

Wir sind es, die mehr leisten müssen.
Wir sind es, die früher aufstehen müssen.
Wir sind es, die nicht gut genug sind. 

Diese Botschaften sind praktisch fürs Marketing. Denn wer Frauen als Mangelwesen darstellt, kann ein Produkt anbieten, das diesen Mangel vermeintlich behebt.  

Es ist ein perfides Businessmodell: Frauen einreden, dass sie nicht gut genug sind, und ihnen danach ein hochpreisiges vier-, fünf- oder sechsstelliges Produkt anbieten, damit sie sich endlich wertvoll fühlen. 

Nicht selten werden Frauen dabei zusätzlich unter Druck gesetzt, indem ihnen ein „falsches Mindset“ attestiert wird, sollten sie diese Beträge nicht zahlen wollen oder können. 

Das heißt jetzt nicht, dass Selbstständige, die mit anderen Frauen zusammenarbeiten, niemals verkaufen dürfen. Oder dass ihre Produkte nicht das kosten dürfen, was sie wert sind.

Es ist aber ein großer Unterschied, ob ich einen bestehenden Bedarf bediene und bestehende Probleme lösen will oder ob ich die Frau als defizitäres Wesen inszeniere und es als ihre einzige Möglichkeit darstelle, ein teures Programm zu kaufen.

Manchmal werden noch nicht einmal Ratenzahlungen angeboten (und wenn doch, grundsätzlich immer mit einem saftigen Aufpreis im Vergleich zur Einmalzahlung) und Frauen werden direkt oder indirekt ermuntert, einen Kredit aufzunehmen und Schulden zu machen.

Die dunkle Seite des Female Empowerment treibt Frauen also mit ihren Gaslighting-Praktiken nicht nur in den finanziellen Ruin, sondern erfüllt auch eine Gatekeeping-Funktion, indem sie Selbstverwirklichung nur für Frauen mit entsprechenden finanziellen Ressourcen – oder diejenigen, die bereit sind, sich dafür zu verschulden – zugänglich macht.

„Gaslight, Gatekeep, Girlboss“.

Das ist nicht Female Empowerment sondern ein weißer „Upper Class“-Feminismus, von dem nur die Frauen profitieren, die eh schon privilegiert sind. 

Die Tassen, Taschen, Shirts, Hoodies, Notizbücher, Stifte, Mousepads, Handyhüllen, Sticker, Poster, Schlüsselanhänger und Jutebeutel, auf denen „Girlboss“ oder „Girlpower“ gedruckt wird, wirken dagegen fast schon harmlos …

Typische Girlboss-Ästhetik: Ein Schild, auf dem Girlboss geschrieben steht, ein Becher Coffee To Go und ein Social Media Planer
 

… sind es aber natürlich auch nicht. Hier wird nicht nur Zugehörigkeit durch Konsum erkauft. Die Shirts, auf den „Girlpower“ steht, werden nicht selten von Frauen in Südostasien unter prekären Bedingungen genäht.

Back to the roots

Natürlich ist das Anliegen, Frauen zu stärken und ihnen zu Chancen- und Einkommensgleichheit zu verhelfen, ein wichtiges. 

Nur müssen wir Female Empowerment nicht individuell denken, sondern strukturell.

Wir müssen nicht das Vereinbarkeitsproblem von einigen wenigen glücklichen (weißen) Frauen lösen, sondern idealerweise von allen oder zumindest von möglichst vielen.

Wir können mit dem Frauenbild starten, dass Frauen bereits genug sind, so, wie sie sind, und dass sie sich nicht optimieren müssen, um erfolgreich zu werden. Klar dürfen Frauen lernen, wachsen und sich verändern – doch aus intrinsischer Motivation, weil sie ein Thema interessiert und sie es wollen.

Wir können ihr Vertrauen in ihre Fähigkeiten stärken, statt ihnen das Gefühl zu geben, dass ihnen etwas fehlt.

Wir können den Selbstwert von Frauen von Leistung und Erfolg entkoppeln und ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie auch dann wertvoll sind, selbst wenn ein Plan nicht gelingt, selbst wenn sie nichts leisten.

Wir können anfangen, komplexere, realistischere Botschaften auf unseren Kanälen zu verbreiten. Botschaften, die deutlich machen: Der Weg zu einer erfolgreichen Selbstständigkeit ist nicht immer gerade, einfach und pastellig. Wir können Wege aufzeigen, wie es vielleicht etwas leichter geht.

Wir können für Diversität einstehen und Frauen jeglicher Herkunft, Religion ansprechen und beschäftigen. Wir können darauf achten, dass die Bilder, die wir nutzen, die Vielfalt von Frauenkörpern abbilden, und nicht nur die Norm.

Wir können unsere Botschaften einem Intersektionalitätscheck unterziehen und uns fragen, ob wir hier aus einer privilegierten Position sprechen oder die tatsächlichen Lebensrealitäten, die oft Begrenzungen enthalten, mitdenken.

Wir können bei uns ansetzen und unsere eigenen Mitarbeiterinnen fördern, wertschätzen, respektieren, stärken und angemessen bezahlen. 

Und zwar nicht nur am Frauentag, sondern 365 Tage im Jahr.

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Selbstständigkeit Alexandra Polunin Selbstständigkeit Alexandra Polunin

Inspirationszitathölle 😈 – „Inspirierende“ Zitate, die problematische Botschaften verbreiten

Wie viel Bullshit steckt eigentlich in den beliebtesten und berühmtesten „motivierenden“ und „inspirierenden“ Zitaten und Sprüchen auf Social Media? Eine Menge! Die meisten Inspirationszitate machen uns nicht etwa inspirierter, motivierter und produktiver, sondern nerven und setzen uns gewaltig unter Druck. Ein Erklärungsversuch.

Wie viel Bullshit steckt eigentlich in den beliebtesten und berühmtesten inspirierenden Zitaten und Sprüchen auf Social Media?

The answer may (not) surprise you: Eine Menge! 

Die meisten Inspirationszitate machen uns nicht etwa inspirierter, motivierter und produktiver, sondern nerven und setzen uns gewaltig unter Druck.

Doch warum spüren wir eigentlich immer so ein Grummeln im Bauch, wenn „Bro Marketer“ Tobi, 23, auf Insta postet, dass wir stärker sein sollen als unsere Ausreden?

Warum zuckt es immer so komisch in unserem Auge, wenn Girlboss Sophia uns befiehlt, groß zu träumen?

Und warum kommt uns der Kaffee gleich wieder aus der Nase, wenn wir morgens im Halbschlaf was von „Positive mind, positive vibes, positive life“ lesen?

Ein Erklärungsversuch.

Inspirierende Zitate und Sprüche ermutigen uns, groß zu träumen, doch sie ignorieren gesellschaftliche und politische Realitäten. 

Zunächst einmal, weil es niemand von uns mag, wenn unsere Lebensrealitäten, Erfahrungen und Grenzen bagatellisiert, ignoriert oder negiert werden.

Sicherlich kennst du diese Sprüche auch:

„Your only limit is your mind.“ (Unbekannt)

„Jeder ist seines Glückes Schmied.“ (Sprichwort)

„Du kannst alles schaffen, wenn du nur genug daran glaubst.“ (Unbekannt.)

„Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen.“ (Walt Disney)

„Wenn du es dir vorstellen kannst, kannst du es auch tun.“ (Walt Disney)

„Believe you can and you're halfway there.“ (Theodore Roosevelt)

„Hindernisse können mich nicht aufhalten; Entschlossenheit bringt jedes Hindernis zu Fall.“ (Leonardo da Vinci)

„Wenn du etwas ganz fest willst, dann wird das Universum darauf hinwirken, dass du es erreichen kannst.“ (Paulo Coelho)

„There is nothing impossible to they who will try.“ (Alexander der Große)

„All you need is the plan, the road map, and the courage to press on to your destination.“ (Earl Nightingale)

„If my mind can conceive it, if my heart can believe it, then I can achieve it.“ (Muhammad Ali)

„All dreams are within reach. All you have to do is keep moving towards them.“ (Viola Davis)

„Be stronger than you excuses.“ (Unbekannt)

„To hell with circumstances; I create opportunities.” (Bruce Lee)

„The only place where your dreams become impossible is in your own thinking.“ (Robert H. Shuller)

Du liest diese Sprüche und denkst dir einfach nur: Nein.

Alles zu schaffen, wenn man nur stark genug daran glaubt – das war, ist und wird für die meisten Menschen dieser Erde einfach niemals Realität.

Eine Frau kann ja zum Beispiel gerne davon träumen, einen Managerposten zu ergattern. Doch statistisch hatte sie die längste Zeit schlechtere Chancen als jemand, der einfach nur Thomas oder Michael hieß. Das kann man sich gar nicht ausdenken. Und da können wir uns dann noch so oft vorsagen, dass wir nur fest genug daran glauben müssen. Gegen den Thomas-Kreislauf kommen wir als Frauen nur schwer an.

Ebenso wird es schwerer sein, sich selbst zu verwirklichen, wenn man es mit rassistischen oder ableistischen Strukturen aufnehmen muss. Oder mit Homophobie, Gewalt oder mit Xenophobie. 

Diskriminierungserfahrungen kosten unfassbar viel Kraft, die dann wiederum für Selbstverwirklichung fehlt.

Man stelle sich nur vor, wie Frauen im Iran „Your only limit is your mind“ lesen. Da möchte man sich für alle Menschen, die so etwas unreflektiert posten, kollektiventschuldigen.

Deshalb: Nein, wir tragen nicht zu 100% die Verantwortung für unseren Erfolg und Misserfolg. Unsere Herkunft, Umstände und das politische System, in das wir hineingeboren werden, spielen sehr wohl eine Rolle. Da können wir noch so oft an unserem „falschen Mindset“ arbeiten.

Ja, wir können uns mit unseren eigenen Gedanken motivieren oder limitieren, keine Frage. Doch natürlich immer im Rahmen unserer individuellen, sozialen, gesellschaftlichen und politischen Möglichkeiten.

Und dass Menschen das 2023 immer noch nicht verstehen, geht uns allen inzwischen gewaltig auf den Keks.

Inspirierende Zitate und Sprüche unterliegen der spätkapitalistischen Wachstumslogik und machen uns alle müde und erschöpft. 

Mindestens genauso schlimm sind die Hustle-Zitate, denn der „Hustle“ – das ist in diesen Zitaten eine Lebenseinstellung, ja, fast schon eine Religion. 

Jede Sekunde des Tages muss bestmöglich genutzt werden. Schlafen ist was für Luschen. Wenn wir schlafen, können wir schließlich nicht arbeiten; und wenn wir nicht arbeiten, können wir kein Geld verdienen; und wenn wir kein Geld verdienen, können wir es ja auch gleich sein lassen mit dem Kapitalismus.

Der Job wird über alles gestellt und genießt in allen Situationen oberste Priorität. Schließlich gibt es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder du arbeitest zwanzig Stunden am Tag oder du bleibst erfolglos. Dazwischen gibt es nun einmal nichts. #fact

Du weißt sicherlich, was ich meine: 

„I’ve got a dream that’s worth more than my sleep.“ (Unbekannt)

„I’d rather hustle 24/7 than slave 9 to 5.“ (Unbekannt)

„Go hard or go home.“ (Unbekannt)

„Eat. Sleep. Hustle. Repeat.“ (Unbekannt)

„Without hustle, talent will only carry you so far.“ (GaryV)

„Good things happen to those who hustle.“ (Anais Nin)

„Stop whining, start hustling.“ (GaryV)

„Wähle einen Job, den du liebst, und du musst keinen Tag mehr im Leben arbeiten.“ (Unbekannt)

„Be the best version of yourself.“ (Unbekannt)

„Es ist nicht von Bedeutung, wie langsam du gehst, solange du nicht stehenbleibst.“ (Konfuzius)

„Hustle until you no longer need to introduce yourself.“  (Unbekannt)

„Stay positive, work hard, make it happen.“ (Unbekannt)

„If you live for the weekends and vacations, your shit is broken.“ (GaryV)

„Your 9-5 may make you a living, but your 5-9 makes you alive!“ (Nick Loper)

“My entire life can be summed up in four word: I hustled. I conquered.“ (Unbekannt)

„Invest in your dreams. Grind now. Shine later.“ (Unbekannt)

„Hustle beats talent when talent doesn’t hustle.“ (Ross Simmonds)

„Greatness only comes before hustle in the dictionary.“ (Ross Simmonds)

„Entrepreneurship is living a few years of your life like most people won’t. So that you can spend the rest of your life like most people can’t.“ (Unbekannt)

„Hustle isn’t just working on the things you like. It means doing the things you don’t enjoy so you can do the things you love.“ (Unbekannt)

„Don’t stay in bed unless you can make money in bed.“ (George Burns)

„Things may come to those who wait, but only the things left by those who hustle.“ (Abraham Lincoln)

„Success is never owned, it’s rented. And the rent is due every day.“ (Unbekannt)

„Today I will do what others won’t, so tomorrow I can accomplish what others can’t.“ (Jerry Rice)

Man muss keine Wahrsagerin sein, um zu prognostizieren, dass das eine ganz, ganz gefährliche Einstellung ist und Menschen, die 24/7/365 durcharbeiten, ihre Gesundheit ernsthaft aufs Spiel setzen und andere Lebensbereiche (Freunde, Familie, Kinder, Haushalt, Hobbys) sträflich vernachlässigen. 

(Wobei … so als Mann hat man ja meist weniger Probleme in Punkte Vereinbarkeit. Das ist dann schon praktisch.)

Selbst wenn wir das, was wir tun, lieben, brauchen wir Pausen

Und auch wenn die Menschen, mit denen wir arbeiten, mehr an Freundschaften erinnern als an Kundschaft, haben wir ein Recht auf Feierabend und Wochenende.

Oder um es mit Ovid zu sagen: „Was keine Pause kennt, ist nicht von Dauer.“

Deshalb nervt es auch so sehr, dass die Bros und Girlbosses auf Insta so tun, als wären Menschen Waren, deren Wert sich einzig daran bemisst, wie produktiv sie sind.

Inspirierende Zitate und Sprüche werten Alltägliches und Normalität ab.

Ein weiterer Grund, warum uns einige Inspirationszitate oft den letzten Nerv rauben, ist, dass sie Alltägliches, Gewöhnliches, Normalität und Durchschnittlichkeit abwerten und problematisieren.

Es reicht nicht, dass du einfach nur selbstständig bist, nein, du musst EIN IMPERIUM aufbauen und SIEBENSTELLIGE MONATSUMSÄTZE machen.

Wir müssen besessen von Erfolg sein, sonst werden wir alle noch *dramatische Pause* DURCHSCHNITTLICH.

Ja, durchschnittlich sein – das ist die größte Angst, die der durchschnittliche Entrepreneur mit dem durchschnittlich schicken Auto hat.  

Er ist nie zufrieden, und alle, die zufrieden sind und „for mediocrity settlen“, sind grundsätzlich verdächtig und Menschen zweiter Klasse.

Diese ungewöhnlichen Menschen sagen dann gewöhnlicherweise solche Sachen wie:

„I’m not here to be average. I’m here to be awesome.“ (Unbekannt)

„Dream big“ (Unbekannt)

„Think big, dream big, believe big and the results will be big.“ (Unbekannt)

„Das Leben beginnt dort, wo deine Komfortzone endet.“ (Unbekannt)

„Escape the ordinary.“ (Unbekannt)

„How dare you settle for less when the world has made it so easy for you to be remarkable?“ (Seth Godin)

„There is never a bad time to start a business – unless you want to start a mediocre one.“ (GaryV)

„You are unique. Don’t be a follower, be a leader.“ (Unbekannt)

„Don’t get comfortable with mediocrity.“ (Unbekannt)

„Being realistic is the most common path to mediocrity.“ (Will Smith)

„Never ever settle for mediocrity.“ (Unbekannt)

„Never let ‚good enough‘ be ‚good enough‘.“ (Unbekannt)

„A life of mediocrity is a waste of life.“ (Unbekannt)

„Be motivated by the fear of becoming average.“ (Unbekannt und seriously – WTF?😂)

„Dare to dream big“ (Unbekannt)

„Dream big, sparkle more, shine bright“ (Unbekannt)

„In a world full of average be outstanding.“ (Unbekannt)

„I did not wake up today to be average.“ (Unbekannt)

„Average will not be my legacy.“ (Unbekannt)

„‚Normal‘ is not in my dictionary.“ (Unbekannt)

Warum setzen sich Menschen bloß so sehr unter Druck? 

Klar ist jede*r von uns besonders – in dem Sinne, dass es vermutlich niemanden auf der Welt gibt, der oder die dieselbe Kombination von Stärken, Schwächen, Erfahrungen, Ansichten, Meinungen, Werten und Lieblingssongs hat wie wir. 

Doch der Alltag ist eben auch … Alltag. Ist die Komfortzone nicht auch etwas Schönes? Und sind wir nicht alle in den meisten Dingen völlig normal, mittelmäßig und manchmal auch etwas langweilig? 

Das lässt sich übrigens auch wissenschaftlich belegen. 

Grafik der Gaußschen Normalverteilung mit glockenförmiger Kurve, die eine symmetrische Wahrscheinlichkeitsverteilung um den Mittelwert zeigt – typische Darstellung in Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung.
 

Das ist die sogenannte Gaußsche Normalverteilung.

Diese Glockenkurve ist einer der wichtigsten Typen von Wahrscheinlichkeitsverteilung und wird nicht nur in Naturwissenschaften, sondern auch in Wirtschafts- oder Geisteswissenschaften verwendet. 

Vereinfacht ausgedrückt sagt die Glockenkurve: 

Wenn wir untersuchen, wie ein bestimmtes Merkmal unter allen Menschen verteilt ist (Körpergröße, Intelligenz, Talent, you name it), werden sich die meisten Menschen bei den meisten Dingen irgendwo in der Mitte wiederfinden. Und es wird nur wenige Ausreißer nach links oder rechts geben.

Lernst du Gitarre, ist die Wahrscheinlichkeit also groß, dass du nicht der nächste Django Reinhardt, aber eben auch kein totaler Loser sein wirst, sondern gerade mal so gut spielst, dass Menschen nicht panisch das Wohnzimmer verlassen, wenn du die ersten Takte von „Wonderwall“ anschlägst.

Lernst du kochen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du es niemals mit Jamie Oliver aufnehmen wirst, aber deine Familienmitglieder zum Glück auch nicht vergiftest, sondern im Großen und Ganzen essbare Lasagnen produzierst.

Machst du dich selbstständig, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du kein „siebenstelliges Business“ haben wirst, aber eben auch nicht nur zwei Follower auf Instagram (deine Mama und beste Freundin), sondern einfach einigermaßen zurechtkommst. Mit besseren und schlechteren Zeiten.

Usw.

Das wahrscheinlichste Szenario ist also, dass wir in dem meisten, was wir tun, Mittelmaß sein werden. Langweiliges, gewöhnliches, durchschnittliches, normales Mittelmaß. Auch in unserer Selbstständigkeit und in unserem Marketing.

Ich persönlich finde das gar nicht so erschreckend, wie sich das auf den ersten Blick vielleicht anhören mag, sondern eher eine beruhigende Nachricht. Denn sie befreit uns endlich von diesem unsäglichen Druck, „groß zu träumen“ oder „außergewöhnlich“ sein zu müssen. 

Auch das Normale und Gewöhnliche hat einen Wert. Oder haben wir schon wieder vergessen, wie wir uns damals in dem ersten Lockdown nach „einem Stück Normalität“ sehnten?

Vielleicht könnten wir dann ja auch bitte aufhören, so zu tun, als wären wir jemand, der wir nicht sind, und einfach unser Ding machen? Danke!

Zitate, die wollen, dass wir unsere Persönlichkeit verändern, nerven – und halten vermutlich unzählige Menschen davon ab, Arbeit zu erledigen, die okay, in Ordnung und einfach nur gut genug ist. 

Inspirierende Zitate und Sprüche verbreiten toxische Positivität und stellen eine Gefahr für unsere mentale Gesundheit dar.

Wir müssen positiv bleiben, reden, sein – egal, was ist. Manche bezeichnen das schon als das „Diktat des positiven Denkens“ oder toxische Positivität.

Wenn ein Plan nicht gelingt und wir uns ärgern – macht nichts, solange wir immer schön weiterlächeln.

Und huch, da war ja ein negativer Gedanke – schnell in einen positiven verwandeln.

Meckern, schimpfen und Co. ist nicht – schließlich müssen wir immer und überall Good Vibes Only versprühen.

Hängen dir diese Sprüche inzwischen auch so zum Halse raus wie mir? 

„Good vibes only.“ (Unbekannt)

„For every minute you are angry you lose 60 seconds of happiness.“ (Ralph Waldo Emerson)

„Say no to negative thoughts.“ (Unbekannt)

„Be happy. It drives people crazy.“ (Unbekannt)

„Positive mind, positive vibes, positive life.“ (Unbekannt)

„Once you replace negative thoughts with positive ones, you’ll start having positive results.“ (Willie Nelson)

„All things are positive if you believe.“ (Unbekannt)

„Being positive is a sign of intelligence.“ (Maxime Lagacé)

„Don‘t forget to smile.“

„Don’t worry, be happy.“

Diejenigen, deren Probleme sich in Luft auflösten, nachdem sie solch ein Zitat lasen, heben bitte die Hand!

Vermutlich werden wir uns nach diesen Zitaten noch nicht einmal besser fühlen, denn die Diskrepanz zwischen den Worten einerseits und den erlebten Gefühlen andererseits ist einfach zu groß.  

Wir sagen „Don’t worry, be happy“ und verschlimmbessern unsere Situation, denn Gefühle wollen nicht verdrängt und negiert werden, sondern gefühlt, akzeptiert und verarbeitet. 

Wir können nicht immer nur „nein zu ‚negativen‘ Gefühlen“ sagen, denn die gehören zu einer menschlichen Existenz nun einmal dazu und meist haben sie auch eine wichtige Funktion. Angst, Wut, Trauer sind schließlich nicht ohne Grund da. 

Sie sind da, weil sie uns zeigen wollen: 

„Achtung, Achtung. Alarm, Alarm. Hier ist gerade etwas nicht in Ordnung. Action required. Action required.“

Sollten wir nicht dann nicht lieber diese Notrufe ernst nehmen, statt sie zu ignorieren? Wir lösen Probleme doch nicht, indem wir sie durch einen Insta-Filter jagen. Wir verändern auch nichts an sozialen Missständen und Ungerechtigkeit, wenn wir wütenden Menschen ein „Fokussiere sich mal auf das Positive“ entgegensetzen.

Aber vielleicht ist das ja auch so gewünscht? Die Positive Psychologie ist schließlich verdammt systemkompatibel. 

Denn wenn ich daran glaube, dass ich und nur ich alleine für mein Glück verantwortlich bin, indem ich bei Wut, Frust oder Erschöpfung einfach positiv denke, kommt mir ja gar nicht in den Sinn, etwas an den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen oder sozialen Missständen zu ändern. 

All things are positive when you believe. 

Wie praktisch.

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