Warum ich ab sofort mit einem sozialen Preismodell arbeiten werde

Ich selbst bin mit meiner Familie nach Deutschland gekommen, als ich knapp acht Jahre alt war. Wir kamen mit vier Koffern und jede Menge Träumen, doch gerade die ersten Jahre waren hart: 

Neben finanziellen Herausforderungen galt es Deutsch zu lernen, einen Job zu finden (für meine Eltern), in der Schule zurechtzukommen (für meinen Bruder und mich) und sich als Familie eine neue Heimat zu schaffen.

Nun könnte ich meine Integration auf meine eigene Leistung schieben, doch die Wahrheit ist: 

Ohne die Unterstützung von anderen Menschen hätte ich das nie so schnell geschafft. Es waren vor allem Eltern von einigen Mitschülerinnen, die sich dachten: 

„Oh, ein neues Kind, das kaum Deutsch spricht – laden wir sie doch zu uns zum Spielen ein / machen wir doch zusammen Ausflüge / nehmen wir sie doch in den Turnverein mit!“ 

Sie schenkten großzügig ihre Zeit – und oft auch ihr Geld –, ohne jemals eine Gegenleistung von mir zu verlangen. Einfach nur, weil sie mir ermöglichen wollten, schnell Teil der Schulklasse zu werden und neue Freund*innen zu finden.

Deshalb weiß ich nicht nur genau, wie herausfordernd es ist, wenn man zu wenig Kohle für geile Dinge hat. Ich weiß auch ganz genau, wie wichtig Solidarität für eine Gesellschaft ist. 

Und dass Solidarität das Leben von Menschen tatsächlich verändern kann.

Auch ich als Selbstständige möchte nun – nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen persönlichen Erfahrungen – solidarisch mit anderen Selbstständigen sein.

Konkret geht es mir darum, möglichst vielen Selbstständigen zu ermöglichen, etwas Neues zu lernen und beruflich weiterzukommen – völlig egal, über wie viele finanzielle Ressourcen jemand verfügt.

Deshalb habe ich mich entschieden, ab sofort mit einem sozialen Preismodell zu arbeiten.

Was ist ein soziales Preismodell?

Bei einem sozialen Preismodell steht im Fokus, dass auch diejenigen bei einem Kurs oder einem Programm partizipieren können, die über begrenzte finanzielle Ressourcen verfügen.

Finanzielle Ressourcen und Vermögen haben nämlich meist weniger mit der individuellen Leistung eines Menschen zu tun als mit gesellschaftlichen Strukturen, die diskriminierend sein können: 

  • 50% der alleinerziehenden Frauen haben zum Beispiel ein Einkommen von 1.700 Euro und weniger. (Quelle)

  • Menschen mit Migrationshintergrund verdienen laut einer Studie von McKinsey 25% weniger als Menschen ohne Migrationshintergrund. (Quelle)

  • Rentnerinnen bekommen im Durchschnitt knapp 400 Euro weniger als Rentner. (Quelle)

  • Usw.

Ein soziales Preismodell erkennt diese strukturellen Unterschiede an und will sie ein Stück weit ausgleichen, indem es Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen auf verschiedene Arten ermöglicht, an einem Programm doch teilzunehmen. 

Gründe für ein soziales Preismodell

Warum sollten Onlineunternehmer*innen das tun und soziale Preismodelle etablieren? Ich glaube, es gibt viele Gründe dafür:

Gesellschaftliche Realitäten anerkennen 

Zunächst einmal geht es mir darum, gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen. Die Lebenshaltungskosten sind dank Inflation gestiegen, und die Studien, die ich weiter oben zitiert habe, zeigen, dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die kaum genügend Geld haben, um jetzt über die Runden zu kommen, geschweige denn, um sich Onlineprogramme leisten zu können.

Nun können wir als Selbstständige sagen: „Solange es mir gut geht, ist das nicht mein Problem!“

Wir könnten uns aber auch fragen: „Wie kann ich solidarisch mit Menschen sein, die über weniger finanzielle Ressourcen verfügen als ich?“

Oder: „Wie kann ich Verantwortung übernehmen?“

Gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen

So ermöglichen wir letzten Endes gesellschaftliche Teilhabe – zumindest im Kleinen. 

Diese bleibt gerade Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen oder Menschen in Armut verwehrt. Sie können sich oft nicht den Kaffee, das Kinoticket, die Konzertkarte oder den Kurztrip leisten. Und erst recht haben sie nicht mehrere hundert oder gar tausend Euro für Onlineprogramme auf der hohen Kante.

Feminismus statt Pinkwashing 

Wie können wir davon sprechen, dass wir mit unserem Angebot Frauen stärken wollen, wenn wir Programme anbieten, die sich nur privilegierte Frauen leisten können?

Das ist für mich ein Widerspruch, und deshalb finde ich es so wichtig, Worten Taten folgen zu lassen und es so vielen Frauen, wie nur möglich, zu ermöglichen, an Wissen zu partizipieren.

Wie mein soziales Preismodell aussieht

Bei mir ist das so: 

Onlinekurse zum fairen Preis

Ein erster Pfeiler meiner sozialen Preismodelle sind meine Onlinekurse

Hier habe ich mein Marketingwissen in Textform aufgearbeitet, ohne die Erstellung der Onlinekurse durch Videos oder umfangreiche Workbooks unnötig zu verkomplizieren. 

Somit musste ich mir keine externe Unterstützung holen und kann die Onlinekurse zu einem – aus meiner Sicht – fairen Preis von 100,- Euro anbieten. 

Ratenzahlung ohne Aufpreis

Gerade wenn es um höhere Beträge geht, ist es wichtig zu berücksichtigen, dass sich nicht alle Menschen die Einmalzahlung leisten können.

Hier können Ratenzahlungen, die den Gesamtbetrag in mehrere kleine Häppchen aufsplitten, helfen.

Dabei finde ich es wichtig, Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen nicht zusätzlich zu benachteiligen, indem Ratenzahlungen insgesamt teurer sind als die Einmalzahlungen.

Somit gehört es zu meinem sozialen Preismodell, dass Menschen immer denselben Gesamtbetrag zahlen – völlig egal, ob auf einmal oder in zehn Raten.

Gutscheine von bis zu 50%

Früher habe ich Frühbucherrabatte, Webinarrabatte und ähnliche Preisnachlässe genutzt, um – so ehrlich muss ich an dieser Stelle sein – dank FOMO und Co. mehr zu verkaufen.

Jetzt möchte ich denjenigen Menschen Preisnachlässe gewähren, die sie – statistisch gesehen – auch wirklich gut gebrauchen könnten:

  • Alleinerziehende

  • Rentner*innen

  • Menschen mit einer Erkrankung oder Behinderung 

  • Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte oder mit Diskriminierungserfahrung

  • usw.

Denn es sind gerade diese Menschen, die statistisch weniger Geld verdienen und – so zumindest meine Erfahrung in meinen Programmen in den letzten Jahren – auch seltener an kostenpflichtigen Onlineangeboten partizipieren.

Ich finde: Das muss sich dringend ändern, und deshalb möchte ich ab sofort Menschen, die über nicht genügend finanzielle Ressourcen verfügen, entgegenkommen und einen Gutschein von bis zu 50% des Gesamtpreises erstellen.

Wichtig: Ich möchte bei den Gutscheinen auf Vertrauensbasis arbeiten. Das heißt: Niemand muss mir großartig was erklären, rechtfertigen oder gar nachweisen. 

Eigene Ideen

Möglicherweise sind auch die 50% immer noch viel zu viel für jemanden. Hier möchte ich grundsätzlich offen für weitere Ideen sein, wie auch die restlichen 50% alternativ finanziert werden können.

Das Wörtchen „nur“

Und schließlich hat das Wörtchen „nur“ für mich nichts mehr auf Verkaufsseiten verloren. 

Auch 100 Euro können für Menschen eine Menge Geld sein. Und deshalb finde ich Marketingbotschaften wie 

„Jetzt für NUR 100 Euro kaufen“ 

alles andere als sozial. Für jede*n bedeuten 100 Euro etwas anderes.

Sind soziale Preismodelle wirtschaftlich tragbar?

Letzten Endes bin ich selbst Unternehmerin und brauche natürlich Geld für mein Gehalt, für Rücklagen und Co. Niemandem ist geholfen, wenn ich nach ein paar Monaten noch nicht mal mehr über die Runden komme.

Deshalb werde ich mein soziales Preismodell das nächste halbe Jahr laufen lassen und es danach evaluieren. Möglicherweise werde ich es danach ergänzen, verändern oder etwas ganz anderes tun.

Ich habe mich bei der Recherche für diesen Artikel übrigens gefreut zu sehen, dass es bereits Selbstständige gibt, die ein soziales Preismodell praktizieren, zum Beispiel:

Ricardas Kiel

Maria Höck

Und vielleicht bald auch du?😊

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Instagram löschen: Meine Erfahrung mit einem Instagram-Ausstieg als Selbstständige

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