Hochpreis-Coachings im Female Empowerment: the bad and the ugly

Heute ist Welfrauentag und deshalb können wir ja mal vorsichtig in die Runde fragen:

👉 Ist es nicht irgendwie merkwürdig, dass manche Business-Coaches sagen, dass sie mit ihrem Angebot Frauen empowern wollen, dann aber Onlineprogramme anbieten, die sich kaum eine Frau leisten kann? 👈

Ein paar Zahlen: 

  • Das Durchschnittsbruttoeinkommen von Frauen in Deutschland liegt bei 3.699 Euro. (Quelle)

  • Bundesweit haben nur 10% aller Frauen zwischen 30 und 50 Jahren ein Nettoeinkommen von mehr als 2.000 Euro. (Quelle)

  • 19% der Frauen haben kein eigenes Einkommen und 63% unter 1000 Euro.(Quelle)

  • Die Durchschnittsrente für Frauen liegt aktuell bei unter 900 Euro im Monat. (Quelle)

  • Das Armutsrisiko für Frauen liegt aktuell bei 16%. (Quelle)

  • Bekommt eine Frau ein Kind, verdient sie bis zu ihrem 45. Geburtstag bis zu 251.000 Euro weniger als eine Frau ohne Kinder. (Quelle, S. 112)

Wie kommt man angesichts dieser Zahlen eigentlich auf die Idee, dass Frauen irgendwo einen höheren vier-, fünf- oder sechsstelligen Betrag rumliegen hätten, der nur darauf wartet, in ein „empowerndes“ Coaching „investiert“ zu werden?

Nun soll dieser Text weder ein Plädoyer gegen hochpreisige* Coachings werden noch gegen Female Empowerment als vielmehr eine Erinnerung:

  • Wer hochpreisige* Onlineprogramme verkauft, macht Produkte nicht für „Frauen“, sondern für einen kleinen Teil wohlhabender Frauen. Das kann man natürlich gerne tun, nur dann hat es eben wenig mit „Female Empowerment“ zu tun.

  • Wer ausschließlich hochpreisige* Produkte anbietet, kann das Wort „Female Empowerment“ oder „Feminismus“ nicht in den Mund nehmen, ohne „Pinkwashing“ zu betreiben (= das Pflegen eines feministischen Images bei Handlungen, die diesem Image widersprechen).

Wie hochpreisige Produkte gerechtfertigt werden 

Wer selbst mal ein Business-Coaching macht, erfährt früher oder später am eigenen Leib: 

Es ist in den letzten Jahren geradezu verpönt geworden, bezahlbare** Kurse und Programme anzubieten. Business-Coaches haben eine Menge Argumente parat, warum wir als Selbstständige und Onlineunternehmer*innen unbedingt hochpreisige Produkte anbieten sollten. 

Hier die drei beliebtesten:

#1 „Wenn deine Angebote nicht hochpreisig sind, zeugt das vom ,falschen’ Money Mindset.“

Die Vorstellung, dass wir unser „richtiges“ Money Mindset unter Beweis stellen, wenn unsere Produkte hochpreisig sind, hält sich hartnäckig. Doch: WTF?!

Zunächst: Wer soll überhaupt entscheiden, was ein „richtiges“ und was ein „falsches“ Money-Mindset ist? Der Business-Coach? Und wenn ja – wie kommt er oder sie zu diesem Recht?

Unser Job als Selbstständige und Online-Unternehmer*innen ist es, Preise realistisch zu kalkulieren. So, dass unsere Ausgaben gedeckt sind und wir Gewinn machen können, den wir in Rücklagen, Vorsorge und Co. stecken können. 

Preise zu würfeln oder beliebige Zahlen aneinanderzureihen, nur damit der Preis ein bestimmtes Money Mindset an den Tag legt, „schön“ aussieht oder besonders „energetisch“ wirkt („7777 Euro“), ist nicht sehr verantwortungsbewusst gegenüber Menschen, die sich unter Umständen jeden Cent absparen, um sich ein hochpreisiges Produkt zu kaufen. Oder gar anfangen, sich zu verschulden, Kredite aufzunehmen oder Flaschen zu sammeln. (Ja, alles schon gehört.)

#2 „Verlange die Preise, die du wert bist.“

Die Verknüpfung von Geld und Wert ist ein besonders mächtiges Argument. Denn natürlich wollen wir alle wertvoll sein – und dass andere Menschen unseren Wert auf den ersten Blick anhand des Preises unserer Produkte sehen.

Doch die Verknüpfung von Geld und Selbstwert ist problematisch. 

Unser Wert als Mensch sollte überhaupt nichts mit Geld zu tun haben und unsere Finanzen sollten für unseren Selbstwert idealerweise überhaupt keine Rolle spielen. (Auch wenn das in der Praxis natürlich leichter gesagt als umgesetzt ist.)

Denn wenn Geld wirklich Ausdruck unseres Selbstwertes wäre, hieße das, dass …

  • … sich mein Wert als Mensch nach – je nach finanzieller Lage – ändert. Zum Beispiel, dass ich zu Beginn meiner Selbstständigkeit weniger wertvoll war als jetzt.

  • … der reichste Mann Deutschlands (Dieter Schwarz) 44,7 Milliarden Mal wertvoller ist als jemand, der überhaupt kein Vermögen hat und jeden Euro zweimal umdrehen muss.

  • … usw.

Ist es nicht so viel sinnvoller anzunehmen, dass unser Wert rein gar nichts mit Geld zu tun hat und dass wir, egal, ob unser Produkt 5, 50, 500, 5.000 oder 50.000 Euro kostet, einen unveränderlichen Wert als Mensch haben? 

Ich würde noch weitergehen und behaupten:

Ein Selbstwert, der von äußeren Faktoren wie Geld (wie dem Preis unserer Produkte) abhängig ist, ist ein Selbstwert, der einstürzt, sobald sich äußere Bedingungen ändern. Seinen Selbstwert an Geld zu koppeln, führt deshalb zu einem kontingenten Selbstwert – keinem echten. 

Stattdessen sollten wir unseren Selbstwert von äußeren Faktoren entkoppeln:

  • vom Umsatz

  • von der Anzahl der Kundinnen oder Followern

  • von Produktivität und von den abgehackten Punkten auf der To-do-Liste

  • und vielem anderen mehr, das die Hustle Culture uns erfolgreich eingeredet hat.

All diese Dinge sollten idealerweise überhaupt keine Rolle für unseren Selbstwert spielen.

#3 „Ob sich Menschen deine Programme leisten können, ist nicht deine Verantwortung.“

Ich finde: Auch als Selbstständige tragen wir gesellschaftliche Verantwortung. Das gilt umso mehr, wenn wir Reichweite haben und mit unseren Ansichten viele Menschen erreichen. 

Wir können – angesichts der vielen individuellen finanziellen Situationen, in denen Frauen sich befinden – vielleicht nicht die individuellen Situationen an sich lösen, ja. 

Doch wir tragen mit unseren unternehmerischen Entscheidungen dazu bei, dass sich bestimmte Strukturen und Systeme verfestigen – oder eben nicht.

Wenn wir zum Beispiel in unserem Marketing Frauen als defizitäres Wesen inszenieren und ihnen vermitteln, dass sie nicht gut genug sind, ihnen danach ein passendes hochpreisiges Coaching andrehen, das ihr vermeintliches Problem löst, und sie zusätzlich noch in einen Kredit treiben, weil wir Druck beim Verkaufsgespräch ausüben und keine Finanzierungsmöglichkeiten anbieten, können wir nicht einfach sagen: „Ist nicht mein Problem, wenn du dir das nicht leisten kannst.“

Dann sind wir das Problem.

Wie das Marketing für hochpreisige Produkte oft aussieht (und was es mit Female Empowerment zu tun hat)

Apropos Marketing: Gerade im Hochpreis-Coaching-Bereich werden eine Menge Marketingtaktiken, -tricks und -strategien an den Tag gelegt, die problematisch sind. Schauen wir sie uns im Einzelnen an.

Eigenen Lifestyle zur Schau stellen

Wenn jede*r plötzlich eine Personal Brand ist, heißt das auch, dass die Grenzen zwischen „privat“ und „beruflich“ verschwimmen. Für viele Coaches bedeutet das, Menschen auf Social Media hinter die Kulissen ihres Alltags mitzunehmen und ihnen die Errungenschaften ihres Erfolgs nach dem Motto „Mein Haus, mein Auto, mein Team“ zu präsentieren.

Wir sehen, wie sie vor ihrem Sportauto posen sich fotografieren lassen.

Oder mit ihrer Mastermind-Gruppe Privatjet fliegen. (Und es abfeiern.)

Oder in Luxushotels einchecken, die sich die meisten ihrer Follower niemals leisten können werden.

Oder ganz nach Dubai ziehen, weil sie dort kaum Steuern zahlen müssen dort jeden Tag die Sonne scheint.

Das soll in erster Linie zeigen: „Schau her, wie weit ich es gebracht hab! Schau her, wie erfolgreich ich bin! Schau her, was ich mir leisten kann!“

Doch es ist noch mehr:

Mythos Meritokratie

Diese Zurschaustellung des fancy Lifestyles wird in zweiter Linie genutzt, um in rosa-pastelligen Posts oder extrem „männlichen“ Inspirationszitaten, auf den Löwen abgebildet sind, mantraartig die immergleiche Botschaft zu teilen:

„Wenn ich das geschafft hab, schaffst du es auch!“ 

„Wenn Kundin X die Erfolge erzielt hat, kannst auch du erfolgreich werden!“

Das ist das typische neoliberale Narrativ, das Grundversprechen des Kapitalismus, der klassische American Dream: 

„Du kannst alles schaffen, was du willst, wenn du dich dafür anstrengst.“

Doch die Meritokratie ist – das gilt 2024 mehr denn je – ein Mythos. Es mag sein, dass ein gewisses Maß an Leistung sich positiv auf unser Leben auswirkt und dass wir sogar erfolgreich werden in dem, was wir tun. Doch entscheidender für die meisten Menschen ist laut Statistik immer noch, in welche Familie sie hineingeboren wurden.

Auch wenn Ausnahmen sicherlich die Regel bestätigen: Am wahrscheinlichsten ist das Szenario, dass nicht die „richtige“ Business- oder Marketingstrategie, das „richtige“ Mindset und erst recht nicht das „richtige“ Onlineprogramm Einfluss darauf hat, ob wir erfolgreich werden oder nicht, sondern unsere Herkunft.

Das ist traurig und ein Skandal, keine Frage. Doch es ist ein Fakt, den wir, wenn wir Marketing machen, auf jeden Fall kennen und beachten sollten und vor allem: nicht einfach das Gegenteil behaupten, weil es gerade so schön ins Marketing passt.

Wenig Verständnis für die Lebensrealitäten anderer Menschen

Mit dem Meritokratie-Mythos ist oft auch ein mangelndes Verständnis für die Lebensrealitäten anderer Menschen verbunden. Denn auch wenn Business-Coach Tobi, 23, es vielleicht nicht glauben mag, aber:

Für die meisten Menschen dieser Erde gibt es aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, körperlichen Verfassung, ihrem Aussehen oder sozioökonomischem Hintergrund gewisse Grenzen, Herausforderungen, Diskriminierungen oder Behinderungen. Da können sie noch so viel „wollen“ und „Affirmationen aufsagen“ und „an ihrem Mindset arbeiten“.

Ich erspare mir an dieser Stelle eine ausufernde Liste, doch nur so viel: Phrasen wie

„Ausrede“ 

„Falsches Mindset“

„Es ist leicht, das zu tun.“

sind nichts weiter als ein Zeichen der Privilegien derjenigen, die sie unreflektiert äußern, und sollten im Marketing 2024 nun wirklich nicht mehr verwendet werden. Erst recht nicht, um hochpreisige Coachings an die Frau zu bringen.

Druck und Psychospielchen

Du siehst vielleicht: Mit „Female Empowerment“ hat diese Art von Marketing nur wenig zu tun, denn es geht hier ja nicht darum, alle (oder möglichst viele) Frauen erfolgreich zu machen, sondern nur diejenigen, die bereit sind, diese hohen Preise zu zahlen.

Und da sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Wie bringen diese Business-Coaches Frauen eigentlich dazu, ihre Preise zu zahlen? 

Zunächst einmal, indem sie Menschen in einen ausgeklügelten Sales Funnel packen, aus dem es dank künstlicher Verknappung, Druck und FOMO kaum einen Weg mehr nach draußen gibt. 

Nicht selten werden zunächst neue Probleme, neue Bedarfe kreiert, die vorher so noch nicht da waren. 

Wir alle kennen diese Werbungen:

„Du wolltest schon immer schneller die Schuhe binden als deine Nachbarin? Mit MEINER METHODE kannst du sie in nur sieben Wochen um drei Sekunden übertrumpfen! Ich stehe jeden Morgen auf und bin überglücklich, weil ich weiß, wie ich mir mit der richtigen Methode die Schuhe binde – ich bin endlich ganz, geheilt, erleuchtet – und mit meinem nagelneuen Onlineprogramm ‚Erfolgreich Schuhebinden in 7 Wochen‘ kannst du es für nur 7777,- Euro nun auch! Aber weil ich WIRKLICH will, dass sich was bei dir ändert, habe ich dir meine wichtigsten Tipps in eine Masterclass gepackt, für die du dich JETZT kostenlos anmelden kannst. Aber SCHNELL, es melden sich so viele Menschen an, dass ich die Türen für mein automatisiertes Webinar BALD SCHLIESSEN muss! Also melde dich am besten jetzt sofort an, um ja NICHTS ZU VERPASSEN, und VERÄNDERE DEIN LEBEN für immer!“

Und wenn Menschen dann anbeißen – denn wer will nicht ganz, geheilt, erleuchtet sein? – und sich für die Masterclass anmelden, kommen sie in einen aggressiven Strudel aus Retargeting-Ads und Verkaufsmails. Und wenn sie dann einem 1:1-Verkaufsgespräch zustimmen, bekommen sie meist folgende Botschaften zu hören:

„Du musst Vertrauen haben!“

In den Coach. In die Methode. Ins Universum. Wenn du den Preis für das Coaching anzweifelst, hast du kein Vertrauen, und wie willst du mit dieser Einstellung überhaupt erfolgreich werden?

„Du musst in dich investieren!“

Wenn du zehntausend Euro für mein Coaching ausgibst in dich investierst, mit dem Wissen dann aber hunderttausend Euro verdienst, hast du das Geld schneller wieder drin, als du „Manipulation“ sagen kannst. Was, du brauchst eine Garantie? Guck doch mich und meinen Lifestyle an, Baby! Ich bin der beste Beweis dafür, dass du alles erreichen kannst, wenn du nur willst. Und überhaupt: Hast du denn überhaupt kein Vertrauen ins Universum?!

„Es geht nur mit meinem Programm!“ 

Du willst ohne mein Programm ein Business aufbauen / Marketing machen / erfolgreich werden / ein Trauma heilen? LOL. Viel Glück! Weißt du denn nicht, dass ICH bereits dort bin, wo du gerne sein möchtest? Dass ICH bereits alle Schritte gegangen bin, die noch vor dir liegen? Wenn du jetzt Geld für andere Kurse, Methoden oder Mentor*innen ausgeben würdest, wärst du schön blöd!

„Kein Geld ist eine Ausrede!“

Was, du hast kein Geld? Weißt du: Es ist nicht wirklich Geld, es ist nur das, was wir darüber denken. Für mich ist Geld einfach nur Energie. Energie fließt zu mir und wieder von mir weg. Ein natürlicher Lauf der Dinge. Jeder hat Energie – auch du!

Wenn du es wirklich wollen würdest, wenn du es wirklich ernst meinen würdest, dann würdest du deine Energie in mein Programm stecken. Ich habe Kunden, die nehmen sogar einen Kredit auf, weil sie ALL IN gehen.  

„Der Preis steigt!“ 

Entscheide dich schnell, denn der Preis steigt – täglich! Heute kostet das Schuhebinden-Coaching 7777,- Euro, morgen 8888,- Euro, übermorgen 9999,- Euro und in drei Tagen 123.456,- Euro. Warum? Weil ich es kann! 

Neben diesen Psychospielchen zeichnet sich das Marketing der Hochpreis-Branche oft durch mangelnde Transparenz aus.

Was nun genau im Coaching enthalten ist, welche Inhalte vermittelt werden oder wie eine Zusammenarbeit genau aussieht, wird oft unter Verschluss gehalten, denn: Du musst Vertrauen haben! Nachfragen oder gar Kritik äußern? Nicht erwünscht. 

Früher, als ich noch auf Social Media und insbesondere in Facebook-Gruppen unterwegs war, war ich oft live dabei, als kritische Kommentare gelöscht („Das hier soll ein positiver Ort sein!!!“) und Menschen, die nachfragten, zum Schweigen gebracht wurden.

Nicht selten entwickelte sich in diesen Gruppen eine merkwürdige Dynamik: Die Coachin, die für ihre Coachings einen sechsstelligen Betrag verlangte, als Marketing lediglich Fotos von sich im teuren Porsche postete und sonst nur wenig über die Inhalte des Coachings preisgab, wurde von den Facebook-Gruppen-Mitgliedern leidenschaftlich in Schutz genommen. Die Menschen hingegen, die nachfragten oder Kritik äußerten, wurden bloßgestellt („Das sagt ja viel über dein eigenes Mindset aus!!!“), beleidigt und – man könnte vielleicht sagen – letzten Endes rausgemobbt.

Merke: In der Coaching-Bubble dürfen Frauen anscheinend alles (Porsche fahren, sich teure Villen mieten, Privatjet fliegen, sechsstellige Preise für ihre Coachings verlangen) – außer kritisch nachzufragen.

Das ist nicht Female Empowerment. Das sind sektenartige Strukturen inkl. Brainwashing. 

Der Elefant im Raum: Wie können wir mit unseren Angeboten nun Frauen stärken?

Und doch gibt es einen Elefanten im Raum (er heißt Hugo), über den ich ebenfalls sprechen möchte. 

Denn natürlich ist es absolut fein, 

  • als Selbstständige oder Onlineunternehmer*in Geld für Beratung, Produkte, Coachings etc. zu bekommen (schließlich können wir alle nicht von Luft und Liebe leben)

  • ggf. auch viel Geld für Beratung, Coachings etc zu bekommen, weil viel von unserer Zeit, unserem Wissen, Können etc. in den Produkten steckt

  • und dabei gleichzeitig Frauen stärken zu wollen (schließlich ist das ein notwendiges Anliegen – wenn wir in dem Tempo so weitermachen, sind wir erst in 131 Jahren gleichberechtigt)

Die Frage ist: Wie können wir das tun, ohne dass es zu einem Widerspruch („Pinkwashing“) kommt?

Vielleicht so:

Wertschätzendes Marketing 

Wir könnten damit starten, Frauen in unserem Marketing wertschätzend zu behandeln, indem wir folgende Dinge – für mich inzwischen absolute Red Flags – vermeiden: 

  • Mangelnde Informationen über Ablauf, Inhalte und Preis des Coachings

  • Unhaltbare und pauschale Versprechen („Nach meinem Coaching hast du sechsstellige Launches“)

  • Heilversprechen, die laut HWG verboten sind 

  • Schwammige Versprechen wie „Transformation“ 

  • eine „Geheimstrategie“, die angeblich für alle funktioniert, unabhängig von ihrer individuellen Situation

  • Hohe Preise, die – selbst bei jahrelanger Erfahrung – jeglicher wirtschaftlicher Grundlage entbehren

  • Angel Numbers wie 7777,- Euro

  • Aggressives Marketing mit ausgeklügelten Funnels und Verkaufsmails

  • Schwammige Begriffe wie „Energie“ (im esoterischen Sinn, nicht im Sinne von „Kraft“), „Universum“ etc.

  • Gezieltes Auslösen von FOMO 

  • Aggressiven Einsatz von Testimonials

  • keine Zeit, um eine Nacht drüber zu schlafen 

  • Obsession mit Zahlen („Sechsstelliger Launch“, „Siebenstelliges Business“, „Zehntausend Follower“)

  • Lovebombing und keine Wahrung von Grenzen („Hallo du Liebe“, „Hallo mein Herz“)

In Strukturen denken, nicht in individueller Selbstverwirklichung

Auch wenn es schön ist, dass es einzelne Frauen „schaffen“ und erfolgreich werden mit dem, was sie tun, geht es im Feminismus darum, dass es alle (oder zumindest möglichst viele) Menschen „schaffen“. Unabhängig von ihrem Geschlecht, sexueller Identität, Herkunft, Behinderung etc. 

Nur wenn es für alle Menschen die gleichen Chancen gibt, haben wir es „geschafft“ – nicht wenn einzelne Frauen wie Sheryl Sandberg oder Angela Merkel mal für wenige Jahre an der Spitze eins Unternehmens oder Staates stehen, wir mal für ein paar Jahr einen Schwarzen Präsidenten im mächtigsten Land der Welt haben oder wenn hundert Onlineunternehmerinnen siebenstellig im Jahr verdienen. 

Denn auch der Trickle-down-Effekt, die Hoffnung, dass sich Geld, Macht oder was auch immer von „oben“ nach „unten“ verteilt, ist ein Mythos.

Deshalb muss die Frage nicht lauten: „Wie kann ich mit dem, was ich tue, einzelne (weiße, wohlhabende, hetero) Frauen dabei unterstützen, erfolgreich zu werden?“

Sondern: „Was kann ich für möglichst viele Frauen tun?“

Wie das aussehen mag, mag von Coach zu Coachin und Angebot zu Produkt variieren. Deshalb müssen wir anfangen, mehr darüber nachzudenken und zu reden und Dinge auszuprobieren.

(Und wie ich es persönlich handhabe, werde ich in einem separaten Blogartikel nächste Woche erzählen.)

Walk the walk

Es geht nicht darum, theoretisch für Female Empowerment zu sein, sondern das Gesagte auch in der Praxis umzusetzen, z.B. indem wir

  • die Frauen, mit denen wir zusammenarbeiten, angemessen und pünktlich bezahlen und wertschätzend 

  • für Diversität sorgen, sollten wir ein Team haben

  • in unserem Marketing Frauen nicht als defizitäres Wesen inszenieren

  • etc.

Nur wenn das, was wir nach außen kommunizieren, zu dem passt, was wir in unserem Unternehmen leben, können wir guten Gewissens behaupten:

Mir ist die Stärkung von Frauen ein Herzensanliegen.


Anmerkungen

*Mir ist natürlich bewusst, dass „hochpreisig“ ein höchst subjektiver Begriff ist, der für jede*n etwas anderes bedeutet. Ich verstehe in diesem Text unter „hochpreisig“ einen Preis, den sich eine Frau mit einem Durchschnittsgehalt in Deutschland statistisch nur schwer leisten könnte.

**Dasselbe gilt für „bezahlbar“.

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