So schreibst Du lebendiger: 7 Einladungen zur neuen Freundlichkeit
Dies ist ein Gastartikel von Anke Ernst. Anke ist Schreibmentorin, selbst Autorin (unter anderem für Dudenverlag) und zertifizierte Bildungsreferentin. Ihr Motto: Menschen, die die Welt ein bisschen besser machen, sollten gelesen werden. Deshalb unterstützt sie Soloselbständige dabei, Texte über ihre Expertise zu schreiben – mit Herz, handfesten Tipps und Strategien, die sich in ihrem Alltag als Autorin bewähren. Sie bloggt auf In Deinen Worten und schreibt einen wöchentlichen Newsletter.
Zähne zusammenbeißen, dreimal knirschen, durchziehen. Klar, auch so entstehen Texte. Meist sind das die, bei denen Du alle Checkboxen korrekter Texte abhaken kannst. Es sind selten die, die Deine Leser*innen berühren.
Zwischen den Zeilen lesen wir, wie die Autor*innen ihre Schreibroutine gestalten. Wie die Substanz des Textes entstanden ist – die, die auch die beste Lektorin nicht hinzuzaubern kann.
Das ist eine gute Nachricht.
Die Substanz entsteht im Zwiegespräch zwischen Dir und Deinem Text. Ist das Zwiegespräch freundlich, trauen sich auch die lebendigen Gedanken und Worte raus. Du weißt schon, die, die Dich ausmachen.
Bereit für die neue Freundlichkeit? Heute lade ich Dich sieben Mal dazu ein.
1. Einladung: Dich beim Schreiben selber mitnehmen
Zu oft schreiben wir, weil’s eben zum Business gehört. Mehr Blogartikel, größere Reichweite, bitte noch zehn Herzchen bis heute Abend.
Aber wozu bist Du eigentlich angetreten?
Ach ja, richtig. Du willst Dich mitteilen und andere unterstützen. Und zwar nicht irgendwen, sondern die Menschen, die für Dich zählen.
Du erinnerst Dich an Deine ursprüngliche Motivation, indem Du Deinen Leser*innen schon vor dem Schreiben die Hand reichst.
Die Antworten auf diese Fragen helfen Dir dabei:
Wo holst Du Deine Leser*innen ab, wohin bringst Du sie?
Was sollen Deine Leser*innen durch die Lektüre lernen, verstehen, anders machen?
Übrigens, vergessen wir oft: Unser Körper gehört auch zu uns. Wie sonst würden die Worte ins Dokument finden? Dafür braucht er Pausen: spazieren, tanzen, Schultern rollen. Tief ein- und ausatmen hat sich auch bewährt.
2. Einladung: Dich vom Leben inspirieren lassen
„Gute Texte entstehen, indem wir uns täglich zum Schreiben zwingen.“
Können wir bitte gegen diesen Glaubenssatz rebellieren?
Schöner ist‘s doch, die eigene Lebenszeit wertzuschätzen.
Das meine ich in doppelter Hinsicht.
1. Das Schreiben darf Dir Freude machen. Du darfst offen sein, spielen, kreativ verknüpfen. Du darfst Dich von Schreiborten inspirieren lassen. Ob alleine im Café, virtuell Seite an Seite mit anderen, unterm Tisch mit Cookies in Reichweite – Deine Schreibroutine darf sich gut anfühlen.
2. Wenn Du lebst, machst Du Erfahrungen. Manche kannst Du nicht beeinflussen. Aber Du kannst sie Dir alle zu eigen machen und in Deine Worte fassen. So entstehen Bedeutung, Kunst und gute Texte.
Autorin und Schreibmentorin Anke Ernst
3. Einladung: Deinen Text-Ideen ein bis fünf Chancen geben
So viele Ideen modern in virtuellen Schubladen. Oft liegt es daran, dass die Schreibenden sich in ihren Worten verheddert haben, sie Gedankenknoten nicht lösen konnten oder ihr Mut nur fürs erste Drittel gereicht hat.
Deine Idee wird klarer, wenn Du Deinen Text vor dem Schreiben skizzierst.
Es geht nicht darum, den perfekten (einschüchternden) Masterplan zu schmieden. Es reicht, ein paar Zwischenüberschriften zu setzen, in Stichpunkten. Hauptsache, sie flüstern Dir zu: „Ich bin hier, um dich zu unterstützen und zu verhindern, dass Du Dich verirrst. Es ist auch völlig OK, wenn ich mich verändere.“
Und wenn Du mit Deinen Stichpunkten nirgendwo hingelangst? Möglich, dass Dein Unterbewusstsein für Dich auf die Suche geht und Dir bald die Lösung eingibt.
4. Einladung: Deinem Wissen als Expert*in vertrauen
Recherchierst Du so lange, dass Deine eigenen Gedanken zu kurz kommen?
Umfassende Recherche führt nicht zwangsläufig zum besseren Text. Wenn wir uns reinsteigern, kann uns die Recherche sogar blockieren.
Leichter wird‘s, wenn Du erstmal aufschreibst, was Du weißt.
Wieso ich das behaupten kann? Ohne Wissen hättest Du Deinen Text nicht skizzieren können (siehe Einladung 3).
Die folgende Übung zeigt Dir, was ich meine. Sagen wir, wir sollen einen Text zu einem unbekannten Thema skizzieren, zum Beispiel „bioluminiszente Lebewesen“.
Puh.
Mir fiele sowas ein wie:
Eigenschaften
Lebensraum
Leuchtkraft (Latinum sei Dank)
Spannend ist der Aufbau nicht, von Storytelling bin ich weit entfernt. Hier würde eine ausführliche Recherche definitiv helfen.
(Wichtig ist trotzdem: Wir müssen keine Anthologien verfassen. Das wäre auch unfreundlich unseren Leser*innen gegenüber, denn zu viele Quellen und Unterpunkte verwirren.)
Bei vertrauten Themen aber können wir so vorgehen:
Wir wählen einen Aspekt unseres Themas aus. (Auch das können wir nur mit Vorwissen.)
Nach dem Schreiben recherchieren wir gezielt.
Das Vorgehen ist nicht nur leichter, sondern macht auch mehr Freude. Denn wir erleben, wie sich unser Wissen in Text verwandelt.
Ich habe übrigens schon oft erlebt, bei Kund*innen und mir selbst, dass wir positiv überrascht wurden. Was wir nicht alles wissen – aber vergessen hatten, dass wir es wissen!
5. Einladung: Weise wählen, wer Deinen Text beeinflusst
Du kannst Deinen Text alleine schreiben oder Du gehst in den Austausch. Ist beides legitim.
Wenn Du Dich austauschen möchtest, sind gesunde Grenzen … nun ja … gesund.
Hier lohnt es sich, wachsam zu sein:
1. Bei Menschen, die Dir Text-Feedback geben.
Statt Herrn Miesepeter von nebenan eignet sich eher jemand, die oder der selbst schreibt und deren Ansichten Du schätzt. Konstruktives Feedback erkennst Du daran, dass Du danach konkrete Aspekte Deines Textes verbessern kannst und Dich nicht weinend auf dem Klo verkriechen willst.
Mit konkreten Fragen machst Du es Dir und Feedback-Gebenden leichter. „Wie findest Du den Text?“ ist viel zu allgemein. Es birgt so viele Möglichkeiten für ungesundes Feedback wie Menschen Macken haben. Geeigneter sind Fragen wie: Sind meine Argumente schlüssig, die Übergänge flüssig, mein Schreibstil interessant?
2. Bei Künstlicher Intelligenz.
KI kann Dir helfen, Deine Leser*innen besser zu verstehen, Ideen zu wälzen, einen roten Faden zu stricken, Rechtschreibfehler zu korrigieren. Ihr Einsatz wird immer mehr Teil des Schreibprozesses werden – und das dürfen wir nutzen.
KI stößt an ihre Grenzen, sobald es um die Persönlichkeit geht. Nur Du kannst Deine Erfahrungen, Worte und Metaphern in Deine Texte einfließen lassen! So werden Deine Texte einzigartig. Das ist nicht nur wichtig, damit sie gelesen werden. Sondern auch, damit Du Dir die Freude am Schreiben erhältst.
3. Bei Dir selbst. Ha, erwischt! Sprichst Du freundlich mir Dir selbst? So grundsätzlich und speziell beim Schreiben? Auch Dein innerer Dialog trägt dazu bei, ob Du das Schreiben genießen kannst.
Und damit wäre ich bei der nächsten Einladung:
6. Einladung: Das Schreiben genießen
„Morgen blocke ich mir den ganzen Tag, um endlich meinen Text zu schreiben.“
Hast Du Dir das auch schonmal vorgenommen? Lass mich raten – es hat nicht geklappt. Oder Du musstest erstmal eine Schreibblockade lösen.
Du kannst Dich in einem Hotelzimmer einschließen, um ein Buch zu schreiben. Du kannst einen Tag lang ausschließlich an einem Text sitzen. Aber das führt dazu, dass Du einmal schreibst und selten wieder.
Motiviert bleibst Du, indem Du in kurzen Zeitblöcken schreibst (ja, auch zehn Minuten können reichen).
Ich kann Dir gar nicht sagen, wie viele Vorteile das hat. Hier meine Top zwei:
Es ist alltagstauglich und lässt sich lange durchhalten, ohne Dich zu überfordern.
Das PR-Ich, wie ich die innere Kritikerin nenne, hat weniger Chancen, dazwischen zu pfuschen. Dein Allrounder-Argument: „Das muss jetzt nicht perfekt sein. Denn morgen schreibe ich wieder.“
7. Einladung: Deinen Gut-genug-Text feiern
Was ist ein perfekter Text? ← Konnte mir bisher niemand überzeugend sagen.
Trotzdem trauen sich so viele Menschen nicht, ihre Texte zu veröffentlichen. Weil sie nicht perfekt sind.
Fragen wir mal umgekehrt: Wann hast Du je gedacht, dass es Texten anderer Autor*innen an Perfektion fehlt? Eben.
Überarbeitungsschleifen können endlos sein, und sie machen Texte nicht immer besser.
Du machst es Dir leichter, wenn Du „fertig“ definierst.
Nach einer halben Stunde? Nach zwei Überarbeitungen? Zum Abendessen? Und genau das gibt’s jetzt bei uns.
Ich hoffe, Du nimmst ein, zwei oder gleich sieben Einladungen zur neuen Freundlichkeit an.