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Hier dreht sich alles um wertebasiertes Marketing ohne Social Media, Psychotricks und das übliche Marketing-Blabla.
Instagram Detox: 5 Gründe dafür und 5 dagegen
Ein Instagram Detox ist in aller Munde, doch ist es wirklich eine so gute Idee? Ich glaube: Es kommt darauf an. In diesem Blogartikel habe ich fünf Gründe für und fünf Gründe gegen einen Instagram Detox gesammelt.
Ein Instagram Detox ist in aller Munde, doch ist es wirklich eine so gute Idee? Ich glaube: Es kommt darauf an.
In diesem Blogartikel habe ich fünf Gründe für und fünf Gründe gegen einen Instagram Detox gesammelt.
Doch first things first:
Instagram Detox – was ist das eigentlich?
Ein Instagram Detox ist eine fest definierte Auszeit von Instagram, eine Instagram-Pause.
Dabei steckt im Wort „Detox“ das Wort „toxisch“ = giftig. Bei einem Instagram Detox „entgiften“ wir uns also von Instagram.
Wissenschaftlich lässt sich die Wirkung eines Digital Detox übrigens nicht belegen.
Instagram Detox: 5 Gründe dafür
Es gibt Fälle, da kann ein Instagram Detox tatsächlich eine gute Idee sein. Hier kommen fünf davon:
Du brauchst dringend Abstand von Instagram
Sobald du an Instagram denkst und ein Gefühl von „Ich kann grad einfach nicht mehr“ bekommst, ist es Zeit, die Reißleine zu ziehen.
Gesundheit ist das Allerwichtigste, auch im Businesskontext.
Gerade für Kreative gilt: Erschöpfte können meist nicht schöpferisch tätig sein. Als Selbstständige sind wir unsere wichtigste Ressource, und wenn es uns nicht gut geht, können wir meist auch keine gute Arbeit leisten.
Solltest du also einen Gedanken wie „Es geht nicht mehr“ haben, ist eine kurzfristige Instagram-Auszeit das einzig Richtige. Alles andere ist sekundär.
Du brauchst „richtige“ Erholung
Selbst wenn du dich auf Instagram wie ein Fisch im Wasser fühlst und deine Community abgöttisch liebst, brauchst du möglicherweise von Zeit zu Zeit eine Pause.
Schließlich hängen wir ja auch nicht jede einzelne Sekunde des Tages mit unseren Lieblingsmenschen ab, sondern nehmen uns auch Zeit für uns und andere Menschen und Interessen.
So ist es mit Instagram auch: Eine Pause ist immer eine gute Idee!
Eine Instagram-Auszeit kann eine hervorragende Möglichkeit sein, um eine Balance von online und offline oder „innen“ und „außen“ zu erreichen und langfristig bei Kräften zu bleiben.
Und wenn es dir mit Instagram grundsätzlich gut geht und du dich einfach mal „richtig“ erholen willst oder einen Spontantrip nach Paris planst, bei dem du nicht jedes Pain au Chocolat dokumentieren willst – go for it!
Du brauchst deinen Fokus für ein anderes Projekt
Instagram kann ein richtiger Zeitfresser sein.
Und wenn es ein anderes spannendes berufliches oder privates Projekt gibt, das all deine Zeit, deine Energie und deinen Fokus benötigt, kann es eine gute Idee sein, für ein paar Wochen (oder gar Monate) auf Instagram zu verzichten und ein „Sabbatical“ einzulegen.
Zum Beispiel wenn du ein Buch schreibst, einen Podcast startest, in Babypause gehst oder, oder, oder.
Wenn du sagst „Es gibt gerade Wichtigeres als Instagram, und zwar …“, kann ein Instagram Detox eine gute Sache sein.
Du bist neugierig, wie es dir ohne Instagram geht
Ich hätte von mir nie gedacht, dass ich ein Problem mit Zucker hätte. Doch als ich mir mal für drei Monate vorgenommen hatte, keinen Gramm Zucker zu essen, habe ich erst einmal verstanden, dass Zucker nahezu überall ist!
Ein spannendes Experiment, das mir jede Menge Aha-Erlebnisse beschert hat und einen nachhaltigen Einfluss auf meine Ernährung hatte.
Vielleicht geht es dir auch so oder so ähnlich mit Instagram.
Vielleicht bist du einfach neugierig, wie (d)ein Leben ohne Instagram aussehen könnte. Was fängst du mit der freigewordenen Zeit an? Was passiert mit deinen Kontakten?
Der Ausgang dieses Expertiments? Komplett offen. Und vielleicht liegt darin ja auch der Reiz.
Die Basis für eine gesunde Instagram-Nutzung stimmt
Bis auf den letzten Punkt („Du bist neugierig, wie es dir ohne Instagram geht“) haben die Gründe gemeinsam, dass die Basis für eine gesunde Instagram-Nutzung stimmt.
Wenn Instagram für dich grundsätzlich eine gute Zeit bedeutet, wenn dich die Plattform anderen Menschen näher bringt und du keinerlei oder kaum negative Auswirkungen auf deine (mentale) Gesundheit spürst, ist ein Instagram Detox eine gute Möglichkeit, mal eine Pause von Instagram einzulegen.
Sei es, weil gerade andere Projekte oder Lebensereignisse wichtiger sind oder weil du ein paar Tage oder Wochen zur „richtigen“ Erholung mit möglichst viel Offline und möglichst wenig Online brauchst.
Instagram Detox: 5 Gründe dagegen
Wenn die Basis für eine gesunde Instagram-Nutzung allerdings nicht stimmt, wird ein Instagram Detox meist nicht viel bringen bzw. die Situation ggf. noch verschärfen.
Das könnte zum Beispiel in folgenden Fällen der Fall sein:
Deine (mentale) Gesundheit leidet grundsätzlich unter Instagram
Wenn es kein konkreter Anlass ist, der dir Instagram madig macht, sondern du merkst, dass Instagram grundsätzlich einen negativen Einfluss auf deine (mentale) Gesundheit hat, stellt sich die Frage, was ein Instagram Detox in solch einem Fall überhaupt bringen würde.
Die Funktionsweise von Instagram zielt direkt auf unsere Psyche: Jeder Like, jeder Kommentar, jeder Share sorgt dafür, dass Dopamin ausgeschüttet wird.
Kurzfristig empfinden wir das als Belohnung, doch langfristig als Belastung:
Wir wollen immer mehr Likes, Kommentare, Shares und damit Dopamin. Und sogenannte Attention Engineers designen die App bewusst so, dass sie uns maximal „hooked“ macht. Selbst die kurze Pause, wenn wir unseren Feed neu laden, erfüllt einen Zweck. (Vorfreude steigern!)
Doch es muss nicht immer gleich eine Instagram-Sucht sein:
Für viele Menschen stellt Instagram eine Reizüberflutung dar, die über längere Zeit dafür sorgt, dass sie sich erschöpft und gestresst fühlen. Sie empfinden Instagram oft als zu viel, zu schnell und zu laut.
Auch Depressionen, Ängste und Burnout werden in Studien immer wieder mit Instagram in Verbindung gebracht.
Wenn Instagram diesen Effekt auf deine Gesundheit hat, ändert sich das vermutlich nicht, wenn du ein paar Tage der Plattform fernbleibst.
Ähnlich sieht es für mich aus, wenn dein Selbstwert unter Instagram leidet.
Wenn dich die kuratierten Highlights von Fremden im Internet nicht inspirieren, sondern lähmen, unter Druck setzen und stressen, ist das ein grundsätzliches Problem.
Wenn die Vergleicheritis kickt, sobald du die App öffnest, und du dich als chronisch nicht gut genug fühlst (Imposter Syndrom!), werden ein paar Tage Instagram Detox vermutlich nicht so viel daran ändern.
Ja, die Likes sind ein kleiner, netter Ego-Boost, doch auch sie können langfristig dafür sorgen, dass unser Selbstwert abhängig von diesen äußeren Faktoren wird und dass er einstürzt, sobald sich äußere Bedingungen ändern und die Likes mal ausbleiben.
Auch hier hilft nicht ein Instagram Detox, sondern der Aufbau eines Selbstwertes, der nicht an äußere Faktoren wie Likes geknüpft ist. Und das wiederum gelingt vermutlich besser ohne Instagram.
Du hangelst dich von Instagram Detox zu Instagram Detox
Die Betonung liegt hierbei auf dem Wort „hangeln“. Wenn deine Gesundheit und dein Selbstwert unter Instagram Schaden nehmen und der Leidensdruck hoch ist, stellt sich die Frage, ob es wirklich ein Instagram Detox ist, den du brauchst, oder nicht vielmehr ein Leben völlig ohne Instagram?
Gerade wenn du schon mehrere Instagram-Detox-Versuche hinter dir hast und bereits wenige Tage später merkst, dass die alten ungesunden Gewohnheiten schneller wieder da sind, als du „Instagram Detox“ sagen kannst, wird sich das Problem mit Instagram vermutlich nicht mit einem erneuten Detox lösen lassen, sondern mit einer anderen Strategie wie
Instagram an eine virtuelle Assistenz auslagern oder
dein Instagram-Konto vollständig löschen
Vielleicht brauchst du nicht den 13. Instagram Detox dieses Jahr als vielmehr eine Instagram-Exit-Strategie? (In diesem Fall: Lass uns gerne miteinander sprechen!)
Dir geht es ohne Instagram deutlich besser
Wenn du schon mehrere Instagram-Detox-Versuche hinter dir hast und jedes Mal merkst „Mir geht es ohne Instagram so viel besser!“, stellt sich ebenfalls die Frage, was dir ein Instagram Detox genau bringen soll.
Jeder Instagram Detox neigt sich irgendwann mal dem Ende zu. Und wenn dein Alltag ohne Instagram schöner ist als mit, stellt sich die Frage, warum du dann überhaupt noch zu Instagram zurückgehst.
Warum begibst du dich freiwillig immer wieder an einen Ort, der dir so offensichtlich nicht gut tut?
Genau das stört mich am Konzept „Instagram Detox“, „Social Media Detox“ oder „Digital Detox“:
Schon im Begriff „Detox“ steckt das Wort „Gift“ drin und damit die Erkenntnis, dass wir uns Tag für Tag freiwillig einem „Gift“ aussetzen.
Warum sollten wir das tun?
Instagram ist nicht mit deinen Werten vereinbar
Doch nicht nur die Gesundheit, auch deine Werte können ein Grund dafür sein, warum nicht ein Instagram Detox, sondern ein Instagram-Ausstieg angebracht wäre.
Wenn das Geschäftsmodell hinter Instagram, das Mikrotargeting oder die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Menschen mit deinen Unternehmenswerten in Konflikt stehen, ist das ein grundsätzliches Problem und kein Problem, das sich mit einer Instagram-Pause lösen lässt.
Dann bringt es nichts, sich von Zeit zu Zeit von Instagram zu entgiften, sondern eher, sich zu fragen, wie Marketing aussehen müsste, damit es mit den Unternehmenswerten in Einklang ist.
Instagram-Marketing passt nicht zu deinen Stärken
Und schließlich bringt ein Instagram Detox nichts, wenn Instagram einfach nicht zu deinen Stärken passt.
Wenn du täglich auf Instagram präsent bist und dich stets redlich bemühst, obwohl das, was Instagram da von dir verlangt, überhaupt nicht zu deiner Persönlichkeit, deinen Fähigkeit und Interessen passt, wirst du den Grundkonflikt nicht lösen, indem du für ein paar Tage der Plattform fernbleibst.
Stattdessen steht eine Entscheidung an: Soll sich dein Marketing an deinen Stärken orientieren?
Wenn ja, bringt es vermutlich nichts, sich täglich zu Storys und Reels zu zwingen. Sinnvoller wäre es, Marketingstrategien zu nutzen, die besser zu deinen Stärken passen.
Fazit: Ein Instagram Detox ist nicht immer eine gute Idee
Ein Instagram Detox ist hip, doch er ist nicht immer eine sinnvolle Sache.
Entscheidend ist zu verstehen, ob du nur eine kurzfristige Pause von Instagram benötigst oder ein grundsätzliches Problem mit Instagram besteht.
Fünf Gründe, die für einen Instagram Detox sprechen, sind:
Du brauchst dringend Abstand von Instagram.
Du brauchst richtige Erholung.
Du brauchst deinen Fokus für ein anderes Projekt.
Du bist neugierig, wie es dir ohne Instagram geht.
Die Basis für eine gesunde Instagram-Nutzung stimmt.
Fünf Gründe, die gegen einen Instagram Detox sprechen, sind:
Deine (mentale) Gesundheit leidet grundsätzlich unter Instagram.
Du hangelst dich von Instagram Detox zu Instagram Detox.
Dir geht es ohne Instagram deutlich besser.
Instagram ist nicht mit deinen Werten vereinbar.
Instagram-Marketing passt nicht zu deinen Stärken.
Es liegt nun an dir zu entscheiden, was bei dir und Instagram der Fall ist.
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Instagram löschen – ja oder nein? Ich helfe dir, dich zu entscheiden
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Instagram löschen – ja oder nein?
Instagram löschen – soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein? Wenn dir diese Frage bekannt vorkommt, weil du sie dir täglich und dreimal an Ostern stellst, welcome to this Blogartikel! Schnapp dir Stift und Papier oder öffne ein digitales Dokument und lass die Entscheidungsfindung – für oder gegen Instagram – beginnen!
Instagram löschen – soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein?
Wenn dir diese Frage bekannt vorkommt, weil du sie dir täglich und dreimal an Ostern stellst, welcome to this Blogartikel!
Hier ist nicht der Ort, an dem ich dir sagen werde: Mach es!
Vielmehr möchte ich dir mit meinen ausgewählten Fragen dabei helfen, eine eigene Pro- und Kontra-Liste zu erstellen.
Schnapp dir also Stift und Papier oder öffne ein digitales Dokument und lass die Entscheidungsfindung – für oder gegen Instagram – beginnen!
Instagram löschen: Ja
Was spricht dafür, deinen Instagram-Account zu löschen? Aus meiner Sicht sind es vor allem diese Punkte hier:
#1 Instagram bringt dir keine Ergebnisse
Stell dir vor, du mühst dich Tag für Tag mit Instagram ab, doch es bringt dir keine oder kaum Ergebnisse.
Das war zum Beispiel bei mir der Fall. Ich stellte fest: Ich brauche jeden Tag etwa 1–2 Stunden fürs Instagram-Marketing, doch die Resultate waren eher bescheiden:
Die wenigsten Menschen, die meine Website besuchten, kamen von Instagram (weniger als 5%).
Die wenigsten Menschen, die mit mir zusammenarbeiteten, wurden auf Instagram auf mich aufmerksam. Anfragen, Aufträge und Verkäufe kamen eher durch Newsletter, mein Netzwerk und Empfehlungen zustande.
Nun hätte ich natürlich sagen können (und habe es jahrelang getan): „Dann muss ich mich halt noch mehr zu Instagram-Marketing weiterbilden!“
Doch ich hatte einfach keine Lust auf diese ewige Weiterbildungsspirale, die entsteht, wenn man mit den Veränderungen und Trends einer Social-Media-Plattform mithalten will.
Du auch nicht? Dann mache nun einen dicken, fetten Strich auf der Pro-Seite deiner „Instagram löschen – ja oder nein?“-Pro-und-Kontra-Liste!
#2 Instagram ist ein Hamsterrad für dich
Was uns auch schon zum nächsten Punkt bringt: Du empfindest Instagram als ein Hamsterrad. Es ist anstrengend für dich, es stresst dich und bereitet dir Kopfzerbrechen und schlaflose Nächte.
Wie lange willst du dich in diesem Instagram-Hamsterrad noch abstrampeln? Und wo soll das Ganze enden?
Wenn du keine Antwort auf diese Frage findest, machst du am besten einen weiteren Strich auf der Pro-Seite.
#3 Instagram ist schlecht für deine (mentale) Gesundheit
Oft genug endet Instagram in einem Burnout, einer Depression oder einer anderen (psychischen) Erkrankung.
Das muss nicht so sein, kann es aber.
Und deshalb ist es zentral, sich zu beobachten und gnadenlos ehrlich zu sich zu sein:
Hat Instagram einen negativen Effekt auf meine (mentale) Gesundheit?
Wenn die Antwort hier „ja“ lautet und bisherige Versuche, Social Media achtsam zu nutzen oder einen Social Media Detox einzulegen, nichts gebracht haben, hilft meist nur, Instagram zu verlassen – für immer.
#4 Instagram hat negative Auswirkungen auf deinen Körper
Marketing hat nicht nur mit Strategien und Zahlen zu tun, sondern auch viel mit unserem Körper.
Denn auch wenn KI-Anwendungen boomen: Letzten Endes müssen immer noch Menschen aus Fleisch Blut Marketing betreiben und verantworten.
Deshalb lohnt es sich, dich mal auf deinen Körper zu fokussieren und dich zu fragen:
Was passiert mit meinem Körper, wenn ich an Instagram (oder eine Instagram-Aufgabe) denke?
Wird er eng, hart, verkrampft? Schlägt das Herz schnell(er)? Knotet sich alles im Bauch zusammen?
Wenn hier die Antwort „ja“ ist, ist die Gefahr groß, dass Instagram Stress für deinen Körper bedeutet. Möchtest du deinen Körper jeden Tag aufs Neue diesem Stress aussetzen?
#5 Instagram macht dich unproduktiv
Es spricht natürlich nichts dagegen, dann und wann seine Zeit mit Instagram zu verdaddeln.
Doch wenn wir uns jeden Tag dabei erwischen, wie wir auf Instagram doomscrollen, statt unsere Aufgaben zu erledigen, sollten wir uns fragen, ob uns Instagram nicht von den wirklich wichtigen Dingen in unserem Leben abhält.
Dabei geht es mir gar nicht darum, Produktivität als Wert hochzuhalten oder zu sagen, dass das Wichtigste im Berufsleben ist, dass wir effektiv und effizient arbeiten.
Auch ich bin großen Fan von Pausen, Auszeiten, unverplanter Arbeitszeit, sich mal treiben zu lassen oder auch mal Zeit mit seichten, südkoreanischen Serien zu verdaddeln.
Doch Instagram ist meist mehr als das: Es ist oft eine ständige Ablenkung, Störung und Prokrastination.
Wer alle zehn Minuten sein Smartphone checkt, weil eine neue Pushbenachrichtigung aufgeploppt ist, verbringt seine Arbeitszeit mehr damit, wieder zu seiner eigentlichen Aufgabe zurückzufinden und Konzentration aufzubauen, als zu arbeiten. Deep Work oder gar ein Flow sind so nicht möglich.
Wie wollen wir so auf Dauer gute Arbeit leisten?
#6 Instagram passt nicht zu deinen Stärken
Stell dir vor, du verbringst jeden Tag zwei Stunden damit, Videos zu drehen, in Reels zu tanzen und Bilder zu bearbeiten. Zwei Stunden am Tag sind 730 Stunden im Jahr, und da es so viel Zeit ist, muss die Frage erlaubt sein:
Gehört das, was Instagram von mir jeden Tag aufs Neue verlangt, eigentlich zu meinen Stärken?
Wenn die Antwort „nein“ lautet, hilft ein Reality-Check:
Du kannst natürlich grundsätzlich auch neue Dinge lernen und neue Fähigkeiten entwickeln. Doch wenn das, was du jeden Tag auf Instagram machst, dir einfach nicht liegt, verbringst du eine Menge Zeit damit, an deinen Schwächen rumzudoktern.
In dieser Zeit könntest du auch die sensationellen Stärken nutzen, die du bereits hast, und richtig, richtig gut in dem werden, was dir liegt!
Wenn du zum Beispiel – so wie ich – merkst, dass Schreiben zu deinen Kernfähigkeiten gehört, und deshalb Schreiben deine Marketingstrategie sein soll, kannst du statt auf Instagram dich lieber auf einen Blog oder Newsletter fokussieren.
Klingt das nicht gleich so viel entspannter (und effektiver!), als sich mit seinen Schwächen zu beschäftigen und mit viel Glück maximal semigut zu werden?
#7 Instagram passt nicht zu deinen Werten
Wenn du Unternehmenswerte definiert hast und über die Entwicklungen der Social-Media-Plattformen im Bilde bist, stellst du möglicherweise fest:
Instagram passt nicht zu meinen Werten.
Möglicherweise findest du Metas Geschäftsmodell mit den Daten (Daten werden ohne Zustimmung gesammelt und an Werbetreibende weiterverkauft) problematisch. Oder du kannst es nicht mit deinem Gewissen vereinbaren, deine Kundinnen und Kunden auf eine Plattform zu lenken, die vielen Menschen erwiesenermaßen nicht gut tut.
Was auch immer es bei dir ist: Ein Wertekonflikt ist ein legitimer Grund, sich von einer Plattform zu verabschieden und mehr Integrität ins Marketing und Berufsleben zu holen.
Es geht nicht immer um Wachstum und Reichweite – ethische Prinzipien und Übereinstimmung mit deinen Werten sind genauso wichtige Kriterien, um die Eignung einer Plattform fürs eigene Marketing zu beurteilen.
#8 Dein Bauchgefühl
Die Entscheidung für oder gegen Instagram ist keine reine Verstandentscheidung, sondern kann natürlich auch dein Bauchgefühl einschließen.
Vielleicht hast du bei den Punkten bisher mit dem Kopf geschüttelt, dennoch sagt irgendwas in dir drin: Instagram ist keine so gute Idee.
Mein Rat lautet da: Nimm diese Stimme ernst, selbst wenn sie etwas diffus ist oder dir noch die Worte fehlen für das, was mit dir auf Instagram passiert.
Natürlich ist die Aufzählung oben nicht vollständig und es gibt jede Menge weitere Punkte, die ich an dieser Stelle hätte erwähnen können.
No Social Media – und wie dein Marketing trotzdem gelingt
Wenn du noch tiefer in das Thema „Social Media – ja oder nein“ einsteigen willst: In meinem Buch „No Social Media“ findest du noch Futter für deine Pro- und Kontra-Liste.
Instagram löschen: Nein
Jetzt haben wir viele Gründe, die für eine Löschung des Instagram-Accounts sprechen, gesammelt. Was spricht nun dagegen, Instagram zu löschen?
Drehen wir den Spieß doch einfach mal um.
#1 Instagram bringt dir Ergebnisse
Wenn du etwas postest, eine Story oder ein Reel erstellst, kommst du mit Menschen ins Gespräch. Interessierte fragen nach deinen Angeboten oder Kennenlerngesprächen.
Und wenn du deine Kundschaft fragst „Wie bist du auf mich aufmerksam geworden?“, sagen Menschen immer wieder: „Auf Instagram.“
Ist das bei dir der Fall?
Wenn Instagram für dich und dein Marketing funktioniert – was auch immer dieses Wort für dich persönlich bedeuten mag –, ist das ein valides Argument, Instagram weiterhin zu behalten.
Das gibt einen dicken, fetten Strich auf der „Nein“-Seite der „Instagram löschen – ja oder nein?“-Pro-und-Kontra-Liste.
#2 Instagram macht Spaß
Instagram ein Hamsterrad?
Wenn du gar nicht weißt, was ich damit meinen könnte, weil Instagram für dich überwiegend Spaß, Freude und eine gute Zeit bedeutet, spricht natürlich vieles dafür, Instagram weiterhin zu behalten.
#3 Instagram hat keine Auswirkung auf deine (mentale) Gesundheit
Wenn du merkst, dass Instagram keine oder kaum Auswirkungen auf deine (mentale) Gesundheit hat, ist das ein gutes Zeichen.
Wenn du immun gegenüber der inszenierten Bilder bist und dich die sorgfältig kuratierten Highlights von Bekannten, Freundinnen und Fremden nicht in eine Vergleichsspirale bringen …
Wenn dein Selbstwert von den schlanken, schönen und erfolgreichen Menschen auf Instagram unberührt bleibt …
Wenn dein Schlaf wegen Instagram nicht leidet und du nicht nachts wach liegst, weil du Argumente für eine hitzige Diskussion mit Fremden im Internet sammelst …
… dann ist die Notwendigkeit, dein Instagram-Konto zu löschen, womöglich nicht so stark gegeben wie bei Menschen, die an Instagram leiden oder gar Symptome einer Depression oder eines Burnouts entwickeln.
#4 Instagram hat keine negative Auswirkungen auf deinen Körper
Ähnliches gilt, wenn Instagram keine negativen Auswirkungen auf deinen Körper hat. Wenn du weiterhin entspannt bleibst, selbst wenn du eine Stunde auf Instagram abgehangen hast, wirst du vermutlich kein großes Problem mit Instagram spüren.
Und natürlich musst du in solch einem Fall dein Instagram-Konto auch nicht unbedingt löschen, wenn du nicht willst.
#5 Instagram hat keine Auswirkungen auf deine Produktivität
Kannst du dich trotz Instagram immer noch gut konzentrieren und fokussieren? Halten sich Doomscrollen und Prokrastination in Grenzen? Erledigst du immer noch die Dinge, die erledigt werden müssen?
Dann kann es sein, dass deine Instagram-Nutzung keine Auswirkung auf deine Produktivität hat und dass du Instagram in einem für dich vernünftigen Rahmen nutzt.
Wenn du für dich eine gute Balance aus Instagram und Arbeit gefunden hast und wichtige Aufgaben nicht chronisch auf „später“ verschiebst, muss Instagram auch nicht zwingend gelöscht werden.
#6 Instagram passt zu deinen Stärken
Selfies machen, Grafiken erstellen, Videos drehen, in Reels tanzen – fühlst du dich bei den Anforderungen, die Instagram an die Creator stellt, wie ein Fisch im Wasser? Passt der Fokus aufs Visuelle zu deinen Stärken?
Wunderbar! Dann bist du und Instagram ein guter Match. Und dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, Instagram weiterhin in deinem Leben und Marketing zu behalten.
#7 Instagram passt zu deinen Werten
Ähnlich sieht es für mich aus, wenn Instagram nicht mit deinen Werten in Konflikt steht, also wenn du sagst:
„Alles, was mir wichtig ist, kann ich auf / mit Instagram umsetzen. Und Metas Geschäftsmodell mag zwar nicht unproblematisch sein, aber hält mich jetzt nicht nachts wach …“
Wenn du hier kein Konfliktpotenzial siehst, spricht aus meiner Sicht vieles dafür, Instagram weiterhin zu behalten und zu bespielen.
#8 Dein Bauchgefühl
Die besten Argumente nützen nichts, wenn du dein Bauchgefühl ignorierst. Wenn du also – trotz aller Argumente – in deinem Bauch eine Stimme findest, die sagt
„Passt schon.“
„Ist zwar manchmal nervig, aber alles in allem okay.“
„Meist ist es doch ganz lustig hier.“
glaub ihr ruhig.
Ist es sinnvoll, Instagram zu löschen?
Diese Frage kannst aus meiner Sicht nur du beantworten!
Statt dich auf pauschale Ratschläge von Marketingcoaches zu verlassen, empfehle ich dir, dir selbst ein Bild davon zu machen, welche Rolle Instagram privat und beruflich in deinem Leben spielt.
Bringt Instagram Ergebnisse – ja oder nein?
Ist Instagram ein Hamsterrad für dich – ja oder nein?
Hat Instagram negative Auswirkungen auf deine (mentale) Gesundheit – ja oder nein?
Hat Instagram negative Auswirkungen auf deinen Körper – ja oder nein?
Hat Instagram negative Auswirkungen auf deine Produktivität – ja oder nein?
Passt Instagram zu deinen Stärken – ja oder nein?
Passt Instagram zu deinen Werten – ja oder nein?
Was sagt dein Bauchgefühl?
Erstelle mit diesen Fragen deine eigene Pro- und Kontra-Liste und fälle deine persönliche Entscheidung!😊
Auch interessant:
Hochpreis-Coachings im Female Empowerment: the bad and the ugly
Heute ist Welfrauentag und deshalb können wir ja mal vorsichtig in die Runde fragen: Ist es nicht irgendwie merkwürdig, dass manche Business-Coaches sagen, dass sie mit ihrem Angebot Frauen empowern wollen, dann aber Onlineprogramme anbieten, die sich kaum eine Frau leisten kann? Meine Kritik an Hochpreis-Coachings
Heute ist Welfrauentag und deshalb können wir ja mal vorsichtig in die Runde fragen:
👉 Ist es nicht irgendwie merkwürdig, dass manche Business-Coaches sagen, dass sie mit ihrem Angebot Frauen empowern wollen, dann aber Onlineprogramme anbieten, die sich kaum eine Frau leisten kann? 👈
Ein paar Zahlen:
Das Durchschnittsbruttoeinkommen von Frauen in Deutschland liegt bei 3.699 Euro. (Quelle)
Bundesweit haben nur 10% aller Frauen zwischen 30 und 50 Jahren ein Nettoeinkommen von mehr als 2.000 Euro. (Quelle)
19% der Frauen haben kein eigenes Einkommen und 63% unter 1000 Euro.(Quelle)
Die Durchschnittsrente für Frauen liegt aktuell bei unter 900 Euro im Monat. (Quelle)
Das Armutsrisiko für Frauen liegt aktuell bei 16%. (Quelle)
Bekommt eine Frau ein Kind, verdient sie bis zu ihrem 45. Geburtstag bis zu 251.000 Euro weniger als eine Frau ohne Kinder. (Quelle, S. 112)
Wie kommt man angesichts dieser Zahlen eigentlich auf die Idee, dass Frauen irgendwo einen höheren vier-, fünf- oder sechsstelligen Betrag rumliegen hätten, der nur darauf wartet, in ein „empowerndes“ Coaching „investiert“ zu werden?
Nun soll dieser Text weder ein Plädoyer gegen hochpreisige* Coachings werden noch gegen Female Empowerment als vielmehr eine Erinnerung:
Wer hochpreisige* Onlineprogramme verkauft, macht Produkte nicht für „Frauen“, sondern für einen kleinen Teil wohlhabender Frauen. Das kann man natürlich gerne tun, nur dann hat es eben wenig mit „Female Empowerment“ zu tun.
Wer ausschließlich hochpreisige* Produkte anbietet, kann das Wort „Female Empowerment“ oder „Feminismus“ nicht in den Mund nehmen, ohne „Pinkwashing“ zu betreiben (= das Pflegen eines feministischen Images bei Handlungen, die diesem Image widersprechen).
Wie hochpreisige Produkte gerechtfertigt werden
Wer selbst mal ein Business-Coaching macht, erfährt früher oder später am eigenen Leib:
Es ist in den letzten Jahren geradezu verpönt geworden, bezahlbare** Kurse und Programme anzubieten. Business-Coaches haben eine Menge Argumente parat, warum wir als Selbstständige und Onlineunternehmer*innen unbedingt hochpreisige Produkte anbieten sollten.
Hier die drei beliebtesten:
#1 „Wenn deine Angebote nicht hochpreisig sind, zeugt das vom ,falschen’ Money Mindset.“
Die Vorstellung, dass wir unser „richtiges“ Money Mindset unter Beweis stellen, wenn unsere Produkte hochpreisig sind, hält sich hartnäckig. Doch: WTF?!
Zunächst: Wer soll überhaupt entscheiden, was ein „richtiges“ und was ein „falsches“ Money-Mindset ist? Der Business-Coach? Und wenn ja – wie kommt er oder sie zu diesem Recht?
Unser Job als Selbstständige und Online-Unternehmer*innen ist es, Preise realistisch zu kalkulieren. So, dass unsere Ausgaben gedeckt sind und wir Gewinn machen können, den wir in Rücklagen, Vorsorge und Co. stecken können.
Preise zu würfeln oder beliebige Zahlen aneinanderzureihen, nur damit der Preis ein bestimmtes Money Mindset an den Tag legt, „schön“ aussieht oder besonders „energetisch“ wirkt („7777 Euro“), ist nicht sehr verantwortungsbewusst gegenüber Menschen, die sich unter Umständen jeden Cent absparen, um sich ein hochpreisiges Produkt zu kaufen. Oder gar anfangen, sich zu verschulden, Kredite aufzunehmen oder Flaschen zu sammeln. (Ja, alles schon gehört.)
#2 „Verlange die Preise, die du wert bist.“
Die Verknüpfung von Geld und Wert ist ein besonders mächtiges Argument. Denn natürlich wollen wir alle wertvoll sein – und dass andere Menschen unseren Wert auf den ersten Blick anhand des Preises unserer Produkte sehen.
Doch die Verknüpfung von Geld und Selbstwert ist problematisch.
Unser Wert als Mensch sollte überhaupt nichts mit Geld zu tun haben und unsere Finanzen sollten für unseren Selbstwert idealerweise überhaupt keine Rolle spielen. (Auch wenn das in der Praxis natürlich leichter gesagt als umgesetzt ist.)
Denn wenn Geld wirklich Ausdruck unseres Selbstwertes wäre, hieße das, dass …
… sich mein Wert als Mensch nach – je nach finanzieller Lage – ändert. Zum Beispiel, dass ich zu Beginn meiner Selbstständigkeit weniger wertvoll war als jetzt.
… der reichste Mann Deutschlands (Dieter Schwarz) 44,7 Milliarden Mal wertvoller ist als jemand, der überhaupt kein Vermögen hat und jeden Euro zweimal umdrehen muss.
… usw.
Ist es nicht so viel sinnvoller anzunehmen, dass unser Wert rein gar nichts mit Geld zu tun hat und dass wir, egal, ob unser Produkt 5, 50, 500, 5.000 oder 50.000 Euro kostet, einen unveränderlichen Wert als Mensch haben?
Ich würde noch weitergehen und behaupten:
Ein Selbstwert, der von äußeren Faktoren wie Geld (wie dem Preis unserer Produkte) abhängig ist, ist ein Selbstwert, der einstürzt, sobald sich äußere Bedingungen ändern. Seinen Selbstwert an Geld zu koppeln, führt deshalb zu einem kontingenten Selbstwert – keinem echten.
Stattdessen sollten wir unseren Selbstwert von äußeren Faktoren entkoppeln:
vom Umsatz
von der Anzahl der Kundinnen oder Followern
von Produktivität und von den abgehackten Punkten auf der To-do-Liste
und vielem anderen mehr, das die Hustle Culture uns erfolgreich eingeredet hat.
All diese Dinge sollten idealerweise überhaupt keine Rolle für unseren Selbstwert spielen.
#3 „Ob sich Menschen deine Programme leisten können, ist nicht deine Verantwortung.“
Ich finde: Auch als Selbstständige tragen wir gesellschaftliche Verantwortung. Das gilt umso mehr, wenn wir Reichweite haben und mit unseren Ansichten viele Menschen erreichen.
Wir können – angesichts der vielen individuellen finanziellen Situationen, in denen Frauen sich befinden – vielleicht nicht die individuellen Situationen an sich lösen, ja.
Doch wir tragen mit unseren unternehmerischen Entscheidungen dazu bei, dass sich bestimmte Strukturen und Systeme verfestigen – oder eben nicht.
Wenn wir zum Beispiel in unserem Marketing Frauen als defizitäres Wesen inszenieren und ihnen vermitteln, dass sie nicht gut genug sind, ihnen danach ein passendes hochpreisiges Coaching andrehen, das ihr vermeintliches Problem löst, und sie zusätzlich noch in einen Kredit treiben, weil wir Druck beim Verkaufsgespräch ausüben und keine Finanzierungsmöglichkeiten anbieten, können wir nicht einfach sagen: „Ist nicht mein Problem, wenn du dir das nicht leisten kannst.“
Dann sind wir das Problem.
Wie das Marketing für hochpreisige Produkte oft aussieht (und was es mit Female Empowerment zu tun hat)
Apropos Marketing: Gerade im Hochpreis-Coaching-Bereich werden eine Menge Marketingtaktiken, -tricks und -strategien an den Tag gelegt, die problematisch sind. Schauen wir sie uns im Einzelnen an.
Eigenen Lifestyle zur Schau stellen
Wenn jede*r plötzlich eine Personal Brand ist, heißt das auch, dass die Grenzen zwischen „privat“ und „beruflich“ verschwimmen. Für viele Coaches bedeutet das, Menschen auf Social Media hinter die Kulissen ihres Alltags mitzunehmen und ihnen die Errungenschaften ihres Erfolgs nach dem Motto „Mein Haus, mein Auto, mein Team“ zu präsentieren.
Wir sehen, wie sie vor ihrem Sportauto posen sich fotografieren lassen.
Oder mit ihrer Mastermind-Gruppe Privatjet fliegen. (Und es abfeiern.)
Oder in Luxushotels einchecken, die sich die meisten ihrer Follower niemals leisten können werden.
Oder ganz nach Dubai ziehen, weil sie dort kaum Steuern zahlen müssen dort jeden Tag die Sonne scheint.
Das soll in erster Linie zeigen: „Schau her, wie weit ich es gebracht hab! Schau her, wie erfolgreich ich bin! Schau her, was ich mir leisten kann!“
Doch es ist noch mehr:
Mythos Meritokratie
Diese Zurschaustellung des fancy Lifestyles wird in zweiter Linie genutzt, um in rosa-pastelligen Posts oder extrem „männlichen“ Inspirationszitaten, auf den Löwen abgebildet sind, mantraartig die immergleiche Botschaft zu teilen:
„Wenn ich das geschafft hab, schaffst du es auch!“
„Wenn Kundin X die Erfolge erzielt hat, kannst auch du erfolgreich werden!“
Das ist das typische neoliberale Narrativ, das Grundversprechen des Kapitalismus, der klassische American Dream:
„Du kannst alles schaffen, was du willst, wenn du dich dafür anstrengst.“
Doch die Meritokratie ist – das gilt 2024 mehr denn je – ein Mythos. Es mag sein, dass ein gewisses Maß an Leistung sich positiv auf unser Leben auswirkt und dass wir sogar erfolgreich werden in dem, was wir tun. Doch entscheidender für die meisten Menschen ist laut Statistik immer noch, in welche Familie sie hineingeboren wurden.
So wird Vermögen meist über Generationen vererbt – nicht verdient.
Und auch soziale Mobilität kommt in der Praxis viel seltener vor, als wir es uns wünschen würden. (Die Aufwärtsmobilität lag für Frauen in Deutschland 2021 bei 34% im Westen bzw. 33% im Osten.)
Auch wenn Ausnahmen sicherlich die Regel bestätigen: Am wahrscheinlichsten ist das Szenario, dass nicht die „richtige“ Business- oder Marketingstrategie, das „richtige“ Mindset und erst recht nicht das „richtige“ Onlineprogramm Einfluss darauf hat, ob wir erfolgreich werden oder nicht, sondern unsere Herkunft.
Das ist traurig und ein Skandal, keine Frage. Doch es ist ein Fakt, den wir, wenn wir Marketing machen, auf jeden Fall kennen und beachten sollten und vor allem: nicht einfach das Gegenteil behaupten, weil es gerade so schön ins Marketing passt.
Wenig Verständnis für die Lebensrealitäten anderer Menschen
Mit dem Meritokratie-Mythos ist oft auch ein mangelndes Verständnis für die Lebensrealitäten anderer Menschen verbunden. Denn auch wenn Business-Coach Tobi, 23, es vielleicht nicht glauben mag, aber:
Für die meisten Menschen dieser Erde gibt es aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, körperlichen Verfassung, ihrem Aussehen oder sozioökonomischem Hintergrund gewisse Grenzen, Herausforderungen, Diskriminierungen oder Behinderungen. Da können sie noch so viel „wollen“ und „Affirmationen aufsagen“ und „an ihrem Mindset arbeiten“.
Ich erspare mir an dieser Stelle eine ausufernde Liste, doch nur so viel: Phrasen wie
„Ausrede“
„Falsches Mindset“
„Es ist leicht, das zu tun.“
sind nichts weiter als ein Zeichen der Privilegien derjenigen, die sie unreflektiert äußern, und sollten im Marketing 2024 nun wirklich nicht mehr verwendet werden. Erst recht nicht, um hochpreisige Coachings an die Frau zu bringen.
Druck und Psychospielchen
Du siehst vielleicht: Mit „Female Empowerment“ hat diese Art von Marketing nur wenig zu tun, denn es geht hier ja nicht darum, alle (oder möglichst viele) Frauen erfolgreich zu machen, sondern nur diejenigen, die bereit sind, diese hohen Preise zu zahlen.
Und da sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Wie bringen diese Business-Coaches Frauen eigentlich dazu, ihre Preise zu zahlen?
Zunächst einmal, indem sie Menschen in einen ausgeklügelten Sales Funnel packen, aus dem es dank künstlicher Verknappung, Druck und FOMO kaum einen Weg mehr nach draußen gibt.
Nicht selten werden zunächst neue Probleme, neue Bedarfe kreiert, die vorher so noch nicht da waren.
Wir alle kennen diese Werbungen:
„Du wolltest schon immer schneller die Schuhe binden als deine Nachbarin? Mit MEINER METHODE kannst du sie in nur sieben Wochen um drei Sekunden übertrumpfen! Ich stehe jeden Morgen auf und bin überglücklich, weil ich weiß, wie ich mir mit der richtigen Methode die Schuhe binde – ich bin endlich ganz, geheilt, erleuchtet – und mit meinem nagelneuen Onlineprogramm ‚Erfolgreich Schuhebinden in 7 Wochen‘ kannst du es für nur 7777,- Euro nun auch! Aber weil ich WIRKLICH will, dass sich was bei dir ändert, habe ich dir meine wichtigsten Tipps in eine Masterclass gepackt, für die du dich JETZT kostenlos anmelden kannst. Aber SCHNELL, es melden sich so viele Menschen an, dass ich die Türen für mein automatisiertes Webinar BALD SCHLIESSEN muss! Also melde dich am besten jetzt sofort an, um ja NICHTS ZU VERPASSEN, und VERÄNDERE DEIN LEBEN für immer!“
Und wenn Menschen dann anbeißen – denn wer will nicht ganz, geheilt, erleuchtet sein? – und sich für die Masterclass anmelden, kommen sie in einen aggressiven Strudel aus Retargeting-Ads und Verkaufsmails. Und wenn sie dann einem 1:1-Verkaufsgespräch zustimmen, bekommen sie meist folgende Botschaften zu hören:
„Du musst Vertrauen haben!“
In den Coach. In die Methode. Ins Universum. Wenn du den Preis für das Coaching anzweifelst, hast du kein Vertrauen, und wie willst du mit dieser Einstellung überhaupt erfolgreich werden?
„Du musst in dich investieren!“
Wenn du zehntausend Euro für mein Coaching ausgibst in dich investierst, mit dem Wissen dann aber hunderttausend Euro verdienst, hast du das Geld schneller wieder drin, als du „Manipulation“ sagen kannst. Was, du brauchst eine Garantie? Guck doch mich und meinen Lifestyle an, Baby! Ich bin der beste Beweis dafür, dass du alles erreichen kannst, wenn du nur willst. Und überhaupt: Hast du denn überhaupt kein Vertrauen ins Universum?!
„Es geht nur mit meinem Programm!“
Du willst ohne mein Programm ein Business aufbauen / Marketing machen / erfolgreich werden / ein Trauma heilen? LOL. Viel Glück! Weißt du denn nicht, dass ICH bereits dort bin, wo du gerne sein möchtest? Dass ICH bereits alle Schritte gegangen bin, die noch vor dir liegen? Wenn du jetzt Geld für andere Kurse, Methoden oder Mentor*innen ausgeben würdest, wärst du schön blöd!
„Kein Geld ist eine Ausrede!“
Was, du hast kein Geld? Weißt du: Es ist nicht wirklich Geld, es ist nur das, was wir darüber denken. Für mich ist Geld einfach nur Energie. Energie fließt zu mir und wieder von mir weg. Ein natürlicher Lauf der Dinge. Jeder hat Energie – auch du!
Wenn du es wirklich wollen würdest, wenn du es wirklich ernst meinen würdest, dann würdest du deine Energie in mein Programm stecken. Ich habe Kunden, die nehmen sogar einen Kredit auf, weil sie ALL IN gehen.
„Der Preis steigt!“
Entscheide dich schnell, denn der Preis steigt – täglich! Heute kostet das Schuhebinden-Coaching 7777,- Euro, morgen 8888,- Euro, übermorgen 9999,- Euro und in drei Tagen 123.456,- Euro. Warum? Weil ich es kann!
Neben diesen Psychospielchen zeichnet sich das Marketing der Hochpreis-Branche oft durch mangelnde Transparenz aus.
Was nun genau im Coaching enthalten ist, welche Inhalte vermittelt werden oder wie eine Zusammenarbeit genau aussieht, wird oft unter Verschluss gehalten, denn: Du musst Vertrauen haben! Nachfragen oder gar Kritik äußern? Nicht erwünscht.
Früher, als ich noch auf Social Media und insbesondere in Facebook-Gruppen unterwegs war, war ich oft live dabei, als kritische Kommentare gelöscht („Das hier soll ein positiver Ort sein!!!“) und Menschen, die nachfragten, zum Schweigen gebracht wurden.
Nicht selten entwickelte sich in diesen Gruppen eine merkwürdige Dynamik: Die Coachin, die für ihre Coachings einen sechsstelligen Betrag verlangte, als Marketing lediglich Fotos von sich im teuren Porsche postete und sonst nur wenig über die Inhalte des Coachings preisgab, wurde von den Facebook-Gruppen-Mitgliedern leidenschaftlich in Schutz genommen. Die Menschen hingegen, die nachfragten oder Kritik äußerten, wurden bloßgestellt („Das sagt ja viel über dein eigenes Mindset aus!!!“), beleidigt und – man könnte vielleicht sagen – letzten Endes rausgemobbt.
Merke: In der Coaching-Bubble dürfen Frauen anscheinend alles (Porsche fahren, sich teure Villen mieten, Privatjet fliegen, sechsstellige Preise für ihre Coachings verlangen) – außer kritisch nachzufragen.
Das ist nicht Female Empowerment. Das sind sektenartige Strukturen inkl. Brainwashing.
Der Elefant im Raum: Wie können wir mit unseren Angeboten nun Frauen stärken?
Und doch gibt es einen Elefanten im Raum (er heißt Hugo), über den ich ebenfalls sprechen möchte.
Denn natürlich ist es absolut fein,
als Selbstständige oder Onlineunternehmer*in Geld für Beratung, Produkte, Coachings etc. zu bekommen (schließlich können wir alle nicht von Luft und Liebe leben)
ggf. auch viel Geld für Beratung, Coachings etc zu bekommen, weil viel von unserer Zeit, unserem Wissen, Können etc. in den Produkten steckt
und dabei gleichzeitig Frauen stärken zu wollen (schließlich ist das ein notwendiges Anliegen – wenn wir in dem Tempo so weitermachen, sind wir erst in 131 Jahren gleichberechtigt)
Die Frage ist: Wie können wir das tun, ohne dass es zu einem Widerspruch („Pinkwashing“) kommt?
Vielleicht so:
Wertschätzendes Marketing
Wir könnten damit starten, Frauen in unserem Marketing wertschätzend zu behandeln, indem wir folgende Dinge – für mich inzwischen absolute Red Flags – vermeiden:
Mangelnde Informationen über Ablauf, Inhalte und Preis des Coachings
Unhaltbare und pauschale Versprechen („Nach meinem Coaching hast du sechsstellige Launches“)
Heilversprechen, die laut HWG verboten sind
Schwammige Versprechen wie „Transformation“
eine „Geheimstrategie“, die angeblich für alle funktioniert, unabhängig von ihrer individuellen Situation
Hohe Preise, die – selbst bei jahrelanger Erfahrung – jeglicher wirtschaftlicher Grundlage entbehren
Angel Numbers wie 7777,- Euro
Aggressives Marketing mit ausgeklügelten Funnels und Verkaufsmails
Schwammige Begriffe wie „Energie“ (im esoterischen Sinn, nicht im Sinne von „Kraft“), „Universum“ etc.
Gezieltes Auslösen von FOMO
Aggressiven Einsatz von Testimonials
keine Zeit, um eine Nacht drüber zu schlafen
Obsession mit Zahlen („Sechsstelliger Launch“, „Siebenstelliges Business“, „Zehntausend Follower“)
Lovebombing und keine Wahrung von Grenzen („Hallo du Liebe“, „Hallo mein Herz“)
In Strukturen denken, nicht in individueller Selbstverwirklichung
Auch wenn es schön ist, dass es einzelne Frauen „schaffen“ und erfolgreich werden mit dem, was sie tun, geht es im Feminismus darum, dass es alle (oder zumindest möglichst viele) Menschen „schaffen“. Unabhängig von ihrem Geschlecht, sexueller Identität, Herkunft, Behinderung etc.
Nur wenn es für alle Menschen die gleichen Chancen gibt, haben wir es „geschafft“ – nicht wenn einzelne Frauen wie Sheryl Sandberg oder Angela Merkel mal für wenige Jahre an der Spitze eins Unternehmens oder Staates stehen, wir mal für ein paar Jahr einen Schwarzen Präsidenten im mächtigsten Land der Welt haben oder wenn hundert Onlineunternehmerinnen siebenstellig im Jahr verdienen.
Denn auch der Trickle-down-Effekt, die Hoffnung, dass sich Geld, Macht oder was auch immer von „oben“ nach „unten“ verteilt, ist ein Mythos.
Deshalb muss die Frage nicht lauten: „Wie kann ich mit dem, was ich tue, einzelne (weiße, wohlhabende, hetero) Frauen dabei unterstützen, erfolgreich zu werden?“
Sondern: „Was kann ich für möglichst viele Frauen tun?“
Wie das aussehen mag, mag von Coach zu Coachin und Angebot zu Produkt variieren. Deshalb müssen wir anfangen, mehr darüber nachzudenken und zu reden und Dinge auszuprobieren.
(Und wie ich es persönlich handhabe, werde ich in einem separaten Blogartikel nächste Woche erzählen.)
Walk the walk
Es geht nicht darum, theoretisch für Female Empowerment zu sein, sondern das Gesagte auch in der Praxis umzusetzen, z.B. indem wir
die Frauen, mit denen wir zusammenarbeiten, angemessen und pünktlich bezahlen und wertschätzend
für Diversität sorgen, sollten wir ein Team haben
in unserem Marketing Frauen nicht als defizitäres Wesen inszenieren
etc.
Nur wenn das, was wir nach außen kommunizieren, zu dem passt, was wir in unserem Unternehmen leben, können wir guten Gewissens behaupten:
Mir ist die Stärkung von Frauen ein Herzensanliegen.
Anmerkungen
*Mir ist natürlich bewusst, dass „hochpreisig“ ein höchst subjektiver Begriff ist, der für jede*n etwas anderes bedeutet. Ich verstehe in diesem Text unter „hochpreisig“ einen Preis, den sich eine Frau mit einem Durchschnittsgehalt in Deutschland statistisch nur schwer leisten könnte.
**Dasselbe gilt für „bezahlbar“.
Marketing ohne Manipulation, Druck und Psychotricks – ein Leitfaden
Marketing ohne Manipulation – wie geht das genau? Darauf möchte ich in diesem Blogartikel eingehen und zwölf Grundsätze für ein Marketing ohne Druck und Psychotricks mit dir teilen.
Hier sind zwölf Grundsätze für ein wertschätzendes Marketing ohne Manipulation, Druck und Psychotricks:
#1 Wir lassen Menschen die Wahl
Downloads an Newsletter koppeln …
Webinare an Newsletter koppeln …
Wartelisten an Newsletter koppeln …
Käufe an Newsletter koppeln …
Es ist inzwischen völlig normal geworden, dass wir – egal, wofür wir uns anmelden – automatisch einen Newsletter bekommen, sodass wir gar nicht mehr in Frage stellen, ob das überhaupt okay ist oder ob das nicht auch anders ginge.
Ich bin dafür, nicht mehr einfach so anzunehmen, dass jemand unseren Newsletter bekommen will, nur weil er oder sie sich mal zu einem unserer Webinare angemeldet hat.
Lassen wir Menschen doch stattdessen die Wahl: Sie können ein Webinar von uns besuchen und sich dabei für unseren Newsletter anmelden – müssen es aber nicht.
Aus meiner Sicht ist nämlich nicht das Koppeln an sich problematisch, sondern weil es zum einen ungefragt passiert und zum anderen keine andere Handlungsoption zur Verfügung steht.
Es spricht aus meiner Sicht nämlich überhaupt nichts dagegen …
beim Bestellformular auf Digistore oder Elopage eine Checkbox zu aktivieren und Menschen die Möglichkeit zu geben, sich beim Kauf gleichzeitig auch zum Newsletter anzumelden
Menschen, die sich für ein Webinar oder ein anderes Online-Event angemeldet haben, nach dem Event eine Mail zu schicken und sie zu fragen, ob sie in Zukunft auch den Newsletter bekommen wollen
Das ist kein Zwang, sondern ein Angebot, das angenommen werden kann oder auch nicht.
Natürlich bedeutet das für uns Unternehmer*innen einen Mehraufwand. Und natürlich geht Listenwachstum so langsamer als mit ungefragtem Koppeln.
Doch es ist so: Wenn wir unsere E-Mail-Liste füllen, indem wir Menschen keine Wahl lassen und sie ungefragt hinzufügen, haben wir eine Menge Leute drin, die gar nicht explizit „Ja“ zu unserem Newsletter gesagt haben und sich vermutlich sowieso bald wieder abmelden werden. Und wem ist damit geholfen?
#2 Wir lassen Zeit für bewusste Kaufentscheidungen
Natürlich können wir als Unternehmer*innen nicht nur von Luft und Liebe leben, sondern müssen Geld verdienen und unsere Produkte und Dienstleistungen verkaufen.
Doch das sollte kein Freifahrtschein sein, Menschen als Objekte zu behandeln und sie in unsere Programme „hineinzufunneln“.
Wenn wir ein Webinar halten, am Ende unser Onlineprogramm pitchen und Menschen genau drei Tage Zeit lassen, sich für oder gegen ein hochpreisiges Coaching zu entscheiden, ist das eine Menge Druck.
Und es wird nicht leichter, wenn wir dabei einen Bonus versprechen, der genau 24 Stunden gültig ist. Oder an einem Tag drölfzig E-Mails mit der immer gleichen Botschaft schicken: Die „Türen“ schließen gleich! Meld dich jetzt an! Sonst verpasst du was!
Lasst uns stattdessen Türen öffnen und unsere Pitches als Angebote verstehen.
Lasst uns Webinare oder andere Online-Events nach dem Motto „Hier ist das, was ich weiß. Und hier ist eine Möglichkeit, mit mir zusammenzuarbeiten.“ gestalten.
Ohne Zeitdruck. Ohne Psychospielchen. Und ohne repetitive Mails.
Werden sich dadurch weniger Menschen für unsere Onlineprogramme anmelden? Vermutlich.
Aber es werden Menschen sein, die sich aus freien Stücken für uns entschieden haben und perfekt zu uns und unseren Werten passen.
Und ist das nicht eine großartige Vorstellung und die beste Basis für eine gelungene Zusammenarbeit?
#3 Wir machen Preise ohne Gedöns
Hören wir doch endlich auf, bei unseren Preisen zu tricksen.
Hören wir doch endlich damit, „charmante“ Preise zu verwenden, die völlig willkürlich auf „9“ oder „7“ enden, um das Produkt günstiger erscheinen zu lassen.
Hören wird doch endlich auf damit, Menschen mit Rabatten in unsere Programme zu locken.
Arbeiten die meisten Onlineunternehmer*innen mit solchen Preistricks? Oh ja.
Doch das sollte uns nicht davon abhalten, einen anderen Weg einzuschlagen und den „richtigen“ Preis zu kommunizieren – egal, wie früh, spät, schnell oder langsam sich Menschen für einen Kauf entscheiden.
Außerdem ist es auch für mich als Onlineunternehmerin herrlich entspannend, meine Preise ohne Gedöns zu gestalten und mir keinen Kopf mehr über spezielle „Frühbucherpreise“, „Webinarpreise“, „Early-Bird-Preise“ oder „Black-Friday-Aktionen“ mehr machen zu müssen.
#4 Wir ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe
Apropos Preise: Selbst wenn unser Produkt nach bestem Wissen und Gewissen kalkuliert wurde und jeden einzelnen Cent wert ist, können sich nicht immer alle Menschen unsere Angebote leisten.
Und das hat auch nicht zwingend etwas mit einem „falschen Mindset“ oder „zu wenig Commitment“ zu tun, sondern schlicht und einfach mit der Tatsache, dass unterschiedliche Menschen über unterschiedliche Privilegien und damit finanzielle Ressourcen verfügen. (Und mit Fakten wie Inflation und sinkender Kaufkraft.)
Die Gründe sind vielfältig – und natürlich sind wir für die Finanzen unserer Kund*innen nicht verantwortlich.
Aber es heißt nicht, dass wir diese Situation noch mehr ausnutzen und mit Aufpreisen bei Ratenzahlungen arbeiten sollten.
Sehen wir den buchhalterischen Mehraufwand und das Risiko eines Zahlungsausfalls doch als das, was es ist: Ein Beitrag, dass sich auch Unternehmer*innen mit weniger finanziellen Mitteln ihre beruflichen Ziele erreichen.
#5 Wir triggern keine Ängste
Jede Kaufentscheidung ist ein emotionaler Vorgang, heißt es. Deshalb sollten wir im Marketing auch Emotionen wecken.
Ob alleine das schon problematisch ist, würde an dieser Stelle vermutlich zu weit führen. Mit Sicherheit problematisch ist es, wenn Marketing dazu genutzt wird, Urängste der Menschen zu triggern.
Die Angst, nicht dazuzugehören, zum Beispiel.
Oder die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen.
So ist FOMO im Marketing nicht etwa eine super-duper „Strategie, die die Verkäufe ankurbelt“, sondern eine Strategie, die eine zutiefst menschliche Veranlagung für Profit ausnutzt.
Manchmal ist es hilfreich, sich zu fragen, wie man das, was man da gerade schreibt, selbst auffassen würde:
Würde das einen selbst stressen und unter Druck setzen? Würde es einen unruhig werden lassen?
Wenn ja, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es anderen Menschen ähnlich gehen könnte.
Hören wir doch auf, mit den Ängsten der Menschen zu spielen, als wären sie Pingpongbälle, die wir beliebig durch die Gegend werfen könnten.
#6 Wir säen Samen und legen Spuren
Erzeugt das Wort Reichweite bei dir genau so viel Druck wie bei mir?
Ich habe für mich festgestellt, dass mich alleine schon der Gedanke, meine „Reichweite vergrößern“ zu müssen, stresst und dass es mich mehr mit Zahlen und Funnels beschäftigen lässt als mit Menschen, Werten und Themen.
Inzwischen habe ich den Begriff der Reichweite ersetzt durch Samen säen.
Wenn ich in einem Podcast interviewt werde, habe ich einen Samen gesät. Ich weiß nicht, wie lange der Samen brauchen wird, damit eine Pflanze daraus wächst – einen Tag, eine Woche, einen Monat, ein Jahr – aber ich weiß, dass die Zeit für mich arbeitet.
Möglicherweise wird sich schon heute jemand die Podcastfolge anhören und neugierig auf meiner Website landen. Möglicherweise wird sich aber auch erst nächste Woche jemand einen meiner Onlinekurse holen und mir daraufhin eine E-Mail schreiben. Oder vielleicht wird sich auch erst in einem Monat oder in einem Jahr jemand melden und sagen:
„Eine Freundin hat die Podcastfolge mit dir gehört und mich dir empfohlen – und hier bin ich nun und will in deinem Schreibcircle dabei sein.“
Wir können die Ergebnisse unserer Bemühungen, „Reichweite“ zu erzeugen, nie mit Gewissheit vorhersagen. Und meinem Verständnis nach müssen wir es auch nicht.
Es reicht, wenn wir uns auf unsere Themen besinnen und Samen säen – dann kommen die Früchte mit der Zeit von alleine.
#7 Wir arbeiten ohne versteckte Kosten
Was ich völlig unproblematisch finde und auch selbst mache, ist die glasklare Kommunikation eines Angebots nach einer Zusammenarbeit:
„Hey, dir hat der Schreibcircle gefallen und du möchtest ein zweites Mal dabei sein? Hier kannst du deinen Platz buchen.“
Völlig anders sieht es allerdings für mich aus, wenn während eines Onlineprogramms plötzlich klar wird, dass die Teilnehmer*innen für alles, womit für das Programm geworben wurde, zusätzlich zahlen müssen. Das ist nicht in Ordnung.
Denn nicht selten befinden sich die Teilnehmer*innen sogar in einer vulnerablen Lage. Sie haben sich „nackig“ gemacht und nun sagt die Coachin: „Ja, schlimmes Problem. Um das zu lösen, solltest du am besten eine zusätzliche Einzelsitzung bei mir buchen.“ Und schwupps, ist die Coachin wieder um mehrere tausend Euro reicher.
Lasst uns also Onlineprogramme erstellen, die für sich stehen und Menschen bereits wertvolle Lösungen bieten. Und wer weiß? Vielleicht arbeiten die Teilnehmer*innen ja sogar gerne ein zweites Mal mit uns zusammen – freiwillig.
#8 Wir sind ehrlich und transparent
Neulich hat mir jemand erzählt, dass sie in den ersten Wochen nach dem Kauf eines Onlineprogramms feststellen musste, dass die gemeinsamen Calls gar nicht von der Onlineunternehmerin, bei der sie gekauft hat, betreut wurden, sondern von einer Mitarbeiterin.
Nun spricht natürlich überhaupt nichts dagegen, ein Team zu haben und Mitarbeiter*innen in die Betreuung der Teilnehmer*innen einzubinden. Allerdings ist es eine fragwürdige Strategie, das nicht vor dem Kauf so zu kommunizieren.
Wenn eine virtuelle Assistenz nicht bloß ergänzend in der FB-Gruppe nach dem Rechten sieht, sondern ausschließlich, will ich das vor dem Kauf wissen.
Wenn Menschen dir zwar Geld für dein Onlineprogramm zahlen, dich aber in den gemeinsamen Calls nur in der ersten Woche zu Gesicht kriegen, auch.
Und wer das nicht macht, wer seine Onlineprogramme auf Kosten von Ehrlichkeit und Transparenz skaliert, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er die potentiellen Käufer*innen nicht bewusst damit täuscht.
Lasst uns Menschen stattdessen Wertschätzung entgegenbringen und transparent sein, wie viel oder wenig sie von uns in unseren Programmen sehen werden, sodass sie selbst entscheiden können, ob ihnen das Programm den Preis wert ist.
Was sich übrigens hervorragend mit Transparenz kombinieren lässt, ist das Prinzip von Working out loud, sprich: Wir arbeiten nicht für uns in unserem stillen Kämmerlein, sondern lassen unsere Community an Gedanken, Prozessen und Hintergründen teilhaben.
Indem wir beispielsweise mal in einem Blogartikel erzählen, warum jetzt Mitarbeiterin X die Kursteilnehmer*innen betreut oder Mitarbeiterin Y jetzt die Calls zu Thema Z durchführt (möglicherweise ist sie in einem bestimmten Thema nämlich viel tiefer drin als du).
#9 Wir verzichten auf künstliche Verknappung
Marketing ohne Manipulation und künstliche Verknappungen sind keine gute Kombination.
Wenn ich also schon im Juli weiß, dass ich ab September eine neue Runde Schreibcircle anbieten will, aber erst kurz vorher mit einem Knall die Türen öffne – ist das eine Form der Verknappung, die streng genommen nicht nötig wäre und die natürlich viel eher dazu führt, dass ich in dieser kurzen Zeit mit Druck und Psychotricks arbeite, um das Programm zu füllen.
Ähnlich sieht es aus, wenn wir uns willkürlich Boni überlegen, die es für eine willkürliche Anzahl an Stunden kostenlos dazugibt. Oder Rabatte, die nur gültig sind, solange das Webinar noch läuft.
Künstliche Verknappung erzeugt (unnötigerweise) Druck und führt nicht selten dazu, dass auch wir Onlineunternehmer*innen Launches als unglaublich anstrengend empfinden und gleich nach dem Launch schon urlaubsreif sind.
Wenn ich in meinem Programm allerdings nur 12 Plätze anbiete, weil ich weiß, dass das die Grenze ist, bei der ich individuelle Unterstützung garantieren kann, ist es keine künstliche Verknappung, sondern Verknappung mit einem guten, nachvollziehbaren Grund.
Ebenso wenig finde ich es problematisch, einen einheitlichen Starttermin zu haben und zu kommunizieren, dass man Anmeldungen nur bis zu diesem Datum annimmt, um eben gemeinsam als Gruppe starten zu können.
Natürlich brauche ich für solche natürlichen Verknappungen Klarheit darüber, wo meine persönlichen Grenzen sind.
Wie viele Stunden kann ich am Tag arbeiten, ohne auszubrennen?
Wie viele Menschen kann ich realistischerweise gleichzeitig unterstützen?
Wie viele Plätze kann dieses Programm haben, sodass eine gute Betreuung gewährleistet ist?
Und wenn ich das weiß, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, es auch offen so – „working out loud“-mäßig – zu kommunizieren. So wie Hotels unaufgeregt kommunizieren, wie viel freie Betten sie haben.
#10 Wir stehen für Werte ein
Die meisten Selbstständigen wollen wachsen und es spricht ja zunächst einmal auch gar nichts dagegen:
Mehr Menschen auf der Website und auf der E-Mail-Liste bedeuten in vielen Fällen auch mehr zahlende Kund*innen und damit mehr Geld – für ein höheres Gehalt, für größere Rücklagen, für mehr Investitionen oder einfach nur für ein schöneres Leben.
Es spricht überhaupt nichts dagegen, mehr zu wollen. – Doch welche Werte haben wir neben Wachstum noch?
Wenn wir wachsen und skalieren, ohne No-Gos für uns zu definieren, überschreiten wir nicht selten auch ethisch-moralische Grenzen.
Wollen wir wachsen und in Kauf nehmen, dass wir dabei massiv der Umwelt schaden?
Wollen wir wachsen und in Kauf nehmen, dass wir dabei andere Menschen belügen oder die Fakten zumindest so drehen, dass sie noch besser zu unserer Message passen?
Wollen wir wachsen und in Kauf nehmen, dass wir die Not der Menschen ausnutzen? Oder sie dazu ermuntern, Kredite aufzunehmen, um sich unsere Programme leisten zu können? Oder gar künstlich einen Bedarf kreieren, den es so gar nicht gibt?
Lasst uns also eine Grenze fürs Wachstum definieren – und auch entsprechend so handeln. Hier findest du eine Liste von Werten, an denen du dich in deinem Marketing orientieren kannst.
#11 Wir prüfen unsere Definition von Erfolg
Ich höre jetzt quasi schon die Stimmen, die da zweifelnd flüstern. „Hmmmm, und mit diesem Marketing kann man Erfolg haben?“
Ich weiß es nicht.
Ich weiß es deshalb nicht, weil ich nicht weiß, was „Erfolg“ für dich bedeutet.
Verstehst du „Erfolg“ auf einer rein finanziellen Ebene, werden dir mit einem Marketing ohne Druck sicherlich einige Käufer*innen „durch die Lappen gehen“. Diejenigen nämlich, die gelockt und überredet werden wollen. Und die nur dann kaufen, weil sie FOMO bekommen, wenn sie nur daran denken, dass „die Türen“ bereits in drei Tagen wieder schließen.
Ist „Erfolg“ für dich mehr als nur Umsatz und ist es für dich nicht nur wichtig, Menschen zu erreichen, sondern die richtigen, sieht es schon wieder anders aus. Denn ein Leben, in dem deine Kund*innen nett, motiviert und wertschätzend sind und sich zu 100% aus freien Stücken für dich entschieden haben, hört sich für mich nach einem verdammt guten an.
#12 Wir denken langfristig
Und da sind wir auch schon beim letzten Punkt angelangt: der Langfristigkeit.
Die Sache ist nämlich die: Manipulation funktioniert – aber nur kurzfristig.
Vielleicht gelingt es uns, unsere Umsatz- und Marketingziele zu erreichen und abends eine Flasche Champagner zu köpfen.
Doch was ist, wenn …
sich die Menschen, die bei uns gekauft haben, in Wahrheit zu der Entscheidung gedrängt gefühlt haben?
die Menschen in unseren Programmen gar nicht wirklich motiviert sind und deshalb keine guten Ergebnisse vorweisen?
wir den Druck, den wir auf andere Menschen ausgeübt haben, selbst in unserem Körper spüren, speichern und so immer mehr erschöpfen?
Was bedeuten diese manipulativen Taktiken für uns, unser Unternehmen und die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, auf lange Sicht? Diese Frage darf jede*r für sich beantworten.
Hast du noch weitere Fragen zum Thema Marketing ohne Manipulation? Vielleicht wirst du hier fündig
Ist Marketing nicht „von Natur aus“ Manipulation?
Natürlich könnte man sagen: Kommunikation (und damit Marketing) ist immer ein Stück weit „manipulierend“. Und ja: Wenn ich mit anderen Menschen rede oder einen Text schreibe, mit dem ich etwas bewirken will, nehme ich bewusst oder unbewusst immer auch Einfluss auf die Gedanken, Gefühle und damit Entscheidungen der Menschen. Wir könnten „Manipulation“ so verstehen. Doch das wäre aus meiner Sicht ein sehr weiter Manipulationsbegriff.
Manipulatives Marketing meint für mich mehr. Es beinhaltet nicht nur Kommunikation und Selbstausdruck, sondern auch das Ausnutzen der menschlichen Psyche im Namen des Wachstums. Es beinhaltet nicht nur das Über-ein-Angebot-Sprechen, sondern ein Verkaufen um jeden Preis ohne Rückkopplung an Werte.
Bemühe ich mich, Menschen bei ihrer Kaufentscheidung zu unterstützen, indem ich in meinem Marketing zum Beispiel deutlich mache, wofür ich stehe und welche Werte ich vertrete, für wen das Produkt richtig ist (und für wen nicht) oder welche Ergebnisse ich erwarten kann (und welche nicht), ist das aus meiner Sicht Transparenz – und keine Manipulation.
Ist ein Sales Funnel immer manipulierend?
Aus meiner Sicht ist es völlig unproblematisch, sich die Customer Journey zu durchdenken und sich zu fragen: Welche Stationen nehmen Menschen, bevor sie schließlich bei mir kaufen?
Wie will ich gefunden werden? (z.B. durch meinen Blog)
Wie will ich mit ihnen in Kontakt kommen? (z.B. in meinem Newsletter)
Wie will ich über meine Angebote sprechen? (z.B. in Blog und Newsletter)
Die Antworten auf diese Fragen helfen mir dabei, Klarheit in meinem Marketing zu bekommen und zu entscheiden, wo ich meine Zeit, Energie und mein Geld investieren möchte.
Im Grunde kann ein „Sales Funnel“ durchaus etwas Ähnliches meinen, doch für mich ist das Menschenbild hinter dem Begriff ein anderes:
Da ist der Verkaufsprozess nicht etwa eine Reise und die anderen Menschen die Akteure, die selbstbestimmt und in ihrem Tempo den Weg zu mir finden dürfen. Bei einem Sales Funnel werden andere Menschen dem Begriff nach in einen Trichter gesteckt, sie fallen quasi durch, sind mehr passive Objekte als selbstbestimmte Akteure. Und am Ende des Trichters müssen sie durch die enge Öffnung gequetscht werden …
Das ist für mich nicht unbedingt eine wertschätzende Haltung gegenüber Menschen. Deshalb nutze ich den Begriff „Sales Funnel“ nicht mehr und spreche lieber von „Customer Journey“.
Ist Werbung immer Manipulation?
Auch hier kommt es aus meiner Sicht darauf an, wie eng oder weit wir den Begriff der Manipulation fassen.
Natürlich geben wir durch unsere Ads etwas Bestimmtem – einem Blogartikel, einem Webinar, einem Produkt – mehr Aufmerksamkeit, als es ohne die Ad bekommen würde. Ist diese Sichtbarkeit alleine schon Manipulation? Aus meiner Sicht nicht unbedingt.
Die Onlineunternehmerin, die ihr E-Book bewirbt, manipuliert meinem Verständnis nach also nicht zwingend, nur weil sie auf Instagram eine Ad schaltet.
Entscheidender sind für mich folgende Fragen:
Was bewerben wir? Bedienen wir mit unserem Angebot Wünsche von Menschen oder kreieren wir Sehnsüchte, die ursprünglich gar nicht da waren?
Wie bewerben wir es? Machen wir in unserer Ad „nur“ ein Angebot oder nutzen wir in unseren Werbebotschaften FOMO, um Angst vorm Verpassen zu erzeugen?
Was passiert nach der Ad? Können die Menschen einfach nur die beworbene Handlung ausführen oder kommen sie in ein ausgeklügeltes System von Tripwires, Upsells, Downsells und aggressiven E-Mail-Marketing, aus dem es kaum ein Entkommen mehr gibt?
Darüber hinaus sind mit Werbung natürlich auch viele ethische Fragen verbunden:
Welches System unterstützen wir, wenn wir eine Ad auf einer bestimmten Plattform schalten?
Bedienen wir ausgediente Klischees, die keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft haben sollten?
Werten wir vielleicht sogar einzelne Gruppen von Menschen ab, wenn wir die Anzeige auf eine bestimmte Art und Weise gestalten?
Hier sind noch einmal die zwölf Grundsätze für ein Marketing ohne Manipulation
Wer kann als Selbstständige*r auf Social Media verzichten? Meine Einschätzung für sämtliche Berufsgruppen
Du bist selbstständig (z.B. als Coach oder virtuelle Assistentin) und fragst dich, ob du auf Social Media im Marketing verzichten kannst? Ich helfe dir mit meiner Einschätzung weiter.
Du bist selbstständig und überlegst, ob du in deinem Marketing auf Social Media verzichten könntest?
In diesem Blogartikel gucke ich mir verschiedene Arten von Selbstständigkeit an und gebe eine Einschätzung, wann Social Media fürs Marketing notwendig ist und wann nicht. Folgende Berufsgruppen gucke ich mir in diesem Artikel an:
Können Selbstständige mit Dienstleistungen auf Social-Media-Marketing verzichten?
Wer eine Dienstleistung anbietet, kann aus meiner Sicht gut auf Social-Media-Marketing – je nach Nische sogar völlig auf Marketing – verzichten.
Unsere Hundefriseurin und ein befreundeter Landschaftsgärtner zum Beispiel haben noch nicht einmal eine Website – trotzdem sind sie mehrere Monate im Voraus ausgebucht.
Das liegt zum einen an ständigen Weiterempfehlungen und zum anderen an der Stammkundschaft, die die Dienstleistung in regelmäßigen Abständen immer wieder benötigt. Sobald eine kritische Masse erreicht ist, läuft das Business „von selbst“.
Dieser Effekt findet sich nicht nur bei Offline-Dienstleistungen, sondern oft auch bei digitalen, kreativen Dienstleistungen wie virtueller Assistenz, Design, Texten, Lektorat und Co.
Statt Social-Media-Marketing kann der Fokus auf eine überzeugende Website, ein aussagekräftiges Portfolio, zufriedene Kundschaft und ein starkes Netzwerk gelegt werden.
Wer eine Dienstleistung anbietet und keine Stammkundschaft aufbauen kann, kann seine Onlinesichtbarkeit durch nachhaltige Marketingmaßnahmen wie Blog, SEO und Gastauftritte erhöhen.
Ich habe 2020–22 überwiegend mit VAs (mit Schwerpunkt Pinterest) zusammengearbeitet und hautnah mitbekommen, wie die meisten von ihnen ihre Online-Sichtbarkeit erhöht, Anfragen generiert und Kund*innen bekommen haben:
durch ein starkes Netzwerk aus Kolleg*innen (der Klassiker: „Ich hab eine Anfrage bekommen, aber kann gerade nicht … Wer von euch hat Zeit und Lust?“)
durch zufriedene Kund*innen, die sie weiterempfohlen haben, und andere wertvolle Kontakte
durch eine sinnvolle Nische (und eine durchdachte Angebotsstruktur und Pakete)
durch Gastauftritte, Kooperationen und reichweitenstarke Affiliatepartner*innen
durch gemeinsame Online-Aktionen
und im Hintergrund natürlich immer durch eine starke Website, Blog und Newsletter (vor allem wenn es dann bei einigen ums Launchen ging)
Im Gegensatz dazu waren Ausschreibungen in FB-Gruppen und andere Social-Media-Aktivitäten für die meisten VAs eher Zeitverschwendung.
Long story short: Wer wie virtuelle Assistent*innen Dienstleistungen anbietet, kann wie alle anderen Selbstständigen auf nachhaltige Strategien wie Blog und SEO, Newsletter, Netzwerke usw. setzen und muss nicht zwingend jeden Tag auf Insta posten, was es zum Frühstück gab.
Können Selbstständige mit Studio oder Praxis vor Ort auf Social Media verzichten?
Wer heilberufliche Tätigkeiten in einer Praxis ausübt oder ein Yogastudio hat, kann natürlich gerne Socia-Media-Marketing betreiben, um auf sich aufmerksam zu machen, muss es aber aus meiner Sicht nicht.
Denn auch hier gilt:
Die meisten Menschen fragen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis nach Empfehlungen oder googeln. Insofern wäre eine eigene informative Website, ein Unternehmensprofil bei Google und Kundenzufriedenheit Priorität Nummer eins.
Können beratende Selbstständige (Coaches & Co.) auf Social Media verzichten?
Auch wer coacht, berät oder Trainings anbietet, braucht nicht zwingend Social-Media-Marketing, um neue Kund*innen zu finden.
Die Expertise lässt sich hervorragend über einen eigenen Blog oder Podcast etablieren, die Onlinesichtbarkeit über SEO oder Gastauftritte steigern und Vertrauen über einen eigenen Newsletter aufbauen.
Wer coacht und keine Lust auf Social Media hat, muss sich also nicht zwingen.
Können Onlineunternehmer*innen auf Social Media verzichten?
Sobald der Wunsch nach Wachstum und skalierbaren Produkten da ist, kommt es darauf an:
Soll das Onlinebusiness möglichst schnell und unbegrenzt wachsen? Sollen am Ende so viele Menschen wie nur möglich in den Onlineprogrammen sitzen?
Dann wird man vermutlich nicht ums klassische Launchen und damit um Werbeanzeigen auf Social Media drumherum kommen.
Mit bezahltem Traffic lässt sich meiner Erfahrung nach am besten regulieren, wie viele Menschen sich für Webinare und Co anmelden oder die Salespage sehen.
Und auch organisches Social-Media-Marketing wird Menschen erreichen (selbst wenn es nur wenige sind) und damit die Zahl der Verkäufe vermutlich erhöhen (selbst wenn es nur ein bisschen ist).
Soll das Business hingegen wachsen, aber nicht um jeden Preis? Sind Werte, Gesundheit und Integrität wichtiger als ein bestimmter Umsatz oder eine bestimmte Anzahl von Menschen in den Onlineprogrammen? Dann sind natürlich auch Alternativen zum klassischen Social-Media-Marketing denkbar.
Wer ohne Werbeanzeigen auf Social Media launchen möchte, braucht eine gut gefüllte Newsletterliste und idealerweise ein starkes Netzwerk für Kooperationen (wie Affiliatemarketing und/oder Joint Ventures).
Als ich 2020 aufhörte, auf meinen Social-Media-Kanälen zu posten, habe ich mit diesen Strategien keinen Unterschied zu den Launches mit Social Media festgestellt.
Doch wir können natürlich noch einen Schritt weitergehen und uns fragen, ob wir überhaupt zwingend launchen müssen.
Mich haben die klassichen Launches mit Werbeanzeigen, Webinaren und dem Open-Cart-Hype mit den Jahren – auch mit einem Team – völlig ausgelaugt. Ganz zu schweigen davon, dass ich von den üblichen Launchpraktiken inzwischen Abstand genommen habe.
Deshalb habe ich meinen Frieden damit gemacht, dass nicht hundert Menschen oder mehr in meinen Onlineprogrammen sitzen.
Ich genieße es sogar, mit kleinen Gruppen zusammenzuarbeiten und Menschen intensiver zu betreuen, als es in einer anonymen Massenveranstaltung möglich wäre.
Für diese Art von Onlinebusiness reichen Blog, SEO, Newsletter und Gastauftritte völlig aus.
Können Unternehmen auf Social Media verzichten?
Unternehmen brauchen unbedingt Social Media, um ihre Marke zu etablieren – so heißt es zumindest von allen Seiten.
Tatsächlich gibt es ein großes internationales Unternehmen, das uns das Gegenteil beweist: Lush.
Nachdem die Whistleblowerin Frances Haugen mit ihren Facebook Files aufgezeigt hat, dass Meta kein sicheres Umfeld für Menschen bietet, hatte Firmengründer Mark Constantine kein gutes Gefühl mehr dabei, weiterhin Social-Media-Marketing zu betreiben.
Im November 2021 beschloss Lush daher, „anti-social“ zu werden und Facebook, Instagram, Snapchat und TikTok zu verlassen. (Hier ist ihr Unternehmensstatement.)
Ein Jahr später ist Lush – trotz Traffic-Einbußen – immer noch nicht auf Social Media zu finden. Stattdessen setzt Lush laut eigener Aussage auf visuelle Suchmaschinen wie Pinterest und YouTube, Kooperationen mit anderen Marken (z.B. mit Netflix), Playlists mit Entspannungsmusik auf Spotify, Live-Events, einer eigenen App und einem Kundenforum für Superfans.
An Lush erkennt man: Es ist nicht nur möglich, als Unternehmen ohne Social Media Marketing zu betreiben – manchmal passt gerade der Social-Media-Ausstieg perfekt zur Marke.
Ist für medienschaffende Selbstständige Social Media Pflicht?
Anders sieht es bei Influencer*innen aus. Hier gehört Social Media quasi zur Berufsbeschreibung.
Reichweitenstarke Social-Media-Kanäle sind nicht mehr aus dem Media Kit von Influencer*innen wegzudenken; und die Zahl der Follower und die Interaktionsrate sind meist ausschlaggebend für ihre Bezahlung.
Inhalte für Social Media erstellen, Trends auf dem Schirm haben, wissen, was der Algorithmus will – das ist der Job von Influencer*innen.
Und wenn ein Content Creator kein Social Media mehr nutzen will, wäre das in etwa so, als würden Taxifahrer*innen nicht mehr Auto fahren wollen – nicht möglich, ohne den Beruf zu wechseln.
Ähnlich sieht es aus meiner Sicht bei journalistisch Arbeitenden aus. Ihr Job ist die Kommunikation, und ob es uns gefällt oder nicht, gehört X (ehemals Twitter) zum Beispiel inzwischen zur öffentlichen Kommunikation von Sachverhalten dazu.
Deshalb wird es auch für die meisten Journalist*innen eher schwierig sein, völlig auf Social Media zu verzichten.
Können Selbstständige, die gerade erst starten, auf Social Media verzichten?
Zu den häufigsten Einwänden, die ich zu meinem Social-Media-freien Marketing bekomme, zählt die Tatsache, dass ich meine Social-Media-Kanäle gelöscht habe, nachdem ich schon einige Jahre selbstständig war.
„Du hast Social Media gelöscht, als du schon genügend Bekanntheit und Menschen auf deiner Newsletterliste hattest“, heißt es dann immer. „Ich aber starte gerade erst mit meiner Selbstständigkeit und kann dann doch nicht auf Social Media verzichten.“
Zunächst einmal ist das natürlich richtig: Als ich Social Media bye bye gesagt habe, habe ich nicht bei Null angefangen, sondern hatte mit Blog, SEO und Newsletter schon andere Marketingstrategien, die für mich Resultate brachten.
Und ich verstehe auch, dass hier der Schluss naheliegt, dass mich Social Media „bekannt“ gemacht hat und ich es mir dann „leisten“ konnte, nicht mehr auf Social Media zu sein.
Doch diese Annahme ist nicht ganz korrekt.
Ja, ich war mehrere Jahre auf Social Media und habe sicherlich darüber Kontakte geknüpft. Doch Social Media hat mir noch nie nennenswert neue Menschen auf meine Website gebracht oder zu Verkäufen beigetragen. Ich habe es mir nur nie so eingestanden und die Konsequenzen daraus gezogen.
Alle wichtigen Meilensteine als Selbstständige wie „erste richtige Kundin“, „ein festes Gehalt auszahlen“ oder „richtig erfolgreichen Launch“ habe ich nicht mit Social Media erzielt, sondern mit persönlichen Kontakten, der unschlagbaren Kombi aus Blog, SEO und Newsletter und vor allem – total unspektakulär – Zeit.
In den letzten Jahren hatte ich auch viele Einsteigerinnen unter meinen Kundinnen und weiß deshalb:
Das Versprechen, dass soziale Medien eine Möglichkeit sind, um am Anfang schnell seine Sichtbarkeit zu erhöhen und neue Kundinnen zu gewinnen, wird für die meisten Selbstständigen nicht eingelöst. Die meisten bekommen ihre ersten Aufträge oder Verkäufe durch persönliche Kontakte und/oder Weiterempfehlungen. (Und zum Beispiel nicht, weil sie sich auf Ausschreibungen in FB-Gruppen beworben haben.)
Brauchen selbstständige Autor*innnen Social Media oder geht Buchmarketing auch ohne soziale Medien?
Du bist Autor*in und möchtest dein Buch auch ohne Social Media bekannt machen? Einen großen Anteil an meiner Entscheidung, Social Media zu verlassen, hatte übrigens ein Autor: Cal Newport mit seinem Buch „Deep Work“.
Er selbst ist Professor für Informatik an der Universität Georgetown und sagt: Sei so gut, dass sie dich nicht ignorieren können. Dann brauchst du auch nicht Social Media.
Und auch ich habe meinen Vertrag beim Rheinwerk Verlag völlig ohne Social-Media-Präsenz bekommen.
Was ist mit Schauspieler*innen, Sänger*innen und Co. – müssen sie zwingend auf Social Media sein?
Gerade unter den Stars und Sternchen gibt es viele, die auf Social Media verzichten: Jennifer Lawrence, Daniel Radcliffe, Emily Blunt, Keira Knightley … Die Liste ist lang.
Fazit: Die meisten Selbstständigen und Unternehmer*innen können auf Social Media verzichten
Solange soziale Medien nicht zur Berufsbeschreibung gehören wie bei Influencer*innen, ist es meist problemlos möglich, auf einzelne Plattformen oder Social Media im Allgemeinen zu verzichten. Und auch die Sorge, dass man ohne Social Media gar nicht erfolgreich sein könnte, ist für die meisten unbegründet. (Siehe Weltstars wie Keira Knightley und Co.)
Denn letzten Endes zählt, ob wir gute Arbeit leisten und Menschen weiterhelfen – und nicht, wie viele Inspirationszitate auf Instagram wir posten.
An Lush sehen wir, dass gerade der Rückzug aus Social Media auch zum Kern einer Marke passen kann, dass auch größere Unternehmen nicht zwingend Social Media brauchen und jederzeit Social-Media-freie Alternativen für ihr Marketing finden können.
Nur Mut. Die Welt dreht sich auch ohne Instagram weiter. Ganz sicher.
Werte-Liste: 222 Beispiele für Unternehmenswerte von A–Z
Hier ist eine umfangreiche Werte-Liste und viele Beispiele für Werte, die du nutzen kannst, um deine persönlichen Werte und/oder deine Unternehmenswerte zu definieren.
Hast du schon Unternehmenswerte definiert? Hier ist eine umfangreiche Liste von Werten, die du dafür nutzen kannst:
Werte mit A
Abenteuer
Achtsamkeit
Achtung
Agilität
Aktivität
Aktualität
Akzeptanz
Andersartigkeit
Anpassungsfähigkeit
Anstand
Ästhetik
Aufgeschlossenheit
Aufmerksamkeit
Aufrichtigkeit
Ausdauer
Ausgeglichenheit
Austausch
Authentizität
Autonomie
Autorität
Werte mit B
Balance
Bedeutsamkeit
Begeisterung
Beharrlichkeit
Behutsamkeit
Bescheidenheit
Besonnenheit
Beständigkeit
Beweglichkeit
Bewusstheit
Bildung
Bodenständigkeit
Werte mit D
Dankbarkeit
Demut
Disziplin
Werte mit E
Effektivität
Effizienz
Ehrlichkeit
Ehrgeiz
Eigenständigkeit
Eigenverantwortung
Einfachheit
Einfühlsamkeit
Einsicht
Eleganz
Empathie
Energie
Engagement
Entdeckergeist
Enthusiasmus
Entscheidungsfreude
Entschlossenheit
Entspannung
Entwicklung
Erfahrung
Erfolg
Ernsthaftigkeit
Exaktheit
Experimentierfreude
Werte mit F
Fairness
Feiern
Feinfühligkeit
Fleiß
Flexibilität
Fokus
Freiheit
Freude
Freundlichkeit
Freundschaft
Frieden
Fröhlichkeit
Fülle
Fürsorge
Werte mit G
Geduld
Gelassenheit
Gemeinschaft
Gemütlichkeit
Genialität
Genuss
Gerechtigkeit
Geselligkeit
Gesundheit
Glaubwürdigkeit
Gleichmut
Glück
Großzügigkeit
Gründlichkeit
Güte
Werte mit H
Handeln
Harmonie
Herausforderung
Herzlichkeit
Hilfsbereitschaft
Hingabe
Hoffnung
Höflichkeit
Humor
Werte mit I
Idealismus
Individualität
Initiative
Innovation
Inspiration
Intelligenz
Integrität
Interesse
Intuition
Werte mit K
Klarheit
Klugheit
Kommunikation
Kompetenz
Konsequenz
Konsistenz
Konstruktivität
Kontaktfreude
Konzentration
Kooperation
Kraft
Kreativität
Kritikfähigkeit
Werte mit L
Lebendigkeit
Lebensfreude
Leichtigkeit
Leidenschaft
Lernbereitschaft
Liebe
Loyalität
Werte mit M
Menschlichkeit
Mitgefühl
Motivation
Mut
Werte mit N
Nachhaltigkeit
Nähe
Naturverbundenheit
Natürlichkeit
Neugier
Werte mit O
Offenheit
Optimismus
Ordnung
Originalität
Werte mit P
Partnerschaft
Phantasie
Perfektion
Pragmatismus
Präsenz
Präzision
Privatsphäre
Professionalität
Werte mit R
Rationalität
Realismus
Resilienz
Respekt
Rücksicht
Ruhe
Werte mit S
Sachlichkeit
Sanftmut
Schlagfertigkeit
Schnelligkeit
Schönheit
Schutz
Selbstbestimmung
Selbstdisziplin
Selbstreflexion
Selbstständigkeit
Selbstvertrauen
Selbstverwirklichung
Selbstwirksamkeit
Sensibilität
Seriosität
Sicherheit
Sinn
Solidarität
Sorgfalt
Souveränität
Spaß
Spiel
Spiritualität
Spontanität
Stabilität
Struktur
Sympathie
Werte mit T
Teamgeist
Tiefgründigkeit
Tierschutz
Toleranz
Tradition
Transparenz
Treue
Werte mit U
Umweltschutz
Unabhängigkeit
Unbeschwertheit
Unterhaltung
Werte mit V
Verantwortung
Veränderung
Verbindlichkeit
Verbundenheit
Verlässlichkeit
Vernetzung
Vernunft
Verständnis
Vertrauen
Vielfalt
Vitalität
Werte mit W
Wachsamkeit
Wagemut
Wandel
Warmherzigkeit
Wärme
Weisheit
Weiterentwicklung
Weitsicht
Wertschätzung
Willenskraft
Wirksamkeit
Wissen
Wohlstand
Wohlwollen
Würde
Werte mit Z
Zielstrebigkeit
Zufriedenheit
Zugehörigkeit
Zusammenhalt
Zuverlässigkeit
Zuversicht
Woher weiß ich, dass ich (nicht) im Einklang mit mir bin?
Wenn wir etwas Neues wagen, ist es auch mal nötig, die eigene Komfortzone zu verlassen. Gleichzeitig sollen wir „bei uns bleiben“ und uns nicht verbiegen. Wie können wir da den Unterschied erkennen?
„Hallo Alex, wenn man etwas Neues wagt, ist es auch mal nötig, die eigene Komfortzone zu verlassen und auszudehnen. Da ist es völlig normal, dass sich etwas anfangs komisch und unbequem anfühlen kann. Es ist nicht so einfach zu erkennen: Fühlt sich das jetzt doof an, weil es wirklich nicht zu mir gehört? Oder fühlt es sich nur doof an, weil es eben neu, fremd und ungewohnt ist und ich über meinen Schatten springen, es trotzdem tun und lernen sollte? Was denkst du, woran man den Unterschied erkennen könnte?“
Ich glaube, deine Frage ist vielschichtig und die Antwort darauf ist es auch.😊 Ich sehe da sieben verschiedene Ebenen:
#1 Eine Werte-Ebene
… und die Frage: Kann ich das, was ich mache, mit meinen Werten vereinbaren?
So fühlt es sich für mich zum Beispiel völlig in Ordnung an, wenn sich die Arbeit an Texten schwer anfühlt oder ich mich bei einem Blogartikel richtig überwinden muss, ihn zu veröffentlichen (wie bei diesem hier).
Aber wenn das eine Botschaft ist, die mir wichtig ist, weiß ich, dass es – im wahrsten Sinne des Wortes – die Mühe wert ist.
Wenn ich mich allerdings tagtäglich dazu zwinge, Karussellposts für Insta zu erstellen, und gleichzeitig eigentlich keine Lust darauf habe, ein Unternehmen wie Meta zu unterstützen, sieht es anders aus.
Da fühlt sich die Aufgabe nicht nur schwer an – alles in mir sträubt sich regelrecht dagegen, sie zu tun.
#2 Eine Stärke-Ebene
… und die Frage: Fokussiere ich mich gerade auf meine Stärken oder bin ich gerade dabei, meine Schwächen zu verbessern?
So ist es für mich zum Beispiel völlig in Ordnung, nicht zu wissen, wie ich einen Roman schreibe. Ich habe es noch nie gemacht und natürlich ist das erste Mal neben der Aufregung auch frustrierend und anstrengend.
Ich bleibe dran, weil ich weiß, dass mir das Schreiben wichtig ist (siehe Werte) und ich, indem ich durch diese anstrengende Zeit gehe, meine Fähigkeiten und Stärken verbessere.
Anders sieht es aus, wenn ich mich täglich dazu zwingen würde, Karussellposts für Insta zu erstellen. Ich kann das nicht gut, will das auch gar nicht können, finde das total langweilig und würde lieber mit Voldemort „Schiffe versenken“ spielen, als meine Zeit so zu verbringen.
Hier sehe ich persönlich keinen Sinn darin, diese Schwäche weiter zu verbessern, um irgendwann, wenn ich Glück habe, lediglich Mittelmaß zu sein.
#3 Eine Energie-Ebene
… und die Frage: Raubt mir diese Aufgabe Energie oder gibt sie mir welche?
Gerade, was das Schreiben angeht, ist es nämlich so: Es ist anstrengend, aber seltsamerweise gibt mir das Schreiben mehr Energie, als es verbraucht.
Wenn ich an einem Blogartikel oder Kapitel feile und am Ende des Tages etwas geschafft habe, bin ich happy, gut gelaunt und erfüllt.
Es ist also ein bisschen so wie beim Laufen und dem berühmten Runner's High.
(Ein Writer's High also.😊)
Habe ich zehn Karussellposts für Insta designt, fühle ich mich nicht annähernd so berauscht. Eher gleichgültig bis innerlich leer oder frustriert. („Toll, jetzt habe ich zwei Stunden daran gesessen und der Post hat wieder nur 10 Menschen erreicht.“)
Mache ich jeden Tage fünf Instastorys, gibt mir das ebenfalls – als einem introvertierten Menschen – keine neue Energie, sondern zieht mir welche.
#4 Eine Möglichkeiten-Ebene
… und die Frage: Vergrößert diese Aufgabe meine Möglichkeiten im Leben oder beschneidet sie sie?
Beim Schreiben ist es nämlich so: Ich habe mittelfristig das Ziel, vom Schreiben zu leben. Das bedeutet, wenn ich mir hier die Mühe mache, etwas Neues zu lernen, weiß ich, dass es mich meinem Ziel näher bringt. Dass es mir Möglichkeiten und Chancen schenkt.
Beim Karussellpost-Erstellen ist es so: Ich denke mir die ganze Zeit: „Gott, was ich jetzt alles tun könnte, wenn ich nicht diese dämlichen Karussellposts designen müsste.“
Diese Aufgabe schafft also nicht neue Möglichkeiten, sie hält mich eher davon ab, die Dinge zu tun, die ich lieber tun würde.
#5 Eine Glücksebene
… und die Frage: Komme ich bei dieser Aufgabe in den Flow?
Für den Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi ist das Flow-Gefühl ein wahrer Glücksmacher, zeigt es uns doch an, dass eine Aufgabe das optimale Maß an Anstrengung für uns hat.
So bin ich beim Schreiben regelmäßig im Flow und vergesse alles um mich herum.
Beim Karussellpost-Erstellen? Noch nie.
#6 Eine Selbstbestimmungsebene
… und die Frage: Habe ich mich für diese Aufgabe aus freien Stücken entschieden?
Autonomie ist eins der wichtigsten Bedürfnisse von Menschen, und wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich aus freien Stücken für eine Aufgabe entschieden habe, nehme ich gerne auch mal schwierige(re) Phasen in Kauf.
Beim Schreiben ist das zum Beispiel so. Da nehme ich Herausforderungen wahr, aber ich problematisiere sie nicht. Ich weiß, dass sie mich nicht vom Schreiben abhalten, sondern Teil des Schreibens sind.
Fürs Karussellpost-Erstellen hingegen hatte ich mich – gefühlt – niemals frei dafür entschieden. Ich hatte es gemacht, weil ich Marketingcoaches glaubte und dachte, es unbedingt tun zu müssen. Und diese Aufgabe hat sich auch deswegen schwer angefühlt, weil ich glaubte, keine Wahl zu haben.
#7 Eine Balance-Ebene
… und die Frage: Wechseln sich Anspannung und Entspannung ab?
Und noch etwas habe ich beobachtet: Die Dinge, bei denen ich – komme, was wolle – am Ball bleiben will, sind nie nur anstrengend. Vielmehr herrscht eine – für mich – gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung.
Will heißen:
Vielleicht verlasse ich meine Komfortzone und veröffentliche einen persönlichen Blogartikel, und dann schreibe ich wieder drei Blogartikel, in denen ich mich „ausruhen“ kann und nicht zu viel riskiere.
Vielleicht veranstalte ich mal ein Webinar und bin kurz vorher ein bisschen aufgeregt. Aber dann lass ich es die nächsten Tage eben ruhiger angehen und lade meine Batterien wieder auf.
Beim Social-Media-Marketing hatte ich diese Balance in dieser Form nicht. Es fühlte sich immer anstrengend an und es gab kaum einen Tag, an dem mich Instagram nicht ausgelaugt hatte.
Übrigens:
Ich beobachte in letzter Zeit einen wahren „Leichtigkeits-Hype“: Alles rund ums Business soll immer und zu jeder Zeit „leicht“ sein.
Das sehe ich nicht so.
Ich habe dieses Wort früher auch gerne verwendet, aber nun wieder damit aufgehört, weil ich feststelle, dass ich Leichtigkeit anders verstehe.
Leichtigkeit heißt für mich nicht, dass ich niemals meine Komfortzone verlasse und alle Aufgaben mir ständig leicht von der Hand gehen.
Leichtigkeit heißt für mich, dass ich – im Großen und Ganzen – im Einklang mit meiner Energie, meinen Stärken und meinen Werten lebe. Dass ich mich aus freien Stücken für eine Aufgabe entschieden habe und eine gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung herrscht.
Deshalb ist „im Einklang mit mir sein“ und „Komfortzone verlassen“ nicht zwingend ein Widerspruch.
Warum FOMO als Marketingstrategie ein Problem ist
Nutzt du bewusst oder unbewusst FOMO als Strategie in deinem Marketing? Warum das ein Problem ist, erfährst du in diesem Blogartikel.
Neulich wollte ich einen Newsletter schreiben und von all den neuen Texten erzählen, die ich in letzter Zeit auf meinem Blog veröffentlicht hatte.
Den Betreff musste ich nicht lange überlegen.
„Hast du das verpasst?“ schoss mir sofort als Betreffzeile in den Kopf.
An sich war die Betreffzeile gut gemeint: Im Frühjahr/Sommer sind bei mir so viele Blogartikel onlinegegangen, dass es mir gar nicht möglich war, von jedem einzelnen im Newsletter zu erzählen.
Gut möglich also, dass die meisten Newsletterabonnent*innen gar nicht mitbekommen haben, was in dieser Zeit auf dem Blog passierte.
Doch bei näherem Überlegen wäre diese Betreffzeile höchst problematisch gewesen:
Denn hier hätte ich um ein Haar mit etwas gespielt, was den meisten Menschen bekannt vorkommen dürfte: FOMO.
Beinahe hätte ich die Angst, etwas zu verpassen, ausgenutzt, um möglichst viele Menschen dazu zu bringen, meinen Newsletter zu lesen.
Was ist an FOMO im Marketing so schlimm?
Wenn ich nach „FOMO im Marketing“ in Google suche, sind die Suchergebnisse nicht etwa kritische Auseinandersetzungen oder ethische Überlegungen, sondern Anleitungen, wie Selbstständige das „mächtige Marketinginstrument“ und „eine der größten psychologischen Strategien des Social-Media-Zeitalters“ FOMO „richtig“ einsetzen können.
Oder warum „FOMO ein Marketingkonzept bereichert“ und „Verkäufe boostet“.
Die gemeinsame Botschaft der Artikel lautet: Wer versteht, wie Menschen ticken, verkauft mehr.
Ja, das ist sicherlich richtig. Wer die Psychologie des Menschen versteht und dieses Wissen fürs Marketing nutzt, hat einen großen Vorteil gegenüber Nichtwissenden und kann mehr verkaufen.
Richtig ist aber auch:
Wer versteht, wie Menschen ticken, und dieses Wissen ohne Reflexion, Verantwortung und ohne jegliche Rückkopplung an andere Werte zur Profitsteigerung nutzt, handelt sehr wahrscheinlich unethisch.
Da hilft übrigens der Zusatz in manchen Artikeln, dass „FOMO erzeugen nicht manipulieren heißt“, auch nicht wirklich.
Denn selbst wenn ein Produkt toll ist und man echten Mehrwert damit bietet, heißt es nicht, dass dadurch automatisch psychologische Tricksereien legitimiert sind.
Ich bin also sehr dafür, folgende Strategien (die in den besagten Artikeln als Tipps formuliert werden, um mehr zu verkaufen) als Red Flags zu betrachten, die alle Selbstständigen für sich reflektieren und kritisch beleuchten sollten.
FOMO im Marketing – eine Sache der Ethik
Marketingstrategien, die wir überdenken sollten
Mit Zeitdruck arbeiten
Der Klassiker für FOMO schlechthin ist, mit Zeitdruck zu arbeiten.
Schnell.
Nur noch heute.
Anmeldung schließt in einer Stunde.
Bonus gilt noch für die nächsten 30 Minuten.
„Aktiviere Push-Benachrichtigungen, um nichts mehr zu verpassen“
Auf Social Media wird FOMO häufig gezielt genutzt, um die Follower zu einer Handlung zu bringen.
Künstliche Verknappung
Klassisches Beispiel: Open und Closed Cart in Launches. Hier kann ein Programm nur wenige Tage im Jahr gebucht werden, selbst wenn man schon Monate vorher weiß, wann das Programm startet.
Das Wort „exklusiv“
Spielt mit dem Wunsch der Zugehörigkeit und der Angst, nicht dazuzugehören bzw. etwas zu verpassen, wenn man nicht dazugehört.
Social-Proof-Tools
Kritisch sehe ich auch die Benachrichtigungen „Anna L. hat das Produkt vor drei Stunden gekauft“, die viele Unternehmer*innen auf ihren Verkaufsseiten nutzen.
Nicht nur, dass ich – je nach Produkt – absolut keine Lust darauf hätte, dass mein Name, selbst wenn es nur der Vorname ist, dort erscheint und ich es datenschutzmäßig für äußerst problematisch halte, wird hier ganz klar mit der Angst gespielt, nicht dazuzugehören, wenn man das Produkt nicht kauft.
Nicht umsonst heißt einer der gängigsten Anbieter für diese Social-Proof-Benachrichtigungen „FOMO“. #justsaying
Nur Live-Videos anbieten
An sich ist nichts gegen Live-Veranstaltungen zu sagen. Sie sind sicherlich eine tolle Möglichkeit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und mit Interessent*innen zu kommunizieren.
Allerdings können Live-Videos (sei es in Social Media oder als Webinar) auch FOMO erzeugen, weil sie natürlich nur einmal zu einer bestimmten Zeit stattfinden.
Einfacher Ausweg: Aufzeichnung des Live-Videos anbieten und Abstand von Botschaften wie „Das darfst du nicht verpassen“ nehmen.
„Du kannst nicht dabei sein? Macht nichts. Es wird einen Aufzeichnung geben.“
Und schon ist die übermäßige Angst, etwas zu verpassen, kleiner geworden.
Zeitlich begrenzte Rabatte
Flashsales.
Webinarrabatte.
Frühbucherpreise.
30% nur noch heute.
Angeblich zeitlich begrenzt verfügbare Angebote
Du abonnierst einen Newsletter oder kaufst ein Produkt und auf der Dankeseite bekommst du ein unwiderstehliches Angebot, das nur noch die nächsten 15 Minuten so unverschämt günstig ist. Kennste?
Natürlich ist das Produkt nicht wirklich nur die nächsten 15 Minuten so günstig. Die Botschaft wird allen angezeigt, egal, ob sie heute, morgen oder in drei Monaten auf der Seite landen.
Falls du jetzt an einigen Stellen denkst: „Aber ein paar Sachen davon hast du doch auch mal gemacht, Alex!“
Ja, durchaus.
Da nehme ich mich selber gar nicht raus. Denn auch ich bin durch eine „konventionelle“ Marketingschule gegangen und habe dementsprechend noch viele Überbleibsel in mir, die mir nach und nach überhaupt bewusst werden und die ich dann reflektiere, ändere oder ganz eliminiere.
Aber für mich ist das so wie mit dem Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz auch:
Wir brauchen nicht wenige Menschen, die es perfekt machen, sondern ganz, ganz viele, die es unperfekt machen.
Und vor allem brauchen wir Menschen, die es jeden Tag aufs Neue versuchen und bereit sind, ihre Handlungen kontinuierlich zu reflektieren.
Wenn du dich also heute nach diesem Text entschließt, auch nur eine einzige Strategie zu überdenken, zu ändern oder ganz sein zu lassen, dann: Großartig!
PS: Ich hätte die Zitate im Text natürlich mit Quellen belegen müssen, aber in einem Anflug von zivilem Ungehorsam entschied ich mich, diesen Seiten nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu geben, als sie es vermutlich eh schon haben.
Ich hab’ Beef mit Jeff! – Warum ich nicht mehr launchen will
Ich habe keine Lust mehr darauf, klassisch zu launchen und Menschen in meine Programme „hineinzufunneln“. Warum ich mich gegen künstliche Verknappung und Co. entschieden habe.
Auf meinem Weg zu einem Social-Media-freien, ethischen Marketing habe ich mein nächstes Dorn im Auge: das Launchen.
Ich mag nämlich nicht mehr Menschen in meine Programme „hineinfunneln“.🙈
Das „klassische“ Launchen, so wie wir es aus dem Onlinemarketing kennen und so wie ich es jahrelang für mich praktiziert habe, ist nämlich alles andere als achtsam und ethisch, wenn wir ehrlich sind.
Sowohl für mich als „Launchende“.
(Manchmal war ich nach dem Launch so ausgebrannt, dass ich dringend Urlaub gebraucht hätte. Und da war der Kurs, den ich gelauncht habe, noch nicht einmal gestartet …)
Als auch für die Menschen, an die ich meine Programme gelauncht habe.
(Ich schätze mal, niemand möchte gerne Mails à „Das Angebot gibt es nur noch eine Stunde – friss oder stirb“ bekommen.)
Doch wie können wir unsere Onlineprogramme mit Teilnehmer*innen füllen, ohne mit Druck, psychologischen Tricks und dem üblichen Marketing-Blabla zu arbeiten?
Lass uns dafür zunächst einmal das klassische Launchprinzip angucken.
Das klassische Launchen nach Jeff Walker
Launchen, so wie wir es kennen, basiert auf der sogenannten „Product Launch Formula“ von Jeff Walker.
Der gute Jeff hat nämlich herausgefunden, dass man Programme und digitale Produkte viel besser verkauft, wenn es eine künstliche Verknappung gibt.
So wird der Warenkorb an einem Tag – meist durch ein Webinar – geöffnet („Open Cart“) und nach ein paar Tagen wieder geschlossen („Closed Cart“). Und davor und danach kann das Programm nicht mehr gekauft werden.
In der Open-Cart-Phase bedient sich Jeff der üblichen E-Mail-Marketing-Taktiken mit Deadlines, Timern und sogenannten „mentalen Triggern“, also psychologischen Tricks, die Menschen dazu bringen sollen, das Produkt zu kaufen.
Warum ich Beef mit Jeff hab
Zunächst einmal hat Jeff natürlich absolut Recht:
Marketing mit Verknappung und anderen mentalen Triggern „funktioniert“. In dem Sinne, dass ein Programm tatsächlich interessanter ist und ein „Habenwollen“ auslöst, wenn es nur wenige Tage im Jahr zur Verfügung steht.
Ist bei mir ein bisschen so wie mit Bärlauch. Ich mag ihn nicht besonders. Aber wenn ich ihn im Frühling beim Spaziergang mit dem Hund entdecke, denke ich: „Nimmst ihn halt mal mit, sonst musst du wieder ein Jahr warten … “
Alle großen Online-Unternehmer*innen, die ich kenne, bedienen sich dieser Bärlauch-Taktik. Und das erfolgreich.
Doch darf ich mich psychologischen Tricks bedienen, einfach nur weil … es funktioniert? Darf ich ggf. fragwürdige Marketingtaktiken anwenden, einfach nur weil … es alle machen? Darf Wachstum und finanzieller Erfolg der einzige Wert sein, den ich im Marketing verfolge?
Ich glaube:
Nein.
Nein.
Und nein.
Und ich schätze mal, du siehst es ähnlich.
Ja, vermutlich sehen das die meisten Selbstständigen ähnlich.
Niemand will manipuliert werden. (Doch die meisten Selbstständigen manipulieren.)
Und da nehme ich mich selbst nicht raus. In der Vergangenheit habe ich auch Jeffs Buch inhaliert und mit Deadlines und Timern gearbeitet, weil es so schön „funktioniert“ hat. Doch was ist die Alternative?
Vielleicht denkst du jetzt:
„Ist ja schön und gut. Ich bin auch für Ethik und Moral. Aber gleichzeitig will ich von meiner Selbstständigkeit leben können. Was ist also die Alternative?“
Ich weiß es nicht so genau.
(Also noch nicht.)
Aber ich begebe mich auf die Suche.
Ich bin auf dem Weg.
Und ich werde berichten.😊
Was ich ab sofort nicht mehr mache
Einiges habe ich aber schon in den letzten Wochen umgesetzt und geändert.
Keine „charmanten Preise“ mehr
Da wäre zum einen die Sache mit den Preisen.
Bestimmt ist dir nämlich schon aufgefallen, dass Preise sehr häufig auf „7“ oder „9“ enden, oder? Sei es im Discounter oder bei hochpreisigen Coaching-Angeboten …
„Charm Pricing“ nennt sich das und meint die psychologische Preisgestaltung, die suggeriert, dass ein Produkt günstiger ist, als es ist.
Deshalb kosten Onlinekurse auch oft „497“, „997“ oder „1497“ Euro.
Wir denken „Cool, noch dreistellig“ und kaufen, ohne mit der Wimper zu zucken, das Produkt, das eigentlich bereits vierstellig kostet.
Auch ich habe mich jahrelang dieser Strategie bedient.
Gar nicht mal, weil ich dachte: „Jetzt will ich Menschen zum Kauf meines Produktes manipulieren. MuahahaHAHAHA.“
Sondern weil es alle so machten.
Ich weiß, dass „Weil es alle machen“ ein doofer Grund ist. Und genau deshalb habe ich mich, bei den Dingen, die ich anbiete (wie den Schreibcircle zum Beispiel oder meine Onlinekurse), gefragt, ob ich mich noch länger dieser psychologischen Preisgestaltung bedienen will.
Und: nein.
Will ich nicht.
Deshalb enden meine Preise jetzt – wie mein Stundensatz ja auch – regulär auf einer „0“.
Kein Aufpreis mehr für Ratenzahlungen
Eine zweite Sache, die ich bei der Preisgestaltung für meine Produkte geändert habe, betrifft die Ratenzahlung.
Klassischerweise sollen im Launch Einmalzahlungen belohnt und Ratenzahlung bestraft werden. Deshalb sind Ratenzahlungen bei den meisten Onlineprogrammen auch teurer.
Dafür gibt es an sich eine vernünftige Erklärung:
Ratenzahlungen bedeuten für den oder die Anbieter*in einen buchhalterischen Mehraufwand und natürlich ist da immer auch ein gewisses Risiko, dass die letzten Raten nicht bezahlt werden.
Das ist alles richtig. Doch inzwischen empfinde ich einen Aufpreis für Ratenzahlungen einfach nicht mehr als sozial.
Gerade Einsteiger*innen können sich vier- oder fünfstellige Produkte – selbst wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen kalkuliert wurden und ihren Preis absolut wert sind – oft noch nicht leisten.
Sie sind auf Ratenzahlungen angewiesen, und wie doof ist es eigentlich, diese Situation als Unternehmerin auszunutzen und Einsteiger*innen mit höheren Preisen zu „bestrafen“? (Um nicht zu sagen: zu diskriminieren.)
Dabei ist es für Unternehmer*innen mit mehr finanziellen Ressourcen doch ein Leichtes, solidarisch mit denjenigen zu sein, die weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben, und soziale Preismodelle anzubieten?!
Umso mehr, wenn genau diese Unternehmer*innen regelmäßig größere Summen an Hilfsorganisationen spenden und sich auf Social Media als wahnsinnig „sozial“ geben.
Ratenzahlungen biete ich deshalb ab sofort ohne Aufpreis an.
Keine Timer und künstliche Deadlines mehr
Wenn es kein klassisches „Open Cart“ und „Closed Cart“ gibt, brauche ich auch keine Timer und künstlichen Deadlines mehr.
(Juhu!🥳 Hab sie sowieso immer gehasst!)
„Nur noch zwei Stunden sind die Türen zu meinem Programm geöffnet. Buche jetzt noch schnell.“
Solche Mails möchte ich in Zukunft nicht mehr verschicken.
Kein Zeitdruck mehr für mich
Und schließlich ist das Ganze auch noch für mich viel entspannter.😊
Auf andere Menschen Druck auszuüben, selbst wenn es „nur“ per E-Mail ist, hat natürlich auch auf mich selbst Druck ausgeübt.
Kein Wunder, dass ich mich nach Launches so oft ausgelaugt und erschöpft fühlte.
Mehrere Wochen vor einem gemeinsamen Start die Türen zu einem Programm wie dem Schreibcircle zu öffnen, fühlt sich herrlich entspannt an. Ich muss nicht – pünktlich zu einem Webinar – fit sein, sondern mehrere Wochen Zeit, um auf dem Blog oder Newsletter über mein Programm zu reden.😊
Stattdessen will ich nun Folgendes tun
Fiese Gedanke verbannen und stärkende Gedanken denken
Zunächst einmal starte ich – wie immer – im Innern. Da ist nämlich dieser hartnäckige Glaubenssatz in mir, dass ich nicht erfolgreich sein kann, wenn ich ethisch handle.🙈
Verrückt, oder?
Ich vermute: Das ist Gedankengut aus Sowjetzeiten, wo jede*r, der oder die erfolgreich sein wollte, krumme Dinger drehen und jemanden bestechen musste. (Ich wünschte, das wäre ein Witz.)
Weg damit.
„Ich kann ein ethischer Mensch sein und genügend Umsatz machen, um ein schönes Leben zu führen.“
Viel besser.
Diesen Satz schreibe ich mir nun jeden Tag zehnmal irgendwohin, bis auch die letzte Zelle in meinem Körper verstanden hat, dass es so ist.😜
Wartelisten
Solange ich nicht genau weiß, wann ich das nächste Mal ein Programm anbieten kann und will, biete ich Menschen die Möglichkeiten an, sich in Wartelisten einzutragen.
Das möchte ich auch in Zukunft so handhaben.
Wartelisten finde ich für beide Seiten herrlich entspannt und unkompliziert.
Menschen, die grundsätzlich Interesse an einem Programm haben, tragen sich in eine Warteliste ein, selbst wenn ich die Details noch nicht festgelegt habe.
Sobald Zeitraum, Leistungsumfang und Preis feststehen, schreibe ich ihnen eine Mail und sag ihnen Bescheid.
Natürliche Verknappung(en) kommunizieren
Es gibt für mich einen großen Unterschied zwischen künstlicher und natürlicher Verknappung.
Natürliche Verknappung hat einen guten, nachvollziehbaren Grund wie
eine begrenzte Zahl der Teilnehmer*innen, um alle bestmöglich unterstützen zu können
begrenzt freie Slots für Mentorings, weil der Tag nun mal 24 Stunden hat und ich nicht mehr als X Mentoringkund*innen parallel haben kann, ohne mich zu verzetteln
Anmeldemöglichkeit endet an Tag X, weil wir am Tag darauf gemeinsam starten
Diese natürlichen Verknappungen, empfinde ich nicht als Manipulation und werde sie auch weiterhin kommunizieren.
Schließlich ist es auch absolut in Ordnung, wenn ein Hotel oder ein Restaurant auf der Website erzählt, dass sie nur eine begrenzte Anzahl an Zimmern oder Plätzen zur Verfügung hat.
Oder hast du schon einmal gedacht:
„Boah, nur 40 Hotelzimmer?! Wie können sie es wagen, so viel Druck auf mich auszuüben?!“
Kapazitäten transparent zu kommunizieren oder die Zahl der Teilnehmer*innen zu begrenzen (um sie optimal unterstützen zu können), finde ich immer noch absolut legitim. Für Hotels und Restaurants. Und natürlich auch für Berater*innen und Coaches.
Working out loud
Ich liebe das Konzept von „Working out loud“.
„Working out loud“ heißt vereinfacht, dass ich nicht einfach nur im stillen Kämmerlein vor mich hin arbeite, sondern dass ich Menschen an meiner Arbeit teilhaben lasse und Wissen teile.
Das kann ein Behind-the-Scenes-Blogartikel so wie dieser hier sein. Oder auch ein persönlicher Newsletter.
Statt mich unnahbar zu geben und Entwicklungen oder Erkenntnisse zu verheimlichen, erzähle ich offen die Hintergrundgeschichten zu meinen Angeboten, rede über meine Werte, Denkprozesse und (innere oder äußere) Veränderungen.
Das ist für mich nicht Manipulation.
Das ist Sichtbarkeit.
Das ist Teilen von Wissen.
Das ist „Working out loud“.
Online-Events
Online-Events wie Webinare, Workshops oder Kongresse sind aus meiner Sicht nicht per se „manipulativ“.
Sie können – wie im klassischen Launchen – natürlich als Strategie genutzt werden, um die Open-Cart-Phase einzuleiten und Menschen in den „Funnel“ zu bekommen.
Sie können aber auch einfach nur eine Möglichkeit sein, um sichtbar zu machen, was wir wissen und wie wir Menschen mit unseren Angeboten helfen können.
Und Letzteres finde ich immer noch absolut in Ordnung.
Eine Online-Veranstaltung nach dem Muster
„Hier ist das was ich weiß, tue und kann. Und hier ist eine Möglichkeiten, mit mir zusammenzuarbeiten.“
ist nämlich etwas völlig anderes als
„Hier ist das, was ich weiß, tue und kann. Und du hast nun fünf Tage Zeit zu entscheiden, ob du mit mir zusammenarbeiten willst. (Ansonsten erst nächstes Jahr wieder! #sorrynotsorry) Und wenn du dich in den nächsten 15 Minuten entscheidest, bekommst du Boni im Wert von drölfzig tausend Euro.“
Das Erste ist Sichtbarkeit. Das Zweite ist Druck. (Und psychologische Trickserei.)
Integrität im Marketing – Welche Strategien ich nicht mehr verwenden werde
In diesem Blogartikel geht es um Integrität. Integrität bedeutet, dass Werte und Handlungen im Einklang sind. Ich habe mich gefragt: Welche Marketingstrategien passen wirklich zu meinen Werten? Und was bedeutet Integrität im Unternehmen genau?
Vor einiger Zeit habe ich mir eine Frage gestellt:
„Wie würde mein Marketing aussehen, wenn Integrität mein wichtigster Wert wäre – und nicht Wachstum?“
Falls dir noch nicht klar ist, was Integrität genau bedeutet, dann lass es mich kurz erklären:
Integrität heißt, dass das, was uns wichtig ist, und das, was wir tun, im Einklang miteinander sind.
Werte und Handlungen …
Überzeugungen und Taten …
Innen und außen …
… kongruent.
Nun hätte ich mich schon immer als einen integren Menschen bezeichnet. Doch mein Marketing …?
Als ich mir diese Frage stellte, merkte ich, dass ich in meinem Marketing weiter von Integrität war, als ich immer glaubte.
Nein, ich zog meine Kund*innen natürlich nicht übers Ohr. Und ich war natürlich auch immer freundlich und hilfsbereit ihnen gegenüber.
Aber ich merkte, dass vieles von dem, was ich in meinem Marketing machte, nicht zu meinen Werten passte, wenn ich 100% ehrlich zu mir war.
Jahrelang implementierte ich verschiedenste Strategien, weil ich irgendwo da draußen hörte:
„Wenn du erfolgreich selbstständig sein willst, brauchst du Social Media.“
„Wenn du viele Kundinnen haben willst, musst du Werbeanzeigen schalten.“
„Wenn du viele Newsletteranmeldungen haben willst, brauchst du ein Freebie.“
Social Media. Werbeanzeigen. Freebies. – Jahrelang hinterfragte ich diese Strategien nicht, weil sie … nun ja … im Großen und Ganzen zu „funktionieren“ schienen und ich natürlich erfolgreich und wohlhabend sein wollte.
Doch passten sie wirklich zu meinen Werten und Überzeugungen? Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin: nein. Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, will ich nicht …
Menschen mit Werbeanzeigen zu einer Handlung bewegen, die sie ohne diese Werbeanzeige vermutlich nicht gemacht hätten
einem Konzern wie Meta noch mehr Daten zukommen lassen, damit sie noch mehr Kohle verdienten, mehr Hass und Leid in der Welt säten und Mark Zuckerberg sich noch mehr Häuser in seiner Nachbarschaft kaufen konnte, um Privatsphäre zu haben
Menschen nicht „tracken“ und dokumentieren, was sie auf meiner Website machten
Menschen dazu bringen, meinen Newsletter zu abonnieren, indem ich ein strategisch kluges Freebie auswählte
Bei der Jagd nach Aufmerksamkeit mitmachen und Menschen beim Lesen meiner Website-Inhalte mit einem klug getimten Pop-up unterbrechen.
Deshalb habe ich Anfang des Jahres nicht nur mit Facebook mein letztes Social-Media-Konto gelöscht – in den letzten Wochen habe ich im Hintergrund auch einiges an meinem Marketing und meiner Website geändert.😏
FB-Pixel und Pinterest-Tag sind nun von der Website verschwunden. Nicht nur werde ich keine Werbeanzeigen mehr schalten – auch du wirst von nun an nicht mehr von Meta und Pinterest getrackt, wenn du auf meiner Website bist.
Pop-ups habe ich bye bye gesagt. Abgesehen vom Cookie-Banner, zu dem ich verpflichtet bin, musst du nichts mehr weg- oder anklicken, wenn du auf meiner Website bist, sondern kannst dich zu 100% darauf konzentrieren, meine Texte zu lesen.
Meinen E-Mail-Kurs (= mein Freebie / Null-Euro-Produkt / was auch immer die rechtlich richtige Bezeichnung gerade dafür ist) gibt es nicht mehr. Ab sofort können sich Menschen, die wirklich meinen Newsletter erhalten wollen, einfach zu meinem Newsletter anmelden, ohne geködert zu werden.
Werde ich weniger Newsletteranmeldungen haben?
Werde ich weniger Kund*innen haben?
Werde ich weniger Umsatz machen?
Ich weiß es nicht.
Vielleicht.
Aber ich fühle mich seltsamerweise so gut und im Einklang mit mir wie schon lange nicht mehr.
Keine sozialen Medien mehr: Mein Plädoyer für eine entspannte Selbstständigkeit ohne Insta & Co.
Keine Social Media nutzen als Selbstständige? Kein Problem! Doch dafür müssen wir über Bord werfen, was wir über Social Media und die Selbstständigkeit denken, und uns erlauben, auf unsere Stärken zu vertrauen.
Hier ist eine Liste von Dingen, die ich nicht glaube:
Dass ich Social Media nutzen muss, wenn ich selbstständig bin.
Dass ich ohne Social Media keine Kund*innen finde.
Dass ich mich nicht so anstellen und halt zusammenreißen muss, wenn mir Instagram und Co. keinen Spaß machen.
Dass ich jeden Tag online sein muss, damit ich erfolgreich bin.
Dass ich etwas verpasse, wenn ich nicht auf Instagram bin.
Dass etwas mit mir nicht stimmt, wenn mir Social-Media-Marketing keinen Spaß macht.
Dass mehr immer besser ist.
Dass ich keine Pausen brauche, wenn ich „mein Business liebe“.
Dass ich allen Social-Media-Trends folgen muss, wenn ich selbstständig bin.
Dass ich im Zweifel immer auf Ratschläge von Expert*innen hören muss, statt meinem Bauchgefühl zu vertrauen.
Ich erkläre diese Glaubenssätze hiermit für ausgedient. Für beendet. Sie haben keine Funktion mehr.
Sie machen uns müde, unglücklich und krank.
Sie helfen uns nicht dabei, unsere Selbstständigkeit nach unseren Vorstellungen zu gestalten, im Gegenteil: Sie halten uns davon ab, unser wahres Potenzial zu entfalten.
Stattdessen schlage ich folgende Glaubenssätze vor:
Dass soziale Medien nur eine Option für Selbstständige sind und keine Pflicht.
Dass soziale Medien nur eine von unzähligen Möglichkeiten sind, Kund*innen zu finden.
Dass ich in meiner Selbstständigkeit der Freude folgen darf.
Dass Offline-Zeiten für alle Menschen, also auch für Selbstständige, wichtig sind.
Dass ich nichts Wichtiges verpasse, wenn ich eine Plattform nicht nutze, die mir keine Freude bereitet.
Dass mit mir alles in Ordnung ist, wenn ich Social Media doof finde und sie für meine Selbstständigkeit nicht nutzen möchte.
Dass Qualität wichtiger ist als Quantität.
Dass Pausen mich nicht von wichtigen Aufgaben abhalten, sondern dass sie die wichtigste Aufgabe sind.
Dass ich Social-Media-Trends ausprobieren kann, wenn sie sich spannend anhören, mich meine Selbstständigkeit dazu aber nicht verpflichtet.
Dass ich meinen Stärken, meinen Fähigkeiten und meinem Bauchgefühl vertrauen und im Zweifel auf Ratschläge von Expert*innen pfeifen darf.
Kurz:
Dass ich mir endlich die Erlaubnis geben darf, meine Selbstständigkeit nach meinen eigenen Regeln zu gestalten.
Das muss sich dafür verändern:
Von „fremdgesteuert“ zu „selbstbestimmt“
Es wird Zeit, dass wir wieder die Entscheidungsfreiheit und Verantwortung für unser privates und berufliches Leben übernehmen und sagen:
„Dieser Social-Media-Kanal passt nicht zu mir und meinem Leben.“
Haben wir uns denn nicht selbstständig gemacht, um selbstbestimmt zu arbeiten? Um keinen blöden Chef zu haben, der uns andauernd sagt, was wir zu tun haben? Um unser Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten?
Stattdessen haben wir uns ein neues Hamsterrad geschaffen – das Social-Media-Hamsterrad – bei dem unseren Arbeitsalltag danach ausrichten, was Algorithmen von uns wollen.
Was wir posten. Wie oft. Wann. In welchem Format.
Doch was ist das überhaupt für eine seltsame Vorstellung, dass wir unser Leben nach den Anforderungen von Algorithmen ausrichten und nicht umgekehrt?
Dass wir um acht Uhr abends alles stehen und liegen lassen, weil das laut Analytics nun mal die beste Zeit zum Posten ist?
Dass wir unseren Feierabend unterbrechen (oder uns überhaupt keinen Feierabend gönnen), weil wir wollen, dass unser Post die beste Aussicht auf Erfolg hat?
Dass wir zu unseren Kindern, Partnern oder Freundinnen sagen Warte mal kurz, ich muss das mal schnell bei Instagram posten, statt den Tag gemütlich mit ihnen ausklingen zu lassen?
Viel zu lange schon haben wir nach den Regeln von Social-Media-Plattformen gespielt. Haben sie brav befolgt, auch wenn sie uns genervt oder gar unglücklich gemacht haben. Haben uns öfter nach Algorithmen gerichtet als nach unseren Bedürfnissen.
Wie wäre es deshalb, wenn wir die Frage Wann muss ich was posten, um möglichst viele Menschen zu erreichen? ersatzlos streichen und uns stattdessen lieber fragen:
Passt der Social-Media-Kanal eigentlich zu mir?
Passt er zu meiner Persönlichkeit?
Passt er zu meinen Stärken?
Passt er zu meiner familiären Situation?
Passt er zu meinen Werten?
Passt er zu meinem Leben?
Es ist kein Drama und erst recht keine Schande, sich einzugestehen, dass ein bestimmter Social-Media-Kanal (oder Social Media im Allgemeinen) keinen Platz in einem Leben hat.
Von „Blind Expert*innen-Ratschlägen folgen“ zu „Sich an den eigenen Stärken orientieren“
Es wird Zeit, dass wir uns selbst wieder mehr vertrauen als Menschen, die wir nur aus dem Internet kennen.
Was ist das überhaupt für ein Gedanke, dass jemand, der mich noch nie getroffen hat, besser einschätzen kann, was ich brauche und was ich machen sollte, als ich?
Dass die Frage nach meinem Stärken, Interessen und Wünschen nicht so wichtig ist wie die Frage, was eine Plattform von mir erwartet?
Dass ich mich jeden Tag aufs Neue mit einer verstörenden Selbstverständlichkeit zu Aufgaben zwinge, die mir nicht nur keine Freude machen, sondern langfristig auch krank?
Dabei kann Marketing doch auch ganz einfach sein:
Wenn du schreiben willst, dann schreibe – Blogartikel, Newsletter, Bücher.
Wenn du fotografieren willst, dann fotografiere. (Und poste Bilder, wenn dir danach ist.)
Wenn du gerne mit Menschen redest, dann interviewe sie. (Und starte einen Podcast, wenn du magst.)
Wenn du es liebst, Videos zu erstellen, dann erstelle Videos. (Und starte einen YouTube-Kanal, wenn du Bock darauf hast.)
Mach die Dinge, weil du sie liebst und gut kannst – und nicht, weil dir jemand auf Instagram eingeredet hat, dass du sie unbedingt machen musst, um erfolgreich zu sein.
Statt „Welche Plattform muss ich wie nutzen, um viele Menschen zu erreichen?“ schlage ich dir deshalb folgende Fragen vor:
Worin bin ich richtig gut?
Was macht mir Spaß?
Womit könnte ich den ganzen Tag verbringen?
Was ist mir wichtig?
Welche Werte vertrete ich?
Wie soll mein Tag aussehen?
Will ich dieses System wirklich unterstützen?
Verbinde dich zuallererst mit deinen Stärken und Wünschen und suche dir danach die passende Marketingplattform aus. Nicht umgekehrt.
Von „FOMO“ zu „JOMO“
Es wird Zeit, dass wir endlich Gefallen daran finden, Dinge auf Social Media zu verpassen.
Noch viel zu viele Selbstständige haben FOMO („Fear of Missing out“) und denken, dass ihnen etwas Wichtiges entgeht, wenn sie ihre Social-Media-Kanäle löschen.
Dass sie wichtige Informationen verpassen. Von Kolleg*innen vergessen werden. Keine Kundschaft mehr finden.
(Spoiler-Alert: All diese Dinge kannst du auch ganz entspannt ohne Social Media erreichen. Doch dazu an anderer Stelle mehr.)
Hier empfehle ich dir von Herzen JOMO („Joy of Missing Out“) oder zu deutsch: die heilende Kraft von „Scheiß drauf“.
Lass mich dir das mal anhand von Elternabenden illustrieren:
Dreißig gestresste Erwachsene, die einen zu langen Arbeitstag hinter sich, aber keine Zeit mehr für ein vernünftiges Abendessen hatten, sich nicht an den letzten freien Abend erinnern können und nun zusammengepfercht auf zu kleinen Stühlen oder (wenn sie Glück haben) auf dem Boden um eine bronzefarbene Klangschale versammelt sitzen und sich über solch unbrisanten Themen wie Erziehung oder das richtige Essen für Kinder unterhalten – what could possibly go wrong? Seit ich es mir erlaubt habe, Elternabende auf ein Minimum zu reduzieren, ist mein Leben um einiges leichter, entspannter und glücklicher geworden.
Denn erstens: Es fühlt sich einfach grandios an, einen seichten Schnulzroman zu lesen und zu wissen, dass überambitionierte Eltern gerade „Apocalypse Now“ nachspielen.
Und zweitens: Alles, was auf dem Elternabend besprochen wird, flattert sowieso als Protokoll direkt in meinen Posteingang. Und die Kirsche auf der Sahnehaube: Die aufgestauten und abgeladenen Emotionen, unhaltbare Anschuldigungen und unreflektierte Seitenhiebe auf Veganer, die aus irgendeinem unerklärlichen Grund auch auf Elternabenden ihren Platz finden, werden zuverlässig rausgefiltert.
Das nenne ich mal Joy of Missing out!
So ähnlich kann es auch mit Social Media der Fall sein, wenn du es dir erlaubst.
Denn wenn du dir einmal bewusst machst, was du da eigentlich verpasst, wird es auf einmal sehr verlockend, Social Media bye bye zu sagen:
Trolls, Bots und Spammer
DMs von 23-jährigen Tobis, die dir die Welt erklären
Fake News und Hatespeech
Dieser Druck, ständig posten zu müssen
Dieser Druck, in Storys nicht allzu verwahrlost auszusehen
Immer diese Frage beim Frühstück: Soll ich das jetzt posten?
Diese Vergleicheritis
Redaktionspläne (<-- hate them!)
Social-Media-Trends (Sie kommen und gehen. Und kommen und gehen. Ist irgendwie immer wieder dasselbe.)
Nach einem Jahr ohne Social Media ist bei mir 0,0% FOMO und 100% JOMO da, wenn ich an Social Media denke. Und glaube mir: Dieses herrliche Gefühl kannst du auch haben.
Von „Abkürzungen“ zu „eigenen Weg gehen“
Es wird Zeit, dass wir uns davon verabschieden, dass wir immer eine Abkürzung brauchen, um erfolgreich zu sein.
Dass es irgendwo da draußen einen Quick Fix gibt. Ein Geheimrezept. Eine Erfolgsgarantie. Die Autobahn zum Glück.
Soziale Medien kommen mit dem Versprechen, dass alles möglich ist – und dass es schnell gehen kann.
Reichweite.
Follower
Kunden.
Geld.
Erfolg.
Wir müssen „nur“ posten.
„Nur“ täglich aktiv sein.
„Nur“ liken, teilen, kommentieren – und die Welt gehört uns.
Wir könnten jederzeit viral gehen, und die „Erfolgreich über Nacht“-Geschichten einiger weniger hören sich so verlockend an, dass wir völlig vergessen, dass wir auch einfach unseren eigenen Weg gehen könnten. Den mit Umwegen und unbetretenen Pfaden, die erst noch erkundet werden müssen.
Dieser Weg mag länger, manchmal anstrengender sein. Aber was, wenn das der schönere Weg ist? Der nachhaltigere? Der entspanntere? Weil dieser Weg zu uns gehört.
Daran glaube ich ganz fest:
Schnelligkeit und Abkürzungen sind überbewertet.
Ich darf mich für die längere Business-Reise entscheiden und jeden Schritt zelebrieren.
Ich darf so viele Pausen einlegen, wie ich will, und die Aussicht genießen.
Ich darf auch mal umkehren, wenn ich merke, dass ich mich verlaufen habe.
Mein eigener Weg ist der nachhaltigere, weil das der Weg ist, bei dem ich am besten in Kontakt mit mir und meinen Werten bleibe.
Ich darf auch unbetretene Pfade gehen – sie führen oft zu traumhaft schönen Zielen.
Ich muss nicht immer wachsen und darf auch mal nur sein. (Da. Müde. Traurig.)
Vom „ergebnisorientierter“ zur „prozess- und werteorientierter“ Selbstständigkeit
Es wird Zeit, dass wir endlich aufhören, willkürlichen, bedeutungslosen Metriken nachzujagen, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt.
Hier sind fünf Dinge, die ich höchstwahrscheinlich nicht auf meinem Sterbebett sagen werde:
Hätte ich doch mehr Follower gehabt – dann wäre alles anders gekommen.
Hätte ich meine Interaktionsrate doch um 1,6 Prozent gesteigert – dann hätte ich mich richtig glücklich gefühlt.
Hätte ich doch nicht zweimal, sondern fünfmal pro Woche gepostet – das hätte mein Leben richtig bereichert.
Hätte ich doch konsequenter auf jeden Kommentar unter meinen Posts geantwortet – davon hätte ich später noch meinen Enkeln erzählen können.
Hätte ich doch schneller auf DMs reagiert – dann hätten das meine Kinder jetzt auf meinen Grabstein schreiben können.
Falls der etwas plakative, makabre Exkurs noch nicht drastisch genug war, hier nochmal in aller Deutlichkeit:
Social-Media-Metriken machen nicht glücklich.
Sie verleihen unserem Leben keinen Sinn.
Sie machen uns nicht zu zufriedeneren Menschen.
Es ist eine typische Lose-lose-Situation: Erreichst du dein Ziel nicht, fühlst du dich mies. (Warum schaffe ich es nicht, mehr Follower auf Instagram zu gewinnen?) Erreichst du dein Ziel, muss augenblicklich ein neues, größeres Ziel her (noch mehr Follower).
Und so verbringen wir Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr damit, immer höheren Zielen nachzujagen. Uns Sorgen zu machen, ob wir sie tatsächlich erreichen. Uns nie damit zufrieden zu geben, was wir bereits haben. Doch wie lange soll das so weitergehen?
Wann haben wir endlich genug Follower, Likes und Kommentare? Wann dürfen wir auch mal ruhen, präsent sein, genießen?
Dabei kannst du dich als Selbstständige auch an anderen Maßstäben orientieren als an Metriken. An Prozessen zum Beispiel. Und an Werten.
Statt Wie kann ich diesen Monat 1000 neue Follower gewinnen? kannst du dir auch folgende Fragen stellen:
Wie möchte ich meinen Arbeitstag verbringen? (Hauptsächlich mit Aufgaben, die mich erfüllen? Oder mit Aufgaben, zu denen ich mich jeden Tag aufs Neue zwingen muss?)
Welche Gefühle möchte ich fühlen? (Spaß und Freude oder Stress und Lustlosigkeit?)
Warum will ich etwas tun? (Weil ich intrinsisch motiviert bin oder weil ich glaube, es tun zu müssen?)
Bin ich mit mir im Reinen, wenn ich das so mache? (Passt das zu meinen Werten oder verdränge ich hier, was mir wichtig ist?)
Von „vielen Kontakten“ zu „bedeutungsvollen Kontakten“
Es wird Zeit, dass wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass wir Social Media brauchen, um „social“ zu sein.
Social Media ist wie die überlaufene Hochzeitsfeier deiner Cousine dritten Grades. Mehrere hundert Menschen sind eingeladen, doch die meisten davon hast du noch nie in deinem Leben gesehen. Einige Gäste nerven gewaltig. Hier und da zwingst du dich zu höflichem Smalltalk über die schöne Braut. Aber den meisten Spaß hast du mit Onkel Udo an der Bar, wo ihr zwei Stunden damit verbringt, nerdige Theorien über den Terminator auszutauschen.
Hier ist eine Liste von Dingen, auf die ich keine Lust mehr habe:
Smalltalk
oberflächliche Kommentare
Liken (<-- hate it)
um Aufmerksamkeit kämpfen
Herzchen verschicken nach einer Story
„OMG“, „Wie cool ist das denn?!“ oder andere Bemerkungen, die verraten, dass ich gerade absolut keine Lust habe, mir einen sinnvollen Kommentar zu überlegen
Diese Art und Weise, mit Menschen umzugehen, ist seltsam und führt in 99,9% der Fälle nicht zu bedeutungsvollen Beziehungen. Oder hast du schon irgendwann einmal gedacht:
„Sie hat immer zuverlässig meine Posts geliket – deshalb wurden wir beste Freundinnen.“
Hier ist eine Liste von Dingen, die wir als Selbstständige stattdessen machen können:
spontane (virtuelle) Kaffee-Dates mit Kolleg*innen
regelmäßigen, fachlichen Austausch
Offline-Treffen von Lieblingskund*innen
Kooperationen mit Lieblingskolleg*innen
Telefonieren (wenn du es magst)
Fragen wie „Wie geht es dir gerade wirklich? Was beschäftigt dich zur Zeit?“
begeisterte E-Mails an jemanden, dessen Blog oder Podcast du liebst
Diese Kontakte und Gespräche sind es, die unser Leben schöner machen und uns in der Selbstständigkeit vorwärts bringen. Nicht das fünfundzwanzigste Herzchen für Fremde im Internet.
Von „niemals frei“ zu „richtigen Pausen“
Es wird Zeit, dass wir es uns wieder erlauben, „richtige“ Pausen zu machen, anstatt „Fake-Pausen“ mit Social Media.
Hier ist eine Liste von Dingen, die Arbeit sind (auch wenn es sich manchmal gar nicht so anfühlt):
„nur mal schnell“ was posten
„nur mal schnell“ eine Story machen
„nur mal schnell“ die Likes checken
„nur mal schnell“ auf die Kommentare eingehen
„nur mal schnell“ die DMs beantworten
„nur mal schnell“ in die FB-Gruppe gucken
Wenn man die vielen kleinen „Nur mal Schnell“s addiert, ist die Summe ein Leben, das langfristig auslaugt.
Denn wir erledigen diese Aufgaben meist dann, wenn wir uns eigentlich ausruhen und neue Kraft schöpfen sollten: zwischen zwei Terminen, auf dem Klo, abends oder gar nachts, am Wochenende, im Urlaub.
Wir „belohnen“ uns mit Social Media, prokrastinieren mit Social Media, „schalten ab“ mit Social Media, „entspannen“ mit Social Media – und merken nicht, wie wir eigentlich noch mehr arbeiten und niemals wirklich frei haben.
Hier ist eine Liste von Dingen, die wir Selbstständigen stattdessen machen können, um kleine Pausen von unserer Arbeit einzulegen.
Fenster auf, Luft rein, atmen
Spaziergang an der frischen Luft
Yoga (auch wenn es mal nur Shavasana ist)
Musik hören, eine Runde tanzen
Ukulele spielen und dazu singen (auch wenn es schief ist)
Frisches Gemüse schnibbeln und – ohne Smartphone in der Hand – knabbern
ein Mittagsdöschen
den Bauch vom Hund kraulen
Tee trinken und in die Luft gucken
…
(Hier sind noch mehr Ideen für Pausen ohne Social Media und Smartphone.)
Egal, ob du Social Media „nur“ reduzieren oder völlig Lebewohl sagen willst – du verdienst „richtige“ Pausen.
Und zwar jeden einzelnen Tag.

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