Mein Abschiedsbrief an Mark Zuckerberg oder: Warum ich Facebook gelöscht habe, obwohl ich selbstständig bin
Hallo Mark,
du kennst mich nicht und wirst vermutlich auch niemals wissen, wer ich bin. Aber das macht nichts. Ich wollte dir trotzdem gerne einen Brief schreiben und dir sagen:
Ich mach Schluss mit dir.
So richtig. Und mit allem drum und dran.
Vermutlich hast du es noch gar nicht gemerkt, aber ab sofort gehen wir getrennte Wege.
Ab sofort habe ich nicht nur kein WhatsApp und kein Instagram mehr, sondern bin jetzt auch völlig Facebook-frei.
Ohne Facebook-Werbekonto, Facebook-Seite, Facebook-Gruppen oder Facebook-Messenger. Ja, ich hab noch nicht einmal mehr ein Facebook-Profil!
Wenn du mich in Facebook suchst, ist da nichts mehr. Nada. Niente.
Bestimmt findest du es völlig albern und unprofessionell, als Selbstständige Facebook zu löschen, oder?
Aber lass mich dir versichern, Mark:
Ich habe es mir gut überlegt. Denn solch eine folgenschwere Entscheidung trifft man ja schließlich nicht einfach so beim Sonntagskaffee mit den Schwiegereltern.
Glaube mir, unsere Trennung war eine Entwicklung, die Jahre gedauert hat. Jahre!
Du und ich – wir haben uns langsam entliebt. Jeden Tag ein bisschen mehr. Und nun sind da unüberbrückbare Differenzen, die sich nicht mehr kitten lassen.
Aber ich erzähle lieber mal alles der Reihe nach …
Warum ich mich entschieden habe, meine Facebook-Unternehmensseite zu löschen
Ganz ehrlich, Mark: Seit du Anfang 2018 angekündigt hast, die Reichweite von Unternehmensseiten zu begrenzen, hast du mir eh nicht mehr großartig dabei geholfen, Kund*innen zu gewinnen.
Wenn ich an all die Zeit, das Geld und die Energie denke, die ich in FB-Posts, FB-Lives und Contentpläne gesteckt habe, um dennoch nur zwei Menschen zu erreichen, da möchte ich weinen, Mark. Hemmungslos weinen.
Anfang 2020 war ich dann so von dir gefrustet, dass ich aufgehört habe, meine Unternehmensseite zu Marketingzwecken zu nutzen.
Danach habe ich sie nicht mehr aktiv bespielt, aber nicht gelöscht. Denn ich habe sie noch gebraucht, um Werbeanzeigen auf Facebook zu schalten.
Wie du es mir immer eingetrichtert hast, Mark.
Warum ich mich letzten Endes doch entschieden habe, meine Facebook-Seite zu löschen?
Weil ich gemerkt habe, dass ich als Selbstständige keine Facebook-Unternehmensseite brauche, um neue Kund*innen zu finden.
Das erste Jahr ohne dich und dein organisches Facebook-Marketing war auf jeden Fall umsatztechnisch das beste in meiner Selbstständigkeit.
Wie kann das sein, Mark? Irgendwie werde ich ja den Verdacht nicht los, dass du mich und alle anderen Selbstständigen da ein bisschen in die Irre geführt hast. Aber nun gut.
Vermutlich sind es ja eh nur Peanuts für dich und du würdest mir sagen, dass mit der richtigen Facebook-Strategie da noch viel mehr ginge. Apropos: Stimmt eigentlich das Gerücht, dass du dir alle Häuser in deiner Nachbarschaft gekauft hast, um mehr Privatsphäre zu haben?
Aber ich drifte ja ab …
Was ich dir eigentlich sagen wollte, ist, dass mich die stillgelegte, aber noch öffentliche Unternehmensseite immer noch Zeit, Energie und Headspace kostete:
Ich bekam regelmäßig Nachrichten, auf die ich natürlich reagieren musste.
Ich wurde hin und wieder von anderen Facebook-Accounts getaggt, was ich nicht ignorieren wollte.
Auch hier wirst du vermutlich nur müde lächeln, weil dir das Interagieren mit Fremden im Internet bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Aber weißt du was, Mark?
Ich habe nicht nur diesen Vollzeitjob, sondern auch noch ein Leben. Kinder, Familie, einen Hund.
Und im Gegensatz zu dir muss ich auch noch solch profane Dinge machen wie Einkaufen, Kochen oder die Kacke vom Hund aufheben. Hast du jemals versucht, Familie mit einem Vollzeitjob und Haushaltspflichten zu vereinbaren, Mark? Vermutlich nicht.
Lass mich deshalb ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern: Bei uns Normalsterblichen ist jede Stunde des Tages wertvoll.
Da kann ich nicht ständig Storys machen und in Reels zu trendy Musik tanzen, nur damit du gute Laune hast und weiter an deinem Metaversum basteln kannst.
Das jagt mir übrigens eine scheiß Angst ein, Mark, dein Metaversum.
Ich traue es mich ja fast gar nicht zu schreiben, aber: Hast du in Harvard nicht gelernt, was Dystopien sind? Es sind Gesellschaftsordnungen, die wir als Menschheit vermeiden sollten. VERMEIDEN!!!
Das Metaversum ist keine Anleitung, Mark!
Aber ich drifte schon wieder ab.
Über dich gibt es eben so viel zu sagen, Mark.
So viel … nicht so Gutes.
Jedenfalls brauche ich deine Unternehmensseite nicht mehr.
Und da eine veraltete, lieblose Facebook-Seite unprofessioneller wirkt als gar keine, hab ich sie soeben gelöscht.
Einfach so.
Warum ich keine Facebook-Werbeanzeigen mehr schalte
Ich hab dir ja schon erzählt, dass ich seit 2020 kein organisches Facebook-Marketing mehr mache, aber immer noch Werbeanzeigen auf Facebook geschaltet habe.
So wie du es wolltest, Mark.
Seit 2018 hast du es vermehrt darauf angelegt, dass ich für deine Hilfe zahle. Deinem Unternehmen noch mehr Geld gebe und dich noch reicher mache, als du eh schon bist.
Dieser Move war irgendwie … scheiße. Aber ich hab es immer brav gemacht, Mark. Jahrelang.
Auch wenn du irgendwann immer mehr Geld von mir wolltest, muss ich zugeben, dass Facebook-Ads bei mir immer noch einen guten ROI hatten.
Siehst du, wie ich hier perfekten Marketing-Slang spreche?
Das bedeutet, dass das Geld, das ich in deine Werbeanzeigen investierte, immer in Form von Newsletter- und Webinaranmeldungen und somit Kund*innen für meine Online-Programme zurückbekommen habe.
Ich hab auf dich gehört, nach deinen Regeln gespielt und wurde belohnt! Aber nur für kurz …
Pardon my French, Mark, aber irgendwann fühlte ich mich von dir verarscht.
Denn nach dem iOS-Update Anfang 2021 konnte ich von heute auf morgen keine Werbeanzeigen mehr schalten.
Ja, die technischen Updates hatte ich korrekt durchgeführt.
Ja, die Anzeigengruppen waren wie immer angelegt.
Ja, die Anzeigen wurden sogar von dir genehmigt.
Ja, die Kampagne stand auf „aktiv“, doch in der Praxis wurde kein Cent verbraucht – du hast die Anzeige einfach nicht ausgespielt.
Mir war, als hättest du mich geghostet, Mark!
Weißt du eigentlich, dass ich von deinen Werbeanzeigen abhängig war?
Dass ich daraufhin mehrere Wochen versucht habe zu verstehen, woran es liegt?
Dass ich unzählige Dinge verändert, getestet und Stunden, wenn nicht insgesamt Tage, meines Lebens geopfert habe?
Dass ich nicht wie geplant launchen konnte und einen finanziellen Ausfall hatte, der mein gesamtes Jahr durcheinander gebracht hat?
Dass ich Menschen, die sich mit FB-Ads auskennen, auch noch bezahlt habe, damit sie mir helfen?
Und obwohl sie mir versichert haben, dass alles korrekt ist – technisch, optisch, inhaltlich – dass du meine Werbeanzeige einfach nicht ausgespielt hast.
Aber weißt du, was die Krönung war, Mark?
Dass dein „Concierge“ mir nach nur einer Mail schrieb, dass er kein Marketing-Experte sei und das Support-Ticket nun schließe.
Nicer Name für den Support, Mark, das muss ich dir schon lassen, aber mich hat das völlig sprachlos hinterlassen. Sprachlos!
Geht man so mit Menschen um, die dir jedes Jahr mehrere Tausende Euro geben, dass ihre Beiträge gesehen werden?!
All die grauen Haare, die ich nur wegen dir und dem Werbeanzeigenmanager bekommen hatte, habe ich mir alle einzeln herausgerissen!
Das hat sehr weh getan, Mark.
Jedenfalls sah ich das Werbeanzeigenkonto, das nicht mehr funktionieren wollte, irgendwann als Zeichen. Als ein Wink mit dem Zaunpfahl. Oder dem Zaun.
Und der Zaun sagte: Aaaaaalex, lass los den Scheiß! Hör auf mit den Ads und verlass den Mark.
Und weißt du was? Ich habe auf den Zaun gehört.
Mit dieser Entscheidung fühlte ich mich augenblicklich wie befreit. Das Gefühl, mich nie mehr mit deinem doofen Werbeanzeigenmanager beschäftigen zu müssen – es ist neben Pizza essen eins der besten Gefühle, die man sich vorstellen kann.
Und wie bekomme ich nun ohne FB-Ads neue Newsletteranmeldungen?
Ach, Mark! Du glaubst gar nicht, wie gern ich dir an dieser Stelle sagen würde, dass ich ohne deine FB-Ads genauso schnell neue Newsletter-Anmeldungen bekomme wie mit, aber nein, das wäre gelogen.
Nein, ohne FB-Ads geht das Wachstum der E-Mail-Liste langsamer. Aber weißt du was?
Dann ist es halt so. Ich habe da meinen inneren Buddha gefunden und Frieden mit ihm geschlossen.
Ich weiß, du wirst es nicht verstehen. Wachstum ist für dich … einfach alles.
Du verheimlichst manchmal sogar wichtige Studien, nur damit du unbegrenzt wachsen und die Menschen erobern kannst, die du bisher nicht erobern durftest: kleine Kinder.
Jedenfalls habe ich mir etwas geschworen, Mark:
Ich will dich bei deinem Wachstum nicht mehr unterstützen.
Und was mein Wachstum angeht: Das mach ich jetzt lieber in meinem eigenen Tempo. Du wirst es vielleicht lächerlich langsam finden. Aber ich mag es so.
Weißt du, dass ich letztes Jahr angefangen habe, Klavier zu lernen? Wollte ich schon seit vielen Jahren machen, und seit ich mich nicht mehr mit deinem Werbeanzeigenmanager rumplagen muss, hab ich auch endlich die Zeit dafür.
Warum ich ohne Facebook-Gruppen auskommen will
Ich muss zugeben: Das fällt mir bei unserer Trennung am schwersten.
Seit fast fünf Jahren nutze ich deine FB-Gruppen nämlich zum Support für meine Kurse. Und das war immer verdammt praktisch, Mark.
Alle haben Facebook.
Alle nutzen es täglich.
Alle wissen, wie’s geht, und müssen nicht erst noch ein neues Tool lernen.
Hach, das war immer herrlich unkompliziert.
Dennoch habe ich mich dazu entschieden, bei meinen Online-Programmen in Zukunft auf Facebook-Gruppen zum Support zu verzichten. Denn deine Facebook-Gruppen sind vor allem eins: Zeitfresser.
Du hast ja keine Ahnung, wie oft ich „nur mal schnell“ gucken wollte, was es Neues in der Support-Gruppe gibt, aber augenblicklich in diesen Sog aus aufploppenden Live-Videos, DMs und neuen Benachrichtigung kam. Und ruckzuck waren dreißig wertvolle Minuten wieder um.
Aber ich vermute, das ist kein Zufall, Mark. Je länger wir auf deiner Plattform sind, desto mehr Werbeanzeigen kannst du verkaufen. Zeit ist bei dir ja Geld.
Sei ehrlich, Mark: Kann es sein, dass du die Posts in meinem Start Feed extremer machst, je seltener ich Facebook nutze?
Irgendwann hatte ich den Eindruck, dass du es bewusst darauf angelegt hast, mich zu einer Reaktion zu bewegen. Obwohl du genau wusstest, welche Meinungen mich aufregen, hast du sie mir gezeigt. Gott, ich hab in den letzten zwei Jahren so viele Accounts blockieren müssen, weil du mir immer wieder irgendwelche Schwurbler in die Timeline spültest!
Dieses Spiel ist so anstrengend, Mark. Und ich kann da nur verlieren. Das musste ich mir irgendwann eingestehen.
Deshalb habe ich entschieden, die Teilnehmerinnen meiner Online-Programme fernab von Facebook zu betreuen. Mit einem Dienst, den du zum Glück nicht aufgekauft hast. Also noch.
Wie lange das so bleibt, werden wir sehen. Aber deine Facebook-Gruppen kannst du auf jeden Fall behalten.
Time to say goodbye
Du siehst, Mark, ich brauche dich beruflich nicht mehr.
Und privat – da tust du mir schon lange nicht mehr gut.
Ich trenne mich von dir, um meine mentale Gesundheit zu schützen.
Denn Facebook ist für mich in den letzten Jahren zu einem Ort des Hasses geworden.
Wie du Beleidigungen, Hetze, Diskriminierung und falsche Informationen duldest und mit Reichweite belohnst – das ist für mich nur sehr schwer zu ertragen. Das will ich nicht länger mehr mit ansehen.
Solange du Geld mit Menschenhandel verdienst und Studien verheimlichst, die darauf hindeuten, dass du jungen Menschen schadest, haben wir uns nichts mehr zu sagen.
Und weißt du was?
Menschen, mit denen ich zu tun haben will, sehe oder lese ich eh auf anderen Wegen: im realen Leben, in virtuellen Kaffee-Dates, in anderen Messenger-Diensten (die dir nicht gehören) oder per Mail.
Du und ich – wir sind jedenfalls am Ende, Mark.
Deswegen habe ich heute endlich mein Facebook-Konto gelöscht.
Und ich bin kein bisschen traurig.
Mach’s gut, Mark. Ich mag nicht mehr.