Warum ich kein Team habe und nichts daran ändern möchte

Es war einmal eine Frau, die vor fast neun Jahren beschloss, sich selbstständig zu machen. Schon bald hörte sie auf Facebook und auf Instagram, dass sie unbedingt ein Team bräuchte, um als erfolgreiche Onlineunternehmerin zu glänzen. So machte sie sich schnell daran, ein Team aufzubauen. Mit Mühe und Hingabe stellte sie kluge Köpfe zusammen, die ihr dabei helfen sollten, ihre Onlineprogramme einer großen Zahl von Menschen anbieten zu können. Doch je länger sie mit ihrem Team arbeitete, desto mehr merkte sie, dass irgendwas nicht stimmte. Statt der versprochenen Freude und Leichtigkeit spürte sie überwiegend Druck, Stress und Überforderung. Das fühlte sich nicht wie Erfüllung und Erfolg an, sondern wie ein Hamsterrad, das sie sich selbst geschaffen hat. Und schließlich traf die Frau eine wichtige Entscheidung …

Du hast es vermutlich schon geahnt: 

Die Frau in diesem Märchen bin ich. Und warum ich mich im Verlauf meiner Selbstständigkeit bewusst gegen ein Team entschied und wie das zu meinem persönlichen Happy End führte – davon will ich dir in diesem Blogartikel erzählen.

Es geht aber nicht nur um Teamaufbau, sondern auch um Geschäftsmodelle, Skalieren, Launchen und um das Allerallerallerwichtigste von allem und den Grund, warum ich mich (und vielleicht auch du) überhaupt selbstständig gemacht habe: Glück, Zufriedenheit und Frieden im Kopf.

Sascha Theobald hat mich zu diesem Blogartikel eingeladen. Und da wir in den letzten Wochen schon mehrmals so schön gemeinsame Sache gemacht haben (hier und bald auch hier), war ich natürlich gerne dabei, um meinen Weg von „Ich brauch’ unbedingt ein Team!“ zu „Ich bin happy ohne!“ zu schildern.

Das Gesamtpaket „Launchen, Outsourcen, Skalieren“ ist verlockend

Gehen wir noch einmal zu dem Anfang des Märchens zurück. 

Wer sich selbstständig macht und auf Instagram, Facebook und Co. die Businessblase betritt, lernt früher oder später, dass man unbedingt ein Team braucht, wenn man erfolgreich selbstständig sein will.

Nein, viel mehr noch: 

Man lernt, dass man sich gar nicht als „selbstständig“ bezeichnen, sondern als „Onlineunternehmerin“ sehen sollte, die an ihrem Business arbeitet (nicht in) und niemals, niemals (niemals!) Zeit gegen Geld tauscht.

Es ist ein schillerndes Gesamtpaket, das aus großen Launches, Outsourcen und Skalieren besteht und viele Menschen braucht, die es zusammenhalten. Nennen wir dieses System kurz: LOS! (So haben wir einen kompakten Namen für ein komplexes Gebilde und ich kann meine Schwäche für Akronyme ausleben.)

Und um das schillernde Lebensgefühl zu unterstreichen, sehen wir in den Social-Media-Posts Onlineunternehmerinnen, die es dank LOS! „geschafft“ haben. 

Sie feiern erfolgreiche Launches mit Champagner, lassen ihr Team Montag bis Freitag in die Schweiz zu einem Teammeeting einfliegen oder berichten von ihren sechs-, sieben- oder achtstelligen Jahresumsätzen, die es ihnen ermöglicht haben, eine Stiftung zu gründen.

Ich war sehr anfällig für diese Botschaften, denn sie sprachen genau das an, wonach ich mich zu Beginn meiner Selbstständigkeit sehnte: stabile Finanzen, Sichtbarkeit, Flexibilität und Erfolg.

LOS! zog mich magisch in seinen Bann. Ich war die Motte, die nur das Licht sah, aber nicht ahnte, was unweigerlich folgen sollte, wenn ich meinem Ziel zu nah kam …

Hinter der Social-Media-Fassade: Was „ein Team haben“ in der Realität bedeutet

Meine Erfahrungen mit einem Team starteten positiv.

2018 begann ich, die ersten Aufgaben an eine virtuelle Assistentin auszulagern. Zu Beginn waren es Dinge, die ich selbst nicht wusste, nicht gut konnte oder mit denen ich mich einfach nicht beschäftigen wollte. 

Das war eine große Hilfe und fühlte sich großartig an, weil ich so schneller voran kam, statt viele Stunden oder Tage für etwas zu nutzen, was jemand, die Ahnung hatte, in wenigen Minuten erledigen konnte.

2019 ging ich einen Schritt weiter und ließ die virtuelle Assistentin auch Aufgaben erledigen, die ich selbst eigentlich ganz gerne machte, aber von denen ich in meiner Hybris dachte: 

„Eine richtige Onlineunternehmerin beschäftigt sich nicht damit.“

Dann kam eine weitere virtuelle Assistentin für weitere Aufgaben dazu. Dann beauftragte ich zwei Kolleginnen, mich bei einem großen Onlineprogramm, das ich launchte, zu unterstützen. Und schließlich kam irgendwann eine weitere virtuelle Assistenz hinzu, deren alleinige Aufgabe es war, sich um meine Mails und die Antworten auf meine Newsletter zu kümmern.

Nach außen hatte ich ein Team, das mir bei meinem florierenden Onlinebusiness half. Nach innen hatte ich ganz schön damit zu knabbern:

Problem #1: Zeit

Je größer das Team wurde, desto mehr Zeit verbrachte ich damit, mit meinen Teammitgliedern zu kommunizieren, Aufgaben zu delegieren, ihnen Feedback zu geben oder sie zu motivieren, und immer weniger Zeit mit meinem eigentlichen Job. 

Irgendwann nutzte ich öfter Projektmanagementtools und Slack als den damaligen Schwerpunkt meiner Beraterinnentätigkeit (Pinterest). 

Problem #2: Geld 

Wer viele Menschen beschäftigt, muss sie auch bezahlen. Und das heißt, dass man jeden Monat einen bestimmten Betrag aufbringen muss – egal, was passiert. Das ist – je nach Teamgröße – jeden Monat ein großer Batzen Kohle.

Problem #3: Energie

Wenn Launches klappen MÜSSEN, Strategien aufgehen MÜSSEN, Marketing funktionieren MUSS, ist das eine Menge Zwang. Und das hat mich nicht nur unter Druck gesetzt, sondern auch wie ein Dementor jegliche Kraft aus meinem Körper gezogen. Ich fühlte mich gestresst und hibbelig und unter Strom und war so gar nicht mit mir im Einklang.

Problem #4: Persönlichkeit

Das hatte natürlich viel mit meiner Persönlichkeit zu tun. Ich bin introvertiert und ziehe meine Energie aus Zeiten, in denen ich für mich bin. Mit einem Team hatte ich aber täglich mit anderen Menschen zu tun. Das mag für extrovertierte Menschen okay sein – mich hat das ausgelaugt und dafür gesorgt, dass ich mich niemals vollständig erholen konnte. 

Problem #5: Unethisches Marketing

Programme, die mit möglichst vielen Teilnehmenden gefüllt werden MÜSSEN, sorgten dafür, dass ich Marketingstrategien nutzte, die mir Bauchschmerzen bereiteten. Ich sag nur: künstliche Verknappung („Schnell, die Türen schließen gleich!“), FOMO („Verpass’ nicht das Webinar, in dem ich …“) und Co. Das fühlte sich ätzend an und zog mir Energie, sodass sich #3 noch verstärkte.

Problem #6 Hamsterrad

Letzten Endes entpuppte sich LOS! für mich als ein klassisches Hamsterrad. Ich drehte mich immerzu im Kreis. Nach dem großen Launch war vor dem großen Launch. Und wenn ich mich fragte, wie lange ich noch so weiter machen wollte, hätte ich am liebsten geheult.

Dieses Gefühl „Ein Team ist einfach nicht das Richtige für mich…“ 

Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass LOS! irgendwie nicht das Richtige für mich war. 

Doch solange ich mich auf Social Media aufhielt und täglich gesagt bekam, dass das die einzige legitime Art und Weise war, eine Onlineunternehmerin zu sein, traute ich mich gar nicht, meine Selbstständigkeit auch nur anders zu denken.

Erst als ich Social Media verließ und mich – endlich! – damit beschäftige, was ich eigentlich von meiner Selbstständigkeit wollte, dämmerte mir, dass ein Team nicht dazu gehörte.

Ich verstand, dass LOS! absolut nicht das richtige Geschäftsmodell für mich war, weil es mich dazu zwang, Werbeanzeigen zu schalten, zu launchen und meist manipulatives Marketing zu praktizieren – schließlich müssten die Onlineprogramme ja irgendwie voll werden.

Mir wurde klar, dass LOS! mit einer großen Komplexität und einem hohen Organisationsaufwand kam, die ich, wenn ich ehrlich war, nicht in meinem Leben haben wollte. 

Ich erkannte endlich auch die Widersprüchlichkeit, die hinter LOS! steckt:

  • Auf Social Media wird LOS! als Garant für ein finanziell freies, flexibles Leben dargestellt.

  • In Wirklichkeit macht LOS! nicht frei und flexibel, sondern abhängig, weil wir auf einmal jeden Monat ein Team finanzieren müssen.

LOS! ist somit nicht der Ausweg aus dem Hamsterrad. LOS! ist das Hamsterrad.

Und als ich alles, was ich nicht wollte, aus meinem Berufsleben eliminierte, wusste ich endlich, was ich stattdessen wollte:

Schreiben. 

Soloselbstständigkeit – it’s not a bug, it’s a feature! 

Seit ich Social Media verlassen und mich von LOS! verabschiedet habe, bestehen meine Tage in der Hauptsache aus Schreiben und damit genau so, wie ich sie haben will.

Ich habe Anfang 2022 ein Buch im Selfpublishing veröffentlicht.

Und noch eins Ende 2022.

2024 ist mit „No Social Media!“ mein erstes Verlagsbuch erschienen. 

Mein eigenes Marketing besteht aus meinem Blog, meinem Podcast (der immer schreibend beginnt) und meinem Newsletter.

Und auch meine Marketingberatung dreht sich zu einem großen Teil ums Schreiben.

Damit sind wir am Ende des Blogartikels angelangt und der Erkenntnis, dass die Soloselbstständigkeit (für mich) kein bug, sondern ein feature ist.

Die Soloselbstständigkeit ist (für mich) kein Einstieg (mehr), um ein Unternehmen mit freien Mitarbeiterinnen oder Angestellten aufzubauen. Sie ist eine bewusste Entscheidung für ein bestimmtes Lebensgefühl und für Unabhängigkeit, Flexibilität, Zeit für kurzfristige Projekte und Raum für Spontaneität.

Ich sehe mich nicht als Einzelkämpferin, sondern als Einzelkreative. Ich bin nicht selbst und ständig, sondern ständig ich selbst

Ich befinde mich den überwiegenden Teil meines Arbeitstages in meiner Zone of Genius, die aus Schreiben oder Schreibberatung besteht, und muss mich nicht mehr mit Recruiting, Teammeetings, Teamdynamik oder Teambuilding beschäftigen.

Genau so will ich's haben.

Geht’s dir damit ähnlich? Glaub mir: Es ist fein.

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Additive Bias – Wie sich die kognitive Verzerrung im Marketing zeigt

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Social Media löschen meets Feminismus