Additive Bias – Wie sich die kognitive Verzerrung im Marketing zeigt
Neulich habe ich von einer spannenden Studie in der Nature gelesen:
Mehr als tausend Versuchspersonen aus den USA, Japan und Deutschland wurden mit verschiedenen Aufgaben konfrontiert und es zeigte sich, dass die meisten Menschen dazu neigten, Probleme dadurch zu lösen, dass sie etwas hinzufügten, statt etwas wegzunehmen.
Ich fühlte mich seltsam ertappt. Doch da bin ich vermutlich nicht die einzige.
Es sei, so die Forschenden, eine grundsätzliche menschliche Denkfalle, eine kognitive Verzerrung:
Wir denken, dass wir eine Situation mit Ergänzungen oder Hinzufügungen verbessern und kommen oft gar nicht auf die Idee, dass Weglassen, Einsparen und Co. die besseren Alternativen wären.
Additive Bias im Alltag
Diese Additive Bias zeigt sich im Alltag überall:
Zu viel Zeugs bekämpfen wir lieber mit neuen Schränken und neuen Ordnungsboxen als mit radikalem Ausmisten.
Wir wollen gesünder leben und kaufen uns dafür lieber teure Nahrungsergänzungsmittel mit 70 Inhaltsstoffen, statt einfach Alkohol, Fleisch oder Zucker wegzulassen. (Und damit gleichzeitig auch noch viel Geld zu sparen.)
Bei Stress suchen wir uns lieber neue Techniken (Mediation! Achtsamkeit! Yoga!), um unser Leid zu lindern, statt uns einfach mal weniger auf die To-do-Liste zu schreiben und dadurch vielleicht die Ursache für Stress zu beseitigen.
Doch warum ist das so?
Forschende vermuten, dass unser Gehirn die Weglasserei nicht so gerne mag. Wer versucht, nicht an einen rosa Elefanten zu denken, weiß sofort, was sie meinen.
Auch im Marketing neigen wir dazu, nach neuen Tricks, Trends und Hypes Ausschau zu halten, obwohl in so vielen Fällen systematisches Weglassen die bessere Idee wäre.
Additive Bias in der Marketingpraxis – und wie wir sie überwinden
Nicht noch weitere Aspekte und Absätze machen deine Marketingtexte meist besser, sondern Editieren, Löschen, Streichen.
Wen Marketing überfordert, kann eine Plattform, die einem wie Dementoren jegliches Glück aus dem Körper zieht (hallo Instagram!), weglassen – statt noch mehr Tricks, Hacks und Tipps auszuprobieren, um die Plattform zum Laufen zu bringen.
Nicht nur unsere Schränke, sondern auch unsere olle Marketingstrategiekiste sollte von Zeit zu Zeit ausgemistet werden. Oft stellt sich eine größere Zufriedenheit ein, wenn wir uns von Marketingstrategien verabschieden (tschüss, Werbeanzeigen!), als wenn wir neue hinzunehmen und uns wieder in ein neues Thema einarbeiten müssen und Platz im Kopf belegen.
Statt neue Marketingstrategien zu lernen, können wir uns zum Ziel setzen, problematische Marketingstrategien bewusst zu verlernen – auf Nimmerwiedersehen, künstliche Verknappung, FOMO und Co.!
Wir müssen nicht zwingend nach noch mehr Umsatz als Onlineunternehmer*innen streben, sondern können stattdessen unseren Fokus darauf richten, welche Tools, Plattformen, Strategien und Aktionen wir uns sparen können.
Fängst du erst einmal an, deinen Blick für die Dinge zu schärfen, die du in deiner Selbstständigkeit weglassen kannst, kannst du quasi nicht mehr damit aufhören.
Also:
Was darf es für dich ab sofort nicht mehr sein?
Worauf willst du in Zukunft verzichten?
Was willst du ausmisten, löschen, verlernen, entfernen, aussortieren, streichen, dir sparen?
Welche Herausforderung, welches Problem willst du lösen, indem du etwas weglässt – Social Media, Launchen, Skalieren, Werbeanzeigen, Reels drehen, Webinare halten, ein Team haben?
Tob dich aus!