Freebies im Ethik-Check: Wie problematisch sind kostenlose Inhalte?
Viele Selbstständige und Unternehmen setzen in ihrem Marketing auf kostenlose Inhalte.
Sie tun das in Form von Social-Media-Posts, Blogartikeln, Podcastepisoden oder Newslettern. Doch auch sogenannte Freebies oder Null-Euro-Angebote wie kostenlose Downloads, Checklisten, Anleitungen, Challenges, Workshops oder Webinare sind beliebt.
„Kostenlos“ heißt in diesem Zusammenhang:
Im Gegensatz zu kostenpflichtigen Angeboten müssen Menschen nicht mit Geld zahlen, wenn sie diese Inhalte sehen, lesen oder hören wollen.
Wann kostenlose Inhalte sinnvoll sind
An sich ist das eine gute Idee:
Wir können Menschen erst einmal eine Kostprobe unseres Könnens geben, bevor wir über eine Zusammenarbeit sprechen.
So können sie sich selbst ein Bild von uns machen und feststellen, ob ihnen unsere Herangehensweise gefällt und wir grundsätzlich auf einer Wellenlänge sind.
Wann kostenlose Inhalte problematisch sind
Problematischer wird es allerdings, wenn kostenlose Angebote – wie so oft in Marketingberatung empfohlen – als „Köder“ fungieren und nur die Funktion haben, noch mehr Menschen in den Sales Funnel zu locken, um sie zu einer bestimmten Handlung zu bringen.
Du kennst das vielleicht:
Freebies wie kostenlose Downloads, Checklisten, Anleitungen oder Vorlagen sollen Menschen erst einmal „in die E-Mail-Liste bringen“.
Die Menschen in der E-Mail-Liste werden mit kostenlosen, aber strategisch ausgewählten Inhalten wie Blogartikeln, Podcastfolgen oder Newslettern „aufgewärmt“, damit sie bereit zum Kaufen sind.
Menschen werden aufgefordert, sich für ein kostenloses Webinar anzumelden, in dem aber nicht nur kostenlose Inhalte vermittelt werden, sondern auch das passende kostenpflichtige Produkt gepitcht wird.
Nach dem Webinar soll eine sorgfältig orchestrierte E-Mail-Serie – natürlich ebenfalls kostenlos und darauf ausgerichtet, sämtliche mentale Trigger (wie Verknappung) zu aktivieren – Menschen zum Kaufen bringen.
Es gibt bei diesem Einsatz kostenloser Inhalte also eine große Diskrepanz zwischen dem, was wir sehen, und dem, was im Verborgenen bleibt:
Was wir sehen | Was wir nicht sehen |
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„Melde dich zu meinem kostenlosen Webinar an und lerne XY!“ | „Nach der Anmeldung zum Webinar kommst du in meinen Funnel, wirst automatisch Teil des Newsletters und erhältst zwölf Mails in drei Tagen, in denen ich dir ausschließlich über mein neues Programm erzähle und dich davon überzeugen will, es zu kaufen, selbst wenn du es dir gerade nicht leisten kannst.“ |
Wenn sich Freebies nicht richtig anfühlen
Diese übliche Marketingpraxis ist nicht nur eine Frage von Ethik – diese Informationsasymmetrie hinterlässt bei vielen Menschen oft auch ein komisches Gefühl: bei den Menschen, die die „Köder“ schlucken, ebenso wie bei denjenigen, die die „Köder“ auswerfen.
Ich glaube ja, dass Marketingverantwortliche dieses komische Gefühl endlich ernst nehmen sollten.
Selbst wenn es noch „diffus“ ist, selbst wenn wir nicht genau den Finger darauf legen können, was daran nicht stimmt, selbst wenn es ungeheuer effektiv ist, selbst wenn es alle anderen genauso machen, selbst wenn die meisten Marketingcoaches sagen, dass es so sein muss und es einzig und allein an unserem „Mindset“ liegt, dass wir ein komisches Gefühl dabei haben.
Wie ich schon in meinem Buch über Social Media geschrieben habe, bin ich ein großer Fan davon, diffuse komische Gefühle ernst zu nehmen. Denn oft steckt dahinter ein Wertekonflikt oder eine Verletzung der Integrität.
Kostenlose Inhalte als Kostprobe vs. kostenlose Inhalte als Köder
Falls du also ein bisschen genauer auf deine kostenlosen Inhalte draufschauen möchtest, habe ich dir eine Übersicht zur Orientierung entwickelt:
Kostenlose Inhalte als Kostprobe | Kostenlose Inhalte als Köder |
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Kostenlose Inhalte sind nicht an andere Bedingungen wie die Newsletteranmeldung geknüpft, sondern ein Geschenk ohne Bedingungen. | Kostenlose Inhalte sind an andere Bedingungen geknüpft: Wer sich zum Webinar oder für eine Warteliste anmeldet, wird automatisch zum Newsletter hinzugefügt, ohne dass eine Alternative besteht. |
Kostenlose Inhalte schaffen für beide Seiten einen Vorteil. | Kostenlose Inhalte sind nur für eine Seite von Vorteil. |
Alle relevanten Informationen werden ehrlich und transparent geteilt. | Kopplung wird durch Formulierungen beschönigt, zum Beispiel: „Du erhältst ein Geschenk für deine Anmeldung!“ oder „Kostenlos – zahle nur mit deiner E-Mail-Adresse!“ |
Kostenlose Inhalte lassen Menschen die Entscheidung: Programme sind lediglich Angebote zur Zusammenarbeit. | Kostenlose Inhalte drängen Menschen zur Entscheidung: Durch künstliche Verknappung, Boni und Co. sollen Menschen dazu gebracht werden, jetzt gleich zu kaufen. |
Sind kostenlose Inhalte als Kostprobe gedacht, fühlt es sich für beide Seiten gut an: wertschätzend, respektvoll, als ein Geschenk, als eine Einladung und ein Türen öffnendes Kommunikationsangebot.
Kostproben schaffen eine Win-win-Situation: Diejenigen, die sie erstellen, können Aufmerksamkeit für sich, ihr Thema oder ihr Produkt erzeugen. Diejenigen, die sie bekommen, können unverbindlich etwas Neues lernen / werden unterhalten / ein Problem lösen / etc.
Kostproben können den letzten Ausschlag zur Zusammenarbeit geben, aber sie setzen Menschen niemals die Pistole auf Brust und sagen: „Kaufe jetzt sofort, sonst …“
Sie sind ein Angebot, ein Wann immer du bereit bist.
Auch dieser Text ist natürlich eine Kostprobe meiner Herangehensweise. Falls du daraus etwas für dich mitnehmen konntest, freue ich mich sehr und wünsche dir gutes Gelingen dabei.
Falls du darüber hinaus Lust hast, dass ich dich bei deinem Marketing, das ohne „Köder“ auskommt, unterstütze, freue ich mich natürlich auch. Schreib mir, wie.