Social-Media-frei
Der Podcast für Marketing ohne Likes, Reels & Selfies
Worum geht’s?
In diesem Podcast nehme ich soziale Medien kritisch unter die Lupe und spreche darüber, wie Selbstständige online sichtbar werden können, ohne ständig ihr Frühstück auf Insta zu posten.
Es geht um „immergrüne“ Marketingstrategien und darum, wie Selbstständige entspannt und nachhaltig ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen.
Dauergeposte und Dauerhustle nicht nötig!
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Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Teil 3: Algorithmen und Aufmerksamkeitökonomie
In dieser Podcast-Folge machen wir weiter mit dem Thema Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Und heute geht es um die Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie.
In dieser Podcast-Folge machen wir weiter mit dem Thema Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen?
Und heute geht es um die Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie.
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Hast du schon mal auf YouTube nur ein Video gucken wollen und eine Stunde später schaust du auf einmal einem Typen zu, der 30 Minuten lang Murmeln über eine komplizierte, selbstgebaute Bahn rollen lässt?
Wenn ja: Herzlichen Glückwunsch – du hast Bekanntschaft mit der Aufmerksamkeitsökonomie gemacht!
Der Begriff stammt aus dem Buch „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ von Georg Franck und bedeutet, dass Aufmerksamkeit zu einem knappen, kostbaren Gut geworden ist, um das hart gekämpft wird.
Was heißt das nun genau für Social Media?
Nun, ich bin in der letzten Folge zum Thema „Social Media und ethisches Marketing“ ja darauf eingegangen, dass die Plattformbetreiber unser Verhalten auf Social Media ganz genau überwachen und monetarisieren.
Doch jetzt müssen wir noch einen Schritt weitergehen. Denn die Plattformbetreiber überwachen und monetarisieren nicht nur unser Verhalten. Sie manipulieren Menschen darüber hinaus aktiv dazu, sich in irgendeiner Weise zu verhalten.
Es gibt inzwischen einen eigenen Berufsstand dafür, die sogenannten Aufmerksamkeitsingenieure (Attention Engineers). Und ihre Aufgabe ist es, Social-Media-Oberflächen so zu gestalten, dass sie maximal Aufmerksamkeit erregen und Menschen möglichst lang auf der Plattform halten.
Die meisten Tricks sind inzwischen gut bekannt und auch du bist mit Sicherheit bereits mit den meisten in Berührung gekommen.
Es gibt zum Beispiel den Infinite Scroll. Das heißt, du scrollst und scrollst und scrollst und wirst einfach nicht fertig. Dir wird immer ein weiterer Inhalt, ein weiteres Video angezeigt.
Und es ist natürlich super schwer, dem bewusst ein Ende zu setzen und zu sagen: Ich höre jetzt auf damit.
Und deshalb hängen viel zu viele Menschen viel zu lange auf diesen Plattformen fest. Sich zu sagen „Ich bin jetzt nur 10 Minuten auf TikTok“ funktioniert für die meisten Menschen in der Praxis nicht sooo gut.
Dann gibt es das Autoplay, das Videos automatisch abspielen lässt und so die Hürde minimiert, aktiv auf Play zu drücken.
Es gibt die Pushbenachrichtigungen, die du mit Sicherheit auch gut kennst.
Eine Pushbenachrichtigung macht natürlich sehr neugierig und motiviert uns dazu nachzuschauen, was sich hinter der Benachrichtigung verbirgt. Und meistens werden diese Benachrichtigungen ja auch in der Farbe Rot angezeigt, was noch mal zusätzlich Aufmerksamkeit erregt und suggeriert, dass eine gewisse Dringlichkeit oder vielleicht sogar eine Gefahr besteht.
Überhaupt die Tatsache, dass es Likes oder Shares oder Kommentare gibt, führt dazu, dass Menschen motiviert sind, immer wieder neue Inhalte für Social Media zu erstellen. Denn natürlich wollen die meisten Menschen, die Social Media nutzen, mehr Likes und mehr Herzchen für ihre Inhalte.
Ähnlich sieht es bei Followern aus. Sie zeigen die eigene Beliebtheit an und den sozialen Status, könnte man sagen. Und natürlich wollen alle, die auf Social Media sind, möglichst viel davon.
Das alles ist kein Zufall. Diese Strukturen und das Design sind bewusst so gewählt, damit du maximal viel Zeit auf den Social-Media-Plattformen verbringst.
Denn je mehr Zeit du dort verbringst, desto mehr Daten können die Plattformbetreiber sammeln und desto mehr Geld machen sie.
Es ist deshalb kein Zufall für mich, dass die Implementierung des Like-Buttons zum Beispiel auf Facebook damals zeitlich mehr oder weniger mit der Weiterentwicklung der Werbeanzeigen auf Facebook zusammenfiel.
Denn wenn Menschen mit Inhalten interagieren können, wenn sie sie liken können, können wiederum Engagement Ads erstellt werden, die das Ziel haben, dieses Engagement zu fördern und Menschen dazu zu bringen, Beiträge oder Unternehmensseiten zu liken.
Es geht den Plattformbetreibern also immer um Profit. Möglichst viel davon.
Und ein weiteres wichtiges Rädchen in diesem Getriebe sind Algorithmen. Da die Plattformbetreiber unser Verhalten auf Social Media ja permanent überwachen und auswerten, wissen sie genau, was uns interessiert und was uns emotional berührt. Und deshalb spielen sie uns auch genau diese Inhalte aus.
Und das ist der Grund, warum wir in unserem Feed überwiegend Beiträge sehen, die emotional was mit uns anstellen, uns irgendeine Reaktion entlocken.
Den Algorithmen ist das übrigens egal. Sie sind weder ethisch noch empathisch. Es spielt für sie überhaupt keine Rolle, ob wir uns gut fühlen, nachdem wir einen Post lesen oder traurig oder wütend oder gar hasserfüllt.
Algorithmen sind auch Desinformation egal oder Diskriminierung oder eben Hate Speech. Es geht – erneut – um maximale Verweildauer und damit maximalen Profit.
Warum ist das nun alles nun ein Problem? Und warum sollten sich Selbstständige überhaupt mit dieser Aufmerksamkeitsökonomie beschäftigen?
Ich könnte jetzt weit ausholen, aber ich möchte mich auf zwei Gründe beschränken:
Grund #1 für mich ist:
Dass alle, die auf Social Media erfolgreich sein wollen, den Kampf um die Aufmerksamkeit mitkämpfen müssen.
Das heißt, wenn du dich für Social-Media-Marketing entscheidest, entscheidest du dich auch dafür, nach den Regeln der Plattformen zu spielen.
Klar könntest du sagen: Ich mache Social-Media-Marketing nach meinen eigenen Regeln und poste, wenn ich wirklich was zu sagen hab.
Oder du könntest auch sagen: Video-Content liegt mir nicht und deshalb erstelle ich eben keine Reels.
Aber die Wahrheit ist, dass du mit diesen Strategien wahrscheinlich keine großen Erfolge erwarten darfst. Weil das eben nicht das ist, was die Plattformen zur Zeit belohnen.
Und meine Erfahrung ist, dass die meisten Selbstständigen dann eben nicht sagen: Okay, dann ist es halt so. Dann hab ich eben weniger Erfolg auf Social Media. Sondern dass irgendwann automatisch Fragen wie „Was will ich eigentlich? Was passt zu mir? Über welches Thema möchte ich sprechen?“ automatisch ersetzt werden durch: „Was funktioniert gerade auf Social Media? Was will der Algorithmus? Und: Was gibt viele Klicks und Kommentare?“
Und dann sind wir eben auch sehr schnell bei solchen Phänomenen wie Rage Bait, also dass bewusst Content erstellt wird, der einfach nur das Ziel hat, Menschen wütend zu machen. Weil wütende Menschen sehr gerne wütende Kommentare unter Beiträge schreiben oder Beiträge mit anderen teilen, um sich eben erneut darüber aufzuregen.
Das heißt: Wir haben auf Social Media angefangen, weil wir sichtbar sein wollten. Wir sind sehr schnell dabei gelandet, dass wir uns vor allem damit beschäftigen, was wir dafür machen müssen. Und nehmen unter Umständen dann wirklich problematische Strategien in Kauf.
Ich glaube, dass der Kampf um die Aufmerksamkeit auf Social Media Selbstständige dazu verleitet und es wirklich, wirklich schwer macht, diese Strategien nicht zu nutzen.
Ich mein, schau dich nur mal auf Social Media um. Überall wimmelt es von künstlicher Verknappung und FOMO und emotionalem Druck und Lovebombing und Clickbait und und und.
Ich glaube nicht, dass Selbstständige das alles aus Bösartigkeit tun, sondern weil sie in diesem System einfach bestehen wollen.
Es gibt ein dystopisches Beispiel aus Shanghai. In China gibt es eine eigene TikTok-Variante. Und dort ist es so, dass wer aus ärmeren Stadtvierteln seine Live-Videos streamt, bekommt weniger Reichweite als diejenigen, die aus wohlhabenderen Stadtvierteln streamen. Das hat was mit dem Geo-Tag zu tun.
Und als Konsequenz sitzen dann eben unzählige Influencerinnen in Shanghai unter Brücken in wohlhabenderen Stadtteilen und bauen dort ihre Ringlichter auf und streamen dort ihren Social-Media-Content. Unter Brücken.
Ich verlinke dir das Video mal in den Shownotes, weil ich es so eindringlich finde, was Menschen bereit sind zu tun, um den Kampf um die Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Was uns auch schon direkt zu Grund Nummer #2 bringt, warum es aus meiner Sicht wichtig für Selbstständige ist, sich dieser Aufmerksamkeitsökonomie bewusst zu werden:
Weil Selbstständige auch gesellschaftliche Verantwortung tragen.
Und selbst wenn wir soloselbstständig sind. Selbst wenn wir keine großen, international bekannten Marken sind, ist es doch so, dass unsere Marketingkommunikation nicht im luftleeren Raum stattfindet.
Das heißt, das, was wir im Marketing tun, hat immer auch Konsequenzen:
für uns
für unsere Mitarbeiter*innen, wenn wir welche haben
für unsere Kund*innen und Interessent*innen
für den Wettbewerb
für die Gesellschaft
und für die Umwelt
Ein kleines Beispiel:
Angenommen, du erstellst regelmäßig Content auf Instagram und orientierst dich dabei stark an dem, was der Algorithmus „belohnt“, also Reels mit schneller Schnittfolge, viel Emotionalisierung, catchy Hooks wie „Diese eine Sache verändert ALLES in deinem Business!“
Und das funktioniert vielleicht. Also du bekommst vielleicht mehr Reichweite, mehr Views, mehr Likes.
Aber: Du fütterst damit genau das System, das Aufmerksamkeit um jeden Preis belohnt. Du verstärkst den Trend zu immer kürzeren, reißerischeren Inhalten, auch wenn du eigentlich selbst lieber in der Tiefe arbeitest.
Du wirst Teil eines Marktes, in dem Information zunehmend durch Überinszenierung und austauschbare Inhalte ersetzt wird.
Und dein Publikum lernt dabei: Nur was laut, schnell und dramatisch ist, verdient Beachtung.
Das heißt, auch wenn du „nur“ Content erstellst, gestaltest du mit jedem Reel und mit jedem Hook mit, in welche Richtung sich die digitale Kommunikationskultur entwickelt. Und das ist eine Verantwortung, die wir als Selbstständige nicht unterschätzen sollten.
Und darüber hinaus kann es dabei auch sein, dass dich diese Art des Marketing auch selbst belastet. Dass du dich jeden Tag aufs Neue fragst: Was zum Teufel mache ich da eigentlich? Bin das eigentlich noch ich? Oder zwinge ich mich hier zu Dingen, die meinen Stärken und Werten und Interessen zuwiderlaufen? Riskiere ich hier vielleicht auch meine Gesundheit, nur damit ich Reichweite auf Social Media aufbaue?
Das heißt, sowohl im Kleinen als auch im Großen werden wir unserer Verantwortung als Selbstständige nicht gerecht.
Ja, das war ein kurzer Abriss zum Thema Aufmerksamkeitsökonomie und Algorithmen. Und ich habe dir zum Abschluss ein paar Fragen mitgebracht, die du mitnehmen und für dich reflektieren kannst, wenn du magst:
Warum bin ich ursprünglich auf Social Media aktiv geworden und was davon gilt eigentlich heute noch?
Spiele ich bewusst oder unbewusst mit Angst, Druck und FOMO, um Reichweite zu erzielen?
Und: Möchte ich Teil eines Systems sein, das Aufmerksamkeit über alles stellt, oder kann ich mir Alternativen vorstellen?
Shownotes
Wie arbeitet ein Verlag? – Interview mit Autorin und Lektorin Nina Weber
In dieser Podcastfolge habe ich Nina Weber zu Gast. Nina ist von Haus aus Verlagslektorin und Autorin und bietet seit ein paar Jahren auch Exposé-Beratung, Schreibbegleitung und Lektorat an. In dem Interview plaudert sie ein bisschen aus dem Nähkästchen und wir sprechen darüber, wie ein Verlag so arbeitet und was Selbstständige, die ein Buch schreiben wollen, unbedingt darüber wissen müssen.
In dieser Podcastfolge habe ich Nina Weber zu Gast. Nina ist von Haus aus Verlagslektorin und Autorin und bietet seit ein paar Jahren auch Exposé-Beratung, Schreibbegleitung und Lektorat an.
In dem Interview plaudert sie ein bisschen aus dem Nähkästchen und wir sprechen darüber, wie ein Verlag so arbeitet und was Selbstständige, die ein Buch schreiben wollen, unbedingt darüber wissen müssen.
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[Alex] Ja, hallo Nina. Auf deiner Über-mich-Seite habe ich gelesen, dass du dich als Wort-Nerd … schwierig auszusprechen … Wort-Nerd bezeichnest. Welche Rolle spielen Worte denn für dich privat und beruflich? Was machst du genau?
[Nina] Hallo erstmal, guten Morgen. Ich muss dazu sagen, ich bin etwas erkältet. Ich hoffe, das klappt heute so mit der Stimme.
Ja, also Wort-Nerd ist mein Versuch auszudrücken, dass ich einfach von Texten quasi privat + beruflich total begeistert bin.
Ich lese sehr viel, ich schreibe ja auch selber Bücher und ich bin ausgebildete Verlagslektorin.
Das heißt, dass ich natürlich dann auch, ich sage jetzt mal als Berufskrankheit schon mit sehr, sehr vielen Buchprojekten in Kontakt bekommen bin.
Ich habe als Verlagslektorin über 100 Bücher, also von der ersten Idee bis zum fertigen Buch betreut. Und das ist auch was, wo ich nach langen Jahren als Autorin und Lektorin jetzt auch beruflich wieder mehr hin zurückgegangen bin, weil ich einfach das total schön finde, diese Zusammenarbeit mit Autoren sozusagen aus ihrer Buchidee dann tatsächlich ein fertiges Buch zu machen.
Das habe ich vermisst, als ich nur meine eigenen Bücher gemacht habe.
[Alex] Aber ich habe gesehen, du hast ja auch Fantasy-Bücher geschrieben. Unter einem Pseudonym, ganz spannend.
[Nina] Also unter einem offenen Pseudonym, es ging mehr darum, dass die Leute nicht total verwirrt sein sollen, wenn sie nach meinem Namen bei Amazon suchen und dann mischt sich der Trotzphasen-Ratgeber mit dem Fantasy-Buch.
Aber ja, ich habe auch ein Memoir zum Beispiel unter Pseudonymen geschrieben oder generell für Verlage als Ghostwriterin dann unter anderen Namen auch geschrieben. Das heißt, du weißt gar nicht alles …
[Alex] Ich weiß gar nicht alles. Sehr geheimnisvoll auf jeden Fall.
Warum ist ein Exposé so wichtig?
[Alex] Ja, aber deswegen fand ich das auch so schön, dass du hier jetzt im Podcast bist, dass du Ja gesagt hast, weil du als Verlagslektorin, wie du gesagt hast, über 100 Buchprojekte schon betreut hast und deswegen ja ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern kannst.
Also ich habe auch schon vor einem Jahr, glaube ich, Anja Niekerken interviewt. Sie schreibt ja auch Sachbücher und da haben wir eher so drüber gesprochen, wie Bücher auch als Marketing-Tool fungieren können. Und heute, dachte ich, konzentrieren wir uns vielleicht mehr darauf, wirklich auf das Thema Verlag und Buchkonzept oder Exposé und warum das so wichtig ist.
Und vielleicht erstmal ganz grundsätzlich zum Start, was genau ist denn ein Buchkonzept oder ein Exposé und warum ist das für alle, die ein Buch schreiben, wichtig?
[Nina] Also das Exposé ist eigentlich, also wir fangen nochmal an. Also ein Exposé nennt man quasi das offizielle Dokument, was du an eine Agentur oder einen Verlag schickst.
Und deswegen begegnen mir oft Autoren, die denken, ich brauche das nicht, weil ich schreibe das ja jetzt erstmal nur für mich, weil es ist mein Marketinginstrument zum Beispiel.
Und ich finde, das ist wirklich, wie du schon gesagt hast, ganz grundlegend, damit man einfach gerade bei einem Sachbuch, aber auch beim Roman, damit man so die Leitplanken quasi für das Projekt hat und damit man eben wirklich das auch zuschneidet auf den Anlass, für den man das jetzt schreibt, auf die Zielgruppe.
Das sind alles Sachen, auf die ich dann zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Autoren eingehe, weil die über manches auch einfach so hinweggehen. Also kommen wir vielleicht nachher auch noch zu.
Was sind so die typischen Sachen, die man nicht machen soll? Also für viele ist ein Exposé halt nur sowas. Das mache ich ganz am Schluss, wenn ich es dann eben an Verlage schicken möchte.
Aber es ist eben wesentlich, sich vorher mal Gedanken zu machen. Das ist mein Know-how. Das ist bei dir ja auch so. Du kannst ja ganz verschiedene Bücher zu deinen Themen schreiben. Und was ist das, was wir jetzt gerade sozusagen machen wollen? Das ist für Autoren immer ganz spannend.
[Alex] Ich finde, das nimmt auch so ein bisschen dieses, ich weiß auch nicht, dieses Träumerische oder Unerreichbare von so einem Buchprojekt, weil wenn ich mir halt einen Plan mache oder mir überlege, was kommt rein und was ist mein Angle quasi, gehe ich auch, finde ich, ganz anders an so ein Projekt ran.
Dann ist es auch so ein machbares Projekt. Und dann weiß ich, okay, das kommt da rein und das folgt dann auf das und so weiter.
Das finde ich eine ganz andere Herangehensweise, als wenn ich jetzt sage, ich möchte gerne ein Buch schreiben und dann träume ich da hin und ohne Plan und fange erst mal an. Da ist so meine Erfahrung, driftet man ganz schnell irgendwo ganz anders ab.
[Nina] Aber man kann es auch anders angehen, da kommt jetzt wieder der Wort-Nerd quasi rein, weil wenn man das jetzt als Verlagslektorin im Verlag, also je nach Verlag entwickeln wir da ja auch Buchkonzepte, also bevor wir quasi überhaupt eine Autorin oder einen Autor haben.
Und da nennt man das dann ein Thema durchdeklinieren, so der Fachbegriff letztendlich, zu sagen, ich spiele jetzt aber vielleicht auch einfach mal mit verschiedenen Ideen herum. Also nur weil man quasi sich letztendlich dann auf das eine festlegt, heißt es nicht, dass man dieses Träumerische, ich finde es ganz wichtig, dass Autoren das dabei haben, weil die sonst immer auch das Gefühl haben, also eigentlich hätte ich doch auch noch was ganz anderes machen können.
Und zu sagen, wie kann man denn dir zwar Leitplanken geben, aber dass du trotzdem dich ausprobierst, auch wie du das jetzt schreibst zum Beispiel, gibt es ja ganz unterschiedliche Herangehensweisen.
Also diese Mischung finde ich schön, so eine Freiheit auszuprobieren und trotzdem dann die Marschrichtung quasi festzulegen.
Verlagsarbeit und Buchentwicklung
[Alex] Du hast jetzt schon ein gutes Stichwort genannt. Also was genau macht denn jetzt ein Verlag? Wie gehen die vor, wenn die jetzt ein Buch rausbringen? Entwickeln sie selbst Ideen? Gehen sie gezielt auf Leute zu? Sprechen sie zum Beispiel, weiß ich nicht, eine berühmte Influencerin an? Hast du denn mal Lust, ein Buch für uns zu schreiben?
Oder kann jede und jeder sich auch tatsächlich an Verlage wenden mit eigenen Ideen? Wie ist da deine Erfahrung?
[Nina] Also das hängt sehr von dem Verlag ab und auch von dem Selbstverständnis des Verlages.
Also es gibt zum Beispiel Verlage, die sehr viel eigene Titel entwickeln oder auch Autoren aufbauen, die vorher noch keine Bücher geschrieben haben.
Und es gibt Verlage, die sehr viele Lizenzen einkaufen, aus dem Ausland zum Beispiel.
Das heißt, da gibt es natürlich viel weniger Möglichkeiten, dann als angestellte Verlagslektorin selber quasi Dinge zu entwickeln, weil du dafür natürlich auch Zeit brauchst.
Und bei mir war es so, dass ich in einem großen Ratgeber- und Sachbuchverlag war, wo wir eben tatsächlich Sachen selber entwickelt haben und teilweise, weil uns jemand ein Exposé geschickt hat, wo man also eben aus der Fachperspektive gesehen hat, also so wie die Person das jetzt geschickt hat, nein, also das gibt es schon oder Ähnliches.
Aber man hat dann zum Beispiel irgendwelche Stichworte in der Kurzbiografie oder so gelesen und hat gedacht, ich glaube, ich habe eine Idee, wie ich das anders aufziehen kann, dass das eben wirklich ein Alleinstellungsmerkmal bekommt und nicht einfach nur das nächste Buch zum Thema, weiß ich nicht, Work-Life-Balance oder Ähnliches ist.
Und das ist sozusagen, wenn du ein Exposé hast. Es geht aber auch zu sagen, okay, wir sehen jetzt, dass sich Bücher zum Thema XY gut verkaufen. Es gibt schon einige dazu, die sehen so und so aus. Was ist denn, wenn ich jetzt quasi mir das Buch erträumen könnte? Was möchte ich da drin haben? Und je nachdem, wie du das dann aufgebaut hast, suchst du dir dann passend dazu eine Autorin. Zu sagen, okay, ich möchte, dass das zum Beispiel, ich sage mal, jung und hip ist, ein Yoga-Buch für junge Frauen bis 25, dann wirst du dir eine andere Autorin suchen als Verlagslektorin, als wenn du jetzt das erschlagende Gesamtwerk von jemandem mit 40 Jahren Erfahrung sozusagen haben möchtest.
Und Influencer kommt natürlich immer mehr. Also ich habe das im Kleinen auch schon gemacht, weil manchmal, vielleicht ist es bei dir auch so, zum Beispiel liest du jemanden, die total schöne Blogposts schreibt oder auf Social Media wirklich tollen Content hat und die kommen gar nicht auf die Idee, dass man das auch als Buch machen könnte.
Und da juckt es einem dann in den Finger, mache ich bis heute, dass ich dann hinschreibe. Und gar nicht, weil ich das Buch unbedingt betreuen will, sondern weil ich denke, Mensch, die hat schon so viel Material. Allein daraus könnte man schon ganz toll was machen. Und das ist vielen Leuten gar nicht bewusst, dass jeder auf so einem Schatz sitzen, den man eben zu einem Buch machen könnte.
Worauf kommt es bei einem Exposé an?
[Alex] Das heißt, worauf kommt es jetzt an für einen Verlag? Wenn du sagst, du hast jetzt das Negativbeispiel erwähnt, da kommt ein Exposé und dann denkst du dir, oh, das Thema haben wir schon, das ist irgendwie ein bisschen langweilig. Also wie kann ich es dann besser machen? Was muss denn in so ein Exposé rein, damit ein Verlag interessiert ist? Also, sind das Trends? Ist es eine bestimmte Zielgruppe? Was ist es?
[Nina] Ja, ich versuche das gerade …, weil es gibt natürlich diverse Dinge. Also, ich finde, das Wichtigste ist, dass dein Exposé überhaupt zu dem Verlag passt. Also, nichts mag man weniger gern, als dass du da was inzwischen im E-Mail-Eingang früher per Post liegen hast und du merkst, die Person merkt gar nicht, dass wir schon 20 Bücher dazu haben oder dass wir diese Themen überhaupt nicht bedienen.
Das ist so das Erste, dass du dir wirklich das Verlagsprogramm anguckst, dass du auch in eine Buchhandlung gehst und generell mal schaust, was gibt es denn zu meinem Thema.
Und was ganz wichtig ist, wenn man erfolgreich in einem großen Verlag, muss man immer dazu sagen, sein möchte, man könnte ja auch in einen kleineren gehen, dann geht ganz, ganz viel über Agenturen.
Und eine Agentur mag es überhaupt nicht, wenn sie dein Exposé toll finden und dich vertreten wollen und dich fragen, welche Verlage kennen das denn schon und dann spulst du die größten 15 Verlage in Deutschland ab, weil dann können sie ihre Connections gar nicht ausspielen, weil wenn das einmal da war, dann ist es quasi verbrannt, um es jetzt dramatisch auszudrücken, obwohl die Agentur mit dir, genau wie ich das ja auch mache, über ein Buch-Exposé geht und das eben wirklich aufpeppt und auf den Punkt bringt und viel besser verkäuflich macht. Und das bringt ihnen natürlich nichts, wenn man vorher schon bei den Verlagen war.
Deshalb ist für mich eigentlich immer der größte Fehler sozusagen, oder ich versuche Autoren davon abzuhalten und sage, fang erstmal mit den Agenturen an und wenn da keiner anbeißt, dann würde ich an die Verlage gehen, weil umgekehrt ist das überhaupt kein Problem.
Nur eben, wenn das eben schon bei Verlagen angekommen ist, dann ist das für die Agentur nicht mehr vermittelbar.
[Alex] Und was ist so deine Erfahrung? Wie realistisch ist das, dass da eine Agentur Interesse hat?
[Nina] Also ich war jetzt bis, ich glaube, letzte, nee, vorletzte Woche, hätte ich jetzt gesagt, naja, die werden natürlich auch zugeschüttet, muss man sagen.
Und jetzt in Zeiten mit KI, habe ich gehört, ist es noch wesentlich mehr, weil es ist auch dann schwieriger, das dauert einen Moment länger zu erkennen, ist das jetzt ein ordentliches Exposé, sage ich mal, oder nicht, weil die das so oberflächlich dann überarbeiten lassen.
[Nina] Das heißt, ganz häufig hört man nichts, also die antworten dann einfach nicht. Das heißt, sie haben es nicht genommen.
Und was ich aber ganz spannend fand, ist, dass ich einer Texterin interessanterweise geholfen habe, ein Exposé für einen Jugendroman zu schreiben. Und wir haben das komplett überarbeitet. Ich habe auch den Probetext überarbeitet, weil man dann immer merkt, ich meine, als Texterin kann sie natürlich schreiben, Aber es ist jetzt eine ganz andere Sparte, sag ich mal. Du musst dann ganz anders beim Exposé zum Beispiel rangehen.
Und die hat mir dann ganz aufgeregt in WhatsApp geschrieben, weil sie dann eben das rausgeschickt hat und sie hat innerhalb von einer Stunde einen Anruf von einer Agentin bekommen.
Also es war auch Zufall, weil es an dem Tag kam, wo diese Agentin ihren unverlangt eingesandte Exposé-Prüftag quasi hat. Das weiß man natürlich immer nicht.
Aber die war dann so begeistert, dass sie gesagt hat, sie ruft jetzt gleich an. Und ich weiß natürlich nicht, ob es letztendlich dazu kommt, weil dann ist der nächste Schritt, die hat dann das besprochen mit der Autorin und wollte dann das gesamte Buch haben.
Beim Roman ist das so, dass man eben sagt, du solltest ihn geschrieben haben, bevor man ihn pitcht.
Und bei einem Sachbuch ist es nicht so, weil der Verlag oder die Agentur dann noch sehr viel mit dir ändern häufig am Konzept. Und dann wissen sie schon, dass die Autoren dann anfangen zu bremsen, wenn sie das ganze Ding eigentlich schon fertig da liegen haben.
Aber insofern bin ich jetzt ganz beflügelt, weil ich gedacht habe, super, also so muss das eigentlich gehen. Aber sie hat natürlich auch Glück gehabt, dass es eben genau in dem Moment ankam.
[Alex] Aber kannst du denn irgendwie so einschätzen, was es denn sein könnte an Ihrem Exposé oder an Ihrem Buchprojekt, was vielleicht spannend war dann für die Agentur?
[Nina] Naja, ich gehe das natürlich, also ich komme aus einem Sachbuchverlag, insofern, ich betreue auch Romanexposés, ich sage aber immer vorher dazu, meine Expertise, außer jetzt, weil ich selber Romane veröffentlicht habe, ist eben eigentlich Sachbuch.
Und ich habe das genauso abgeklopft, wie ich Sachbuchexposés abklopfen würde, und es gibt dann eben so Dinge, die ganz typisch vorkommen, entweder, dass die Autoren zum Beispiel schreiben, es gibt keine Konkurrenz oder in ihrem Fall war es jetzt so, dass sie als, was heißt als Konkurrenz, also als Bücher, die aus demselben Themenbereich sind, die waren uralt.
Und das ist für einen Verlag keine Benchmark. Also du kannst dich ja gerne mit Percy Jackson oder Harry Potter vergleichen, aber das ist jetzt nichts, was jetzt gerade frisch eine neue Autorin, sage ich mal, veröffentlicht hat. Und dann habe ich eben für sie recherchiert und habe gesagt, was gibt es denn in dem Bereich, wo sie jetzt das Jugendbuch pitchen will, was gibt es denn da aus den letzten drei Jahren an erfolgreichen Titeln, vielleicht die auch erstmal nur in den USA erfolgreich waren, das ist ja auch ein Signal, die man angeben könnte. Damit der Verlag schon so ein bisschen, ich sage mal, Eurozeichen in den Augen hat.
Weil, das kann man ja von außen nicht einschätzen, die Verlage haben jede so eine Einstellung sozusagen, wie schnell gehen sie hinter Trends her.
Also setzen sie Trends, sind sie Early Follower zum Beispiel?
Das heißt, wenn es tatsächlich noch überhaupt kein Buch gibt in dem Bereich, wo du was schreiben möchtest, dann gibt es ganz viele Verlage, die das dann nicht anfassen werden.
Insofern ist das einer der Kunststücke, sozusagen die Konkurrenzsituation so darzustellen, dass es gut für dein Exposé ist.
Also es gibt Bücher, die verkaufen sich auch gut und zwar im Moment, nicht vor 15 Jahren, aber deins hat eben Alleinstellungsmerkmale, die es wiederum davon unterscheiden und die muss man dann im Exposé auch möglichst überzeugend und knapp darstellen und das ist so ein bisschen die Kunst.
Also es war auch wahnsinnig lang, das Exposé, und ich habe das dann eben alles eingedampft quasi, weil man einfach als Autor, das geht allen Autoren so, ist man so nah dran, dass man da, das Detail muss ich auch noch, und das muss die wissen und so. Und dadurch wird das dann oft zu lang für die Agentinnen oder Lektorinnen, die das auf den Tisch kriegen, denken, also diese 15, 20 Seiten, das lese ich jetzt ganz sicher nicht. Du musst mich auf der ersten Seite schon irgendwie packen.
[Alex] Das heißt, wie viele Seiten könnte denn so ein Exposé haben, idealerweise?
[Nina] Ja, man muss ein bisschen gucken, wie lang ist denn das Buch. Also wenn du jetzt ein Fachbuch mit 400 Seiten pitchst, wirst du wahrscheinlich das eben nicht, den Inhalt auf, sag ich mal, einer halben Seite knapp darstellen können.
Man muss es unterscheiden, wie lang ist das eigentliche Exposé, also so dieses Titel, Umfang, ich sag mal Klappentext in Anführungszeichen, diese ganzen Sachen und dann hängt ja noch Probetext hinten dran und manche Agenturen zum Beispiel geben auf ihrer Webseite vor, wie viel Leseprobe sie gerne hätten, wie viele Seiten und bei manchen steht nichts und da muss man immer so ein bisschen abwägen, wie viel nimmt man denn jetzt?
Gibt es irgendeinen strategisch guten Punkt, ab dem man das nicht mehr schicken sollte? Vielleicht, weil du nicht so weit geschrieben hast. Das muss man ein bisschen schauen. Und man muss auch damit spielen, die wollen natürlich nicht, dass man jetzt, ich sage jetzt mal, die coolste Szene aus dem achten Kapitel nimmt, weil sie dann nicht wissen, wie ist denn der Rest? Wie ist denn das weiter vorne?
Aber man muss auch nicht nur den Einstieg nehmen, weil das ja oft sehr basic ist, sage ich mal. Und also wir versuchen dann so beim Sachbuch zum Beispiel eine Mischung zu machen, zu sagen, also man nimmt jetzt eins von vorne und eins vielleicht ein bisschen weiter hinten, wo man sieht, okay, wenn die Autorin in Fahrt kommt in ihrem Thema, dann klingt das anders oder dann gibt es da folgende interaktive Elemente oder was eben wichtig für dieses Buch ist.
Haben neue Autor*innen eine Chance beim Verlag?
[Alex] Würdest du sagen, dass es für eine Agentur oder einen Verlag wichtig ist, dass die Autorin bereits etabliert ist als Autorin oder in ihrem Thema etabliert oder sind die auch offen für Debutantinnen?
[Nina] Das hängt ein bisschen davon ab. Du hast ja vorhin die Influencer angesprochen. Also leider muss man sagen, gucken Agenturen und vor allem Verlage inzwischen sehr darauf, was für eine eingebaute Zielgruppe bringst du mit, also wie viele Leute erreichst du dann, wenn dein Buch erscheint und du quasi Promotion für dein Buch machst, weil daraus errechnen sie dann, was sie für eine Auflage für das Buch wahrscheinlich verkaufen können.
Und es gibt, abgesehen jetzt mal von der, wie viel Zielgruppe, wie groß ist deine Zielgruppe jetzt schon sozusagen, gibt es eben den Ansatz zu sagen, habe ich als Lektorin im Verlag zum Beispiel die Zeit, um jemanden, die noch nie ein Buch geschrieben hat, an die Hand zu nehmen.
Und das war früher schon schwierig, weil eben früher schon du als Lektorin zig dutzend Projekte dann auf dem Tisch hast gleichzeitig und dann haben wir mal versucht, eine Mischung hinzubekommen, zu sagen, okay, das ist jetzt ihr drittes Buch mit uns, sie weiß ungefähr, wie es geht sozusagen, dann kann ich mich jetzt mehr um die Autorin kümmern, die zwar das Exposé mit mir zusammen gemacht hat in dem Fall, aber jetzt zum ersten Mal ein Sachbuch schreibt und natürlich Fragen hat und so.
Und ich erlebe das zunehmend seit ein paar Jahren, dass bei mir auch Autorinnen und Autoren landen, die einen Verlagsvertrag haben und die sich von dem Verlag nicht betreut fühlen und auch stinkig sind deswegen. Also sogar schon in der Exposé-Phase.
Also die dann zum Beispiel, das gibt es inzwischen auch, ich nenne das immer Pay-to-Publish sozusagen. Also da kaufen sich dann Leute mit einem Unternehmen zum Beispiel in einen Verlag, also in einen Verlagsveröffentlichungsslot quasi ein, also bezahlen für die Verlagsdienste. Also jetzt ein renommierter, nicht ein Vanity-Publisher sozusagen, sondern irgendein Verlag, den man in Buchhandlungen auch kennt.
Und dann lassen die Verlage die trotzdem mit dem Konzept zum Beispiel allein, was ich auch nicht verstehe. Also wenn dieser Mensch sagt, ich zahle dir Summe X und dann sagst du, dafür nehme ich dich ins Frühjahrsprogramm. Dann versuch doch irgendwie die Zeit zu finden, um wenigstens ein gutes Exposé mit demjenigen zu machen, dass der weiß, wohin die Reise beim Schreiben geht.
Und sie werden mit dem Exposé alleingelassen und dann in der Erstellung des Buches. Also ich biete ja auch Buchbegleitung an und das ist eigentlich genau das, was ich sonst von einer Verlagslektorin erwarten würde, dass solange du fröhlich vor dich hinschreibst, frage ich zwischendurch, wie läuft's, kann ich schon mal was sehen? Wenn du sagst, nö, dann mache ich mir ein Vermerk, vielleicht noch mal nachhaken.
Also es ist ja okay, ich möchte auch ganz am Anfang nicht unbedingt das gleich schon einer Lektorin zeigen, wenn ich ein Sachbuch schreibe, aber dann muss so ein Punkt kommen, wo man sich mal drüber unterhält, geht das eigentlich in die richtige Richtung.
Und wenn das wegfällt, weil die inzwischen teilweise 50 Titel und mehr gleichzeitig betreuen, also es ist jetzt kein Vorwurf an die Lektorinnen, sondern die machen so viel parallel und ja den ganzen Admin-Kram hinten raus noch, dass die einfach die Zeit dafür überhaupt nicht haben.
Und da muss man dann als Autor oder Autorin überlegen, was will ich denn eigentlich mit dem Buch? Und bei vielen, die das als Marketinginstrument benutzen, die nehmen dann eben das Geld in die Hand und lassen sich dann anderweitig quasi betreuen, weil sie wollen ja mit dem Buch auf Messen stehen und das verteilen oder das potenziellen Kunden geben und wollen eben nicht, dass sie das quasi, naja, ich überlege mal, wie man wohl so ein Buch macht, dann so entwickeln.
Gibt es einen Unterschied in der Betreuung durch kleine oder große Verlage?
[Alex] Gibt es da eigentlich einen Unterschied zwischen größeren Verlagen und kleineren Verlagen? Also das, was du jetzt gerade geschildert hast, diese Betreuung? Kommt es darauf an, einfach wo ich lande? Oder würdest du sagen, es ist gerade so die Zeit?
[Nina] Na gut, bei kleinen Verlagen, die haben natürlich häufig generell auch das Personalproblem.
Also weil das dann eben nur ein kleines Team ist, die diese ganzen Titel betreuen. Sie betreuen aber weniger Titel. Und ich bin immer so ein bisschen hin und her gerissen, weil es gibt ganz, ganz tolle kleine Verlage, die total engagiert sind, die ihre Autoren gut betreuen, die auch professionelle Lektorate zum Beispiel beauftragen.
Also, dass eine externe Lektorin oder Lektor mit dem Autor zusammenarbeitet. Das gab es früher auch bei großen Verlagen ganz viel. Inzwischen sparen sie sich diese Kosten oft. Deswegen haben die dann eben so viele Titel gleichzeitig in-house.
Und es gibt aber eben auch Kleinverlage, wo die Leute, die den Verlag aufmachen, nie in einem Verlag gearbeitet haben.
Das heißt, und die auch keine ausgebildeten Lektorinnen oder Lektoren dementsprechend sind. Das heißt jetzt nicht, dass die kein Gespür für Texte zum Beispiel haben. Aber ob die jetzt den Text professionell betreuen und vorher das Exposé professionell mit dir aufsetzen, das ist halt dann so eine Frage. Deswegen muss man immer so ein bisschen gucken.
Ich würde mir dann andere Bücher aus dem Verlag zum Beispiel angucken, ob die dir gefallen. Da weißt du natürlich nicht, wie viel jetzt der Autor selber gemacht hat, wie viel ist aus dem Verlag.
Es ist so ein bisschen Raten, aber wenn man jetzt sieht, die sind total lieblos gemacht, dann würde ich natürlich eher die Finger davon lassen. Aber an sich möchte ich gerne Lanze für kleine Verlage brechen und sage auch in der Beratung immer, wenn du an Verlage gehst, dann geh eben von oben nach unten sozusagen durch, weil man kann natürlich auch unter die Selfpublisher gehen.
Das ist ja auch was, was ich zwischendurch gemacht habe. Aber du musst dann eben, damit dein Buch professionell ist, sehr viele Kosten tragen oder bereit sein zu tragen, die ja sonst der Verlag trägt. Also wie ein professionelles Lektorat, nochmal ein Korrektorat am Schluss, die Covergestaltung, der Buchsatz. Und das muss man sich natürlich vorher überlegen. Ob man das alles wirklich selber stemmen will.
Wie viel Einfluss nimmt der Verlag auf den Inhalt?
[Alex] Wie stark greift denn so ein Verlag dann letzten Endes in den Inhalt zum Beispiel ein oder in den Stil oder in die Struktur? Also wenn ich mit Menschen spreche über „Selfpublishing – Verlag“ dann gibt es auch oft Stimmen, die sagen, ja, ich möchte selbst bestimmen, wie es dann letzten Endes wird, das Buch.
Meine Erfahrung ist, dass ein Verlag da gar nicht so krass, also dass ich immer die letzte Entscheidung quasi habe und trage über die Dinge, die da drin vorkommen. Wie sind deine Erfahrungen?
[Nina] Das hängt sehr vom Verlag ab. Das hängt auch eben von dem Selbstverständnis des Verlages ab. Also ich war ja früher bei Gräfe und Unzer zum Beispiel. Und ich weiß nicht, wie das heute bei Gräfe und Unzer ist.
Aber früher war es eben so, dass die ganz stark, also auch in der Ausbildung zum Beispiel oder im Verlagsalltag quasi ganz stark so Zielgruppen-Definitionen hatten und damit gearbeitet haben.
Und dann war klar, dieses Buch ist für diese Zielgruppe. Und dann muss, das weiß aber der Autor ja nicht sozusagen, und dann muss ich den Autor dahin schieben, dass dieses Buch, das Konzept, der Inhalt auch tatsächlich dahin passt. Und dann haben wir teilweise relativ stark nicht nur ins Konzept eingegriffen, sondern eben auch später in das Buch.
Teilweise natürlich auch, weil der Verlag kriegt ja einen Teil ab vom Kuchen, sage ich mal. Wenn sich ein Buch von dir verkauft, kriegst du ja so und so viel Cent und der Rest landet entweder bei den Zwischenhändlern oder dann beim Verlag. Und das liegt ja nicht nur an den Produktionskosten, sondern weil eben jemand im Verlag sitzt und dich begleitet, während dein Buch entsteht.
Das heißt, das muss man ja auch ein bisschen begründen. Wenn du sagst, ich gebe das so ab und da passiert eigentlich nichts mit, dann fragt man sich, was ist dann die Daseinsberechtigung des Verlages, abgesehen von diesen Services, die ich gerade gesagt habe.
Aber ich finde es, also ich war immer ganz erstaunt, weil ich eben sozusagen nur kannte am Anfang, dass man ganz stark eingreift. Und dann habe ich als Autorin in zig verschiedenen Verlagen Sachbücher und Ratgeber veröffentlicht und war immer total irritiert, dass die so, ja, wenn du meinst, dann, ja, das ist total nett, das Exposé, mach mal.
Und dann habe ich immer gesagt, ich brauche hier irgendwie mal einen Sparringspartner. Also wenn du möchtest... Also insofern, glaube ich, ist es wirklich sehr, sehr unterschiedlich.
Und für mich ist immer die Frage, ist das, weil sie erkennen, dass das gut ist, was du machst, oder ist das so ein Durchwinken, weil sie einfach so viel auf dem Tisch haben, dass wenn du jetzt kein Problemprojekt quasi bist, dann sind sie halt froh, dass sie einfach sagen, einen schönen Lauf durch sozusagen.
Und solange du dir sicher bist, dass dieses Exposé und dieses Buch das sind, was du wirklich machen möchtest, finde ich das ja völlig okay, wenn die dich so laufen lassen.
Aber wenn du eben als Autor schon merkst, ich bin mir nicht so sicher, also beim Schreiben zum Beispiel, du schreibst nicht weiter, das passiert ja dann sehr oft, weil du das Bauchgefühl hast, das passt doch irgendwie nicht so zu meiner Zielgruppe oder mein Stil schwankt ganz stark. Und ich finde, da musst du dann einen Ansprechpartner haben, der dir sagen kann, ja, also so und so könntest du das lösen oder diese Teile sind besser als die, wenn du da unsicher bist. Also das finde ich total wichtig.
Also Autoren erleben das immer so als, die will mir da reinreden, sozusagen. Das ist selbst so, wenn sie mich buchen, dass man am Anfang immer so ein bisschen sich zusammenfinden muss, wo ich sage, du wolltest ja, dass jemand dir Feedback gibt.
Und ich glaube, wenn du halt als, es gibt, ich komme gerade nicht auf den Namen, es gibt jemand, der hat The Good Place, die Serie, geschrieben, ein Amerikaner, der in einem Podcast dann erzählt hat, dass er vorher bei Saturday Night Live als Texter gearbeitet hat und er hat gesagt, dass er eigentlich nur jedem, der irgendeine Form von Text schreibt, quasi wünschen würde, dass sie durch diese Zeit gegangen sind, weil er sagt, da musst du halt jede Woche, ich sag jetzt mal, zehn Sachen pitchen.
Eine davon wird, wenn es hochkommt, genommen und dann wird die von den größten Talenten, die es in New York quasi gibt, zerrissen. Also eigentlich natürlich nur, um es zu verbessern, aber er sagt, du gehst dann so klein wieder da raus und musst dich ja dann an den Tisch setzen und die nächsten zehn Pitches machen.
Und er sagt, und wenn du das zwei Jahre gemacht hast, dann nennt er das auf Englisch, dann sind deine Texte nicht mehr so precious für dich.
Und ich finde, das ist auch was, was man eben als Berufsautor oder Texter erlebt, da kann man ganz anders mit Feedback umgehen, weil man weiß, okay, irgendwas stimmte an dieser Stelle nicht, wo sie eingehakt hat. Und vielleicht finde ich eine andere Lösung, aber da ist irgendwas nicht so ganz, passt einfach nicht.
Und das anzunehmen, ohne dann in dieses, oh mein Gott, ich kann nicht schreiben, ach, die redet mit da rein. Also viel von dieser Abwehrhaltung bei, ich sage es mal, frischen Autoren ist eben auch dieses, weil man dann auch wirklich sehr angeknickt ist im Selbstbewusstsein, weil man sich noch nicht so sicher ist, dass man schreiben kann und dann reagiert man natürlich sehr abwehrend.
[Alex] Das ist auf jeden Fall eine Entwicklung, die man dann nehmen darf, so als Erstlingsautorin und dann später. Ich glaube, was mir geholfen hat, war tatsächlich, erstmal im Selfpublishing Dinge zu machen und einfach zweimal den Prozess von vorn bis hinten quasi gemacht zu haben und beim ersten Verlagsbuch hatte ich den Eindruck, war ich auch viel bereiter, quasi Feedback zu hören und habe das dann auch gar nicht persönlich genommen.
[Nina] Ja, das ist ja auch nicht persönlich.
[Alex] Genau, das ist ja nur auf den Text bezogen. Und mir hilft immer die Vorstellung, einfach sich klarzumachen, hey, da gibt es einfach Menschen, die haben genau dasselbe Ziel wie du, nämlich den besten Text da rauszuholen, der da drin ist.
Aber ich glaube, das ist wirklich, wirklich schwer, so als... als frische Autorin, da diese Distanz zu haben zum eigenen Text.
Und ich merke das auch bei den Kundinnen, die ich jetzt habe, also jetzt nicht zum Thema Buch, aber zum Thema Websitetexte auch. Also muss man ganz behutsam immer vorneweg gehen und gucken, wie reagieren denn die Menschen auf Feedback.
Aber das sind eigentlich immer die schönsten Texte, wenn man merkt, die Leute sind bereit, auch wirklich Ideen zu hören und auch mit dem Text zu arbeiten, weil letzten Endes ist es einfach auch ein Handwerk. Man schreibt was und ein anderer Mensch hat vielleicht Ideen oder eigene Vorstellungen und dann entwickelt sich der Text zu was Neuem oder Anderem. Das ist eigentlich total toll.
[Nina] Ich habe gerade noch gedacht, ich mache da manchmal das Beispiel, weil du Handwerk sagtest, mit einem Fliesenleger oder Ähnlichem.
Wenn du jetzt sagst, ich möchte jetzt aber selber mein Bad fließen und mir die Kosten sparen, sage ich jetzt mal, dann werden die ersten Versuche wahrscheinlich nicht so toll aussehen, selbst wenn du dir viele YouTube-Videos angeguckt hast.
Und wenn jetzt jemand anders kommt oder käme und dich dabei unterstützt, das heißt ja nicht, dass, wie soll ich sagen, es geht ja darum, dass das Bad so aussieht, wie du dir das vorgestellt hast. Also mir ist dann, ich sage mal, als Handwerker ist dann wurscht, wie du, wie soll ich sagen, es sagt nichts über deine Art zu schreiben oder zu konzipieren oder dein Know-how aus, sondern mit der Erfahrung guckt man drauf und denkt, das könnte verbessert werden, das ist jetzt so noch nicht, noch nicht so toll sozusagen.
Aber wie du schon sagst, das kann man nachher dann viel besser annehmen.
Also ich sage auch immer als Tipp, wenn du jetzt zum Beispiel tatsächlich ein Buch an Agenturen rausgeschickt hast oder an Verlage und wartest jetzt händeringend darauf, dass was zurückkommt, ist mein Tipp immer, mach das nächste Buch.
Also ob jetzt ein anderes Thema oder weil in dem Moment ist, hast du dann ein neues Buchbaby, wie wir das in der Verlagsbranche nennen und dann ist das nicht mehr ganz so schlimm, wenn da zum Beispiel erstmal nichts kommt. Und gleichzeitig entwickelt sich dein Know-how eben weiter und dein Stil und Ähnliches. Das finde ich echt wichtig.
Wie können Autor*innen eine langfristige Beziehung zum Verlag aufbauen?
[Alex] Und wenn man jetzt quasi erfolgreich war und ein Buch veröffentlicht hat beim Verlag, was können denn Autorinnen und Autoren tun, um eine langfristige Beziehung zum Verlag aufzubauen, dass sie vielleicht auch ein zweites Buch oder drittes Buch da veröffentlichen?
[Nina] Also das mit der Lektorin in Kontakt zu bleiben, finde ich halt total wichtig.
Also dieses ist ein bisschen schwierig, weil man dann gucken muss, was gibt es denn zum Beispiel für Anlässe, aber wenn die einem mailt, weil zum Beispiel die zweite Auflage des Buches erscheint oder weil ein schöner Artikel irgendwo erschienen ist oder einfach auch zu Weihnachten irgendwas zu schicken und eben im Hinterkopf zu beidem oder sie auch mal zu fragen, es ist jetzt so und so lange her, dass wir das Buch gemacht haben. Ich möchte gerne noch ein Buch machen und dann zu schauen, entweder sie hat Ideen, was man basierend auf dem Thema noch machen könnte oder wenn man mehrere Themen als Autor anbieten könnte, dann könnte man ja auch von sich aus wieder einfach den nächsten Pitch machen.
Aber das eben, ich sag mal, formlos mit der zum Beispiel am Telefon zu besprechen und zu signalisieren, ich bin da ganz offen, was könnten wir denn machen, was wäre denn eine gute Richtung oder Ähnliches.
Also man muss schon ein bisschen dranbleiben, weil viele Verlagslektorinnen das jetzt nicht unbedingt auf dem Schirm haben, weil sie ja immer schon in den Programmen sind, die anderthalb bis zwei Jahre weiter sind. Das muss man sich als Autor immer klar machen. Es dauert ja lang, wenn man über einen Verlag geht, bis das Buch erscheint. Das heißt, die ist dann quasi schon zwei Jahre weiter, sage ich mal, in ihrer Planung.
Und man muss ein bisschen sich ranhalten, um dann wirklich da mit dem nächsten Buch wieder drin zu sein. Andererseits, wenn das erste noch gar nicht richtig erschienen ist, wird sie wahrscheinlich erstmal kein weiteres planen, weil man muss erstmal gucken, wie läuft denn das erste.
Aber auch zu schauen, kann ich mein erstes Buch unterstützen? Was kann ich denn machen? Weil das Marketing bleibt heutzutage immer an den Autoren hängen. Also egal, ob man jetzt Selfpublisher oder Verlagsautor ist. Das heißt auch ruhig der Lektorin zu sagen, ich habe jetzt dies und das gemacht, ich habe mich um Lesungen gekümmert oder was auch immer man getan hat. Also man sagt ja, Klappern gehört zum Handwerk, aber dass die sieht, man tut was für das Buch.
[Alex] Da waren jetzt schon super viele tolle Tipps dabei. Hast du vielleicht abschließend einen Tipp für Autor*innen, die eine Buchidee erfolgreich an einen Verlag herantragen wollen? Also was würdest du sagen, ist denn wirklich vielleicht das Allerwichtigste, wenn es denn sowas gibt?
[Nina] Die erfolgreich eine Buchidee. Also ich würde sagen, an eine Agentur herantragen, wie wir oben gesehen haben.
[Alex] Okay, das ist das schon mal ein guter Tipp. Nicht an den Verlag, sondern an eine Agentur.
[Nina] Und ganz uneigennützig würde ich sagen, sich professionelles Feedback zum Exposé zu holen, finde ich wichtig.
Also einfach auch, um das nochmal aus einer anderen Perspektive anzugucken, wie wir gerade gesagt haben, du selber bist eigentlich zu nah dran.
Also vielleicht, wenn du jemand anderem, muss ja jetzt nicht ich sein, wenn du jemand anderem sagst, das ist für die Zielgruppe das Thema, so stelle ich mir das Buch vor, ist dann dieses Exposé wirklich das Entscheidende sozusagen.
Und ich würde eben sagen, zu gucken, dass das Exposé wirklich auf die Personen zugeschnitten sind, an die du das schickst. Also ich versuche immer, den Autor*innen klarzumachen, Die haben total wenig Zeit, die gucken da ein paar Sekunden drüber, also dass man eben nicht zu langatmig und erstmal quasi drei Stunden Vorrede, sondern wirklich denen das so aufbereitet, dass die da einmal schnell drüber gleiten können sozusagen und gleich schon vom Klappentext quasi reingezogen werden. Das finde ich total wichtig.
[Alex] Ja, super. Vielen Dank, Nina, für all deine Tipps. Mir hat es großen Spaß gemacht heute mit dir. Und ich hoffe, dass es auch ganz vielen Menschen draußen weiterhilft.
[Nina] Ja, das wäre natürlich schön.
Shownotes
Social Media und ethisches Marketing - wie passt das zusammen? Teil 2: Mikrotargeting und Datenschutz
In dieser Podcastfolge machen wir weiter mit der Reihe „Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen?“. Ich hatte dir in der letzten Solofolge bereits was zum Begriff „ethisches Marketing“ gesagt. Und heute geht es um das Thema Mikrotargeting und Datenschutz.
In dieser Podcastfolge machen wir weiter mit der Reihe „Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen?“. Ich hatte dir in der letzten Solofolge bereits was zum Begriff „ethisches Marketing“ gesagt.
Und heute geht es um das Thema Mikrotargeting und Datenschutz.
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Was ist Mikrotargeting?
Stell dir vor, du gehst in einen Buchladen, schaust dich kurz im Bereich „Trennung verarbeiten“ um, blätterst einmal kurz in einem Ratgeber und gehst dann doch wieder raus, ohne was zu kaufen.
Am nächsten Tag steht ein Typ vor deiner Haustür mit einem Klemmbrett und sagt:
„Hey du! Ich hab gesehen, du interessierst dich für emotionale Verarbeitung nach Beziehungskrisen. Hier habe ich drei passende Therapie-Angebote für dich, einen Rabattcode für Schokolade – und übrigens: Deine Nachbarin weiß jetzt auch Bescheid!“
Klingt absurd? Ja.
Ist aber Alltag – zumindest online. Und vor allem auf Social Media.
Denn genau so funktioniert Mikrotargeting:
Du zeigst irgendwo Interesse – und zack, die Social-Media-Plattformen registrieren, speichern und werten das Ganze aus. Und anschließend verkaufen sie diese Informationen an Werbetreibende weiter.
Der Begriff Mikrotargeting bezeichnet also eine datenbasierte Marketingstrategie, bei der Zielgruppen unterschiedlich angesprochen werden und zwar nach Alter, Wohnort, Geschlecht, Interessen und vielem, vielem mehr. Und das Ganze auch noch mit verschiedenen, individuell zugeschnittenen Botschaften.
Ganz konkret heißt das, dass Selbstständige und Unternehmen auf Social Media Werbung schalten und diese Werbung personalisieren. Also mithilfe des mächtigen Werbeanzeigenmanagers den exakt richtigen Menschen zur exakt richtigen Zeit ausspielen.
Und wenn du Social Media selbst nutzt, wird das Alltag für dich sein. Da wirst du alles bereits kennen:
Du guckst dir zum Beispiel in einem Onlineshop neue Sneaker an. Und wenn du wieder zurück zu Instagram gehst, werden dir genau dieselben Sneaker als Werbung angezeigt.
Das ist natürlich kein Zufall.
Soziale Medien stellen Werbetreibenden einen Code zur Verfügung, der auf ihrer Website eingebunden werden kann.
Bei den Meta-Diensten Facebook und Instagram ist es das sogenannte Meta-Pixel.
Aktuell binden laut einer Studie etwa 11% aller Websites das Pixel ein, also etwa 22 Millionen Websites weltweit.
Das sind meist Selbstständige und Unternehmen und andere Organisationen, die das tun.
Wenn das Pixel eingebunden ist, registriert es (nahezu) jede Handlung, die auf der Website vollzogen wird, also zum Beispiel
wenn du einen Artikel liest
wenn du dir ein Video anschaust
dich zum Newsletter anmeldest
eine PDF downloadest
ein Produkt zum Warenkorb hinzufügst
oder ein Produkt kaufst
und so weiter
Diese Informationen leitet das Pixel dann an die Social-Media-Plattformen weiter. Jedes Pixel hat eine bestimmte ID und kann damit dem entsprechenden Werbekonto genau zugeordnet werden.
Damit können die Social-Media-Plattformen nun den Nutzer*innen im zweiten Schritt Werbeanzeigen zeigen, die perfekt auf ihr Verhalten zugeschnitten sind.
Wenn du dir zum Beispiel auf einer Website ein Video angeguckt hast, bekommst du vermutlich andere Werbeanzeigen ausgespielt als die Menschen, die bereits ein Produkt im Warenkorb hat.
Ja, neben den Informationen, die die Plattformbetreiber vom Pixel bekommen, werten Facebook und Co. auch das Verhalten auf den Plattformen selbst aus.
Zum Beispiel:
Welche Seiten oder Beiträge gefallen dir?
Mit welchen Inhalten hast du in der Vergangenheit interagiert?
Wem folgst du?
Und natürlich haben die Plattformbetreiber auch Zugriff auf die persönlichen Informationen, die bei der Anmeldung fällig wurden oder die im Profil dann freiwillig ergänzt wurden, also:
Alter, Wohnort, Geburtsort, Beziehungsstatus und so weiter.
Das alles ist eine mächtige Kombination. Und so ist es kein Wunder, dass personalisierte Werbung für die meisten Selbstständigen und Unternehmen nicht mehr aus dem Marketing wegzudenken sind.
Es gibt tatsächlich eine Menge Vorteile für personalisierte Werbung. Und vermutlich kennst du sie auch alle bereits. Denn in der Marketing-Bubble dominiert diese Ansicht eindeutig:
Vorteil eins – ich hatte es gerade schon erwähnt –, dass wir damit gezielt eine bestimmte Gruppe von Menschen ansprechen können. Wir könnten zum Beispiel offene Stellen nur Männern zeigen oder nur Frauen unter 30. Warum das ethisch ein Problem sein könnte, da werde ich gleich noch drüber sprechen.
Ein weiterer Vorteil von personalisierter Werbung auf Social Media ist, dass wir damit neue Zielgruppen erschließen können und damit schneller Reichweite aufbauen und unsere Onlinesichtbarkeit erhöhen können.
Ein dritter Vorteil ist, dass wir damit Freebies oder Webinare wieder gezielt bewerben können und damit unsere E-Mail-Liste schneller aufbauen können oder effektiver launchen können.
Und schließlich lassen sich mit Retargeting-Kampagnen Menschen kontaktierten, auch das hab ich schon gerade erwähnt, die fast bei uns gekauft haben. Zum Beispiel haben sie bereits ein Produkt im Warenkorb liegen und werden dann mit der Ad daran erinnert, das Produkt auch zu kaufen.
Ja, das sind einige der wichtigsten Vorteile von Mikrotargeting und personalisierter Werbung. Das war in aller Kürze ein Abriss, was das alles eigentlich ist.
Doch wir müssen uns jetzt unbedingt auch die andere Seite anschauen: die Probleme und ethischen Herausforderungen, sag ich mal, die sich durch den Einsatz von personalisierter Werbung auf Social Media ergeben.
Ja, wo fangen wir bloß an?
#1 Datenschutz
Am besten bei dem Thema Datenschutz. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass Mikrotargeting darauf basiert, dass Websiteverantwortliche das Meta-Pixel auf ihren Websites einbinden.
Doch der Einsatz des Pixels ist aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch, denn:
Es werden personenbezogene Daten erhoben und gespeichert. Es sind also keine anonymen Daten oder zumindest pseudonymisierte Daten, sondern Informationen, die sich explizit auf eine Person beziehen.
Diese Daten werden in die USA an den Meta-Konzern übermittelt und ausgewertet.
Und diese Informationen werden Werbetreibenden zur Verfügung gestellt.
Und schließlich kann auch die US-Regierung theoretisch jederzeit Zugriff auf diese Daten bekommen.
Rechtlich sind Websitebetreiber*innen – also Selbstständige und Unternehmen – dafür verantwortlich, das Pixel datenschutzkonform einzubinden.
Doch viele informieren lediglich in ihren Datenschutzhinweisen darüber, dass sie das Meta-Pixel nutzen. Doch dieser Hinweis allein ist eben nicht ausreichend. Eine solche Verwendung des Pixels ist nämlich nicht DSGVO-konform.
Menschen müssen aktiv in die Nutzung der Daten und das Anzeigen von personalisierter Werbung einwilligen bzw. der Nutzung widersprechen können. Das nennt sich Opt-in- und Opt-out-Möglichkeit.
Und das bieten wohl die meisten Cookie-Consent-Banner, weshalb es nach allgemeiner Auffassung ausreicht, solch ein Tool zu nutzen, um sich vor einer Abmahnung zu schützen.
Die Herausforderung ist aber, dass das Meta-Pixel nicht laden soll, bis die Einwilligung erteilt ist. Denn nicht alle Websiteverantwortliche haben das nötige Wissen, das auch technisch umzusetzen.
Und vermutlich wird das Tracking in den meisten Fällen dennoch ohne das Wissen der Websitebesucher*innen erfolgen.
Denn vielleicht kennst du das auch:
Oft machen wir uns einfach nicht die Mühe, beim Cookie-Banner auf „Einstellungen“ zu klicken und das Tracking zu deaktivieren. Und ob Menschen, die noch nie in Berührung mit dem Werbeanzeigenmanager gekommen sind, überhaupt von der Existenz und dem Einsatz eines solchen Pixels wissen, sei auch mal dahingestellt.
Warum ist der Schutz personalisierter Daten jetzt überhaupt so wichtig?
Viele Selbstständige, und ich hab ehrlicherweise auch lange Zeit dazu gehört, finden das Thema Datenschutz extrem unsexy und unnötig und lästig. Und wenn auch du bereits schlechte Laune bekommst, wenn du auch nur das Wort „DSGVO“ hörst, könnte es sein, dass du überhaupt keinen Bock auf diese Folge hast und dir gerade denkst: „Oh, Datenschutz? Nicht schon wieder!“
Doch das Ding ist, dass Privatsphäre und Datenschutz zwei Grundrechte sind, die zum Beispiel in EU-Verträgen verankert sind oder in der EU-Charta der Grundrechte.
Und das hat einen guten Grund.
Stell dir vor, du sitzt in einem Café, redest mit einer Freundin über deinen Plan, dich selbstständig zu machen – ganz privat, leise, ohne dass jemand mithören soll.
Und plötzlich kommt der Kellner zurück und legt dir kommentarlos drei Flyer auf den Tisch:
– für eine Steuerberatung
– einen Online-Kurs zur Sichtbarkeit
– und für ein Coaching gegen Versagensängste
Und genau so fühlt es sich an, wenn du online ein bisschen suchst, ein bisschen klickst und plötzlich Werbung bekommst, die zu genau weiß, was gerade in deinem Leben los ist. Ohne, dass du jemals bewusst zugestimmt hast, diese Info zu teilen.
Deshalb geht’s beim Datenschutz nicht um Bürokratie. Das ist die falsche Perspektive.
Es geht darum, die Kontrolle über deine eigenen Gedanken, Gefühle und Entscheidungen zu behalten – auch im digitalen Raum.
Und wer dazu sagt „Ich hab doch gar nichts zu verbergen“ – meine Lieblingsantwort kommt von Edward Snowden. Er sagt in etwa:
„Zu argumentieren, dass du keine Privatsphäre brauchst, weil du nichts zu verbergen hast, ist in etwa so, als würdest du sagen, dass du keine Meinungsfreiheit brauchst, weil du gerade mal nichts zu sagen hast.“
Es ist also eine gefährliche Kurzsichtigkeit.
Und ich werfe einfach mal ein paar Reflexionsfragen in den Raum, die du mal ganz in Ruhe für dich nach der Folge klären kannst:
Bist du dir sicher, dass dein Pixel wirklich erst nach aktiver Zustimmung lädt?
Wie würdest du reagieren, wenn du in einem anderen Geschäft so „beobachtet“, „verfolgt“ und analysiert würdest wie online?
Hättest du selbst Lust, mit einem Unternehmen zu arbeiten, das deine Daten ungefragt an Dritte weitergibt?
Widerspricht der Einsatz solcher Tracking-Tools vielleicht deinen eigentlichen Werten – zum Beispiel Vertrauen, Respekt oder Selbstbestimmung?
Wie möchtest du in Zukunft Werbung für dein Thema oder deine Produkte machen? Als Mensch, der verfolgt – oder als Mensch, der einlädt?
#2 Content Optimization und Dark Patterns
Hinzu kommt noch, dass es inzwischen eine ganze Marketingdisziplin gibt, die sich damit befasst, möglichst viele Menschen dazu zu bringen, möglichst niedrigen Datenschutzbestimmungen zuzustimmen, damit möglichst zielgerichtete Werbeanzeigen geschaltet werden können.
Das nennt sich Consent Optimization und es geht dabei im Großen und Ganzen darum, durch ein spezielles Wording oder Design Menschen dazu zu „motivieren“, Tracking zu akzeptieren.
Diese Consent-Optimierung öffnet Tür und Tor für sogenannte Dark Patterns, also Strategie-, Design- oder Sprachmuster, die Menschen zu einem bestimmten Verhalten verleiten und ethisch fragwürdig sind.
Zum Beispiel:
Du besuchst eine Website und sofort poppt ein Cookie-Banner auf, wie es rechtlich ja auch sein muss.
Dieses Cookie-Banner ist ganz groß, bunt und genau in der Mitte siehst du einen grünen Button mit „Zustimmen und weiter“.
Daneben, ganz klein und grau, irgendwo in einer Ecke siehst du dann „Einstellungen“ oder „Nur notwendige Cookies zulassen“.
Wenn du da draufklickst, öffnet sich eine verschachtelte Liste mit 30 Häkchen – und du musst aktiv alle Werbepartner abwählen.
Das dauert, nervt und vielleicht gibst du an dieser Stelle auch schon auf.
Das ist Consent Optimization.
Nicht, um dir alle Möglichkeiten gleichwertig zu präsentieren und dir die Wahl zu lassen, sondern um dich dazu zu bringen, möglichst schnell „Ja“ zu sagen.
Technisch gesehen ist das eine Einwilligung. Ethisch gesehen geht es vielleicht auch schon in Richtung Manipulation.
Wenn du willst, kannst du an dieser Stelle auch schon mal für dich reflektieren:
Hast du schon mal aus Bequemlichkeit bei einem Cookie-Banner auf „Akzeptieren“ geklickt, obwohl du es eigentlich nicht wolltest? Und wie ging es dir dabei?
Wie geht es dir, wenn du merkst, dass alle Alternativen gleichwertig präsentiert werden und du dich frei entscheiden darfst?
Wie könnte das bei den Menschen sein, die den Cookie-Banner auf deiner Website sehen?
#3 Überwachungskapitalismus und Gefahr für die Demokratie
Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück und kommen zum dritten Punkt, den man auf dem Schirm haben muss, wenn man sich für oder gegen den Einsatz von personalisierter Werbung entscheidet.
Ich hatte es schon erwähnt:
Egal, was wir auf Social Media tun – die Plattformbetreiber schauen uns ganz genau zu und schreiben akribisch mit. Sie wissen im Grunde alles über uns: Jedes Like, jedes Follow, jeder Kommentar, ja, jede Sekunde, die wir zögern, bevor wir weiterscrollen, wird registriert, gespeichert und analysiert.
Die Harvard-Professorin und Autorin Shoshana Zuboff spricht in ihrem Buch, das auch so heißt, von einem „Überwachungskapitalismus“.
Das bedeutet: Die Plattformbetreiber sammeln diese Daten nicht nur – sie haben sie zu einem Wirtschaftsgut erklärt. Und während sie alles über uns wissen, sind sie uns gegenüber komplett aber unkenntlich und intransparent.
Das heißt, das ist eine beispiellose Asymmetrie an Wissen und Macht. Und dieses Wissen nutzen Plattformbetreiber, um Menschen zu beeinflussen, aber nicht zum Vorteil dieser Menschen, sondern zum Vorteil der Menschen, die für diese Daten bezahlen, also Werbetreibende.
Und genau diese Mechanismen machen nun immer öfter Probleme.
Rechtsextreme Parteien und Gruppierungen oder Verschwörungstheoretiker*innen verbinden Mikrotargeting zum Beispiel mit radikalen Inhalten und mobilisieren oder demobilisieren gezielt bestimmte Gruppen.
Donald Trumps Wahlkampfteam zum Beispiel nutzte schon in der US-Wahl 2016, also vor neun Jahren, Daten von 200 Millionen Wahlberechtigten, um Schwarze, die damals mehrheitlich Demokraten wählten, mit „Negativwerbung“ gezielt vom Wählen abzuhalten.
Andere Berichte zeigen, dass Facebook es zulässt, dass Immobilienwerbung nur Weißen angezeigt wird (und nicht Schwarzen) und erst 2017 die Möglichkeit, Werbeanzeigen an selbsterklärte „Judenhasser“ auszuspielen, entfernte.
Und manchmal ist es auch schlicht Unwissen oder mangelndes Bewusstsein, das zu einem Problem führt.
Im Juli 2023 wurde zum Beispiel bekannt, dass die Polizei in England das Meta-Pixel auf Meldeseiten für häusliche Gewalt verwendete und diese sensiblen Daten an Meta weiterleitete. Damit waren die Menschen für Meta als mögliche Opfer häuslicher Gewalt erkennbar.
Mikrotargeting mag also nach einer tollen Chance für Selbstständige und Unternehmen klingen, ja.
Doch es stellt inzwischen immer mehr eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie dar, die so langsam nicht mehr wegdiskutiert werden kann.
Die Stimmung wird beeinflusst, politische Entscheidungen werden beeinflusst, Wahlen werden durch Mikrotargeting beeinflusst.
Und Selbstständige und Unternehmen, die Mikrotargeting nutzen, unterstützen mit jeder Kampagne dieses Geschäftsmodell.
Und auch hier will ich dir einfach mal drei Fragen mitgeben:
Was passiert mit Vertrauen, wenn Werbung sich wie Überwachung anfühlt?
Willst du Teil eines Systems sein, das Menschen weniger frei statt freier macht?
Willst du mit deinem Geld ein System unterstützen, das immer öfter die Demokratie gefährdet?
#4 Manipulation
Kommen wir zum vierten wichtigen Aspekt: der Manipulation.
Mikrotargeting kann Menschen nämlich unbemerkt in eine ganz bestimmte Richtung lenken – emotional, politisch oder kommerziell.
Ich will jetzt damit nicht sagen, dass das über Lügen geschieht, sondern einfach nur durch gezielt platzierte Inhalte, die bestimmte Emotionen triggern – Angst, Hoffnung, Unsicherheit, was auch immer.
Das ist problematisch, weil …
Nutzer*innen so gar nicht merken oder wissen, warum sie etwas sehen.
Weil Werbung sie oft in verletzlichen Momenten trifft, zum Beispiel nach einer Trennung, Krankheit oder einem Jobverlust
Oder weil Entscheidungen nicht mehr aus innerer Überzeugung entstehen, sondern aus einer extern gesteuerten „Stimmungslage“.
Auch hier wieder ein Beispiel:
Stell dir vor, du hast gerade eine Phase, in der du vermehrt an dir selbst zweifelst. Vielleicht hat dir jemand abgesagt, du hast einen Pitch verloren oder dich mit deinem Partner oder deiner Partnerin gestritten.
Du scrollst durch Social Media und dann erscheint genau in diesem Moment eine Anzeige und da heißt es:
„Bist du manchmal unsicher, ob du wirklich gut genug bist?
Hier ist dein Weg raus aus der Selbstsabotage.
Nur noch heute: 50 % Rabatt auf mein Intensiv-Coaching.
Du denkst:
„Wow – das passt ja gerade wirklich wie die Faust aufs Auge.“
Aber die Frage ist:
Passt es wirklich zu dir – oder nicht viel mehr zu deinem temporären emotionalen Zustand?
Diese Anzeige wurde dir nämlich nicht zufällig ausgespielt.
Sondern basierend auf deinem bisherigen Verhalten oder deinem aktuellen Verhalten:
– deinen Suchbegriffen
– deinen Likes
– deiner Verweildauer bei bestimmten Inhalten
– deinen Klicks auf Beiträge mit ähnlichen Emotionen
- und so weiter
Was hier passiert, ist keine reine Information.
Das ist Stimmungsausnutzung, könnte man sagen.
Dein Bedürfnis wird nicht nur angesprochen, sondern auch verstärkt – damit du kaufst.
Solche Strategien können dazu führen, dass du Kaufentscheidungen triffst,
– die du später vielleicht bereust
– die du dir eigentlich nicht leisten kannst
– oder die auf einem kurzzeitigen Gefühl basieren statt auf wirklichem Bedarf
Und das passiert, wie gesagt, alles nicht zufällig, sondern weil Algorithmen gelernt haben, wie sie dich „weichkochen“ können.
Nicht weil du schwach bist, sondern weil du einfach ein Mensch bist.
Auch hier habe ich ein paar Reflexionsfragen für dich:
Wann hast du dich zuletzt emotional von Social Media Ads angesprochen gefühlt – und war dir klar, warum?
Wie würdest du es finden, wenn deine eigenen Unsicherheiten gezielt für Werbezwecke genutzt würden?
Wenn du selbst Werbung schaltest: Nutzt du gezielt bestimmte Emotionen, um Menschen zu „aktivieren“? Und wenn ja – wie weit möchtest du da gehen?
#5 Diskriminierung – wer wird ausgeschlossen oder anders behandelt?
Kommen wir zum letzten Punkt: der Diskriminierung.
Mikrotargeting funktioniert über Profile, und Profile basieren auf Vorannahmen.
Das kann dazu führen, dass Menschen bestimmte Informationen gar nicht mehr sehen, weil ein Algorithmus entschieden hat, dass sie „nicht zur Zielgruppe“ gehören.
Das kann zum Beispiel dazu führen, dass …
Frauen seltener Finanz- oder Tech-Anzeigen zu sehen bekommen
ältere Menschen weniger digitale Weiterbildungsangebote sehen
Menschen mit Migrationsgeschichte bewusst ausgelassen werden
oder politische Filterblasen sich weiter verhärten
Zum Beispiel kann es sein, dass Arbeitgeber gezielt Anzeigen nur an junge, männliche User ausspielen – obwohl vielleicht auch ältere oder weibliche Bewerber*innen grundsätzlich infrage kommen würden.
Heißt konkret:
Du als Frau über 40 bekommst du die Anzeige für den gut bezahlten Job vielleicht gar nicht zu sehen – weil ein Algorithmus entschieden hat, dass du nicht zur Zielgruppe passt oder weil Werbetreibende beschlossen haben, die Werbeanzeige nur an Männer auszuspielen.
Und das alles bemerkst du gar nicht, weil du natürlich nie erfährst, was du nicht gesehen hast.
Auch hier möchte ich dir ein paar Fragen zum Weiterdenken geben:
Ist es okay, Anzeigen nur bestimmten Gruppen zu zeigen, auch wenn andere genauso qualifiziert oder interessiert wären?
Würdest du wollen, dass ein Algorithmus entscheidet, welche Inhalte du siehst und welche nicht?
Welche Targeting-Optionen nutzt du, wenn du Werbung auf Social Media schaltest? Ist dir klar, wen du damit gezielt ausschließt?
Fazit
Du siehst: Es ist eine ganz schön komplizierte Sache: Mikrotargeting ist im digitalen Marketing allgegenwärtig – und auf den ersten Blick auch effektiv.
Es ermöglicht punktgenaue Werbung, verspricht höhere Reichweite, bessere Conversion-Raten und gezieltere Ansprache.
Doch diese Vorteile haben ihren Preis: den Schutz unserer Daten und unserer Privatsphäre, unsere Entscheidungsfreiheit und vielleicht sogar demokratische Grundwerte.
Die zentrale Frage, die für mich am Ende bleibt, ist:
Wie wollen wir Marketing machen?
Als Menschen, die einladen und auf Augenhöhe kommunizieren – oder als Teil eines Systems, das immer wieder manipuliert, ausschließt und überwacht?
Shownotes
Warum ist digitale Barrierefreiheit auch für Selbstständige wichtig, Nina Jameson?
In dieser Podcastfolge habe ich Nina Jameson von „Gehirngerecht Digital“ zu Gast. Im Interview sprechen wir darüber, warum digitale Barrierefreiheit auch für Selbstständige wichtig ist, die nicht vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das Juni 2025 ja in Kraft tritt, betroffen sind. Und wir reden über typische Barrieren auf Websites und wir sie beseitigen können.
In dieser Podcastfolge habe ich Nina Jameson von „Gehirngerecht Digital“ zu Gast. Ich habe sie bereits in meinem gerade erschienen Buch „Don’t be evil: Wie gutes Marketing gelingt“ zu digitaler Barrierefreiheit interviewt. Und weil ich das für so ein wichtiges Thema halte, habe ich sie auch noch mal in den Podcast eingeladen.
Im Interview sprechen wir darüber, warum digitale Barrierefreiheit auch für Selbstständige wichtig ist, die nicht vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das Ende Juni ja in Kraft tritt, betroffen sind. Und wir reden über typische Barrieren auf Websites und wir sie beseitigen können.
Transkript lesen
Digitale Barrierefreiheit verstehen
[Alex]Ja, hallo Nina, was genau bedeutet eigentlich digitale Barrierefreiheit? Hast du vielleicht ein griffiges Beispiel, das direkt klar macht, was es eigentlich ist, worum es da geht?
[Nina]Digitale Barrierefreiheit, da kommt es natürlich immer darauf an, wen man fragt. Grundsätzlich, worum geht es überhaupt? Es geht darum, dass jeder Teilhabe am digitalen Leben haben kann.
Prinzipiell ist es so, dass wenn Software entwickelt wird, dass man sich vor allem auf die Bedienbarkeiten konzentriert, die man eben selber hat oder die vor allem im Team vorhanden sind. Und das heißt dann Bedienung mit der Maus oder mit der Tastatur, vielleicht auch per Touch, wenn du Webseiten entwickelst.
Aber jetzt Nutzungsweisen, wie es zum Beispiel eine blinde Person mit der Webseite interagiert oder eine Person, die vielleicht keine Hände hat, die dann Sprachsteuerung verwendet. Sowas wird in der Regel eher weniger berücksichtigt.
Und in der digitalen Barrierefreiheit versuchen wir, alle Nutzungsstrategien unter einen Hut zu bekommen und Webseiten so zu programmieren, dass eben jeder bedienen kann, egal wie er oder sie eben Webseiten bedienen möchte.
[Alex]Und warum sollten sich Solo-Selbstständige auch mit diesem Thema beschäftigen? Warum ist das für sie relevant?
[Nina]Weil es einfach viel damit zu tun hat, qualitativ hochwertige Webseiten zu entwickeln, würde ich sagen.
Jetzt aus einer fachlichen Perspektive betrachtet, ist das tatsächlich eine recht große Wissenslücke, die wir in den Fachbereichen haben. Es ist tatsächlich egal, ob man sich Designentwicklung oder die Redaktion anschaut.
An sich ist, barrierefreie Inhalte zu erstellen, gar nicht so anders als einfach gute Inhalte zu erstellen. Es sind nur viele Dinge, die man halt wirklich nicht macht, wenn man Inhalte barrierefrei erstellt.
Wenn wir uns beispielsweise die Entwicklung rauspicken würden, wenn ich eine Webseite selber programmieren würde, dann würde ich dafür HTML benutzen.
Das ist eine Sprache, mit der ich beschreiben kann, wie meine Webseite denn aufgebaut sein soll. Und indem ich einfach die Sprache richtig verwende und wirklich in der Anwendung korrekt nutze, entstehen dann auf der Seite meines Gegenübers sehr viel weniger Barrieren. Und das sind genau diese Wissenslücken, die oft im Handwerk auftauchen, die am Ende dann dafür sorgen, dass eine Webseite nicht barrierefrei ist.
Und da gibt es dann auch, finde ich, oft eine falsche Wahrnehmung davon, dass Barrierefreiheit gar nicht heißt, viel extra zu machen, sondern wenige Dinge einfach richtig zu tun, die dann beim Gegenüber nicht aufschlagen und als Barriere enden, sozusagen.
Relevanz der digitalen Barrierefreiheit für Solo-Selbstständige
[Alex]Wenn ich auch so mir angucke, wie ich selbst zum Thema Marketing gekommen bin, also man hat ja eigentlich immer nur gelernt, was effektiv ist, was funktioniert, aber selten, wie möglichst viele Menschen Zugang dazu finden.
Also begegnet dir das auch, dass man erstmal auch Menschen dahin bringen muss, sich überhaupt mit diesem Thema zu beschäftigen?
[Nina]Ja, absolut, weil wir in der Praxis einfach sehr wenig Berührungspunkte haben mit Menschen mit Behinderung.
Also wir sind ja wirklich weit davon, eine inklusive Gesellschaft zu sein und deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass wir da in der Umsetzung überhaupt keinen Blick dafür haben, was brauchen andere Menschen denn eigentlich?
Also ich habe zehn Jahre in der Individualentwicklung gearbeitet und habe tatsächlich in dieser ganzen Zeit nie mit jemandem zusammengearbeitet, der eine Behinderung hatte, und dementsprechend habe ich mir natürlich auch nie die Frage gestellt, was braucht eine Person überhaupt, um eine Webseite zu bedienen und gibt es überhaupt andere Möglichkeiten, das zu machen, als ich es tue?
Also schon alleine die Frage, warum sollte man sich das denn stellen? Und ich glaube, das ist so weit weg von vielen Realitäten, dass man davon alleine gar nicht drauf kommt. Deswegen insofern auf jeden Fall, man muss diese Welt aufmachen und einfach mal zeigen, was gibt es denn eigentlich da draußen noch und wie funktioniert das denn überhaupt?
Ist natürlich auch sehr spannend, das einmal zu sehen und zu erfahren, wie unterschiedlich die Strategien sind, Inhalte zu konsumieren.
[Alex]Und abgesehen von diesem Gedanken, dass wir ja alle oder möglichst viele Menschen, hoffe ich, eine inklusive Welt und Gesellschaft anstreben, kommt Ende Juni ja auch ein bestimmtes Gesetz oder tritt in Kraft. Kannst du da mal ein bisschen drüber erzählen?
Ich weiß, du bist keine Rechtsanwältin, aber was sagt das so grob und wer ist davon betroffen überhaupt?
[Nina]Sehr gerne. Genau, das ist das Barrierefreiheitstärkungsgesetz, das Ende Juni in Kraft tritt.
Und es betrifft vor allem die Privatwirtschaft und da den B2C-Bereich, also überall dort, wo an Endkund*innen verkauft wird, müssen in Zukunft Inhalte barrierefrei sein.
Also große Online-Shops sind zum Beispiel davon betroffen, größere Friseurketten, wo man online einen Termin buchen kann, wenn Restaurantketten, die eine Größe erreicht haben, Online-Reservierungstools verwenden, sowas muss dann barrierefrei gemacht werden in Zukunft.
Und Grund dafür ist ganz einfach der, dass die Privatschwirtschaft und tatsächlich jetzt auch in der Vergangenheit der öffentliche Bereich, die fangen nicht von alleine an, Inhalte barrierefrei zu machen. Da hat man die Leute ein bisschen reinzwingen müssen.
Und ich muss auch ganz ehrlich sagen, ich finde es auch ganz gut so, weil Barrierefreiheit ist für mich so das perfekte Beispiel dafür. Ohne das Wirksamwerden des Gesetzgebers hätte sich hier nichts getan. Und dann bemerken auch alleine dadurch, dass jetzt klar wird, okay, das Gesetz kommt, jeder muss in Barrierefreiheit investieren, die Leute würden es nicht machen, wenn sie nicht müssten.
Und durch diesen Zwang machen sich aber auch viele jetzt erstmal in der Welt auf und kommen dann auch in das Thema rein und ändern dann schon auch ihre Einstellung dazu und finden es dann auch wichtig. Also ich kann gut verstehen auch immer, wenn man sagt, Zwang ist vielleicht nicht oft das beste Mittel der Wahl. In diesem Fall ist es aber viel, auch jemanden erstmal wirklich damit konfrontieren und vertraut machen mit dem Thema und viele finden dadurch einen sehr guten Zugang. zu dem Bereich.
[Alex]Und Solo-Selbstständige sind da erstmal außen vor meistens, wenn ich das richtig verstehe.
[Nina]Genau, also es kommt immer drauf an, also letzten Endes muss man sich natürlich dann von dem Anwalt oder von der Anwältin eine Einschätzung geben lassen, wer jetzt unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fällt oder nicht.
Prinzipiell gibt es aber Ausnahmen für Unternehmen. Bezieht sich auf die Regelung für Kleinstunternehmen, also Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter und weniger als 2 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen, die müssen nicht barrierefrei werden.
Also es hat vor allem den Grund, dass wenn man sich jetzt überlegen würde, wir haben irgendwie einen kleinen Online-Shop, den haben wir letztes Jahr in Auftrag gegeben, wir verdienen damit im Jahr 500 Euro, dann müssen wir keine 20.000 Euro ausgeben, um den Shop neu machen zu lassen. Also der Gesetzgeber will nicht, dass Leute pleite gehen deswegen.
Aber es gibt außerhalb von der Regelung, jetzt hat es keine pauschale Ausnahme, wo man sagen kann, okay, die Leute müssen das nicht machen. Aber das wäre eben etwas, wenn man sagt, okay, man ist recht klein, dann wäre man nicht direkt davon betroffen.
Oder aber auch zum Beispiel, wenn man ein spezielles Feature hat, das so erstmal gar nicht barrierefrei zu machen ist, dann könnte man da auch Ausnahmen für sich in Anspruch nehmen. Zum Beispiel, wenn man sich jetzt da sowas wie Google Maps anschauen würde, so diese Drag-and-Drop-Funktionalität, die Google Maps normalerweise hat, das ist nicht zu bedienen mit jemandem, der halt diese Drag-Funktionalität nicht machen kann. Das wären dann auch Ausnahmen, auf die man sich berufen kann, aber die müssen immer im Einzelfall untersucht werden am Ende.
SEO und Barrierefreiheit
[Alex]Und trotzdem ist es ja für Solo-Selbstständige wichtig oder kann es ja sinnvoll sein, sich mit digitaler Barrierefreiheit zu beschäftigen. Ein Grund ist ja zum Beispiel das Thema SEO. Kannst du da vielleicht den Zusammenhang herstellen, warum das auch für die Auffindbarkeit oder die Rankings gut sein kann?
[Nina]Ja, total. Also eine barrierefreie Webseite ist am Ende eine sehr technisch saubere Webseite. Viele Menschen mit Behinderung verwenden assistive Technologie.
Wenn sie mit Webseiten interagieren. Das kann Software sein, das kann aber auch Hardware sein. Am Ende läuft es aber immer darauf hinaus, dass irgendwer versucht, unsere Webseite oder unsere Posts auf Social Media oder unsere PDF-Dokumente auszulesen.
Und wenn wir sie barrierefrei machen, dann machen wir sie eigentlich technisch besonders gut lesbar. Und eine Suchmaschine ist am Ende nichts anderes als eine Art Technologie, die unseren Content verstehen will. Deswegen sind barrierefreie Webseiten absolute SEO-Rennmaschinen. Da geht es tatsächlich Hand in Hand, würde ich sagen.
[Alex]Und es ist ja nicht nur die Technik, das ist ja auch wahrscheinlich die Sprache. Also wenn ich eine eher einfachere Sprache verwende, ist es ja auch irgendwie für alle gut, wenn ich verstanden werde.
[Nina]Ja, absolut. Das ist ganz spannend, weil da haben wir ja dann auch einen Unterschied zwischen den Anforderungen in der Privatwirtschaft, in dem öffentlichen Bereich.
Der öffentliche Bereich, der muss Inhalte in Leichter Sprache vorhalten. Das ist etwas, für die Privatwirtschaft kommt es nicht. Da ist irgendwo festgehalten, dass Inhalte in Einfacher Sprache dargeboten werden sollen.
Jetzt ist aber sehr schwer zu sagen, was bedeutet Einfache Sprache genau. Das ist sehr schwer messbar, vor allem, wenn man dann sowieso eigentlich in der Experten-Domäne unterwegs ist. Da muss man mal gucken, okay, was kann das jetzt hier genau heißen.
Da haben die Privatwirtschaft und Unternehmen auf jeden Fall weniger zu tun. Und man tut sich am Ende aber immer einen Gefallen damit, wenn man einfacher kommuniziert. Das merken wir auch in unserer Sprache, dass wir mehr Leute erreichen, wenn wir einfach Dinge erklären.
Typische Barrieren auf Webseiten
[Alex]Was sind denn jetzt so deiner Erfahrungen nach typische Barrieren auf Websites von Solo-Selbstständigen? Also ich denke jetzt nicht an so große Unternehmen, sondern, keine Ahnung, an die Grafikdesignerin, die über ihr Angebot informiert und dann vielleicht ein Portfolio hat und ein Kontaktformular und einen Podcast vielleicht. Also was kannst du da sagen? Was ist so typisch?
[Nina]Es ist ganz spannend, weil es sind tatsächlich meistens immer dieselben und da ist ganz egal, ob man sich eine große Webseite anschaut oder eine kleine. Und so die wirklich diese kleinen, einfachen Dinge, die man immer findet, sind, dass Bilder keine Alternativtexte haben.
Also es gibt natürlich viele verschiedene Arten von Bildern. Wenn wir jetzt vorstellen, wir haben eine Webseite und da steht unser Portfolio drauf und wir stellen irgendwelche Arbeiten von uns vor, dann ist es natürlich toll, wenn wir die Bilder so beschreiben, dass die auch von jemandem wahrgenommen werden können, der vielleicht Bilder nicht sieht. Und sowas sind Fehler, die finden wir auch sehr oft auf Webseiten.
Kontrastprobleme. Es gibt Anforderungen, die ganz klar spezifizieren, wie stark soll sich Text von Hintergrund abheben, damit man das gut lesen kann. Sowas ist öfter ein Thema.
Tastaturbedienbarkeit ist oft ein Problem. Das heißt, wenn ich auf eine Webseite gehe, dann möchte ich in der Lage sein, überhaupt nicht die Maus nutzen zu müssen, sondern nur mit meiner Tastatur mich entlang der Webseite zu bewegen.
Dafür verwendet man in der Regel die Tab-Taste. Die Tab-Taste ist die Taste überhalb der dauerhaften Hochstelltaste und damit kann ich quasi von Element zu Element springen. Und eine barrierefreie Webseite würde das im Endeffekt hergeben, dass ich auch immer bestimmen kann, wo befinde ich mich gerade. Sowas funktioniert oft nicht.
Und das Spannende ist aber auch gerade bei Solo-Selbstständigen, die wahrscheinlich dann ihre Webseite eher nicht selber programmieren, sondern dann auf CMS-Systeme zurückgreifen, wie jetzt WordPress oder Joomla oder Typo3 oder vielleicht andere Tools, dass ganz oft die Tools schon so problematisch sind, dass man damit gar keine barrierefreie Webseite bauen kann, weil die Struktur, die ausgespuckt wird von den Tools, einfach nicht sauber ist.
Und damit kann man, wenn es blöd läuft, sich schon generell sehr viel verbauen. Deswegen immer Augen auf bei der Tooling-Wahl. Da kann es dann sehr schwer werden.
CMS und Barrierefreiheit
[Alex]Ja, das wäre tatsächlich auch meine nächste Frage aus rein egoistischen Motiven. Ich bin nämlich bei Squarespace und habe mich jetzt auch vor einiger Zeit informiert, wie die das denn halten mit Barrierefreiheit.
Und die sagen so viel wie: Ja, jeder ist dafür selbst verantwortlich. Also die gewähren da nicht irgendwie Zugang zu irgendwelchen Codes.
Genau, also muss man sich dann im Grunde fragen: Will ich da noch sein, wenn ich digitale Barrierefreiheit umsetzen und angehen will? Muss ich dann unter Umständen tatsächlich das CMS wechseln?
[Nina]Ja, also das kommt immer ein bisschen an. Also prinzipiell, wir verfahren da so. Wenn wir evaluieren wollen, ob ein Tool barrierefreie Ergebnisse erzeugt, das Erste, was ich immer mache, ist, ich gehe auf die Webseite und versuche auf der Webseite eine Aussage dazu zu finden.
Tools oder Unternehmen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, die schreiben immer auf ihrer Webseite, weil es gerade aktuell ein absoluter USP ist, leider. Aber es ist schon ein Alleinstellungsmerkmal, wenn sich jemand mit dem Thema beschäftigt hat.
Und wenn ich nichts auf der Webseite finde, dann kann ich meistens schon davon ausgehen, dass das Unternehmen noch keine Zeit investiert hat.
Und das ist ein sehr langfristiger Prozess, dann für die auch barrierefrei zu werden. Was ich dann aber als nächstes mache, ist, ich schreibe auf jeden Fall den Support an und frage nach, ob es da schon eine Aussage dazu gibt. Und bis wann man denn damit rechnen kann, dass die Anforderungen umgesetzt werden.
Ganz wichtig, wenn man diese Anfragen macht, ist, dass man immer genau konkretisiert, was man denn wissen möchte. Und da ist dann ganz wichtig, auf die Standards abzuklopfen. In Europa der gängige Standard, der für uns alle maßgeblich ist, ist die EN 301549.
Das ist eine europäische Norm, die gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die hält quasi wirklich fest, was muss meine Webseite erfüllen, damit sie als digital barrierefrei gilt. Das ist auch ein Standard, da sollten wir uns alle dran halten, dann machen wir es uns einfach einfacher untereinander zu wissen, von was wir überhaupt reden und natürlich auch dann am anderen Ende kann die Person mit einer Behinderung dann wissen, kann ich die Webseite nutzen, wenn sie konform ist oder vielleicht eben nicht, weil manche Anforderungen vielleicht gar nicht durch die EN gedeckelt sind, das kann natürlich genauso sein.
Und so schreibe ich dann eben immer die Anbieter an, frage, wie schaut es denn aus, seid ihr konform mit den Anforderungen der EN, kann ich mit eurem Tool eine Webseite bauen oder PDFs erstellen, die konform sind mit den Anforderungen und wenn dann zurückkommt: Was ist das genau? Dann weiß man schon. Dann weiß man schon genau.
Und man sollte sich überlegen, ob man nicht wechseln kann. Das Gute ist, es gibt inzwischen schon einige Anbieter, die haben verstanden, dass man da einfach Zeit investieren muss. Es kommt, man kann sich dagegen wehren, aber am Ende ist es unvermeidbar und es ist auch gut und richtig so. Und man wird jemanden finden, aber klar, der Schmerz beim Wechsel, der ist auf jeden Fall da.
Empfehlungen für barrierefreie Tools
[Alex]Hast du denn andersrum Tipps für zum Beispiel WordPress-Themes oder Page-Builder, die barrierefrei sind oder mit denen es zumindest sehr gut möglich ist, eine barrierefreie Website zu erstellen?
[Nina]Also wir bauen sehr viele Webseiten mit WordPress und wir benutzen Bricks.
Bricks ist ein Theme, aber das ist kommerziell und da muss man Zahlen für.
Ich weiß, dass die Basis von WordPress gut barrierefrei ist. Also wenn man sich da ein Theme raussucht, das gut performt, dann läuft man damit eigentlich ganz gut. Ich meine, Avada soll ganz gut sein, aber das müsste ich nochmal crosschecken. Das weiß ich tatsächlich gerade nicht ad hoc.
Dadurch, dass wir schon recht viel probiert haben und immer wieder beim Bricks-Builder gelandet sind, kann ich auf jeden Fall sagen, dass es nicht so einfach ist.
Elementor geht aktuell nicht barrierefrei. Das ist wahrscheinlich vielen ein Begriff. Divi Builder leider auch nicht. Womit ich gute Erfahrungen gemacht habe, ist die Greyd.Suite. Auch aus einem Unternehmen in der Nähe von München. Die orientieren sich auch an dem Blog-Editor von WordPress. Damit kann man auch sehr gute barrierefreie Webseiten bauen, die in der Umsetzung aber auch sehr leicht und oberflächlich sind. Also auch da braucht man nicht unbedingt ein tiefergehendes technisches Wissen, um zu guten Ergebnissen zu kommen.
Und das finde ich eigentlich auch immer dann ganz gut. Also es ist halt immer die Frage, wo man einsteigen will. Bricks jetzt zum Beispiel ist sehr entwicklernah und da sollte man schon HTML-Kenntnisse haben, um die Seite gut umsetzen zu können. Das ist immer die Frage, wo du einsteigen möchtest.
[Alex]Und was können dann Selbstständige machen, die wirklich sehr geringe Programmier-Skills haben?
[Nina]Da würde ich mir mal Greyd.Suite anschauen.
Die haben auch einige Tutorials auf ihrer Seite, wo man sich mal ganz gut orientieren kann. Ich glaube, generell das Problem ist, dass viele Tools jetzt als sehr lange erfolgreich ein doch recht großes Handwerk sehr einfach dargestellt haben.
Und gerade bei Themen wie Barrierefreiheit, wo es eben extrem wichtig ist, technisch korrekt zu sein, da funktioniert das dann irgendwann nicht mehr.
Und da ist, finde ich, die Frage, dass man sich einfach selber ein bisschen einordnen können muss und sich überlegen muss, möchte ich professionell Webseitenentwicklung anbieten? Dann würde ich sagen, sollte man sich einfach die Themen anschauen und das lernen, weil das kann man, das ist nicht kompliziert, es ist einfach nur viel zu wissen, aber diesen Schritt muss man dann tun.
Oder aber man sagt halt, okay, ich kaufe mir ein Tool ein, das es für mich übernimmt, das wäre zum Beispiel die Greyd.Suite, die, meine ich, ist auch kostenpflichtig. Damit kann man aber auch recht gut einfach Sachen machen, weil einfach das Basis-Set an Komponenten relativ barrierefrei ist, damit kommt man dann gut zurande oder aber man sollte das abgeben oder aber man konzentriert sich halt auf die Bereiche, wo man sagt, so kriegen wir halt Kunden, denen das nicht wichtig ist, ist halt die Frage, wo man da sich selber bewegen will.
Ich glaube aber, wenn man wirklich barrierefreie Inhalte entwickeln möchte, dann führt da kein Weg dran vorbei, sich einfach mit den Anforderungen vertraut zu machen. Wie gesagt, die wirken am Anfang extrem abschreckend, weil es einfach auch so wahnsinnig viel ist. Aber es ist wirklich nicht so kompliziert, wie es am Anfang klingt. Das ist einfach nur super viel.
Medien und Barrierefreiheit
[Alex]Was ist denn jetzt, wenn ich auf der Website zum Beispiel Videos oder Podcast-Folgen einbinde? Was kann ich da beachten? Weil das ist ja auch etwas, was vermutlich unabhängig von meinem CMS funktioniert, worauf ich da achten kann.
[Nina]Ja genau, das ist ein sehr guter Punkt. Und ich habe mir das inzwischen so gemerkt, dass ich mir immer weiß, wenn ich ein Medium hochlade, dann brauche ich immer eine alternative Art, wie man diese Dinge wahrnehmen kann.
Bei einem Podcast zum Beispiel, Podcast ist ja in erster Linie ein Audioformat, das kann man mit einem Transkript versehen als Alternative. Transkript wäre quasi ein Text, der einfach genau festhält, was wird gesprochen. Wenn es mehr als zwei Sprecher*innen in dem Podcast sind, dann ist es auch immer gut, wenn man den Namen davor schreibt, damit einfach nachvollzogen werden kann, wer hat das gesagt. Das wäre eine super Alternative für einen Podcast.
Bei einem Video schaut das ein bisschen anders aus. Bei einem Video, das ist immer ein bisschen komplexer, was man da machen würde, wäre zum einen Untertitel und aber auch eine Audiodeskription, wenn man eine braucht.
Untertitel ist quasi die Verschriftlichung von dem, was wir sprechen. Wenn jetzt im Hintergrund irgendwas Spannendes passiert wäre, über das wir nicht geredet hätten, dann zum Beispiel eine Explosion, dann würde man das auch in einem Untertitel verschriftlichen. Und dann gibt es noch die Audiodeskription. Die Audiodeskription ist dafür da, Dinge zu beschreiben, die nicht besprochen werden, die aber wichtig sind für das Verständnis.
Zum Beispiel, wenn wir jetzt in einem Filmsetting wären und wir unterhalten uns im Vordergrund und im Hintergrund raubt jemand eine Bank aus und das wird aber nicht erwähnt, wäre das eine Information, die müsste man der Person mitgeben, die diese Inhalte nicht sehen kann, damit sie den Film noch verstehen kann. Und da entsteht dann tatsächlich in der Redaktion ein bisschen mehr Aufwand, weil so eine Audioskription, die erstellt sich eben nicht nebenbei.
Technisch gibt es auch mehrere Möglichkeiten, wie man das umsetzen kann. Manche Videoplayer haben die Funktionalität, dass man die Audiodeskription genauso wie den Untertitel als separate Datei hochladen kann und dann kann der Player das eben vorlesen, aber dafür braucht man auch den richtigen Player. Und das ist dann auch wieder nicht so einfach, ein CMS-Tool zu finden, das diese Art von Player anbietet, dass du den eben einbinden kannst, der dann diese Funktionalität einfach abrufen kann. Also das ist tatsächlich auch noch nicht die Norm. Da kann ich aber den AblePlayer empfehlen. Da gibt es auch ein Plugin, das man in WordPress installieren kann und der hat all diese Funktionalitäten drauf.
[Alex]Ich habe auch vor einem Jahr, glaube ich, – oder vielleicht sogar länger – angefangen, Transkripte für meine Podcast-Folgen einzubinden auf der Website und war überrascht, wie viele Menschen das gut fanden, die auch gar nicht digitale Barrierefreiheit gebraucht hätten, aber die gesagt haben, ich lese viel lieber, als dass ich höre.
Und ich musste da so ein bisschen an euren Spruch denken. Ich glaube, ich habe ihn irgendwo auf der Website gelesen. Ich weiß gar nicht, 20 Prozent brauchen digitale Barrierefreiheit oder korrigiere mich in den Prozenten. Dann ein großer Prozentsatz, für die ist es leichter, aber für 100 Prozent ist es quasi sehr nützlich, das umzusetzen.
[Nina]Ja, da bin ich voll bei, das ist dieses 10, 20, 30.
[Alex]Okay.
[Nina]Ich meine, ich glaube, die Zahl, die weiß tatsächlich gar nicht, wie das statistisch abgeleitet wird. Ich glaube, diese 10 Prozent, wo man sagt, die brauchen digitale Barrierefreiheit, das wird so ein bisschen grob abgeleitet aus der Schwerbehindertenquote, die wir in Deutschland haben.
Aber es ist genauso, wie du sagst. Also ich bin jetzt auch nicht auf Untertitel zum Beispiel angewiesen, aber jedes Mal, wenn ich Videos gucke, ich mache mir die Untertitel an, weil dann bin ich laut oder irgendwas passiert und ich weiß, da kann ich den Ton nicht gut mitschneiden. Und mir hilft es extrem dabei, einen Film einfach zu schauen.
Also ich finde es einfach angenehm. Und genauso ist es mit dem Transkript auch, wenn du sagst, du hast irgendwas Wichtiges gehört, es ist wesentlich einfacher, sich das Transkript dann durchzuscannen und zu gucken, welche Stelle war besonders interessant für dich, dann musst du es dir nur noch mal anhören.
Also es ist tatsächlich, wenn man für die Extremfälle gestaltet, dann erreicht man damit eigentlich eine wesentlich größere Bandbreite, als man im ersten Moment meint.
Langfristige Vorteile der Barrierefreiheit
[Alex]Das ist ein toller Gedenke, finde ich, Weil eigentlich denkt man sich, das kostet zu viel Zeit und vielleicht auch Geld und Energie. Aber letzten Endes ist es ja eine ganz wichtige langfristige Investition, dass ich eigentlich mehr Menschen erreiche.
Eigentlich sollte das doch ein gutes Argument für viele Selbstständige sein, das auch zu tun.
[Nina]Ja, ich glaube, jetzt aktuell sieht man wahrscheinlich einfach nur die Mehrkosten zum großen Teil, die halt dadurch entstehen und dass es wahrscheinlich für den einen oder die andere auch sehr schwer ist, das dann beim Kunden anzubringen, dass es eben Sinn macht und das dann wieder zu vergeltlichen, weil am Ende muss ich es ja auch finanziell wieder reinvestieren.
Und ich glaube, da die Geduld zu haben, zu warten und zu sehen, wie gut funktioniert es, viel besser kommt es an, das ist natürlich mit sehr viel Unsicherheit verbunden. Und ich glaube, da tun sich die meisten noch schwer.
Deswegen ist es schön, dass es jetzt eben für den großen Bereich dieses Gesetz gibt, wo man dann auch diese ganzen Studien erheben kann. Also auch gerade zum Beispiel im Bereich Onlineshops, wenn man sagt, wir haben die Chance, eine sehr viel größere Zielgruppe anzusprechen.
Wenn wir jetzt halt bei diesen 10 Prozent bleiben, wo wir sagen, die kommen aktuell nicht auf unsere Inhalte drauf, dann sind es ja 10 Prozent ungenütztes Potenzial, das wir eigentlich haben. Und da wird es spannend, dann die ersten Studien zu sehen, die wirklich belegen, dass ein barrierefreier Onlineshop oder eine barrierefreie Webseite eine sehr viel höhere Conversion Rate hat als jetzt eine nicht barrierefreie Variante. Aber da kenne ich aktuell noch keine Studie leider dazu.
Website-Tests und Barrierefreiheit
[Alex]Und wenn ich jetzt das Thema angehen möchte, wie fange ich denn an? Wie teste ich zum Beispiel meine Website? Ist die barrierefrei – vermutlich nicht, aber wie finde ich heraus, was daran nicht barrierefrei ist?
[Nina]Da gibt es mehrere Wege, würde ich sagen, wie man sich dem Thema nähern kann. Was ich einen guten Einstieg finde, ist das Thema automatisiertes Testing. Man kann seine Webseite automatisiert auf Barrieren prüfen lassen. Automatisierte Tests finden jetzt nicht besonders viel, aber immerhin circa 20 bis 30 Prozent aller Probleme, die in Bezug auf Barrierefreiheit auftreten können.
Das heißt, es ist nicht nichts. Man sollte sich aber da auf jeden Fall nicht drauf ausruhen. Und was dieser Test dir rausgeben würde, ist dann quasi einfach eine Liste von Punkten, wo er sagt, da solltest du nochmal gucken und die kann man ganz gut nehmen, um sich am Ende in das Thema einzuarbeiten.
Letzten Endes führt leider kein Weg dran vorbei, sich mit den Anforderungen der Standards zu beschäftigen und da haben wir auf der einen Seite eben diese europäische Norm, diese EN 301549 und dann haben wir aber auch noch die WCAG, das sind die Web Content Accessibility Guidelines. Das ist der internationale Standard, wenn es um digitale Barrierefreiheit geht. Den gibt es schon sehr, sehr lange und da wird quasi auch festgehalten, was denn eine Webseite leisten können muss oder was Inhalte leisten können müssen, damit man sagen darf, sie sind barrierefrei nach WCAG AA zum Beispiel.
Und als wir angefangen haben, uns mit der digitalen Barrierefreiheit zu beschäftigen, das Thema hat uns total gehooked sofort. Aber wir haben für uns gemerkt, dass es einfach wahnsinnig trocken ist. Es ist halt wirklich so ein technisches Standarddokument.
Und was wir deswegen versucht haben, ist ein bisschen grafischer und ein bisschen mehr mit Spaß an das Thema ranzugehen. Und wir haben auf unserer Webseite die WCAG-Kriterien A und AA runtergebrochen, versucht sie ein bisschen kurz zusammenzupacken, um einfach einen Beschreiben darin, einen Überblick zu geben, was muss ich denn machen?
Und so könnte man sich dann auch einarbeiten in die verschiedenen Anforderungen. Was noch geht, und das ist dann ein sehr ausgedehner Weg, wäre, sich verschiedene Prüfprozesse anzuschauen, wie man anwenden kann. Aber das wird dann auch sehr schnell sehr technisch. Und da ist die Frage, möchte man sich auf diesem Pfad bewegen? Man sagt, man ist soweit interessiert, dass man sich diese Anforderungen anschauen möchte.
[Alex]Okay, der erste Punkt ist dann quasi Wissen einsammeln, sich informieren. Und ich kann da auch eure Website wirklich empfehlen, weil es auch sehr, sehr klar und gut verständlich aufbereitet ist. Ich verlinke die auch gerne nochmal in den Show Notes. Hast du vielleicht für diese automatisierte Testverfahren auch noch einen Tool-Tipp, was ich nutzen könnte?
[Nina]Ja, absolut. Mein Lieblingstool, wenn ich automatisierte Tests laufen lasse, ist Axe DevTools. Das ist ein Plugin. Das kann man installieren in seinem Browser und das taucht dann in der Entwicklerkonsole auf. Wem die Entwicklerkonsole nichts sagt, dafür gibt es auf YouTube-Videos, die zeigen einem, wie man das aufmachen kann, wie man das nutzen kann.
Also wenn man das ein, zwei Mal gesehen hat, dann ist das recht einfach. Für Leute, die es gerne weniger technisch mögen, könnte man zum Beispiel Wave nutzen. Wave ist eine Webseite, die kann man einfach aufrufen, da kann ich gerne den Link teilen im Nachgang, und da kopiert man einfach die URL seiner Webseite rein und dann werden auch so Basiskriterien abgeprüft und damit kann man auch seine Webseite auf Barrierefreiheit dann einfach abchecken und schauen, was der so rausschmeißt.
[Alex]Aber brauche ich am Ende doch immer eine Person, die sich damit auskennt, die meine Website dann irgendwie abschließend prüft, wenn du sagst, diese Tools erkennen vielleicht 20, 30 Prozent?
[Nina]Ja, es gibt einfach viele Themen, die können Stand heute noch nicht automatisiert getestet werden.
Möglicherweise ist es ein paar Jahren anders, aber wir wollen natürlich nicht so lange warten, bis KI dann mal in der Lage ist, gute Webseiten zu bauen. Deswegen führt da kein Weg dran vorbei. Das sind zum Beispiel Themen wie Textalternativen für Bilder.
Also was automatisiert geprüft werden kann, ist, wenn ich ein Bild habe, dann kann ja festgestellt werden, dass es ein Bild ist, weil es im Code speziell markiert wird als Bild. Und dann kann auch geprüft werden, hat dieses Bild eine Alternative?
Was aber nicht automatisiert geprüft werden kann, ist, ist der Text, den ich reingeschrieben habe, ausreichend? Ist das Schmarrn? Sollte da nachgebessert werden? Steht da was drin, was da nicht drinstehen darf? Gibt es vielleicht eine Alternative anbei und das Bild braucht gar keine?
Und diese weiterführenden Denkmechanismen, die gerade Menschen machen müssen, die sind aktuell einfach noch nicht durch die automatisierten Tests abgedeckt. Mein Stand ist tatsächlich, dass kein oder kaum ein Kriterium vollautomatisiert abgetestet werden muss, deswegen muss man eigentlich auch nochmal komplett manuell durch die Prüfkriterien durchgehen.
Wenn wir ein Audit machen auf Barrierefreiheit, dann nutzen wir die Tests meistens ergänzend, um zu gucken, haben wir was vergessen. Dafür eignet sich das. Oder aber auch für erste Einschätzungen. Hat sich eine Person schon mit Barrierefreiheit beschäftigt oder nicht?
Wenn ich unter Druck wäre, meine Sachen barrierefrei zu machen, ich würde mit den automatisierten Tests anfangen, weil das das Schnellste ist, was andere finden werden bei mir. Also wenn es auch zu Klagewellen kommt später, diese Tools werden genutzt werden, um die Webseiten vorzuanalysieren, weil es einfach keine Zeit kostet, das laufen zu lassen. Deswegen ist das ein guter Einstiegspunkt auch in die Thematik.
Kleine Schritte zur Barrierefreiheit
[Alex]Gibt es eigentlich so low-hanging digitale Barrierefreiheits-Fruits? Also Kleinigkeiten, die ich vielleicht heute machen könnte, wo ich sage, so ein Minischrittchen gehe ich dann ein Stückchen in Richtung digitale Barrierefreiheit.
Also wirklich so banale Dinge, die ich vielleicht gar nicht auf dem Schirm habe.
[Nina]Für mich war das die Benamung von Links. Passiert ganz oft, dass, wenn wir, wir schreiben irgendwie ein Textdokument oder Texte für eine Webseite und dann schreiben wir, das Kochrezept für Apfelkuchen findest du hier und wir setzen den Link auf „hier“.
Passiert ganz oft. Das ist problematisch für Leute, die nicht visuell navigieren, weil die bekommen dann von ihrer Technologie eine Liste ausgegeben an Links und die bekommen dann quasi in ihrer Liste „hier mehr lesen“, „mehr dazu“ und die haben den visuellen Kontext nicht, den wir haben, wenn wir sehend auf die Seite gehen.
Deswegen sind sprechende Link-Namen eines der besten Dinge, die man machen kann. Also statt einen schlechten Namen zu nehmen, wie „hier“ oder „mehr lesen“ oder die Teilseite immer auf den Text setzen, der wirklich sagt, um was es geht. Das finde ich, ist eine sehr gute Möglichkeit.
Überschriften zu verwenden und seinen Text gut zu strukturieren. Das sind wirklich so die Basics, wie man sie halt kennt, aber das unterscheidet einen barrierefreien Text oder eine barrierefreie Webseite von einer nicht barrierefreien Webseite.
Das ist wirklich die Dokumentenstruktur und aber auch dann sowas wie Farbkontraste. Das ist etwas, da schaut jemand drauf, der ein bisschen Ahnung hat und dem fällt sofort auf: nicht barrierefrei oder barrierefrei. Und da kann man eigentlich recht schnell ganz viel Gutes erzeugen. Oder aber auch Alttexte. Das ist immer ein Thema.
Fördermöglichkeiten für Selbstständige
[Alex]Du hast ja schon vorhin angesprochen, dass es ja auch eine Budgetfrage ist, gerade für Soloselbstständige, da jetzt vielleicht ganz professionell ranzugehen.
Weißt du eigentlich, ob es Fördermöglichkeiten gibt, also auf Landes- oder Bundesebene für kleine Unternehmen, für Selbstständige, die vielleicht sich weiterbilden wollen oder die Website gestalten lassen wollen? Gibt es sowas?
[Nina]Also ich kenne zwei. Ich weiß, dass Aktion Mensch fördert die Barrierefrei-Werdung von Webseiten von Vereinen. Da kann man so einen Mikrokredit beantragen. Das muss dann von dem Verein oder von der Organisation gestellt werden. Da werden bis zu 5.000 Euro gefördert.
Also wenn man da einen Kunden oder eine Kundin hat, die man damit unterstützen kann, dann ist das eine ganz gute Möglichkeit. Und aber auch für Solo-Selbstständige gibt es die sogenannte Kompass-Förderung.
Mit der kann man sich auch seine Fortbildungen bezuschussen lassen, genau. Und für die haben wir zum Beispiel auch so ein Ausbildungspaket. Da machen wir Schulungen zum Thema Design, Entwicklung, Content, Umsetzung von barrierefreien Webseiten mit WordPress und das Testen.
Also wirklich so ein Komplettpaket, wo man alle Stationen abklappert, die man in Bezug auf Barrierefreiheit braucht. So was könnte man sich durchaus fördern lassen. Wer Interesse hat, der kann sich dann gerne auch mal melden, da haben wir bei uns was vorliegen. Und ansonsten wüsste ich tatsächlich nicht, was es noch so gibt dazu.
Erster Schritt in Richtung digitale Barrierefreiheit
[Alex]Aber da sind ja schon mal zwei Stellen, wo ich anfangen kann.
Gut, was wäre denn abschließend so, vielleicht auch nochmal zusammenfassend, dein Tipp für Selbstständige für den allerersten Schritt in Richtung digitaler Barrierefreiheit? Was können sie, womit fangen die an?
[Nina]Kann ich das zum Blogartikel weiterleiten?
[Alex]Sehr gerne. Aber sag vielleicht kurz das Thema des Blogartikels.
[Nina]Also wo fängt man an? Das finde ich ganz spannend, weil die Frage hören wir öfter und die Leute wollen sie immer nicht hören.
Das Beste, was man machen kann, ist sich anzuschauen, wie benutzen Menschen mit Behinderung Webseiten. Weil sobald man einmal verstanden hat, wie benutzen Menschen das überhaupt, diese ganze Anforderungskataloge machen auf einmal so viel Sinn, weil man versteht, warum man manche Dinge nicht tun soll.
Schaut euch ein Video an, wie eine blinde Person einen Screenreader benutzt. Schaut euch an, wie das funktioniert.
Dann versteht man auch, warum man Links sinnvoll benamen muss oder warum man keine sensorischen Merkmale verwenden soll alleine. Also genau das ist ja wie mit der Linkbezeichnung. Wenn ich sage, ich drücke den gelben Button oben links, dann muss die Person in der Lage sein, gelb zu erkennen und sie muss halt wissen, wo oben links ist. Eine Person, die nicht visuell navigiert, die kann diesen Punkt nicht finden. Und das erklärt sich von alleine, wenn wir einmal verstanden haben, was brauchen denn die Leute.
Deswegen ist tatsächlich die Bewusstseinsschaffung der erste Schritt, den man wirklich braucht, wenn man nachhaltig gute Webseiten oder gute Inhalte machen will, die wirklich barrierefrei lesbar sind.
Und wenn wir das gemacht haben, dann kann man die Anforderungen durchgehen.
Wer es gerne im Comic-Stil mag und lustig mag, den lade ich sehr gerne zu uns auf die Webseite drauf ein. Dann geht es an die WCAG-Kriterien, die kann man sich selber anlernen. Wir haben sehr viel zu Barrierefreiheit auf unserem Blog.
Wir haben natürlich auch Workshops zu den Kursen, also wenn man es lieber gebündelt haben möchte, dann kann man sich da auch schulen lassen. Da sind wir auch nicht der einzige Anbieter. Da gibt es recht viele auf dem Markt, da findet man dann jemanden, den man sich aussuchen kann oder aber man kann natürlich auch auf die Inhalte der W3C gehen. Die schreiben sehr viel, auch im englischsprachigen Bereich zum Thema digitale Barrierefreiheit ist auch eine sehr gute Quelle. Kann man sich also auch alles selber anlernen, aber der Weg in die Fachlichkeit, der muss dann auf jeden Fall nachkommen.
[Alex]Dankeschön. Das war ein sehr aufschlussreiches Gespräch. Und ich hoffe, wir haben einige Menschen für das Thema digitale Barrierefreiheit begeistern können. Vielen Dank, Nina, dass du da warst.
[Nina]Danke dir.
Shownotes
Blogartikel: Mit digitaler Barrierefreiheit anfangen
WAVE Web Accessibility Evaluation
Buchmarketing ohne Social Media – Interview mit Dr. Madlen Ziege
In dieser Podcastfolge habe ich die Autorin und Biologin Dr. Madlen Fellmeth zu Gast, die unter dem Namen Madlen Ziege bereits einige Bücher geschrieben und veröffentlicht hat. Für ihr Buchmarketing hat sie Social Media nur kurz ausprobiert und dann Marketingstrategien für sich entdeckt, die völlig ohne Social Media auskamen.
In dieser Podcastfolge habe ich die Autorin und Biologin Dr. Madlen Fellmeth zu Gast, die unter dem Namen Madlen Ziege bereits einige Bücher geschrieben und veröffentlicht hat.
Für ihr Buchmarketing hat sie Social Media nur kurz ausprobiert und dann Marketingstrategien für sich entdeckt, die völlig ohne Social Media auskamen.
Und wie das bei Madlen genau aussah, wird sie uns in dieser Podcastfolge verraten.
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[Alex] Ja, hallo Madeleine. Du hast als Autorin Social Media für dein Buchmarketing ausprobiert und wieder verworfen. Welche Plattformen hast du denn genau genutzt und was hat dich da so genervt, dass du wieder weg bist von Social Media?
Ein erster Versuch mit Social Media
[Madlen] Ja, als Wissenschaftlerin war gleich die erste Idee Twitter, und dann habe ich das auch gleich ausprobiert und dann kam noch Instagram dazu und ein bisschen Facebook.
Aber Twitter war das, worauf ich mich am meisten konzentriert habe, weil ich das Gefühl hatte, okay, da kann ich mich noch am ehesten sehen.
Aber es war eigentlich von Anfang an schon dieses Gefühl einfach, das ist nichts für mich. Also ich hatte schon einfach dieses das Bauchgefühl und auch diese Aversion dagegen.
Und dem kann ich aus meiner Erfahrung meistens auch wirklich Glauben schenken. Also meine Intuition spinnt nicht. Die sagt mir immer schon, was richtig ist und was nicht. Aber ich dachte, komm, ich probiere es trotzdem mal aus.
Und ich war völlig überwältigt und überfordert auch am Anfang, weil es ging mir alles viel zu schnell. Ich musste ständig gucken, wer hat dann wo was geschrieben und dann darauf reagieren. Und jetzt muss ich noch was Schlaues sagen.
Also ich habe einfach gemerkt, das ist eine Art der Kommunikation, die überhaupt nicht zu meiner Art passt.
Und ich habe da immer auch das Gefühl gehabt, ich muss mich irgendwie verbiegen und muss jetzt schlaue Sachen sagen. Und habe dann irgendwie nur noch Zeit damit verbracht, zu überlegen, was antworte ich denn da jetzt und gehe ständig durch diese ganzen Posts durch, um zu gucken, wer wo was geschrieben hat.
Das hat mich unheimlich angestrengt und genervt und ich konnte auch überhaupt nicht den Nutzen daraus sehen. Also es hat sich mir überhaupt nicht erschlossen, warum man das machen soll.
Erwartungen und Druck im Verlagswesen
[Alex] Warum bist du dann überhaupt hin? Also du bist Autorin, Wissenschaftlerin, hatte es da vor einer Seite so eine Art Druck oder so eine ausgesprochene oder unausgesprochene Erwartungshaltung gegeben, dass du das machen sollst?
[Madlen] Genau, das war die unausgesprochene, aber auch eine ausgesprochene Erwartungshaltung.
Also als Wissenschaftlerin noch nicht so sehr. Da wurde einem aber auch schon ans Herz gelegt, dass man sich mit dem Thema Wissenschaftskommunikation beschäftigen soll.
Also im Prinzip, wie kann man die eigene Forschung zielgruppenspezifisch aufarbeiten und auch unterhaltsam gestalten.
Und ich bin Verhaltensbiologin und habe mich mit dem Thema Tiere in der Stadt besonders intensiv beschäftigt. Und das ist ein sehr dankbares Thema, weil es viele Leute interessiert. Und man kann das auch gut kommunizieren auf eine einfache Art und Weise. Und darüber bin ich dann so das erste Mal auf die Idee gekommen, das überhaupt mal auszuprobieren, weil ich hatte eigentlich ein ganz gutes Thema dafür.
Und das andere war tatsächlich aber auch von meinem Verlag und von den Leuten, die sich mit dem Marketing meiner Bücher beschäftigt haben, dass die meinten, hey, guck doch mal, ob du nicht selber auch was mit Social Media machen kannst und willst.
Und da war jetzt kein Druck aufgebaut, aber schon eine nette bestimmte Einladung, mich damit zu beschäftigen. Weil klar, es geht darum, Bücher zu verkaufen. Es ist am Ende ein Geschäft.
Es ist ein Produkt, was man da hat. Und das muss eben unter die Leute. Und damit habe ich dann angefangen, mich da wirklich auch intensiver zu beschäftigen, als ich sonst, also ich hätte es sonst nie gemacht.
Auch privat habe ich nie mit Social Media viel zu tun gehabt. Ich hatte mal einen Facebook-Account, aber das auch nie wirklich benutzt. Und hatte auch nicht das Gefühl, dass mir da irgendwas fehlt, dass ich das nicht mache, dass ich da irgendwie nicht up-to-date bin.
[Alex] So ein bisschen kann man es ja auch verstehen vom Verlag, wenn man jetzt zum Beispiel an BookTok denkt, also es ist ja schon erstaunlich, was es da für Erfolge gibt und was da überhaupt möglich wird für Autorinnen.
Also hast du das dann auch beobachtet und hast du es auch aus diesen Gründen gemacht, weil es so dieses Land der unbegrenzten Möglichkeiten, da diese Geschichten es einem so nahegelegt haben quasi und gesagt haben, hey, wenn ich es kann, dann klappt es vielleicht bei mir auch.
[Madlen] Ja, schon. Also ich habe, wie gesagt, ich bin Wissenschaftlerin und bin in diese ganze Autorengeschichte so reingerutscht.
Also ich habe bei einem Science Slam, wurde ich sozusagen, ich sage mal, entdeckt in Gänsefüßchen und durfte dann ein Buch schreiben.
Aber ich hatte vorher überhaupt nichts zu tun mit dieser ganzen Literatur-Autorengeschichte-Welt. Das war völlig neu für mich. Und da bin ich dann so reingerutscht und habe erst mal gucken müssen, wie läuft dann hier der Hase.
Und da habe ich schon gemerkt, okay, es ist erstmal ganz, ganz viel Marketing. Es ist ein großes Geschäft, auch mit Büchern vor allen Dingen. Und ich bin da nur ein klitzeklitzekleines Sandkörnchen, was da mitläuft. Und damit man nicht untergeht, muss man halt irgendwie gesehen werden.
Und da habe ich schon gemerkt, dass viele Leute, die ihre Bücher geschrieben haben und auch erfolgreich sind, auch einen großen Social-Media-Auftritt haben, also ein großes Following haben. Und ich auch immer wieder gehört habe, dass, wenn man als Autorin oder als Autor erfolgreich sein will, braucht man einfach auch diese Community von Leuten auf Social Media, die dann die Bücher kaufen.
Und bei mir war es nochmal andersrum. Ich hatte nicht dieses Following zuerst, sondern habe erst das Buch geschrieben und habe dann das Gefühl gehabt, jetzt muss ich das irgendwie aufbauen. Und fühlte mich da aber auch sehr unter Druck gesetzt, weil, also ich habe zwei Sachbücher geschrieben zum Thema Natur und Stress bei Tieren und Kommunikation bei Tieren und das war aber so ein großer Bereich, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Also an wen wende ich mich da? Das interessiert ja viele Leute, Natur.
Und dachte ich, was soll ich da jetzt twittern? Soll ich da irgendwas über mein Buch schreiben? Also ich habe überhaupt keine Ahnung gehabt, was ich da machen soll und habe dann auch Bücher mir besorgt und geguckt, wie funktioniert denn dieses ganze Social Media? Was muss man dann machen, damit es so gut klappt wie bei anderen Leuten?
Und habe dann aber auch gemerkt, dass alles, was dazugehört, nichts ist, was ich gerne machen möchte. Es hat mir einfach keine Freude bereitet, sondern eher Stress.
Und ich habe dann auch gemerkt, also ich habe zwei Bücher bisher geschrieben, in der Phase des dritten Buchs. Und ich konnte mich gar nicht mehr so gut konzentrieren, weil ich irgendwie nur noch dabei war, zu twittern und zu liken. Diese ganzen Sachen zu machen, dass ich in dieser Phase, wo ich mich eigentlich immer sehr konzentriere, völlig erschöpft schon war.
Also ich habe relativ schnell gemerkt, dass das völlig kontraproduktiv ist für mich. Und ich hatte dann auch den Eindruck, dass gerade Leute, die da einen großen Social-Media-Auftritt haben, das auch gar nicht alles selber machen, sondern da ein Team hinter sich haben, die das für einen machen.
Ich habe auch bei der Aurelia-Stiftung, bin ich Referentin für Biodiversität. Wir haben auch eine Social-Media-Abteilung und ich sehe einfach, dass die Leute rund um die Uhr beschäftigt sind, nur damit, um das am Laufen zu halten.
Und jetzt verstehe ich auch, warum ich da kläglich dran gescheitert bin, weil ich Wissenschaftlerin war, Autorin war und dann sollte ich auch noch ein komplettes Social-Media-Marketing aufbauen.
Social Media und Konzentration
[Alex] Das wäre tatsächlich auch meine nächste Frage gewesen. Also gerade so als Wissenschaftlerin und ich glaube, jede Person, die auch schreibt, merkt ja, wie wichtig Konzentration ist.
Und wie hat denn jetzt Social-Media auch da vielleicht deine Arbeit beeinflusst? Also gab es da irgendwelche Mechanismen, wo du gemerkt hast, ich kann mich nicht mehr so gut konzentrieren oder ich bin so leicht ablenkbar oder sowas? Also hat das deine Arbeit auch irgendwie beeinträchtigt?
[Madlen] Also ich habe es auf jeden Fall gemerkt, als ich mit Social Media angefangen habe, dass ich nervöser wurde, dass ich immer im Hinterkopf habe, okay, jetzt heute musst du nochmal durchgehen und du musst noch irgendwas Tolles schreiben, musst noch irgendwas Tolles posten und da jetzt noch überlegen, was du nächste Woche machst und vielleicht sogar so ein Social Media Content Planning.
Also ich habe da sehr viel Zeit und Energie drauf verwendet, habe aber auch gemerkt, dass das nichts war, was mich wirklich begeistert hat. Ich bin begeisterte Wissenschaftlerin, ich bin begeisterter Autorin, aber ich war nicht begeisterte Social Media Content Producerin.
Und das war für mich schwer, mich da wirklich mit zu beschäftigen. Und das hat mir Energie gezogen statt Energie gegeben. Und das habe ich im Laufe der Zeit wirklich auch gemerkt, dass ich frühs schwer rauskam und dann auch dachte, oh Gott, heute schon wieder diesen ganzen Zirkus.
Mit der Idee im Hinterkopf, dass ich mich wirklich jeden Tag auch drum kümmern muss, damit das überhaupt funktionieren kann. Und das hat so einen Druck aufgebaut, dass ich dann dachte, da habe ich gar keine Lust mehr drauf.
Und ich war dann auch schon irgendwie so tief drin. Man fängt ja dann an, investiert schon so viel Zeit und dann hat man das Gefühl, eigentlich will ich es gar nicht mehr weitermachen. Aber dann ist auf dieser anderen Seite schon dieses, aber ich habe ja schon so viel investiert und es dauert ja auch eine Weile, bis das so läuft. Jetzt kann ich ja nicht aufhören.
Also ich fand das sehr, sehr schwierig und umso schöner war es dann wirklich, als ich dann auch dein Buch gefunden habe, dass es auch ohne Social Media funktioniert, weil es eben auch mein Gefühl war, ja, es funktioniert auch ohne Social Media und es hat auch ohne Social Media bei mir funktioniert, weil die meisten Verkäufe habe ich nicht über das Twittern und das Liken und Instagram gehabt.
Social-Media-Ausstieg
[Alex] Da werden wir gleich auf jeden Fall noch intensiver drüber sprechen. Davor wollte ich noch fragen, gab es also nicht so einen bestimmten Auslöser?
Also ich habe manchmal hier Gäste im Podcast, die sagen, ja, mein Konto wurde gehackt und dann bin ich nicht mehr rangekommen und dann hat sich irgendwie alles so aufgebaut und ich habe verstanden, nee, ich will da einfach nicht mehr sein.
Also bei dir war es jetzt, wenn ich das richtig verstehe, einfach so eine Aneinanderreihung von, das ist nicht das Richtige für mich. Also so einen konkreten Auslöser gab es jetzt nicht unbedingt.
[Madlen] Also es war eine Aneinanderreihung von Dingen, die nicht zu mir passten, aber es war schon auch, ich sag mal, als es anfing, dass da Leute auch kritisch kommentiert haben und dann eben, also ich hatte jetzt keine Hate-Kommentare oder irgendwie, wie man das nennt.
Aber es war schon so, wo ich gemerkt habe, mehr und mehr muss ich mich da irgendwie auch verteidigen für Sachen oder ich muss irgendwie meine Arbeit oder mich irgendwie rechtfertigen, warum ich jetzt dieses Buch geschrieben habe.
Also ich habe das Gefühl gehabt, man präsentiert sich da so auf so einer Riesenfläche, wo man angreifbar ist von allen Seiten. Und das ist einerseits vielleicht schon auch was, was man selber lernen kann, dass man steht ein für sein Buch oder auch für seine Wissenschaft. Und das ist ja auch gut, wenn Leute Nachfragen haben.
Aber ich hatte so das Gefühl, diese Anonymität verleitet vielleicht viele Leute dazu, Kommentare zu schreiben, die sie so vielleicht nicht sagen würden, wenn man sie irgendwo persönlich treffen würde.
Und ich fühlte mich da oft auch, ja, wie so an den Pranger gestellt und so öffentlich zugänglich für jeden und alle, mir da einfach Kommentare um den Kopf zu hauen, ob das nun gerechtfertigt war oder nicht.
[Alex] Gerade bei deinem Thema, das ist ja jetzt nicht so ein hochpolitisches Thema wie irgendwas anderes. Also man liest ja zum Beispiel, dass so Leute, die sich mit Gender beschäftigen oder Rechtsextremismus, dass die häufig angefeindet werden. Aber Tiere in der Stadt, also haben die Menschen daran auszusetzen?
[Madlen] Ja, tatsächlich schon gab es auch einige Sachen. Also ich hatte Kontroversen im Sinne von, die Kaninchen in Frankfurt zum Beispiel wurden bejagt.
Und die wurden aber nicht durch mich bejagt, sondern durch die Stadt Frankfurt. Und es gab da schon auch Konfliktpotenzial mit diesem ganzen Thema. Also diese Bücher, die ich darüber geschrieben habe, da war nicht so sehr das Konfliktpotenzial, aber wirklich, als ich über meine Wissenschaft auch gesprochen habe, habe ich schon gemerkt, dass da von dem Konfliktpotenzial, das ich sowieso schon hatte während meiner Arbeit in Frankfurt mit den Tieren, da hat man so viele verschiedene Leute, die sich dafür interessieren.
Du hast die Jäger und Jägerinnen, du hast die Leute vom Grünflächenamt, die die Kaninchen weghaben wollten. Dann war ich diejenige, die gesagt haben, hey, Tiere sind doch toll in der Stadt, die sollen bleiben.
Und da hatte ich schon sehr viel mit Mediation zu tun. Und dann habe ich es sozusagen nochmal auf Twitter gehabt und da ging es dann nochmal los.
Und da konnte ich dann irgendwann, wo ich dachte, das ist jetzt, das wird mir jetzt irgendwie auch zu viel. Und ich habe auch das Gefühl gehabt, man verlor sich so in so Diskussionen, die irgendwann überhaupt nichts mehr mit dem Thema zu tun hatten. Und dann dachte ich so, jetzt muss ich aber trotzdem nochmal antworten, weil das macht man ja. Man antwortet ja immer.
Reaktion des Verlags auf den Social-Media-Ausstieg
[Alex] Dann hast du dich entschieden, da raus aus dem Zirkus, hast du es, glaube ich, in einer Mail bei mir formuliert, zu gehen. Wie hat denn dein Verlag darauf reagiert?
[Madlen] Also dadurch, dass ich denen von Anfang an auch gesagt habe, dass ich das erstmal nur ausprobieren will und nichts verspreche, war das jetzt, glaube ich, nicht so schlimm, dass ich da jetzt nicht volle Kanne reingegangen bin.
Ich glaube, es wäre schwieriger für sie gewesen, wenn ich am Anfang schon viel gemacht hätte und ein großes Social Media Following und dann einfach sage, ich gehe jetzt raus. Das war aber nicht bei mir der Fall.
Mir gegenüber hat sich da jetzt niemand negativ geäußert, aber ich glaube, sie hätten sich sicherlich schon gefreut, wenn ich mich da mehr engagiert hätte.
Aber was ich viel gemacht habe, war, ich war sehr viel auf Interviews, Podcast-Interviews, Fernseh- und Radio-Interviews und das, glaube ich, war dann so ein bisschen auch so ein Ausgleich für den Verlag, dass ich da sehr zur Verfügung stand und mir da wirklich auch die Zeit für genommen habe.
Wie geht Buchmarketing ohne Social Media?
[Alex] Du hast in der Mail geschrieben, meine Bücher haben sich trotzdem verkauft. Ich habe einfach andere für mich twittern, posten und liken lassen. Sehr spannend. Wie schafft man das?
[Madlen] Ja, im Prinzip genau, wie ich jetzt auch schon meinte, dass man das Following von anderen Leuten nutzt, indem man einfach sagt, hey, ich habe hier ein spannendes Produkt, ich habe ein Buch geschrieben oder ich habe ein cooles Thema, über das ich sprechen will.
Und dann recherchiert man, wer hat dann da einen Podcast drüber oder wer hat dann da irgendwie einen Social-Media-Kanal oder einen YouTube-Kanal oder irgendwie so und dann kontaktiert man die Leute und die freuen sich ja auch, weil sie ja auch produzieren müssen. Die besuchen ja auch immer wieder Leute, die was Spannendes zu erzählen haben und wenn man dann schon auch an sie herantritt und sagt, guck mal, ich habe hier ein cooles Buch.
Zum Beispiel mein letztes, mein zweites Buch war „Die unglaubliche Kraft der Natur – wie Stress Tieren und Pflanzen den Weg weist“.
Also ich habe geguckt, Und wer hat dann irgendwas mit dem Thema Stress zu tun, mit Work-Life-Balance, egal ob nun mit Tier oder nicht. Und dann habe ich die Leute angeschrieben und habe gemeint, hier, ich würde gerne, also können wir einen Podcast oder ein Interview machen.
Und die meisten von denen haben dann eben auch Social-Media-Kanäle, über die sie ja dann die Folgen teilen. Und darüber verbreitet sich das Ganze natürlich.
Und ich mache nur einmal das Interview. Ich habe dann sonst nichts damit mehr mit zu tun, aber es ist dann trotzdem online, ohne dass ich mich darum kümmern muss. Und das ist natürlich eine elegante Möglichkeit, dann doch Social-Media-Vorteile indirekt zu nutzen, ohne dass man sich selber damit auseinandersetzen muss.
Und am Ende hat jeder was davon – win-win. Und genau, da habe ich mich sehr darauf konzentriert, zu gucken, wo passt mein Thema hin, mit wem kann ich drüber sprechen, wer hat dann schon auch einen großen Kanal.
Und gerade mit dem Thema Bücher, da finde ich, ist gleich das, was sich am meisten für mich gelohnt hat, wirklich auch Bücher zu verschenken, zu verschicken an Leute, wo ich denke, denen könnte das Buch gefallen, die würden das weiterempfehlen, auch Leute, die größere Reichweiten haben.
Und ich hatte natürlich schon auch einen sehr konfrontablen Start durch meinen Verlag, weil die eben sehr viele Kontakte hergestellt haben zu Interviewpartnern, also ich war zum Beispiel im Mittagsmagazin, beim ZDF oder beim RBB zibb. Da wurde eine Homestory über mich gemacht, da habe ich überhaupt nichts für zugetan das kam alles zu mir, weil der Verlag sich da schon auch sehr drum gekümmert hat und ich glaube, das lag eben auch daran das war vor allen Dingen für mein erstes Buch, weil ich auf so einer Themenwelle mitgeritten bin.
Da war damals sehr dieser Peter Wohlleben bekannt, vielleicht viele kennen ihn von deinen Zuhörenden, der zum Thema Bäume geschrieben hat.
Und ich bin mit meinem ersten Buch „Kein Schweigen im Walde“ so auf dieser Welle mitgeritten und konnte da sehr, sehr viel auch an Aufmerksamkeit mitnehmen, weil es gerade so spannend war.
[Alex] Da steckte ja jetzt so viel drin und ich würde das mal so ein bisschen aufdröseln.
Also zum einen, das Erste, was du beschrieben hast, das ist ja das, was, ich weiß nicht, ob du den kennst, das ist so ein Marketingpapst quasi, Seth Godin, der spricht so vom Mona-Lisa-Effekt, den ich auch sehr gerne zitiere, weil ich den sehr spannend finde.
Also er meinte, dass Mona Lisa eigentlich überall auf Social Media ist, aber sie hat halt keinen Twitter-Account. Sie twittert nicht, weil sie halt eine Ikone ist. Das bedeutet, wenn man ein Thema hat, und das hast du ja auch gerade gesagt, das irgendwie spannend gerade ist, reden halt Menschen drüber auf Social Media.
Und man muss noch nicht mal unbedingt einen Account haben, man muss noch nicht mal sich jeden Tag überlegen, was man da postet. Wenn man einfach etwas zu sagen hat, ein wichtiges Thema, vielleicht gerade auf so einer Welle surft, kann es einfach sein, dass andere Menschen auf Social Media einem diese Arbeit quasi abnehmen.
Das finde ich immer wieder spannend. Also das bestätigt sich immer wieder, wenn ich mit Menschen rede. Insofern überrascht mich das erstmal gar nicht, sondern finde ich total passend.
Das zweite, was du gesagt hast: Du hast dann stattdessen … was so am besten für dich funktioniert hat … auf Podcast-Interviews und andere Interviews gesetzt. Da hast du gesagt der Verlag hatte einiges übernommen und hat die Kontakte hergestellt. Hast du vielleicht auch irgendwas gemacht, wo du vielleicht den Zuhörenden Tipps geben könntest, wie man dann an sowas rankommt.
[Madlen] Ja, also genau, am Anfang kam schon sehr viel über den Verlag zu mir, aber ich habe auch während meiner wissenschaftlichen Arbeit viel versucht, mit Leuten in der Presse in Kontakt zu kommen.
Also wir haben zum Beispiel Pressemitteilungen für die wissenschaftlichen Artikel verfasst, die ich geschrieben habe, weil ich dachte, das würde glaube ich viele Leute interessieren. Also ich habe geguckt, wer sitzt dann da an diesen Verteilerpositionen in Sachen Presse?
Also da muss man ein bisschen recherchieren, aber wenn man eben jetzt sein Buch zum Beispiel geschrieben hat und es hat ein bestimmtes Thema oder es hat eine bestimmte Botschaft, zu gucken, in welchem Bereich wäre das wichtig? Wen würde das interessieren?
Also ich glaube, es geht immer wieder um diese Zielgruppe und das ist so der Unterschied zwischen Social Media und diesem direkten Marketing, finde ich. In Social Media habe ich das Gefühl, man schießt einfach irgendwo hin und wer da vorbeikommt, der interessiert sich vielleicht dafür oder eben nicht.
Und wenn man es aber selber in die Hand nimmt, sagt, okay, ich überlege mir ganz genau, worum geht es in meinem Buch, was ist die Botschaft und wer könnte davon einen Nutzen ziehen? Und dann sucht man genau diese Leute und schiebt dann sozusagen sein Buch dann da auch den Leuten das direkt unter die Nase, indem man zum Beispiel guckt, gibt es bestimmte Magazine? Also ich habe dann damals alles im Bereich Naturwissenschaft, also Naturerlebnis, Naturgeo oder sowas geguckt. Da gibt es Artikel über Stress.
Ich habe Artikel geschrieben zum Thema Stress aus Sicht der Natur und habe dann den Verleger angeschrieben. Man hat gemeint, hier, das könnte auch interessant sein für euch. Also, dass man da einfach recherchiert, das, was man zu sagen hat, wo könnte das am besten hinpassen, wen könnte das interessieren und dann die Leute direkt versuchen anzuschreiben und da auch dran zu bleiben und das immer wieder auch zu pushen und wirklich zu gucken, wie kann man sich da reinwuseln.
Ich habe schon das Gefühl gehabt, diese ganzen Pressegeschichten, Journalistinnen, Journalisten, das ist auch so eine Welt für sich und wenn man da von außen versucht reinzukommen, ist es manchmal ein bisschen schwierig, aber wenn man erstmal drin ist und die Leute einen kennen und die wissen, ach, das ist die Expertin für Verhaltensbiologie oder die weiß über Kaninchen Bescheid.
Ich habe heute immer noch jemanden, die kommt immer und immer wieder zu mir. Das ist von einem Kinderpodcast beim Kakadu. Heißt ja Kakadu Kinderpodcast. Wenn die Kinder Fragen haben zum Thema Biologie, ruft sie mich an und dann machen wir eine kurze Aufnahme. Weil sie weiß, sie kann mich anrufen. Ich bin erreichbar. Ich kann irgendwie das so formulieren, dass das auch für Kinder schön ist. Also man muss da auch ein bisschen an seinen Kommunikationsskills dann arbeiten. Aber wenn man einmal drin ist und einmal als Expertin oder Experte für eine Sache bekannt ist, dann ist das im Prinzip dann schon so ein Selbstläufer.
Wie gehst du mit Absagen um?
[Alex] Wie gingst du denn mit Absagen oder Herausforderungen um? Also ich kann mir vorstellen, dass man ja nicht immer ein Ja kriegt und dass es vielleicht ein bisschen demotivierend sein kann. Was hast du da gemacht?
[Madlen] Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man selbst an sich und seine Arbeit glaubt oder in dem Fall ans eigene Buch.
Also zu wissen, man hat da ein gutes Produkt oder es ist was, was wichtig ist. Bei mir war es eben auch meine Forschung. Ich hatte das Gefühl, das ist was, was viele Leute interessiert, was auch wichtig ist, dass man darüber spricht.
Und wenn man das so hat, dann geht man ja auch ganz anders in so ein Gespräch rein, weil man genau weiß, hey, ich habe hier was Tolles. Ich komme hier nicht einfach nur, weil ich gerne berühmt werden möchte, sondern ich habe wirklich was zu sagen.
Und ich glaube, damit fängt es an. Und wenn man das für sich klar hat, was ist die eigene Botschaft für das eigene Buch, je nachdem, worum es dann da auch geht, und zu sagen, hey, das ist wichtig. Ich möchte das gerne kommunizieren, weil das ist eine Botschaft, die ist wichtig. Die wird viele Leute interessieren und es wird vielen Leuten helfen. Und dann mit dieser Klarheit, mit dieser Präsenz auch in so ein Gespräch reinzugehen.
Sicher wird man dann trotzdem noch auch Absagen kriegen können, aber dann ist für mich immer so, im Englischen gibt es diesen Spruch „Rejection is Redirection“.
Also das heißt im Prinzip, wenn du abgelehnt wirst, dann ist das einfach nur für dich der Hinweis, du musst woanders gucken. Und das hat sich für mich immer und immer wieder auch bewahrheitet, dass wenn ich mal abgelehnt wurde, dann war das für mich auch vielleicht gar nicht so das richtige Setup, Sondern ich habe dann einfach woanders geschaut. Und da einfach so dieses Vertrauen auch zu haben, dass man da schon die richtigen Leute auch findet. Vielleicht jetzt nicht gleich beim ersten oder zweiten Versuch, aber einfach dran zu bleiben. Und ich glaube, deswegen ist es auch umso wichtiger, dass man für sich ein Thema findet, wie jetzt zum Beispiel auch mit dir.
Also man merkt dir einfach an, das liegt dir am Herzen, das ist wichtig, das ist eine Botschaft, die du vermitteln möchtest. Dass man da wirklich das für sich findet, was einen so begeistert und brennen lässt, dass man erstens auch gut drin wird.
Also du recherchierst, du findest Informationen, du schreibst ein Buch darüber und dann bist du wirklich ja automatisch schon ein Experte oder eine Expertin für dieses Themengebiet. Und da kann dir auch keiner dann irgendwas vom Pferd erzählen, du weißt ganz genau, worum es geht und hebst dich dann vielleicht auch einfach mal, ich sag mal, ab von anderen Leuten, die sich damit beschäftigen, weil du da so für brennst und das merken ja dann auch die Leute, mit denen du drüber sprichst.
Die sagen, ach guck mal, da ist jemand, der oder die hat sich da wirklich intensiv mit dem Thema beschäftigt, die laden wir jetzt mal ein zum Interview.
Ich muss auch sagen, also ich glaube, ich habe es schon auch leicht gehabt, einfach weil ich als Wissenschaftlerin mich ja schon immer mit Biologie beschäftige und durch meine Promotion dann auch diese Büchergeschichte reingekommen bin.
Also es ist nicht so, dass mich da einarbeiten musste zum Thema, sondern ich habe einfach nur aufgeschrieben, was ich eh schon wusste. Und da dann auch als Wissenschaftlerin, ich sag mal, diesen akademischen Hintergrund mit reinzubringen, sodass die Leute sagen, ah ja, sie hat ein Buch geschrieben, aber sie ist ja auch Wissenschaftlerin. Das hat schon geholfen, aber es heißt nicht, dass das immer so sein muss.
Also ich glaube, es gibt so viele Beispiele für Autorinnen und Autoren, die aus einem ganz anderen Fachbereich kommen. Und dann haben sie aber trotzdem ein tolles Buch geschrieben, weil sie sich für ein Thema interessiert haben und sind dann auch Experte drin geworden und werden regelmäßig eingeladen, ohne dass sie dieses Thema studiert haben. Also davon sollte man sich, glaube ich, nicht abhalten lassen.
[Alex] Und was ich so ein bisschen in so einem Nebensatz rausgehört habe: Es ist wichtig, quasi nicht so auf Leute zuzugehen und zu sagen, hey, ich habe ein Buch geschrieben, sondern mit konkreten Themen und Botschaften und Positionen einfach an die Rand zu gehen.
Und das Buch kommt dann wahrscheinlich nebenbei einfach zur Sprache, so wie du jetzt auch quasi nebenbei über deine Bücher erzählst. Aber das Spannende ist ja jetzt für diesen Podcast zum Beispiel, wie du ohne Social Media Buchmarketing machst.
Ich glaube, das muss man so herausarbeiten, wenn man an andere Menschen rantritt. Also was könnte die Botschaft, das spannende Thema sein und nicht unbedingt dann das Buch, das ich geschrieben habe, das kommt dann eher so nebenbei vermutlich.
[Madlen] Genau, das Buch ist ja an sich nur das Produkt. Aber die Frage ist ja, was kann dieses Produkt für dich? Wenn du dieses Buch liest, was passiert dann da mit dir? Lernst du irgendwas Neues? Und wenn die Leute an diesem Thema nicht interessiert sind, dann kommt man da auch nicht mit weiter.
Deswegen ist es umso wichtiger für einen selber zu wissen, was ist die Botschaft, was kann dieses Produkt und immer auch am Ende den Kunden oder die Kundin auch im Kopf zu behalten, weil letztendlich ist ja Marketing nichts anderes als zu überlegen, was gibt es für ein Problem und wie kann ich das Ganze lösen.
Ob das nun über ein Buch ist oder ein anderes Produkt, aber auch wenn man selber an einen Journalisten oder Journalistin herantritt und sagt, hey, ich habe ein spannendes Thema, das ist gerade hochaktuell und ich habe hier einen Aspekt mir angeschaut, den hat bisher noch kein anderer sich angeguckt, also in meinem Fall zum Beispiel beim Thema Stress.
Stress, gibt es schon tausend Artikel drüber, wurden schon zigtausend Bücher drüber geschrieben, aber ich habe mir Stress aus Sicht der Natur angeguckt und aus Sicht der Evolutionsbiologie.
Und das zu sagen, hey, das ist neu, das hat man sich so noch nicht angeguckt. Und was können wir denn aus Stress lernen, wenn wir gucken, wie Tiere und Pflanzen damit umgehen? Und dann hat das einen komplett neuen Spin.
Und da zu gucken, was ist dann so einzigartig an meinem Buch und an meiner Geschichte, was so noch nicht erzählt wurde und was auch nur ich so erzählen kann. Und dann wird es einzigartig, dann wird es interessant für Leute, die darüber berichten wollen. Sei es jetzt in einem Interview oder in einem Artikel oder in einem Fernsehbericht oder wie auch immer.
Bücher verschenken
[Alex] Was du vorhin auch erwähnt hast, ist, dass du Bücher verschenkt hast und dass das für dich ja ganz gut funktioniert hat. Kannst du da nochmal ein bisschen mehr drüber erzählen? An wen genau hast du das verschenkt und wie hat sich das dann so weiterentwickelt?
[Madlen] Genau, da würde ich gerne ein bisschen ausholen, weil die Idee kam jetzt nicht von mir, sondern von einem Bekannten von mir. Das ist der Tim Grawl. Tim Grawl ist der CEO of StoryGrid und das ist eine amerikanische Firma, die zum Thema Buchschreiben sich extrem positioniert hat.
Kann ich auch allen sehr empfehlen, ohne jetzt Werbung machen zu wollen. Aber der Tim hat gesagt... Der ist sehr, sehr viele Jahre schon auch im Buchmarketing vorhanden. Also er kennt auch alle Aspekte sozusagen und er hat gesagt, wenn Bücher zum Beispiel gehackt wurden, also ein E-Book wurde plötzlich geteilt, ohne dass man dafür bezahlt hat, dann hat man gesehen, dass innerhalb von wenigen Wochen das Ganze zu einem Bestseller wurde.
Das heißt, die Leute haben zufällig dieses Buch gelesen, fanden es toll und haben es weiterempfohlen. Und auch wenn es am Anfang vielleicht erstmal kostenlos war und der Autor dafür nichts verdient hat, wenn das Buch gut ist, dann wird es über Mund-zu-Mund-Propaganda sich weiterentwickeln und dann wird man auch sehen, hey, da kommt dann die Käufe, die Leute kaufen das Buch.
Und das fand ich sehr, sehr interessant, weil ich hatte irgendwie immer so im Kopf, okay, wenn mein Buch nicht innerhalb der ersten zwei, drei Wochen, weiß ich, zigtausendmal gekauft wird, dann ist es kein Bestseller und dann ist es schlecht.
Stimmt nicht. Das hat auch was damit mit Marketing zu tun, klar. Aber es gibt ja natürlich auch Longseller-Bücher, viele Bücher, die erst nach Jahren wirklich bekannt wurden, weil sich über Mund-zu-Mund-Propaganda das sozusagen weiter, gesagt haben.
Und deshalb habe ich gedacht, okay, wenn ich anfange, Bücher zu verschenken, so wie der Tim das auch sagt, gucke ich doch mal, was passiert und da habe ich wirklich gemerkt, dass ich zum Beispiel, wenn ich bei einem Geburtstag eingeladen war und bei Freunden oder ich habe erstmal mit Freunden und Verwandten angefangen, die haben das Buch gesehen und haben, ach ja, das ist ja spannend, ach, da kaufe ich gleich noch eins für meine Tante.
Ja, das ist ganz oft passiert. Und auch, dass ich dann eine E-Mail bekommen habe von jemandem und sagt, ach Mensch, das Buch habe ich gelesen, das ist toll, das empfehle ich jetzt jemandem anderen weiter, weil das Thema hat mir geholfen und ich glaube, der Person würde das auch helfen.
Das funktioniert aber nur, wenn das wirklich ein gutes, gutes Buch ist, weil nur dann empfiehlt man die Sachen weiter. Und deshalb ist meine Empfehlung auch, also ich glaube, nicht so viel Fokus auf dieses ganze Marketing zu setzen und wie kann ich meine Bücher so toll verkaufen, sondern am Anfang steht erst mal die Frage, okay, warum will ich dann überhaupt ein Buch schreiben? Was ist meine Motivation dahinter? Und was ist auch die Botschaft dahinter?
Und dann sich wirklich darauf zu fokussieren, dass dieses Buch die beste Version von diesem Buch werden kann, die man selber produzieren kann. Und das kann man eben, indem man selber lernt über Schreiben.
Also Schreiben ist ja im Prinzip auch etwas, was man lernen kann. Ich dachte früher immer, entweder man kann schreiben oder man kann nicht, aber es ist definitiv etwas, was man lernen kann. Und sich damit zu beschäftigen und wirklich zu gucken, wie kann ich mein Buch so gut wie möglich schreiben für den Leser, dass der durchliest und denkt, toll, toll, spannend und ich habe auch was gelernt. Oder es hat irgendwas in mir verändert. Weil solche Bücher überdauern dann wirklich auch die Zeit und werden sich von alleine verbreiten.
Ich glaube nicht, dass man dafür Social Media braucht, um dieses Buch dann zu vermarkten, sondern einfach eine Ausdauer zu haben und zu sagen, okay, immer wenn ich irgendwo hingehe, nehme ich ein Buch mit, unterschreibe das und sage, hey, guck mal, ich habe ein Buch geschrieben zum Thema Stress, ich glaube, das könnte dir helfen und dann gebe ich es einfach weiter.
Klar ist das erstmal am Anfang eine Investition, man verschenkt ja, man hat sozusagen Kosten, aber ich glaube, auf lange Sicht wird sich das dann tatsächlich auch auszahlen.
[Alex] Kann man das doch so an, also du hast jetzt nur so von privaten Schenkungen quasi gesprochen, das kann man ja auch dann professionalisieren quasi und dann andere Leute verschenken, die vielleicht einen Podcast haben oder was auch immer.
[Madlen] Genau, genau, also das war jetzt nur als Beispiel, ich habe mit meinem Netzwerk angefangen, alle Leute, die ich kannte, von denen ich das Gefühl habe, das könnte die interessieren, da habe ich es erstmal hin verschenkt und dann habe ich aber auch geguckt, wem könnte ich das schenken, der auch einen Einfluss darauf hat, der das zum Beispiel dann twittert, weil er es gelesen hat und toll findet zu dem Thema.
Und da habe ich auch eben, wie vorhin gesagt, ich habe recherchiert, wo könnte ich es hinschicken? Wen könnte das interessieren? Ich habe eine nette E-Mail oder einen netten Brief formuliert und das auch handschriftlich und dann das Buch eingepackt und verschickt. Oder wenn ich irgendwo auf Vorträgen war oder auf Veranstaltungen, ich hatte immer 10, 15 Bücher in der Tasche.
Science Slams und Fame Labs als Instrument fürs Buchmarketing
[Alex] Du nutzt auch eine Strategie, die ich selbst bisher noch gar nicht auf dem Schirm hatte, aber ich bin auch nicht als Wissenschaftlerin tätig und zwar Science Slams und Fame Labs.
Kannst du vielleicht erstmal für die Leute, die nicht wissen, was das ist, erklären, was das ist und was sie so effektiv macht fürs Buchmarketing oder für Buchverkäufe?
[Madlen] Ja, genau. Science Slams, ich weiß gar nicht genau, wo es ursprünglich herkommt. Das Fame Lab ist auf jeden Fall aus England, aber letztlich geht es darum, dass da einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Bühne stehen.
Die haben zehn Minuten Zeit, um ihre Wissenschaft zu präsentieren, auf eine lustig unterhaltsame Art und Weise. Und die treten sozusagen gegeneinander an. Und genau, der, der es am besten gemacht hat, gewinnt am Ende.
Viele kennen ja Poetry Slams. Das ist im Prinzip, ja, der kleine Bruder davon, nur mit der Wissenschaft.
Und ich fand das sehr, sehr produktiv auch in Sache. Es hat gut funktioniert für die Buchproduktion oder fürs Buchmarketing, weil die Leute mich als erstes auch gesehen haben.
Die haben mich auf der Bühne erlebt und die haben auch gesehen, ich habe über mein Thema gesprochen mit den Kaninchen. und mein Buch geht ja auch darüber. Sie haben sozusagen so ein Häppchen präsentiert bekommen und je nachdem, wie groß so ein Science Slam ist, also es können bis zu 500, 700 Leute da sein, haben sozusagen in 10 Minuten habe ich 700 Leute erreicht, habe mein Buch hochgehalten und habe gesagt, hey, das bin ich und darum geht es hier.
Und ich hatte danach immer Leute, die zu mir kamen, die ein Buch kaufen wollten, die die Möglichkeit genutzt haben, mich noch darüber zu unterhalten und mir Fragen zu stellen, dass ich das Buch signieren konnte.
Das ist aber natürlich was, ja, wie gesagt, man muss da irgendwie wissenschaftlich einen Hintergrund für haben. Aber letztendlich kann man das ja mit verschiedenen Veranstaltungen machen. Dass man wirklich guckt, okay, wo kann ich auftreten zu einem bestimmten Thema, wo Leute sind, die sich dafür interessieren.
Weil ich wusste, da sind Leute, die interessieren sich für Wissenschaft, die interessieren sich für unterhaltsame Wissenschaft. Ich hatte mein Buch, ich hatte meinen Vortrag und ich habe denen genau das gegeben, was sie haben wollten.
[Alex] Das kann ich übrigens total bestätigen. Ich war neulich auf einem Science Slam das erste Mal. Irgendwie bin ich die ganze Zeit nicht dazu gekommen.
Und das war nicht nur einer der unterhaltsamsten Abende ever, sondern man hat echt auch angefangen, die Leute zu googeln. Und die haben sich dann eben in der Pause dann auch irgendwie aufgestellt. Man konnte sie Dinge fragen und man hat sofort irgendwie Zugang zu ihrem Thema und auch ihrer Person gefunden. Also total genial.
Aber wie bist du denn da rangekommen, also dass du da auftreten durftest? Muss man sich da bewerben?
[Madlen] Also es ist ja schon ein paar Jahre her, als ich damit angefangen habe. Ich glaube 2014 oder so war ich das erste Mal bei einem Science Slam.
Ja, es läuft schon ein paar Jahre. Und selbst da lief es schon einige Jahre. Also als ich auf dem Science Slam das erste Mal war, wusste ich gar nicht, was ein Science Slam ist. Ich habe auch da ein bisschen unterm Stein gelebt und das nicht so mitgekriegt, was da passiert.
Ich habe einfach mich beworben. Also es lief ein bisschen anders. Ich hatte damals bei meiner Pressestelle an der Uni Frankfurt angefragt, weil ich gerne ein Kinderbuch schreiben wollte zu dem Thema Wildtiere in der Stadt. Und dann meinten die Leute dort, fang doch erstmal mit einem Science Slam an.
Dann hast du schon mal so eine Überlegung, wie kann man dann deine Wissenschaft auch so allgemein verständlich und unterhaltsam aufarbeiten. Mach das doch erstmal.
Und dann habe ich das recherchiert. Und dann habe ich auch ganz zufällig noch einen letzten Platz in Berlin damals bekommen, im Lido. Das war ein relativ großes, ein großer Veranstaltungsort auch. Wusste nicht mal, was ein Science Slam ist, hatte noch zwei Wochen Zeit, mich darauf vorzubereiten.
Davon habe ich eine Woche prokrastiniert und dann habe ich gedacht, okay, jetzt musst du dir nochmal irgendwas überlegen.
Genau, also es ging aber ganz unkompliziert. Das Schöne ist ja, dass die Leute wirklich auch, also die Veranstalter auch Leute suchen. So viele Wissenschaftler gibt es da jetzt, glaube ich, auch nicht, die sich da auf die Bühne stellen wollen. Und das zu präsentieren, aber ich hatte da keine Probleme und als ich dann auch dort meinen Auftritt hatte, war das eben auch der Moment, wo ich von einer Berliner Agentur entdeckt wurde oder die haben sich gedacht, ach, das Thema mit den Wildkaninchen in der Stadt und auch wie die miteinander kommunizieren, das ist ja spannend, da könnte man noch ein Buch drüber schreiben und so bin ich überhaupt erst zu einem Buch gekommen.
Die Rolle der Positionierung im Marketing
[Alex] Ja, jetzt bei all dem, was du jetzt erzählst, merke ich immer wieder, wie wichtig eigentlich so eine glasklare Positionierung ist.
Also deine Positionierung als Verhaltensbiologin, du hast jetzt bestimmt 30 Mal von Kaninchen gesprochen. Also das sind konkrete Dinge, die du machst und die du kommunizierst.
Würdest du auch sagen, dass das eine große Rolle spielt, dass Buchmarketing auch ohne Social Media oder auch mit Social Media überhaupt erfolgreich sein kann?
[Madlen] Ja, ich glaube, das ist der erste Punkt, der einem wirklich auch klar sein muss. Wo positioniert man sich dann auch selber? Wo will man dann hin mit seinen ganzen Sachen? Was hat man da zu sagen? Was ist einem wichtig?
Weil jetzt kommen Leute dann auch mit Fragen auf einen zu, gerade wenn man im Interview ist und wenn man dann anfängt so zu straucheln und man weiß eigentlich gar nicht, was man dazu sagen möchte oder was die eigene Position zu einem bestimmten Thema ist, dann kann das auch für einen selber dann auch nicht mehr so ein schönes Erlebnis sein.
Ich habe immer gerne Interviews gegeben, weil ich einfach gerne über das Thema Stadttiere oder Tiere in der Stadt spreche, weil mich das begeistert. Und ich mich da auch sicher fühle, weil ich da alle Aspekte irgendwie mir angeguckt habe. Und ich glaube, um langfristig mit seinen Büchern erfolgreich zu sein oder auch mit dem, was man machen macht, macht es wirklich Sinn, für sich zu überlegen, was sind denn meine Werte? Wofür stehe ich ein? Was ist mir wichtig, an Dingen hinaus zu kommunizieren? Und ich glaube, damit fängt es auch an, wenn man ein Buch schreiben möchte.
Was ist die Botschaft meines Buches? Warum möchte ich dieses Buch schreiben? Und es gibt genügend Leute, die sagen, ich will einfach nur ein Buch schreiben, um vielleicht Autorin zu sein. Völlig legitim, kann man machen.
Aber es gibt, glaube ich, eben auch diese andere Seite zu sagen, okay, wenn ich jetzt schon mal ein Buch in meinem Leben schreibe, was soll der Aspekt dahinter sein? Und mir war es immer wichtig, den Menschen zu zeigen, zum Beispiel beim ersten Buch, dass alles in der Natur kommuniziert. Ich wurde immer gefragt, aber wie Bäume kommunizieren miteinander oder Pflanzen? Ich meine, so ein Hund bellt und eine Katze miaut, aber ein Baum steht doch da nur dumm rum. Und das hat mich irgendwie nicht geärgert, aber ich dachte mir so, nee, die Natur ist so viel mehr, als die meisten Leute wissen.
Und ich als Wissenschaftlerin beschäftige mich damit jeden Tag und ich möchte das gerne den Leuten zeigen, was da alles funktioniert, was da alles passiert im Erdreich, wie die alle miteinander kommunizieren über chemische Duftstoffe und das war meine Motivation zu sagen, hey, ich schreibe da ein Buch drüber, um allen Leuten zu zeigen, wie toll die Natur ist und das ist immer wieder meine Motivation, mein Wissen, was ich in den Jahren aufgearbeitet habe und mir erarbeitet habe, zu sagen, hey, ich versuche das so zu kommunizieren, dass das viele Leute verstehen und dass ich da viele Leute für begeistern kann, für die Natur, für Tiere, für Pflanzen.
Und vielleicht sagt der ein oder andere auch, wow, ich engagiere mich vielleicht mehr im Tierschutz jetzt oder irgendwie ich pflanze einen Baum oder keine Ahnung, gehe anders mit der Natur um. Das war immer meine Motivation. Und das ist so mein Motor auch, darüber zu sprechen und noch weitere Bücher auch zu schreiben. Und ich glaube, das kann wirklich einem auch helfen, für sich selber zu sehen: Wo will ich denn hin in meinem Leben? Was ist mir denn wichtig? Was möchte ich dann erschaffen?
Also ich glaube, da geht es um viel mehr als nur um die eigenen Bücher zu verkaufen, sondern auch die Frage, wer bin ich? Was möchte ich in dieser Welt vielleicht auch verändern? Was ist mir wichtig? Was sind meine Werte? Wie entscheide ich?
Und ich finde, das Thema Werte war von Anfang an für mich auch dieser Hintergrund, dass ich mit Social Media gar nicht so viel zu tun haben wollte, weil das nicht meinen Werten entsprach. Diese schnelle Kommunikation, dieses Anonyme, diese, ja, ich weiß nicht, für mich war das irgendwie immer so dieses Gehetztsein.
Es hat mich mehr von der Natur weggebracht, weil ich die ganze Zeit vom Computer saß, als dass ich mit der Natur mich verbunden hatte. Und das waren für mich einfach gegensätzliche Werte, die nicht zusammenkamen. Ich glaube, darüber kann jeder sehr für sich auch sein eigenes Leben planen und zu überlegen, wenn ich Bücher schreiben möchte, worum soll es dann da gehen? Und einen tieferen Sinn zu haben und auch eine tiefere Botschaft für alle Menschen da draußen. Und dann wird sich auch das entsprechende Publikum finden.
[Alex] Also auf ganz, ganz vielen Ebenen ist die eigene Positionierung, die eigene Botschaft super wichtig. Als Motivation, als Motor, als Pitch, als Kommunikationsbrücke. Also man sollte sich bewusst machen, worüber geht es eigentlich im Buch? Was ist für ein Thema mir wichtig? Was möchte ich nach außen tragen?
[Madlen] Ja, und ich glaube, wir merken das ja selber auch. Wir merken, wenn wir mit jemandem sprechen, der für etwas brennt, dem etwas wichtig ist, dem hören wir zu, weil wir denken, wow, da hat jemand was zu sagen.
Oder wir merken, ja, ich habe das jetzt mal geschrieben, weil ich möchte gerne Autorin werden und berühmt werden. Wie gesagt, das ist alles legitim. Ich möchte es nicht in Schatten stellen und auch nicht verurteilen. Aber ich glaube, da kommt eine andere Verbindung rüber, wenn man merkt, dass da wirklich jemand ist, der etwas sagen möchte, der sich ausdrücken möchte und, von Herzen auch etwas teilen möchte.
[Alex] Hast du es jemals bereut, nicht mehr auf Social Media zu sein?
[Madlen] Auf keinen Fall. Also ich muss zugeben, ich habe einen YouTube-Kanal, aber das ist für mich kein Social Media. Das ist für mich mehr wie eine Art Suchmaschine, weil ich nutze selber auch YouTube viel, um Videos anzuschauen zu bestimmten Themen. Ich bin da auch sehr so ein visueller Typ.
Ich mag auch gerne Videos drehen und da auch was zu machen. Und ich hatte ja damals auch meinen Podcast „Die Sendung mit der Ziege“ angefangen. Das war auch ein Videocast, darüber bin ich auch durch YouTube eingestiegen und das war für mich aber okay.
Ich hatte da nicht das Gefühl, das ist Social Media, wo ich ständig liken, twitten und wie auch immer muss, sondern da habe ich mir überlegt, okay, einmal im Monat mache ich ein Video ohne Stress, was bei rauskommt, kommt bei raus und wenn nicht, ist auch okay und ich habe, was ich sagen wollte, einfach auch irgendwo da draußen. Und das ist das Einzige, womit ich klarkomme, aber alles andere habe ich für mich völlig abgewählt und brauche es auch nicht mehr.
[Alex] Das heißt, du hast immer noch deinen YouTube-Kanal, wo du auch Videos veröffentlicht.
[Madlen] Genau, ich habe noch meinen YouTube-Kanal, da geht es aber vor allen Dingen jetzt also auch um meine Bücher, aber ich arbeite nebenher auch im Bereich Naturheilpraxis, also da geht es um spirituelle Ökologie, also zum Beispiel auch die Frage, wie indigene Völker mit der Natur umgehen und dieser Podcast oder dieser YouTube-Kanal hat vor allen Dingen den Fokus eher darauf, auf diese Themen auch, also schon größer eingebettet ins Thema Natur und Biologie, aber auch die Frage, wie Wissenschaft und sowas wie zum Beispiel das Thema Manifestation und auch wie wir selber mit unseren Gedanken unsere Realität erschaffen.
Also ich mag da gerne diese Brücke zu schlagen zwischen der Wissenschaft und auch dem, was wir vielleicht jetzt nicht als Esoterik bezeichnen, aber zum Beispiel indigene Völker. Wie gehen die mit der Natur um? Sowas interessiert mich auch sehr.
Tipps für Autor*innen ohne Social Media
[Alex] Und letzte Frage: Welche Tipps hättest du denn für Autor*innen, die ebenfalls keine Lust auf Social Media haben, die überlegen, ob sie damit anfangen oder ob sie damit aufhören, was würdest du denen sagen?
[Madlen] Ja, also ich glaube, die eigene Intuition ist da ganz wichtig, das innere Gefühl und sich da wirklich auch nochmal für sich vielleicht die Ruhe zu nehmen und eine Liste aufzuschreiben, warum hat man das Gefühl, man muss es machen und warum möchte man es nicht machen. Ich finde, es fängt auch immer alles damit an, sich zu informieren und wirklich erstmal über ein Thema auch etwas zu wissen.
Und ich finde es schön in deinem Buch, wie du es auch beschrieben hast, am Anfang dieses, du kannst es selber aussuchen, du musst jetzt nicht sagen, ich sage dir, du darfst es auf keinen Fall machen oder sollst es nicht machen, weil es ist nicht gut, sondern erstmal auszuprobieren und zu gucken, wie fühlt es sich an.
Oder man macht nur einen Social-Media-Kanal, dem einen irgendwie gut gefällt, der zu einem passt. Also ich glaube, das Ausprobieren ist wichtig, aber auch an dem Punkt zu sagen, hey, das ist nichts für mich und man muss sich dann nicht da durchprügeln, weil alle anderen sagen, das musst du jetzt aber machen, sondern auf die eigene Intuition zu hören.
Und wenn es jetzt speziell auch um das Thema Bücher geht und zu sagen, hey, ich möchte Bücher über Social Media promoten, dann finde ich, ist der Fokus erstmal ganz wichtig auf die Qualität des eigenen Produktes, also auf die Qualität des Buches zu legen.
Ist das Buch super? Ich glaube, dann braucht man sich da nicht so viel Gedanken drum zu machen, dann findet es schon seinen Weg. Dann wird es über Mund-zu-Mund-Propaganda sich weitergeben und wenn man dann vielleicht ein bisschen was mit Social Media machen will, ist das völlig okay, aber da zu sagen, okay, ab einem gewissen Punkt, wenn mir das nicht mehr gut tut, dann höre ich auch auf.
Ich muss das nicht. Ich glaube, das ist die wichtigste Botschaft. Man braucht es nicht. Man braucht es nicht. Und es wird auch aus meiner Sicht überbewertet, wenn man mal guckt, wie hoch da wirklich auch die Rate ist von den Leuten, die diesen Post sich angucken, Und dann draufklicken und dein Buch kaufen. Im Vergleich zu der Zeit, die du da aufwendest, um diesen Post zu erstellen, um dir zu überlegen, was da inhaltlich alles rein muss, hatte ich so das Gefühl. Ist das Verhältnis völlig daneben.
[Alex] Ja, Madlen, vielen Dank. Wir haben gesehen, dass man echt eine Menge Möglichkeiten hat, auch ohne Social Media Buchmarketing zu betreiben. Also vor allem, wenn es im Wissenschaftsbetrieb tätig ist, mit den Science Slams, finde ich total grandios. Danke, dass du hier warst.
[Madlen] Ja, vielen Dank für die Einladung.
Shownotes
Teilweiser Social-Media-Ausstieg: Interview mit Claire Oberwinter
In dieser Podcastfolge habe ich Claire Oberwinter zu Gast. Nachdem Claire jahrelang als Social-Media-Beraterin gearbeitet hat, hat sie 2018 eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht und zieht sich seitdem immer mehr aus Social Media zurück. Wie es zu ihrem teilweisen Social-Media-Ausstieg kam und welche Alternativen Claire stattdessen zum Marketing nutzt, erzählt sie im Interview.
In dieser Podcastfolge habe ich Claire Oberwinter zu Gast.
Nachdem Claire jahrelang als Social-Media-Beraterin gearbeitet und Selbstständige bei ihrem Facebook-Marketing unterstützt hat, hat sie 2018 eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht und zieht sich seitdem immer mehr aus Social Media zurück.
Wie es zu ihrem teilweisen Social-Media-Ausstieg kam und welche Alternativen Claire stattdessen zum Marketing nutzt, erzählt sie uns im Interview.
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[Alex] Ja, hallo Claire, du hast deine Selbstständigkeit als Social-Media-Beraterin begonnen.
Kannst du uns mehr über deine früheren Erfahrungen mit sozialen Medien erzählen und was dich auch anfangs an Social Media so fasziniert hat?
Das Potenzial sozialer Medien
[Claire] Ja, das kann ich natürlich sehr gerne machen.
Also ich bin in meinem Studium, ich habe Kommunikationswissenschaften auf Bachelor erst studiert, bin ich sehr schnell auf dieses Thema Web 2.0 gekommen.
Also da habe ich gemerkt, dass mich das mehr interessiert als diese ganzen klassischen Medien, wo es im Studium oft darum ging, wie Radio, Fernsehen und so weiter.
Und mir war schnell klar, ich will was in Richtung online machen, weil das so meine Welt war.
Und dann bin ich auch sehr schnell auf Social Media gekommen und habe sogar mich für einen Masterstudiengang in Social Media angemeldet, an der englischen Uni und auch abgeschlossen.
Und das war so die Zeit des arabischen Frühlings, also wo wirklich durch Social Media auch Revolutionen möglich waren.
Also wir haben auch im Masterstudium genau über diesen arabischen Frühling gesprochen und welche Rolle Social Media da gespielt hat.
Und das war eine sehr zentrale Rolle von Social Media tatsächlich. Und das war für mich so die Zeit, ich nenne das immer so das gelobte Land, also es war so die Zeit für mehr Demokratie, für mehr Öffnung, mehr Transparenz, nicht mehr so unidirektionale Kommunikation, also nicht mehr, wir werden einfach nur überschwemmt mit Infos von Unternehmen und von den normalen Medien, sondern es geht jetzt auch mal in die andere Richtung.
Wir können direkt in Kontakt mit anderen Institutionen, mit Menschen kommen und das war für mich das Potenzial von Social Media, was mich so unendlich begeistert hat, weil ich dachte, also weil ich so das Gefühl hatte, da wird so viel möglich und ich habe es auch die ersten Jahre so empfunden, dass da eine Öffnung war, dass da viel Positives einfach auch passiert ist.
Und das war so mein Einstieg in Social Media, weswegen ich unter anderem mich auch entschieden habe, Social-Media-Beraterin zu werden, weil ich dieses Potenzial anderen Menschen erklären wollte und ihnen sagen wollte, hier, wenn du Social Media in dein Unternehmen, in deine Kommunikation, in dein Marketing integrierst, das hat ganz viel Potenzial und wenn du es so und so machst, dann sollte es auch gut funktionieren. Und das war so mein Ursprungsgedanke dabei.
Fokus auf Facebook
[Alex] Und du bist dann ja Facebook-Beraterin geworden, richtig? Also zumindest als ich mich selbstständig gemacht habe, ganz, ganz frisch, hatte ich dich sofort als Facebook-Beraterin auf dem Schirm.
Erzähl mal, wie kam dann dieser Fokus auf diese Plattform?
[Claire] Das war, als ich mich halt selbstständig gemacht habe, habe ich erstmal mich allgemein als Social-Media-Beraterin aufgestellt, habe aber sehr schnell gemerkt, dass ich damit nicht sehr weiterkam. Es war so schwammig, es fühlte sich für mich nicht zielgerichtet an.
Und da ich immer schon, seit ich mit Social Media zu tun habe oder damals immer schon mit Facebook am meisten was anfangen konnte und auch die meisten Kenntnisse aus dem Bereich hatte, habe ich einfach gedacht, okay, dann fokussiere ich mich halt jetzt einfach auf Facebook und mache das quasi, also stelle das vorne dran.
Ich habe immer noch auch Fragen zu anderen Kanälen beantwortet, aber das war einfach so mein Fokusthema und habe das dann einfach vorne dran gestellt und das war auch gut, weil dann lief es auch direkt besser. Für mich und auch so generell im Business mit einer klareren Positionierung einfach.
[Alex] Und was hast du dann genau gemacht? Also hast du dann andere Selbstständige beraten?
[Claire] Genau, andere Selbstständige. Ich habe auch Unternehmen teilweise beraten, also so mittelständische Unternehmen. Aber der Fokus, den ich mir gegeben habe selber, war Facebook-Beratung für Solopreneure, also für Einzelunternehmer, Einzelselbstständige.
Zweifel an Social Media
[Alex] Dann kamen aber irgendwann die ersten Zweifel an sozialen Medien bei dir. Und darüber möchte ich natürlich auch mehr wissen. Gab es da einen bestimmten Auslöser oder hat sich das mit der Zeit so entwickelt? Wie war das bei dir?
[Claire] Es war ein bisschen was von beidem. Also ich habe 2017 eine Yogalehrerausbildung angefangen und dreiviertel Jahr später merkte ich, dass sich in mir ganz viel veränderte.
Also ich glaube, jeder, der schon mal eine Coaching- oder Yoga-Ausbildung gemacht hat, der weiß, wovon ich spreche, was das für ein Potenzial hat, im Inneren sehr viel zu verändern. Und das war bei mir auch so. Und das war Anfang 2018.
Und da habe ich einfach gemerkt, dass das Facebook-Thema mir immer weniger Spaß macht. Dass ich immer weniger Lust habe, Menschen darin zu beraten. Weil es waren immer die gleichen Sachen. Es war auch ganz oft irgendwie, dass ich erklären musste, wenn du hier klickst, passiert das. Und wenn du da klickst, nein, kannst du das nicht löschen. Also es war viel so dieses Klein-Klein. Und das nervte mich sehr.
Und ich habe einfach auch gemerkt, im Laufe des Jahres 2018 wurde mir das Yoga immer wichtiger und das auch mehr nach draußen zu bringen.
Und dann habe ich halt so im Jahr 2019 den Shift vollzogen, dass ich gesagt habe, ich mache keine Social Media oder keine Facebook-Beratung mehr, sondern gehe in den Bereich Yoga und Coaching. Und das war schon mal so ein bisschen der erste Bruch, würde ich sagen, mit dem Thema Social Media.
Das war noch nicht, dass ich so einen kritischen Blick drauf hatte. Es war mehr so dieses Persönliche, ich kann mir nicht mehr vorstellen, Menschen da zu beraten, weil mir das keinen Spaß mehr macht. Das war so der Anfang dessen, würde ich sagen. Meine Güte, das sind auch schon sieben Jahre, fällt mir dann auf. Wahnsinn.
[Alex] Ja, aber das ist ja auch irgendwie klar. Also du hast ja auch gesagt, wer so eine Coaching-Ausbildung mal gemacht hat oder eine Yoga-Ausbildung, da passiert was im Inneren.
Und gerade das Thema Yoga, das ist ja auch super viel Achtsamkeit, bei sich sein und gucken, wie es einem geht. Und dann merkt man dann eben, ah, okay, soziale Medien haben eigentlich einen Effekt auf mich, der mir gar nicht gut tut.
Also du hast ja auch auf deinem Blog einen Artikel, wo du ganz viele Gründe gesammelt hast, warum du ausgestiegen bist oder teilweise, wie wir gleich dazu kommen. Kannst du mal so ein bisschen erzählen, was soziale Medien mit dir gemacht haben dann auch?
Negative Effekte des Vergleichens
[Claire] Also das, wo ich mich am meisten daran erinnere oder wo ich auch heute immer noch merke, dass ich da sehr schnell reinrutsche, ist das Vergleichen, was mir einfach nicht gut tut. Dieses, ich sehe, wie unfassbar erfolgreich andere sind und komme mir dann klein und unwichtig vor und mein Business funktioniert nicht und all das.
Also ich würde sagen, das war so mit das Vorrangigste, was ich immer wieder erlebt habe. Also ich habe dann so durch den Feed gescrollt und gedacht, boah, ja, die ist voll sichtbar und die hat es ja irgendwie voll drauf.
Auch bei der läuft es gut und bei dem läuft es gut und ich selber krebs da so rum und so. Also das hat meinen Selbstwert sehr angegriffen, habe ich gemerkt einfach mit der Zeit. Also immer wenn ich rauskam aus Social Media oder selbst wenn ich noch drin war, merkte ich irgendwann, dass meine Stimmung kippte und ich dann dachte, okay, zumachen, weg.
Oder eben wenn ich schon zugemacht habe, dass ich merkte, ich fühle mich irgendwie nicht so besonders gut. Und da wieder rauszukommen, dann erstmal wieder aus diesem alle anderen haben es viel besser und haben es mehr drauf als ich, das hat auch natürlich immer eine Weile gebraucht. Inzwischen bin ich da etwas robuster, aber nicht vor gefeit, immer noch in diese Fallen zu tappen.
[Alex] Hatte sich das dann auch auf dein weiteres Leben ausgewirkt? Also dieses Vergleichen, hast du dann irgendwie auch im privaten oder beruflichen Leben gedacht, hier wirkt Social Media noch irgendwie nach bei mir?
Auswirkung von Social Media auf die Selbstständigkeit
[Claire] Ja und nein. Also ich glaube nicht so mega in der Tiefe, aber so Thema Versagen, Scheitern und so waren die letzten zwei, drei Jahre schon ein großes Thema.
Unter anderem deswegen, weil ich von der vollen Selbstständigkeit nach acht Jahren wieder in eine Anstellung auch gegangen bin teilweise und ich fühlte mich wie die Vollversagerin.
Und ich will jetzt nicht sagen, dass Social Media dafür verantwortlich ist, weil das hatte erstmal nichts mit Social Media zu tun. Ich glaube aber, dass dieses Thema Selbstwert, Versagen, andere sind viel erfolgreicher, dass das mit reingespielt hat in meine Versagensgefühle, die ich hatte zu der Zeit.
Also das kann ich nicht abstreiten, weil es während ich eben noch in dem Prozess war von, ich wechsle wieder auch in der Anstellung oder ich teilweise, ich bin ja immer noch selbstständig, da habe ich schon gemerkt, dass das Social Media durchaus einen Einfluss hatte, wenn ich da mal wieder rumgescrollt habe und gedacht habe, ja toll, und ich muss jetzt in eine Anstellung gehen, während die da voll abgeht oder so.
Also das ist schon ein Einfluss. Ich würde nicht sagen, dass das allein nicht dafür verantwortlich war, aber es war definitiv ein Einflussfaktor.
[Alex] Also ich würde schon auch sagen, als ich da war, habe ich schon noch beobachtet, wie so dieses unternehmerische Mindset auch sehr glorifiziert wurde. Also das war so dieses Nonplusultra und natürlich für alle Menschen in allen Lebensbereichen und Situationen immer die richtige Entscheidung, sich selbstständig zu machen. Das ist ja nicht so.
[Claire] Ja, genau. Und damit wurde ich konfrontiert. Und ich bin auch immer noch der Meinung, also meine Seele schlägt immer noch für die Selbstständigkeit, das sage ich ganz offen.
Aber ich bin gerade total fein damit, angestellt zu sein, weil ich es gerade auch schön finde, dass jeden Monat fest Geld reinkommt, ob ich jetzt krank bin oder nicht.
Und ich war zum Beispiel Ende des letzten Jahres jetzt vier Wochen krank, wäre ich in der Zeit selbstständig gewesen, das wäre eine Vollkatastrophe gewesen. Das sage ich ganz offen.
Und das hat mich schon auch sehr beeinflusst, was auf Social Media geredet wurde. Wie du sagst, dieses Mindset, es ist das Nonplusultra, selbstständig zu sein. Jeder muss das. Und da dachte ich auch irgendwann, warum tue ich mir das eigentlich an, so zu denken? Weil es ist nicht das Nonplusultra, es hat alles seine Vor- und Nachteile. Und Unternehmer sein hat auch Vor- und Nachteile, genauso wie angestellt sein.
Der Facebook-Hack
[Alex] Ja, und dann kam es bei dir richtig dicke, nämlich dein Facebook-Konto wurde gehackt. Kannst du erzählen, wie das war? Also du bist auch nicht die Erste jetzt hier in dem Podcast, der das passiert ist, aber wie war es dann bei dir?
[Claire] Ja, ich bin auf eine Phishing-Mail tatsächlich reingefallen. Ich hätte ja nicht gedacht, dass mir das mal passiert, aber niemand ist davon gehalten. Ja, wirklich.
Die haben halt meine Daten abgegriffen und ich bin, also es war irgendwie abends und ich bin dann ins Bett und am nächsten Morgen war was komisch, also ich kam nicht mehr in Facebook rein.
Und auf Instagram hatte ich ganz viele Likes und ich hatte nichts veröffentlicht und habe dann irgendwie geguckt, für was habe ich denn jetzt so viele Likes bekommen?
Das waren Werbeanzeigen, die über mein Konto geschaltet wurden.
Also ich habe das so ein bisschen rekonstruieren können, was passiert sein muss, ist, dass die Hacker eben meine Daten genommen haben, haben sich bei mir eingeloggt, haben mein Werbekonto gekapert, haben das quasi auf sich, auf ihre E-Mail-Adresse umgeschrieben, dass ich dann nicht mehr drankomme.
Und haben dann über mein Werbekonto auf Instagram Anzeigen geschaltet. Und dann haben die noch irgendwas auf Facebook gemacht, damit der Algorithmus anspringt und mich rausschmeißt.
Und Facebook hat von jetzt auf gleich gesagt, so, du hast gegen unsere Richtlinien verstoßen, du fliegst raus und du kommst auf gar keinen Fall mehr an dein Facebook-Konto dran.
So, und genau, dann stand ich auf einmal da mit irgendwelchen Werbeanzeigen, die liefen, auf meine Kosten. Ich meine, ich habe die dann zurückbuchen lassen. Gott sei Dank war das alles Lastschrift und ich konnte der Bank sagen, bitte blockiert die alle, ich buche das zurück. Also mir sind keine finanziellen Schäden in dem Sinne entstanden.
Aber es war eine krasse Sache. Also ich bin zwei, drei Tage völlig rotiert. Ich konnte dann irgendwie, indem ich mein Instagram-Konto vorübergehend deaktiviert habe, die Anzeigen eben stoppen. Sonst wären die noch tagelang weitergelaufen.
Aber ich fand alleine so dieses von Facebook „Hey, du verstößt gegen unsere Richtlinien, du fliegst raus, keine Chance, Einspruch zu erheben“ – das hat mich so mit am meisten schockiert, weil ich 15 Jahre mein Konto hatte und mir nie etwas zu Schulden hab kommen lassen. Und von jetzt auf gleich wirst du ausgesperrt, ohne angehört zu werden.
Und da habe ich echt gedacht, boah, Leute, ihr habt sie doch nicht mehr alle. Entschuldigung, wenn ich das jetzt so sage. Aber das war wirklich so mein Gedanke. Ich kann noch nicht mal mich, ich will nicht sagen rechtfertigen, ich kann noch nicht mal Stellung beziehen.
Und das hat mich sehr, sehr angefressen, muss ich schon sagen, dass man so hilflos war. Und vor allen Dingen, ich habe dann Mails geschrieben an den Facebook-Support. Dann kam immer nur so eine dämliche Standardantwort zurück. Wir sind nicht zuständig oder sie fühlten sich einfach nicht zuständig. Hier sind ein paar Links, die helfen könnten. Nein, sie haben natürlich nicht geholfen, weil ich alles schon fünfmal durch hatte.
Und ich habe dann letztendlich nur über einen Anwalt mein Konto wiederbekommen. Und das fand ich echt übel. Ich hatte sogar noch kurzzeitig überlegt, will ich den Anwalt jetzt überhaupt bezahlen oder ist das nicht das Signal, jetzt dann das Facebook-Konto sein zu lassen?
Aber es ging nicht, einerseits aus beruflichen Gründen und ich wollte nicht, also in dem Sinne, vielleicht kommen wir da auch noch gleich zu, vielleicht nur ganz kurz. Weil ich mir über die Jahre wirklich ein sehr, sehr gutes Netzwerk auf Facebook aufgebaut hatte und wirklich auch zu einigen Leuten nur darüber Kontakt habe und auch gerne habe.
Also es ist nicht so, dass ich alles schlecht finde bei Facebook, sondern ich habe da wirklich ein sehr wertvolles Netzwerk. Und dann habe ich irgendwann gedacht, für das Netzwerk würde ich jetzt das Geld investieren, um den Anwalt zu bezahlen und mein Konto wieder zu bekommen. Aber ich war kurz davor, es alles komplett sein zu lassen. Also das sage ich schon.
[Alex] Die ganze Zeit und Energie und ja auch das Geld, das man da aufwendet, das ist einfach super, super ärgerlich.
[Claire] Ja, vor allem für etwas, was Facebook eigentlich sowieso machen muss. Es gibt Gerichtsurteile, die sagen, Facebook darf nicht einfach Leute ausschließen. Die müssen zumindest die Leute erstmal anhören und können nicht einfach sagen, du fliegst raus.
Und das ist das, was mich so stört. Das ist dieses Willkürliche und du musst einen Anwalt, nur mit Anwalt haben die reagiert, obwohl ich vorher auf eigene Faust genau das Gleiche gesagt habe.
Und sowas mag ich überhaupt nicht. So diese Willkür und diese, nee, das macht mich wahnsinnig. Da geht mein Ungerechtigkeitssensor ganz stark.
[Alex] Nun hast du dich ja aufgrund all dieser Gründe, die du gerade erwähnt hast, entschieden, Social Media zu verlassen, aber nur teilweise. Was genau meinst du damit? Wie sieht für dich so eine teilweise Social-Media-Nutzung genau aus?
Teilweiser Social-Media-Ausstieg
[Claire] Genau. Also ich habe ja im Rahmen dieses Hacks dann später auch noch mein Instagram-Konto verloren, weil in der Zeit, wo das Konto deaktiviert war, war wieder irgendwas und ich habe angeblich schon wieder gegen irgendwelche Richtlinien verstoßen, was aber nicht der Fall sein konnte, weil mein Konto deaktiviert war.
Dann habe ich noch versucht, Einspruch zu erheben und zwar mehrfach. Da kam nichts mehr. Das Instagram-Konto habe ich jetzt einfach gesagt, komm, weg, ist mir jetzt egal. Und mit teilweise einem Ausstieg ist also gemeint, ich brauche Facebook oder generell Social Media halt schon noch für die Arbeit.
Ich bin teilzeit angestellt als Marketingmanagerin bei einer IT-Firma und Social Media ist da eben Teil und da kann ich nicht einfach sagen, nee, ich bin gar nicht auf Social Media, weil zum Verwalten der Konten brauche ich eigene Konten.
Das ist einfach, das ist ja so aufgebaut und das ist ja auch grundsätzlich richtig, damit man, wenn man als Mitarbeiter irgendwann wieder rausgeht, einfach nicht das komplette Konto zumacht, sondern einfach nur den Mitarbeiter aus dem Konto wieder rausschmeißt.
Also deswegen ist es einfach so eine berufliche Anforderung, die ich habe, mit der ich gerade gut aber umgehen kann, weil ich mit tatsächlich Social Media in meinem Berufsalltag gar nicht so viel zu tun habe. Also das nimmt gar nicht so viel Raum ein. Das ist schon mal ganz gut.
[Alex] Du meinst als Selbstständige dann?
[Claire] Ja, aber auch als Selbstständiger habe ich halt eigentlich mit Social Media gar nichts mehr zu tun.
Weil, wie gesagt, Instagram-Konto ist weg, Facebook-Konto ist weg. Wenn ich mal was promote, dann über mein persönliches Facebook-Profil ist das aber auch selten geworden, weil ich einfach das, meine Promo mache ich inzwischen viel mehr über andere Kanäle, wie zum Beispiel meinen Newsletter oder mein WhatsApp-Status, ganz ehrlich.
Also ich meine, gut, WhatsApp gehört auch zum Meta, kann man jetzt auch kritisch sehen, aber darüber kommt auch schon mal das eine oder andere. Also ich nutze da einfach andere Möglichkeiten. Genau, aber teilweise Ausstieg ist halt einfach, ich brauche es für die Arbeit und ich habe, wie gesagt, einfach mein Facebook-Konto mir zurückerkämpft, weil mir das Netzwerk dort wichtig ist.
Und da merke ich immer noch, wenn ich da mal bin, ich bin in so einer Bubble drin, wo es eigentlich ganz nett ist. Und das ist dann auch ganz gut, wenn es mir mal wieder nicht passt, gehe ich wieder raus und dann ist es auch okay. Also ich nutze es halt nur wesentlich weniger als vorher und wirklich für das Marketing, für mein Marketing im Business, fast gar nicht mehr.
[Alex:] Also du hast kein Instagram-Konto mehr. Du nutzt deine Facebook-Unternehmensseite nicht mehr. Richtig?
[Claire] Weil die ja auch dem Hack zum Opfer gefallen ist. Und die Seite habe ich zum Beispiel nicht wiederbekommen. Und das war mir dann auch irgendwie egal, ganz ehrlich.
[Alex] Aber das Facebook-Profil hast du noch, weil du da einfach mit Menschen zu tun hast, die du magst und wo dir der Austausch auch wichtig ist. Nun könnten Hater ja sagen, das ist aber ein bisschen inkonsequent. Was würdest du ihnen dann antworten?
[Claire] Den würde ich tatsächlich sagen. Du hattest mir die Fragen im Vorhinein ja geschickt und insofern war es ganz gut, weil ich dachte mir, oh Gott, was soll ich jetzt antworten? Aber ich weiß genau, was ich antworte.
Ich finde es schade, wenn es immer um diese 100 Prozent geht.
Wir haben zwischen schwarz und weiß, haben wir Millionen bunte Farben. Warum muss es 100% weiß sein? Warum muss ich 100% gehen?
Ich würde den Leuten sagen, oder sie mal eine Gegenfrage stellen, bist du in allem 100%, wirklich 100% konsequent und perfekt aufgestellt? Und wenn das der Fall ist, können wir uns gerne nochmal über Konsequenzen überunterhalten. Solange das nicht der Fall ist, ziehe ich mir den Schuh gar nicht erst an.
[Alex] Ja, das finde ich eine total tolle Einstellung, weil ich predige das auch immer, dass einfach jeder Mensch so seine individuelle Nutzung finden muss und egal, wie sie aussieht und gerade, wenn man etwas findet, was einem gut tut, das ist ja eine super wertvolle Info, dass man weiß, das tut mir gut, das tut mir nicht gut und eben das dann eliminiert, was einem nicht gut tut, und das behält, was einem gut tut, also genau.
[Claire] Ja, klar.
Alternativen zu Social Media
[Alex] Du hast schon ein bisschen angesprochen, dass es jetzt für dich und dein eigenes Marketing einfach auch andere alternative Marketingstrategien gibt. Also du hast gesagt, für deine Teilanstellung brauchst du dein Facebook-Konto noch, aber für dich als Selbstständige, als Yoga-Lehrerin – richtig? – nutzt du Social Media fast gar nicht mehr zum Marketing.
Du hast schon erwähnt, Newsletter spielt eine Rolle. Oder kannst du vielleicht da mal so ein bisschen näher drauf eingehen, wie sieht jetzt dein alternatives Marketing ohne Social Media aus?
[Claire] Ja, so genau. Also ich kann dir jetzt keine straightforward Antwort geben, weil ich auch in meiner Selbstständigkeit immer mit verschiedenen Projekten arbeite, sage ich jetzt mal.
[Claire] Aber wenn ich jetzt nur daran denke, Yoga-Produkte zu verkaufen, ist es tatsächlich, ist der Newsletter mein Hauptkanal.
Und da kommen auch regelmäßig neue Anmeldungen rein. Klar, es fallen auch wieder welche raus, aber ich sehe ja in meinem Newsletter-Anbietertool immer, also kann ich ja Neuanmeldungen abrufen oder generell einfach meine Liste aufrufen und ich kriege ein bis drei Anmeldungen pro Woche neu rein, ohne dass ich viel mache, weil mein Blog dann wiederum gute Suchergebnisse liefert.
Also ich habe halt über die Jahre einige Blogartikel geschrieben, die gut performen auf Google und darüber kommen die Leute auf meinen Blog und darüber kommen sie dann eben teilweise oder eben doch teilweise in meinen Newsletter und dann, je nachdem, kaufen die auch schon mal von mir. Also das ist halt so meine Hauptstrategie, sage ich jetzt mal.
Ich hatte auch mal einen Podcast, den bediene ich jetzt so nicht mehr. Ich habe inzwischen einen neuen Podcast mit einer Kollegin, der ist aber jetzt noch nicht auf meinem Blog mit drauf.
Genau, aber einfach so durch, also im Prinzip ist es eine Kombination aus Suchmaschine plus Newsletter. Das sind so die Hauptkanäle.
Und ansonsten läuft dadurch, dass ich viel Offline im Yoga-Bereich gerade mache, einfach auch viel über Mund-zu-Mund-Propaganda oder hier lokales Marketing.
Also ich habe letztens einen Workshop gemacht, da habe ich Aushänge hier in Läden gemacht und solche Sachen. Also ganz banal sage ich jetzt mal offline, klassisches Offline-Marketing mit Printprodukten oder so kann auch mal drin sein, je nachdem, was ich gerade anbiete.
[Alex] Das finde ich auch total wichtig, dass man das nicht vergisst, dass wenn man irgendwie ein Thema hat, wo auch Leute eben dann zu dir quasi in dein Studio kommen, kann sich das auch lohnen. Also ich habe auch, erzähle ich, glaube ich, auch immer wieder in diesem Podcast, eine Wildkräuterwanderung mitgemacht, weil ich halt auf dem Spaziergang mit dem Hund irgendwo einen Aushang gesehen habe, dass sie das anbietet hier in der Nähe und ich dachte, ja cool und melde ich mich mal an.
Also ich glaube, das irgendwie von vornherein so als altmodisch oder veraltet oder nicht effektiv zu verteufeln, das ist keine gute Strategie, also je nach Thema, das man selbst macht.
[Claire] Im Gegenteil, also meine besten Erfahrungen habe ich eigentlich mit Menschen, die schon mal bei mir waren und wissen, was sie von bei mir bekommen, die sich dann anmelden für Retreats, Workshops, was auch immer.
Oder eben, wie gesagt, Mund-zu-Mund-Propaganda, dass jemand irgendwie rumfragt hier im Ort, kennst du eine Yoga-Lehrerin oder irgendwie sowas. Oder letztens habe ich hier, wir haben hier so ein Lokalblättchen vom Bürgerverein, da habe ich eine Anzeige geschaltet und habe tatsächlich eine Anfrage bekommen, weil jemand gesagt hat, ich möchte meiner Frau zu Weihnachten jetzt einen Gutschein schenken für eine Einzelstunde mit dir.
Ja, also das kann auch funktionieren. Deswegen gerade wenn man, ich habe so ein bisschen so ein Hybrid-Business, ich mache durchaus einiges online, aber eben auch viel offline. Und dann darf man, gerade wenn man im Offline-Bereich unterwegs ist, auch wirklich hier gucken, was kann ich offline machen. Und das finde ich total wichtig, das auf dem Schirm zu haben.
Kooperationen und Netzwerken
[Alex] Und so ein bisschen im Nebensatz hast du ja auch noch erwähnt, du machst einen Podcast mit einer Kollegin. Also quasi mit realen Menschen auch Kooperation machen und was zu tun haben und Netzwerken. Das kann ja auch eine gute Strategie sein, um die Sichtbarkeit zu haben.
[Claire] Zumal unser Podcast, ich nenne ihn jetzt einfach mal, Ungezähmte Frauen heißt er.
Da geht es darum, im Prinzip als Frau ungezähmt zu sein, also sein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben. Und da reden wir über ganz viele unterschiedliche Themen, auch über Yoga und Spiritualität und alles Mögliche.
Und da platzieren wir beide auch regelmäßig unsere Angebote oder weisen auf unseren Newsletter hin und sowas alles. Also da bin ich auch schon vielseitig aufgestellt und habe eben andere Angriffspunkte und ich muss nicht unbedingt Social Media haben.
Und zum Beispiel bei dem Podcast, den wir zusammen machen, die Susanne und ich, wir haben uns bewusst von vornherein entschieden, dass wir unseren Podcast nicht auf Social Media bringen.
[Alex] Warum?
Dass wir unsere nette Marketingstrategie ohne Social Media machen wollen. Ja, weil wir beide so ein bisschen Social-Media-müde sind. Sie hat zum Beispiel gerade ihr Facebook-Konto jetzt wirklich deaktiviert aufgrund dieser furchtbaren Ankündigung von Mark Zuckerberg letzte Woche.
[Claire] Und sie hat gesagt, ich habe jetzt wirklich die Schnauze voll, ich gehe. Ich würde das tatsächlich gerne tun, aber ich kann es nicht aus beruflichen Gründen. Also ich bin gerade auch an einem Punkt, wo ich denke, boah, was tue ich mir da eigentlich noch an?
Genau, aber wir hatten vorher beide schon so diese Entwicklung hin zu weg von Social Media. Es stresst uns, es nervt uns, es tut uns nicht gut. Und haben dann beide, weil wir so achtsam miteinander sind und so ein gutes Gespür haben, was tut uns gut, beide gesagt, nee, das ist nicht die Strategie, mit der wir unseren Podcast bekannt machen wollen. Und haben es dann einfach von vornherein gelassen. Und es sorgt auch dafür, dass es stressfreier ist, weil es ist auch einfach weniger Arbeit. Muss man einfach sagen.
[Alex] Ja. Habt ihr euch dann alternative Strategien überlegt?
[Claire] Also im Moment läuft viel über, wir haben jeweils einen Newsletter, dass wir das darüber immer mal promoten. Ich stelle es immer mal in meinen WhatsApp-Status. Also im Moment ist der Podcast noch verhältnismäßig klein, wobei dafür, dass wir, ich sag mal, 10 Folgen veröffentlicht haben, haben wir jetzt, ich glaube, knapp unter 300 Downloads. Das ist schon mal ganz gut. Also ich finde es gar nicht so schlecht. Und ja, wir wollen halt jetzt demnächst auch anfangen mit Interviews und so.
Also im Prinzip ist es oft ein Zwiegespräch zwischen uns. Wir reden viel über unsere eigenen Erfahrungen, aber wir wollen eben bei bestimmten Themen auch Expertinnen mit reinbringen und dann verbreitet sich das ja wiederum auch.
Weil wenn die dann sagen, hey, ich war in dem Podcast, dann kommen ja über deren Netzwerk auch wieder neue Leute auf unseren Podcast. Also das darf jetzt auch langsam und organisch wachsen.
Also wir haben beide nicht, ich habe zwar eine große Vision für diesen Podcast, das schon, aber ich bin da gerade in dem Prozess drin, dass ich sage, ja, aber das darf auch jetzt Schritt für Schritt für Schritt größer werden. Das muss jetzt nicht sofort einschlagen wie eine Bombe und viral gehen. Also das ist völlig in Ordnung, wenn es ein bisschen braucht, bis es bekannter ist.
[Alex] Das klingt sehr entspannend.
[Claire] Ja, also ich habe lange gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Auch nicht immer, aber im Großen und Ganzen habe ich mir diese Einstellung in den letzten Jahren doch erarbeitet, dass ich sage, Schritt für Schritt immer weiter und dann wird das irgendwann auch funktionieren oder einfach bekannter werden.
Auswirkungen auf die mentale Gesundheit
[Alex] Okay, du hast gesagt, du hast ja das quasi erarbeitet, diese entspannte Einstellung. Kannst du vielleicht nochmal erzählen, wie sich dieser Social-Media-Ausstieg ausgewirkt hat auf dich, auf deine Selbstständigkeit oder auf deine mentale Gesundheit? Gab es positive oder negative Auswirkungen überhaupt oder hatte das null Konsequenzen?
[Claire] Also, wenn ich jetzt an meinen Umsatz denke, hatte der Ausstieg gar keine Relevanz. Also, ich habe sogar besseren Umsatz gemacht als vorher, also als die Jahre davor. Das hat mehrere Gründe. Also ich will jetzt auch nicht wieder Social Media als den Faktor, aber es hat definitiv sich nicht negativ ausgewirkt auf meinen Umsatz.
Was ich merke oder sagen wir es mal so, ich bin ja durchaus immer noch in Social Media aktiv, nicht mehr ganz so viel wie vorher und eher zielgerichteter und merke immer noch manchmal, dass es mir nicht so gut tut und dann versuche ich auch aufzuhören.
Ja, das ist nicht immer einfach. Wir kennen die Mechanismen. Aber ich bin noch sensibler geworden, was die Nutzung angeht, dass ich noch mehr darauf achte, dass ich mir gewisse Dinge einfach nicht antue, dass ich Leuten konsequent entfolge, wo ich merke, die triggern mich einfach, dass ich Dinge ausblende oder dass ich einfach frühzeitig rausgehe.
Also ich glaube, für meine mentale Gesundheit hat das schon viel gemacht. Vor allen Dingen, wir hatten ja vorhin über das Thema Selbstwert und Vergleichen gesprochen. Das mache ich tatsächlich weniger, weil ich viel, viel mehr bei mir bin und merke, wie viel leichter es mir jetzt fällt, meinen Weg zu gehen. Das ist ja auch Thema unseres Podcasts, den eigenen Weg gehen.
Und ja, durch den Wegfall von Social Media oder nicht mehr so viel Nutzen zumindest, es hat mit Sicherheit auch wieder einen Beitrag geleistet. Ich will jetzt auch wieder nicht sagen, da war Social Media zentral, aber es war definitiv ein Faktor, ein nicht zu leugnender Faktor.
Tipp zum Schluss
[Alex] Letzte Frage. Du hast schon diese Ankündigung von Mark Zuckerberg angesprochen und wenn es jetzt Menschen gibt, die sich das auch überlegen, aus Social Media raus, aus Facebook raus, teilweise oder vollständig, hast du eine Empfehlung für sie? Also irgendwas, was du gelernt hast mit deinen Erfahrungen, was ist besonders wichtig, worauf kommt es an?
[Claire] Also ich würde mich einfach fragen, was ist meine Priorität?
Und meine persönliche Priorität ist meine Gesundheit und da zählt auch die mentale Gesundheit zu. Und wenn ich merke, dass mir etwas nicht gut tut, bin ich sehr gut beraten, damit aufzuhören. Und für mich ist es einfach eine Frage der Prioritäten, was heißt einfach.
Ich weiß, dass das nicht so einfach ist und dass auch so ein Ausstieg ja dann mit vielen Ängsten verbunden ist. Und eben, oh mein Gott, wie soll ich denn mein Marketing gestalten ohne? Ich meine, die Ängste nimmst du ja auch in deinem Buch durchaus ernst und nimmst sie mit auf und zerstreust sie so ein bisschen.
Und aus eigener Erfahrung kann ich sagen, mein Marketing, also auch wenn ich so generell über meine letzten Jahre Social-Media-Nutzung nachdenke in Bezug auf Marketing und mein Business, hat Social Media tatsächlich nie wirklich eine Rolle gespielt.
Also den Umsatz habe ich nie über Social Media gemacht. Ja, es wurde der eine oder andere vielleicht auf mich aufmerksam, das will ich nicht abstreiten. Aber wirkliche Buchungen habe ich darüber nicht erhalten.
Und vielleicht hilft das so ein bisschen und wie gesagt, sich einfach zu fragen, wo liegt meine Priorität? Und wenn ich merke, mir ist es wichtig, dass ich mich wohlfühle, dass es mir gut geht und ich merke, Social Media tut mir nicht gut, ist die Antwort für mich einfach klar.
Also vielleicht so einfach als Impuls oder als Denkanstoß mal über die eigenen Prioritäten und Werte nachzudenken und darauf basierend zu handeln.
[Alex] Ja, ich denke, ein wunderbares Schlusswort. Claire, vielen, vielen Dank, dass du heute hier warst.
[Claire] Ja, danke, dass ich da sein konnte.
Shownotes
Die 5 Phasen des Social-Media-Ausstiegs
In dieser Podcastfolge geht es um die fünf Phasen des Social-Media-Ausstiegs. Ich hab in den letzten Jahren mit vielen Menschen zu tun gehabt, die aus Social Media ausgestiegen sind. Und mir ist aufgefallen, dass sie dabei meist ähnliche Gedanken und Gefühle hatten. Vielleicht helfen dir meine Überlegungen zu verstehen, an welchem Punkt du dich gerade befindest.
In dieser Podcastfolge geht es um die fünf Phasen des Social-Media-Ausstiegs.
Ich hab in den letzten Jahren ja mit vielen Menschen zu tun gehabt, die aus Social Media ausgestiegen sind oder die zumindest überlegt haben, aus Social Media auszusteigen.
Und mir ist aufgefallen, dass sie dabei meist ähnliche Gedanken und Gefühle haben.
Ich will nun damit nicht sagen, dass es eine streng wissenschaftliche Abfolge von Phasen ist, die jeder Mensch genauso und nicht anders durchlaufen muss.
Aber vielleicht helfen dir meine Überlegungen zu verstehen, an welchem Punkt du dich gerade befindest und was als nächstes kommen könnte.
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Social-Media-Ausstieg – Phase #1: negative Erfahrung(en)
Ja, starten wir direkt mit der ersten Phase des Social-Media-Ausstiegs. Und das ist meistens eine negative Erfahrung bzw. negative Erfahrungen – im Plural.
Ich hab das jetzt bewusst so allgemein formuliert, weil das bei jedem Menschen natürlich etwas völlig anderes sein kann. Und auch die Dauer dieser negativen Erfahrung oder Erfahrungen ist total individuell.
Ganz viele stellen zum Beispiel fest, dass die Social-Media-Nutzung sich negativ auf ihr Wohlbefinden auswirkt. Also, dass sie vielleicht sich mehr mit anderen vergleichen, mehr Selbstzweifel haben oder vielleicht sogar schlechter schlafen können oder vor lauter täglichem Onlinesein geradewegs in einen Burnout schliddern.
Andere wiederum sind frustriert, dass soziale Medien gar nicht so viel fürs Marketing bringen, wie immer versprochen wird. Also einerseits stecken sie viele Stunden ins Social-Media-Marketing, sind präsent, sind da, bauen eine Community auf, doch letzten Endes hilft all das nicht dabei, die Unternehmensziele zu erreichen.
Vielleicht werden die Posts und Videos nicht gut ausgespielt oder Menschen interagieren zwar mit den Inhalten, die man postet, aber letzten Endes werden sie nicht zu Kund*innen.
Oder es kommt sogar zu einem Hack oder zu einer Sperrung, obwohl man überhaupt nichts falsch gemacht hat.
Mir ging es ja zum Beispiel damals so, dass mein Werbekonto bei Facebook von einem Tag auf den anderen nicht mehr funktioniert hatte und ich super deprimiert war, weil ich es wochenlang versucht hatte, wieder zum Laufen zu bringen. Aber nun ja.
Der Facebook-Support war überhaupt nicht bereit, mir da zu helfen. Und ich sah das letzten Endes als einen Wink mit dem Zaunpfahl, da nicht mehr Energie als nötig reinzustecken. Und deshalb hörte ich auf, mich zu bemühen.
Ich hab damals übrigens auch einen Abschiedsbrief an Mark Zuckerberg geschrieben. Den verlinke ich dir noch mal in den Shownotes, wenn dich da noch mehr Details interessieren.
Und ja, ich hab in den letzten Jahren auch so viele Menschen kennengelernt, die es noch schlimmer getroffen hat. Wo ihr FB-Konto gehackt wurde und wo zum Beispiel kinderp*rnographische Inhalte gepostet wurden von den Hackern und das Konto deshalb sofort gesperrt wurde von Facebook und man dann letzten Endes nur mit einem Anwalt wieder ran kam.
Auch da verlinke ich dir ein passendes Interview vom letzten Jahr in den Shownotes.
Und schließlich kann es auch sein, dass du einfach wertemäßig nicht einverstanden bist mit dem, was auf Social Media passiert. Und du einfach regelmäßig dir denkst: WTF?!s Was hat Elon Musk oder Mark Zuckerberg da schon wieder angestellt?
Ja, das sind so vier Beispiele für negative Erfahrungen mit Social Media. Vielleicht findest du dich darin schon wieder. Vielleicht ist es bei dir auch etwas völlig anderes. Falls du mir das erzählen willst, sehr gerne übrigens. Du kannst mir jederzeit schreiben.
Social-Media-Ausstieg – Phase #2: Verdrängung
Ja, und dann kommen wir auch schon zur zweiten Phase des Social-Media-Ausstiegs und das ist meistens Verdrängung.
Also dass wir merken, dass uns soziale Medien nicht gut tun, der Welt nicht gut tun, der Demokratie nicht gut tun, dass wir es aber irgendwie nicht wahrhaben wollen.
Oder dass wir im Alltag den Gedanken daran sanft zur Seite schieben, vielleicht weil uns der Gedanke, aus Social Media auszusteigen, erst einmal überfordert und wir gar nicht wissen, wo wir starten sollen.
Vielleicht versuchen wir auch, gut auf uns einzureden und zu sagen:
„Hey, das ist vielleicht alles halb so wild. Okay, da zweifel ich vielleicht ein bisschen mehr an mir. Aber das liegt vielleicht auch an etwas anderem.“
Und das ist häufig die Phase, wo Menschen versuchen, die Beziehung zu Social Media aufrechtzuerhalten oder gar zu reparieren.
Dann versuchen sie häufig, Social Media achtsam zu nutzen. Legen zum Beispiel einen Digital Detox ein oder entfolgen ganz vielen Accounts, die ihnen nicht gut tun.
Bei mir war das so, dass ich mir angewöhnt hatte, die Social-Media-Apps zum Wochenende hin zu deinstallieren und montags wieder zu installieren.
Und das mag auch eine Weile alles so funktionieren. Doch bald stellt man dann eben fest, dass es das grundsätzliche Problem mit Social Media nicht löst.
Um noch mal bei meinem Beispiel zu bleiben:
Das Social-Media-freie Wochenende war total super. Aber montags fing das ganze Elend ja schon wieder von vorne an und ich hatte wieder fünf Tage vor mir, wo ich Dinge machen musste, die ich nicht wollte.
Social-Media-Ausstieg – Phase #3: Erkenntnis/Entscheidung
Was uns direkt zur dritten Phase bringt, nämlich der Erkenntnis oder der Entscheidung.
Das ist die Phase, wo wir entweder erkennen, dass weniger Social Media oder Social Media anders nutzen, uns nichts bringt.
Oder dass wir einfach diese Erkenntnis in uns haben: Jetzt reicht’s.
Und wir entscheiden uns: Ich will Social Media verlassen. Oder ich muss vielleicht sogar gehen, weil sonst XYZ bei mir oder in meinem Leben passiert.
Bei mir war das:
Ich muss gehen, sonst werde ich krank.
Das kann aber auch sein:
Ich will gehen, weil ich jetzt drei Jahre zwei Stunden täglich an Social Media verschwendet habe und das Fass jetzt einfach voll ist.
Es kann aber auch ein Ereignis von außen sein. Also dass Zuckerberg irgendwas ankündigt und man sich denkt: „So, jetzt ist Schluss. Bis hierhin und nicht weiter, Freundchen! Ich kann das nicht länger mit mir vereinbaren.“
Ja, was auch immer das ist – es ist sehr häufig eine mächtige Erkenntnis oder Entscheidung.
Sie zeigt, was uns wichtig ist, und dass soziale Medien sich im Konflikt mit dem befinden, was uns wichtig ist.
Social-Media-Ausstieg – Phase #4: Loslassen
Und das führt unweigerlich zur vierten Phase: zum Loslassen.
Und wie lange diese vierte Phase dauert, das Loslassen, ist total verschieden. Ich kenne jemanden, die hat innerhalb von einem Tag all ihre Kanäle gelöscht.
Andere oder die meisten brauchen da ein bisschen länger. Ein paar Wochen oder Monate oder Jahre.
Ich selbst hab – ich kann es nicht mehr auf den Tag genau sagen – aber ungefähr so 1,5 bis zwei Jahre gebraucht vom ersten Gedanken „Ich mag nicht mehr“ bis zum endgültigen Löschen von allen Kanälen.
Meine Beobachtung ist, dass ganz viele Menschen, ganz, ganz viele Menschen in dieser Phase sehr lange verharren. Dass sie wissen, dass sie und Social Media einfach kein guter Match sind, aber sie trauen sich einfach nicht, den allerletzten nötigen Schritt zu gehen.
Es ist wie, als wären sie in einer Beziehung gefangen, von der sie einerseits wissen, dass es keine gemeinsame Zukunft gibt, wo sich aber gleichzeitig eine so große Abhängigkeit eingestellt hat, die sich nur sehr schwer auflösen lässt.
Es ist eine herausfordernde, komplizierte, manchmal sogar leicht beängstigende Phase und es ist für die meisten Menschen verdammt schwer, einen Schlussstrich zu ziehen.
Social-Media-Ausstieg – Phase #5: Springen
Letzten Endes aber – und damit sind wir bei der fünften Phase angelangt – muss man springen.
Es ist letzten Endes ein Sprung. Daran führt kein Weg vorbei.
Und deshalb ist es völlig normal, wenn man aufgeregt ist oder leicht schwitzige Hände vielleicht sogar hat, wenn man seine Konten deaktiviert oder löscht.
Manchmal ist es ein kleiner Sprung.
Manchmal ist es eben ein großer Sprung.
Manchmal ist der Sprung völlig ungefährlich.
Manchmal besteht ein größeres Risiko.
Das ist total individuell und wie sicher die Landung ist, auch.
Shownotes
Abschiedsbrief an Mark Zuckerberg
Facebook-Konto gehackt und dann? Interview mit Judith Peters
Buch als machbares und zeitlich begrenztes Projekt – Interview mit Melanie Eschle
In diesem Podcastinterview habe ich Melanie Eschle zu Gast. Melanie unterstützt Expert*innen dabei, ihr eigenes Buch zu schreiben. Und im Interview wird sie uns verraten, wie wir das Buch als ein machbares Projekt planen.
In diesem Podcastinterview habe ich Melanie Eschle zu Gast. Melanie unterstützt Expert*innen dabei, ihr eigenes Buch zu schreiben. Und im Interview wird sie uns verraten, wie wir das Buch als ein machbares Projekt planen.
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Transkript lesen
[Alex]Ja, hallo Melanie. Ich habe mal gelesen, dass rund die Hälfte der Deutschen ein Buch schreiben will, aber nur sehr wenige von ihnen machen das dann auch tatsächlich. Woran liegt das deiner Meinung nach? Also ist es mangelndes Selbstvertrauen, ist es Prokrastination oder etwas anderes?
[Melanie]Ja, die Zahl kenne ich auch und ich finde es total schade, dass das so wenig Leute machen.
Aus meiner Erfahrung, der erste Grund, den ich immer genannt bekomme von Menschen, die ein Buch schreiben müssen oder wollen beziehungsweise, ist, dass sie keine Zeit haben. Der Wunsch ist da, aber die Zeit fehlt. Und dementsprechend wäre das wahrscheinlich dann so das Thema Prokrastination.
Allerdings bin ich da immer ein bisschen skeptisch, denn ich bin überzeugt, dass Prokrastination eigentlich immer nur ein Symptom ist, aber nicht die Ursache. Denn ich gehe ins Verschieben, wenn ich nicht weiß, was ich zu tun habe oder mir unsicher bin oder mir der Fokus fehlt.
Und dementsprechend lasse ich die Ausrede ungerne gelten und gehe dann immer nochmal einen Schritt tiefer rein und sage, dass diese Prokrastination eigentlich ein Ende finden kann, wenn du genau wüsstest, warum du ein Buch schreiben möchtest, was du damit anfangen willst.
Und dann gehen wir von einer ganz anderen Situation aus. Wenn das Ziel klar ist, dann kann man nämlich eigentlich auch die dahinführenden Schritte viel besser planen.
[Alex]Das bedeutet, all diese Prokrastinationstipps können wir uns eigentlich sparen oder Tipps, wie man Prokrastination überwindet. Also das ist einfach dann die falsche Ebene, auf der wir dann ansetzen, richtig?
[Melanie]Ich würde sagen, ja. Also das ist ja ähnlich wie bei der Aussage, ich möchte mehr Sport treiben oder ich möchte meine Ernährung verbessern.
Das ist auch so schwammig, aber wenn man ein konkretes Ziel hat und sich sagt, ich möchte keine Ahnung, mehr Sport treiben, weil mir mein Rücken wehtut und ich gesünder leben will, dann hat man ein ganz anderes Ziel vor Augen. Und deshalb ist diese Konkretisierung eines Ziels beim Buchschreiben für mich auch immer der erste Step, den ich mit meinen Kunden und Kundinnen bespreche, weil ich dahinter komme, warum willst du es?
Buchschreiben als Projekt
[Alex]Du hast schon so ein bisschen die Richtung eingeschlagen. Also dein Ansatz ist ja, dass du das Buchschreiben als ein machbares und zeitlich begrenztes Projekt siehst. Was genau meinst du damit? Kannst du das ein bisschen erläutern?
[Melanie]Ja, mir ist es wichtig, dieses Thema Buch so ein bisschen aus dem Elfenbeinturm zu holen und diese intellektuelle Aura wegzupusten.
Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht, das war 2020, da habe ich mein erstes Buch geschrieben und hatte da aufgrund der Umstände nur sechs Wochen Zeit, es abzuliefern. Da hieß es ganz oder gar nicht, es war ein ganz brandaktuelles Thema. Wir waren da im Sommer alle noch so halbwegs im Lockdown und das Buch handelte von digitalen Events und der Verlag ist darauf angesprungen und hat gesagt, spannend, aber damit ihr noch in die Herbstrutsche kommt, brauchen wir es in sechs Wochen.
Und mit dem Druck im Nacken habe ich einfach angefangen, dieses Projekt zu planen mit Anfang, Mitte, Ende, weil das Ende stand ja fest. Und habe mir da kleine Arbeitsaufträge gemacht, die ich Stück für Stück abgearbeitet habe.
Und nach sechs Wochen stand das Buch. Das würde ich jetzt nicht unbedingt meinen Kundinnen empfehlen. Das geht auch schöner, so ein Buch zu schreiben. Aber die Techniken und Vorgehensweisen, die ich mir da zum ersten Mal herangeschafft habe, die waren total nützlich, um es einfach machbar zu machen. Und das möchte ich weitergeben, indem ich den Elefanten sozusagen in kleine Häppchen zerstückele, damit man ihn leichter essen kann sozusagen.
Techniken und Vorgehensweisen beim Buchschreiben
[Alex]Sechs Wochen, das ist schon krass sportlich.
[Melanie]Das war hart. Ich meine, das war jetzt auch kein Kompendium. Es war so ein kleiner Praxisratgeber. Aber schön war es nicht.
Letzten Endes war es aber total sinnvoll, um einfach da mit Scheuklappen durchzugehen und sich diese Häppchen selber zu machen und das wirklich als Projekt zu sehen, zu planen, die einzelnen Meilensteine abzuarbeiten. Und dann hatte ich hier überall zum Beispiel meine Post-its hängen, wie viele Seiten ich pro Tag dann schreiben musste. Und die habe ich dann abgerissen und konnte dann sehen, wie es vorwärts ging.
Und diese Motivation und diese grundlegende Vorgehensweise, die finde ich total nützlich, um es halt einfach machbar zu machen und nicht dieses diffuse, ich sitze an meinem Schreibtisch Monate, Jahre lang, trinke Rotwein, sitze in müffelnden Klamotten und komme trotzdem nicht vorwärts. Und habe keine sozialen Kontakte.
[Alex]Das ist ja so das Bild von den Menschen, die schreiben, so ein bisschen vorherrscht. Dieses Genie, dann ist es so inspiriert und dann schreibt das alles nieder und so.
Und genau, trinkt Rotwein oder schläft bis zwei Uhr nachmittags oder sowas. Aber das ist bei mir auch nicht so, wie ich schreibe. Und deswegen bin ich total gespannt, wie du das Ganze machst.
Und ja, wenn du willst, kannst du das ein bisschen erzählen. Also wenn ich mich quasi entscheide, jetzt ein Buch zu schreiben, sehe ich erst mal diesen Wust an Aufgaben. Du hast gesagt, ich sehe so einen großen Elefanten.
Und die Frage ist jetzt, wie bringe ich da Ordnung rein? Also was sind einzelne Schritte, die ich unternehmen kann, um das Buchschreiben dann in ein realisierbares Projekt zu verwandeln?
[Melanie]Genau. Und ich glaube, was man als allererstes sich bewusst machen darf, ist, dass Buchschreiben ganz viel Vorabplanung ist. Und diese Angst vor dem Schreiben, wenn ich noch nie so einen großen Text produziert habe, die kann man vielleicht ein bisschen reduzieren, wenn man sich bewusst macht, wie viel Planung vorausgeht. Und dass das Schreiben, ich weiß nicht, du kannst das vielleicht auch sagen, wie es bei dir war, aber ich würde sagen, das aktuelle Schreiben sind vielleicht 50 Prozent von so einem Buchprojekt und ein riesengroßer Teil ist Planung und dann kommt nochmal ein großer Teil Überarbeiten dazu.
Also vor diesem Schreiben braucht man gar nicht so große Angst haben, finde ich. Erst recht nicht, wenn man weiß, welche Schritte und welche Entscheidungen vor dem Schreiben getroffen werden sollten.
Und den einen hatten wir ja schon, das Ziel, also warum willst du das Buch überhaupt haben? Da gibt es ja unterschiedliche Ziele.
Viele meiner Kundinnen wollen sich halt als Expertin positionieren oder die eigene Sichtbarkeit erhöhen oder das Buch als langlebiges Marketing-Tool verwenden.
Was ich mir vorstellen könnte, was zum Beispiel auch dein Ziel war, weil das ja deine ganze Theorie, deine ganze Maxime ist, so langlebige Texte zu produzieren, die langfristig weiterverwendet werden können.
Ich hatte aber auch schon eine Kundin, die mit ganz vielen Ideen kam. Das war eine Frau, die mehrfache Behinderungen hatte und ihre Erlebnisse aufschreiben wollte. Und wir dann irgendwann drauf gekommen sind, nein, eigentlich will sie Role Model werden, um dieses Thema weiter in die Sichtbarkeit zu bringen.
Und mit dem Ziel im Herzen schreibt es sich natürlich ganz anders und man geht die Schritte ganz anders.
Und dann geht es natürlich weiter, dann kommen auch so unangenehme Dinge, wo die meisten nicht so große Lust zu haben, wie Zielgruppenanalyse.
[Alex]Gehört ja in jedes Exposé im Grunde rein.
[Melanie]Genau, gehört in jedes Exposé und ich höre dann ganz häufig, ja, das weiß ich, ich habe ja meine Kunden und Kundinnen, kenn ich, das geht schnell.
Und dann geht es am Ende doch gar nicht so schnell, wenn man sich da wirklich mal ernsthaft mit beschäftigt.
Und das sind dann so Schritte, da ist es ganz schön, wenn man jemanden hat, der einen doch dazu bringt, da nochmal ernsthaft drüber nachzudenken.
Und naja, und dann geht es natürlich weiter in die Themenfindung und in die Gliederung, in die Struktur.
Und so arbeite ich mich dann immer vom großen Ziel immer in die kleineren Schritte und sorge dafür, dass jede Entscheidung, die getroffen wurde, wieder den Weg klarer macht für die nächste Entscheidung.
Planung ist alles
[Alex]Du hast schon am Anfang gerade das Thema Länge angesprochen, also dass dieser Planungsprozess auch dauern darf, und du hast gesagt, Schreiben ist so 50 Prozent und ich kann das voll bestätigen. Also ich glaube, bei mir ist das Schreiben sogar noch ein bisschen geringer gewesen.
Also das Buch hat ungefähr ein Jahr gedauert und ich würde sagen, ein Drittel davon war Schreiben, ein Drittel davon war Planung und ein Drittel war Überarbeiten. Und gerade das Planen, das hat einfach so vieles erleichtert dann im Schreibprozess.
Also ich glaube, man ist geneigt, das zu überspringen und zu denken, ach komm, also vor allem, wenn man vielleicht in Richtung Self-Publishing geht, sieht doch keiner, braucht doch keiner, weiß doch keiner so. Aber ich war total erstaunt, wie lange wir an der Gliederung gefeilt haben im Verlag. Und dass man da so krass profitiert davon, einfach weil ich zu keiner Zeit gedacht habe, okay, und was schreibe ich jetzt eigentlich? Ich wusste es und musste einfach nur in meine Gliederung gucken und habe dann einfach geschrieben.
Also ich wollte es nur noch mal unterstreichen, dass dieser Planungsprozess wirklich dauern kann, je nachdem, wie umfangreich das Buch natürlich wird und vielleicht auch je nachdem, ob ich das das erste Mal mache oder vielleicht schon geübter bin.
Aber gerade fürs erste Mal, glaube ich, würde ich da wirklich Wochen, wenn ich gar zwei, drei Monate, wenn ich das nebenbei so mache, einplanen.
Oder wie siehst du das? Welcher Zeitraum schwebt dir da so vor?
[Melanie]Naja, es kommt halt immer darauf an, wie viel Zeit du hast, um die da zu investieren.
Wenn du sagst, okay, ich mache die nächsten drei Monate nichts anderes, dann kann es natürlich schnell gehen. Aber das tut ja niemand von uns. Also wir schreiben die Bücher dann ja alle neben dem normalen Alltagswahnsinn. Und von daher ist das schon sehr realistisch, was du da gesagt hast.
Ich habe ein Programm, das geht über sechs Wochen, was ich mit meinen Kundinnen mache. Und da gehen wir in die Themen rein.
Aber grundsätzlich, wie man überhaupt rangeht an eine Gliederung. Also der Schritt davor ist dann die Zielgruppe. Und wenn du weißt, wer deine Zielgruppe ist, dann kannst du natürlich auch viel leichter in die Gliederung gehen, weil du weißt, okay, für wen schreibe ich konkret? Ich habe eine Persona erstellt. Ich schreibe jetzt für Susanne Schmidt. Und die hat die und die Probleme. Und anhand dessen kannst du dann deine Gliederung viel leichter erstellen.
Wenn du die Gliederung hast, dann gehst du halt nochmal tiefer rein und überlegst dir, was sind da die Inhalte. Dann schreiben wir das auch in die Gliederung schon in Stichworten rein und überprüfen immer wieder, löst das ein Problem? Möchte Susanne das wissen oder sind das nur extra Informationen? Und so verfeinert sich das Ganze immer, dass es natürlich eine möglichst kleinschrittige Anleitung dann am Ende für dich ist, die du dann im besten Fall nur noch runterschreiben kannst.
[Alex]Ich habe vom Verlag damals den Tipp bekommen, den fand ich total hilfreich, und zwar mir so eine Reader's Journey vorzustellen. Also es gibt ja die Customer Journey, die kennen vielleicht die Leute, die Marketing machen. Aber so eine Reader's Journey finde ich auch super hilfreich, also sich vorzustellen, die Leserin oder der Leser legt eben so eine Reise zurück, steht dann einen gewissen Punkt und dann will sie irgendwo hin. Und welche Station braucht sie dann, um da hinzukommen? Und anhand von dieser Frage konnte ich da viel besser die Gliederung erstellen, weil ich wusste, okay, diese Punkte muss ich Schritt für Schritt behandeln. Das war dann so ein logischer, stringenter Aufbau, also aus meiner Sicht. Und dann war quasi meine Aufgabe, das dann mit den Themen zu füllen. Also vielleicht für jemanden, der sich das vorstellen will, so metaphorisch, finde ich, hilft das, sich das jetzt so eine Reise vorzustellen, die die Leserin oder der Leser dann macht.
[Melanie]Passt dann für dein Buch. Aber es gibt ja auch andere Bücher, die nicht so stringent aufgebaut sind, dass du sie von Deckel zu Deckel liest, sondern da kannst du hin und her springen und dir deine Informationen rausholen.
Also ich hatte da zum Beispiel eine Kundin, die hat zum Thema Online-Präsenz ein Buch geschrieben. Und da ging es dann auch um verschiedene Bereiche. Und das musstest du nicht von vorne bis hinten lesen, sondern du konntest hin und her springen, was für dich gerade relevant ist. Und dann musst du aber natürlich in der Gliederung da vielleicht nicht so sehr auf diese Reader-Journey eingehen, sondern in der Gestaltung des Buches eher darauf achten, dass man sich zurechtfindet.
Techniken und Vorgehensweisen beim Schreiben
[Alex]Hast du denn bestimmte ... Tools, Programme, Techniken, wie du in so eine Planung rangehst? Oder kann man das jetzt, blöd gesagt, auch auf Papier machen mit einem Stift?
[Melanie]Du kannst alles mit einem Stift auf Papier machen.
[Alex]Oder hast du so eine bestimmte Struktur, so eine Herangehensweise, wie du das systematisch machst?
[Melanie]Also von den Themen her, die wir halt eben schon am Wickel hatten: Ziel, Zielgruppe, Thema, Gliederung. Und dann mache ich auch sehr gerne noch die Struktur einzelner Kapitel, Weil, wie gesagt, einzelne Häppchen, die man gut abarbeiten kann, ich liebe es, wenn Kapitel gleich aufgebaut sind und meine Kundinnen dann wissen, okay, hier starte ich mit einem Storytelling-Teil, da kommt eine Statistik, da kommt dann mein Tipp und am Ende kommt der Kasten mit den Lifehacks oder whatever. Also da gibt es ja tausend verschiedene Strukturen, die man argumentativ anwenden kann.
Und für jedes Thema gibt es gute Methoden aus der Schreibberatung, die man da anwenden kann, um sich seinem Ziel zu nähern. Ich gucke dann immer, was meine Kundinnen so für Typen sind, ob die da sehr strukturiert rangehen oder ob die auch mal einen kreativeren Ansatz brauchen.
Ein Beispiel: Zielgruppe ist ja bei den meisten nicht so super beliebt, das Thema, sich da nochmal eingehend mit zu beschäftigen. Da kann man eine Persona erstellen mit Deckbriefen.
Was ich aber zum Beispiel auch total gerne mache, ist, dass ich einen Leserbrief aus der Zukunft schreiben lasse. Wenn das Buch zum Beispiel schon rausgekommen ist und du hast einen richtigen Superfan, der dir schreibt und sagt, das Buch war mega, hat mir total geholfen und sich dann rückwärts da reindenkt, wieso ist der so begeistert.
Dann hast du einen kreativen Ansatz, der deinen inneren Zensor sozusagen auch ein bisschen austrickst und kommst so über Umwege an die Informationen, an die du rankommen willst. Weil gerade dieser innere Zensor ist ja häufig ein schlechter Ratgeber beim Buchschreiben. Da kommen ganz oft Zweifel auf und ich versuche dann immer so Techniken zu benutzen, wo man diese Stimme im Kopf ein bisschen umgehen kann, indem man kreativere Übungen dazu macht.
[Alex]Es gibt ja immer so verschiedene Herangehensweisen, wie man mit dieser inneren Stimme umgehen kann. Also das heißt, du versuchst, die ein bisschen auszuschalten oder mit ihr zu sprechen oder die zu überlisten? Oder was ist da deine Herangehensweise?
[Melanie]Ja, ich glaube, so ein bisschen überlisten. Ich glaube, ein bisschen überlisten, weil es geht ja bei mir häufig um Expertinnenbücher, um es fürs Marketing und die Sichtbarkeit zu benutzen. Und alle, die diese Bücher für sich schreiben, die sind Expertinnen. Also das ist ihr Job.
Und da kommen ganz oft dann so Zweifel auf wie, bin ich überhaupt gut genug, ein Buch zu schreiben? Weiß ich genug? Darf ich mir das überhaupt erlauben? Und da versuche ich dann immer reinzugrätschen und dafür zu sorgen, dass diese Stimme nicht so laut ist.
[Alex]Ich finde, gerade, wenn es so allgemeine Phrasen sind, wie: Bin ich gut genug, darf ich das oder darf ich mir die Zeit nehmen, ich schiebe das mittlerweile auch einfach zur Seite, weil ich weiß, das ist mir überhaupt nicht dienlich.
Also wenn die Stimme jetzt sagen würde, hey, Kapitel 9 ist aber irgendwie echt lang im Vergleich zu anderen Kapiteln, dann weiß ich, ah okay, da kann ich mir was Konkretes angucken, nämlich die Länge und kann nochmal gucken, vielleicht kann ich da irgendwas kürzen.
Aber all diese Sachen, die sind ja in der Regel gar nicht hilfreich, wenn mir jemand sagt, darfst du das überhaupt oder bist du überhaupt gut genug? Das ist meistens eine Diskussion, die ich nur verlieren kann mit meiner inneren Stimme.
Und deswegen schiebe ich das mittlerweile auch echt einfach konsequent zur Seite und denke mir so, jetzt nicht. Jetzt nicht, ich frage das gerade gar nicht. Also ich finde, wenn man so überlegt...
Ich finde, Kritik ist an sich ja gut. Ein Buch braucht ja auch kritische Stimmen und braucht ja auch Überarbeitung. Es ist ja auch so ein ganz großer Teil von einem Buch. Aber die Frage ist immer, auf welcher Ebene ist es? Also ist es auf so einer konkreten Ebene oder ist es eben auf so einer allgemeinen Ebene, die uns überhaupt gar nichts gibt?
[Melanie]Was ich auch total gerne mache, ist, wenn tatsächlich der Rohtext geschrieben wird und du dann, keine Ahnung, deine Gliederung hast und da hängen bleibst, weil dir noch Informationen fehlen oder du denkst, na, das ist doch nicht so ganz rund.
Und beim Rohtext geht es mir immer darum, dass Text auf Papier kommt und dass genau da dieser innere Zensor möglichst leise ist. Man kann ihn aber nicht immer ausschalten.
Und deshalb rate ich dann immer dazu, diese innere Stimme einfach mit einzubauen. Auf verschiedene Art und Weise kann man das dann direkt in den Text machen. Entweder du schreibst dir einen Kommentar, wo dann steht, die Passage ist noch doof, aber du schreibst sie trotzdem runter und guckst später dann drauf. Oder du machst dir Sonderzeichen an die Passage, irgendwie Sternchen oder Hashtagzeichen. Dann kannst du es hinterher wieder rausfiltern über die Suchfunktion und dir alle Stellen, an denen du noch gezweifelt hast, nochmal separat angucken.
Aber es bringt dich dann nicht aus dem Schreibfluss. Du bleibst nicht hängen an einem Satz, der irgendwie nicht schön formuliert ist oder der vielleicht noch, keine Ahnung, eine Statistik ist, die rauskopiert wurde und so nicht stehen bleiben kann.
Das wird einfach markiert, das wird wahrgenommen, als ist noch nicht perfekt und dann wird einfach weitergemacht.
Und im nächsten Schritt kann man sich diese ganzen Dinge dann wieder rausfiltern und nochmal separat drauf gucken. Aber man ist im Schreibfluss und man kommt auf jeden Fall weiter.
[Alex]Das finde ich auch. Also das Wichtigste ist einfach, eine erste Fassung zu schreiben. Und das ist so das Ziel. Das Ziel ist nicht, eine perfekte Fassung zu schreiben, sondern eine Fassung zu schreiben.
Und solange ich das nicht mache, gehe ich da auch nicht rein und korrigiere, sondern mache das dann hinterher.
Also finde ich ein ganz, ganz wichtiger Perspektivwechsel auch. Also dass ich das Schreiben und vom Überarbeiten einfach so konsequent trenne. Und wenn ich denke, ich habe da vielleicht Stimmen in mir, die sagen, aber das ist vielleicht doof oder so, wie du sagst, einfach nebendran zu notieren. Das finde ich eigentlich einen super Tipp.
Schreibtypen und ihre Merkmale
Jetzt haben wir schon so angefangen, über Schreiben zu reden. Ich wollte dich noch fragen, ich habe nämlich auf deiner Website gelesen, dass du verschiedene Schreibtypen voneinander unterscheidest.
Und das fand ich total interessant. Also, welche Schreibtypen gibt es denn oder kennst du? Und warum ist es so wichtig, seinen Schreibtyp zu kennen? Also, was für Vorteile hat das?
[Melanie]Also, es gibt das Feld der Schreibforschung tatsächlich. Und auch noch gar nicht so lange. Also das ist in den 60er-, 70er-Jahren, glaube ich, in Amerika aufgekommen als tatsächlich wissenschaftliches Feld und in den 80er Jahren dann erst nach Deutschland rübergekommen. Und mittlerweile gibt es so verschiedene Ansätze zu den skurrilsten Schreibtypen, also vom Redakteur zum Puzzler zum, was gab es da noch, das Eichhörnchen.
Also die verrücktesten Sachen, wie man schreibt, grundsätzlich basieren die aber alle auf zwei Schreibtypen, die ich für mich auch nutze, weil ich sie sehr nachvollziehbar finde.
Das ist zum einen der Strukturschaffer oder der Strukturschaffer. Ich versuche es zu gendern, aber das gelingt mir nicht immer. Und das sind so Personen, die einfach drauf losschreiben, die keinen langen Anlauf brauchen, denen es wichtig ist, ihre Gedanken zu Papier zu bringen und die Vorteile von denen sind, dass sie relativ wenig Angst vor dem Weißen Blatt haben und in kurzer Zeit ziemlich viel Text produzieren können.
[Melanie]Hat allerdings den Nachteil bei so großen Schreibprojekten, dass man vielleicht abschweift, die Zielgruppe nicht mehr im Blick hat, andere Themen noch reinnimmt und so ein bisschen die Struktur vernachlässigt.
Das funktioniert total gut bei kurzen Texten, bei langen wird es irgendwann schwierig. Demgegenüber stehen die Strukturfolger und das sind die Menschen, die sehr ausgiebig und sehr lange nachdenken, bevor sie überhaupt etwas zu Papier bringen.
Die haben eigentlich schon alles im Kopf und durchdekliniert, fangen mit der Gliederung an und schreiben dann sehr sorgfältig, Step by Step, das, was sie vorher geplant und recherchiert haben, runter.
Die haben den Vorteil, dass sie eine super Struktur meistens haben.
Der Nachteil ist, dass bei den Dingen, die im Schreibprozess aufkommen, meistens nicht so richtig gut da einfügen können, weil sie ja festgelegt haben ursprünglich, was der Inhalt sein soll.
Und die haben, wie gesagt, beide ihre Vor- und Nachteile. Das Wichtige bei der Kenntnis des eigenen Schreibtyps ist, dass du deine Stärken kennst und weißt, wie du mit deinen Schwächen umgehen kannst.
[Melanie]Bei großen Schreibprojekten erkennt man Strukturschaffer und Strukturfolger meist sehr schnell, denn die Strukturschaffer, die schreiben die Einleitung und den Schluss immer erst am Ende, weil sie am Anfang gar nicht wissen, was am Ende dabei rauskommt.
Und für die Strukturfolger ist das überhaupt kein Problem, weil sie wissen einfach vorher schon, wo sie hinwollen und die können das von vorne bis hinten runterschreiben.
Aber denen fehlt manchmal die Kreativität. Also die haben Schwierigkeiten, wenn sie während des Schreibens dann doch merken, dass ein Thema noch dazu muss oder abgeändert werden muss. Da sträubt es sich dann in denen und die haben dann Probleme, ihren Plan wieder umzuschmeißen.
[Alex]Gibt es denn so eine Verteilung? Also was ist dann der häufigere Schreibtyp?
[Melanie]Also ich wüsste jetzt keine prozentuale Verteilung. Ich weiß aber, dass man einen angeborenen Schreibtyp hat und dass man sich aber umtrainieren kann. Das heißt, wenn du vielleicht in einem wissenschaftlichen Kontext arbeitest, dass du dir dann selber antrainierst, dass du ein Strukturfolger wirst, weil das von dir erwartet wird, so wissenschaftlich zu arbeiten und du dann aber immer Probleme damit hast. Das ist so wie umtrainierte Linkshänder, so stelle ich mir das ein bisschen vor. Du kannst es, aber es fühlt sich nicht richtig gut an.
Schreibroutinen entwickeln
[Alex]Man kann ja eigentlich immer gute Gründe finden, nicht zu schreiben. Also: Ich habe andere Dinge zu tun. Oder: Mir ist gerade nicht danach. Aber das Geheimnis ist ja, sich trotzdem täglich oder zumindest regelmäßig hinzusetzen und zu schreiben.
Und wie geht das deiner Erfahrung nach? Also wie finden Autor*innen eine Schreibroutine? Welche Möglichkeiten gibt es da?
[Melanie]Planung. Planung ist mein A und O. Also es konkret machen, wie mit allen Dingen. Wie mit Joggen und mit Sport und mit gesunder Ernährung.
Ich empfehle es tatsächlich als konkreten Termin in den Kalender einzutragen, eine Schreibzeit.
Weil sonst rutscht es häufig weg, wenn es keine Priorität eingeräumt bekommt.
Und das Beste ist, dass du dir regelmäßig, wenn es nicht anders geht, Kurzzeit einplanst als irgendwie große Strecken am Stück.
Also lieber dreimal die Woche eine halbe Stunde als am Freitagmorgen zwei Stunden am Stück. Das halte ich für effektiver.
Und eine zweite Sache ist vielleicht noch, was ich auch merke, was mir sehr hilft, ist, dass ich mich zum Coworking tatsächlich verabrede.
Das fand ich, bevor ich es die ersten Male gemacht habe, als Vorstellung total bescheuert, muss ich sagen. Mich mit jemandem oder mit einer Gruppe zu verabreden per Zoom, eine Kamera anzustellen und dann redet keiner, sondern jeder arbeitet vor sich hin. Da dachte ich, was für ein Blödkram. Aber es sorgt halt für eine totale Verbindlichkeit und ich bin viel produktiver, wenn ich das tue.
Und das kann ich einfach auch empfehlen, sich zu verabreden und drüber zu sprechen. Das ist mein Ziel für heute und es dann durchzuziehen.
Wie ist es bei dir, schreibst du alleine? Du hast auch deine Gruppen, oder?
[Alex]Ja, ja, ich wollte gerade sagen. Also ich habe ja vor nicht allzu langer Zeit immer die Schreibcircles gemacht. Da war die Rückmeldung auch immer, es hilft zu wissen, da ist ein Termin und da kann ich auftauchen oder ich muss auftauchen. Ich habe immerhin Geld bezahlt und so.
Und diejenigen, die da wirklich aufgetaucht sind, die haben dann auch ihre Texte geschrieben. Ich muss sagen, ich bin nicht der Typ. Ich weiß nicht, warum. Wenn ich schreibe, sehe ich total verwahrlost aus und bin so ein [unverständlich] im Pyjama auf dem Sofa, so nach dem Motto. Also mich würde das, glaube ich, eher stören.
Aber ich glaube, da ist es auch einfach wichtig, vielleicht auch mal ein paar Dinge auszutesten und zu überlegen, was hilft mir. Weil es gibt, glaube ich, kein Geheimrezept, Sondern es gibt verschiedene Möglichkeiten und man muss die am Anfang testen, um dann festzustellen, was für einer besten funktioniert.
[Melanie]Total. Und vor allem auch deine Zeit rauszufinden. Kannst du früh gut schreiben, kannst du nachts gut schreiben, wenn alle im Bett sind und Ruhe herrscht.
Bei mir, mein Gehirn schaltet aus ab 18 Uhr. Ich stehe lieber zwei Stunden früher auf und habe dann meine Ruhe. Aber das geht natürlich nicht jedem so.
Und genau, das muss man einfach testen. Ich könnte auch nie im Leben in einen Café schreiben. Also ich habe da auch Kolleginnen, die das lieben, im Trubel zu schreiben. Das ist ein absolutes Nightmare für mich. Ich brauche Ruhe und kein Radio. Aber wie du schon sagst, also da muss man tatsächlich gucken, was für einen gut passt. Und ich plädiere ja auch dafür, sich so schön wie möglich zu machen und so ein bisschen zu ritualisieren.
Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass ich Schreiben einfach so gerne mag und möchte, dass alle anderen es auch gerne mögen und sich einen Tee kochen und ein schönes Notizbuch kaufen. Ich zelebriere das. Also ich mache es einfach so schön wie möglich.
[Alex]Was ich ziemlich spät für mich entdeckt habe, aber jetzt seit einigen Wochen, jetzt für das neue Buch, an dem ich schreibe, habe ich es endlich entdeckt und zwar Noise-Cancelling-Kopfhörer. Ich will nicht mehr ohne schreiben.
Ich finde das so toll, weil bei uns laufen ja ständig Kinder und Hunde rum. Und mit den Noise-Canceling-Kopfhörern, ich mache mir immer so Lo-Fi-Schreibmusik an. Die ganze Zeit. Finde ich ganz toll. Also ich bin da so richtig im Fokus drin. Und jetzt neulich habe ich irgendwie in einer Stunde fünf, sechs Seiten einfach nur damit geschrieben.
Und genau, aber das wechselt auch bei mir. Also ich merke, im Sommer schreibe ich zum Beispiel anders als im Winter.
Im Sommer, ich weiß nicht warum, doch ich weiß warum, weil wir leben im Altbau und haben keine Rollos, wir dürfen außen keine Rollos dran bringen und deswegen kommt bei uns all das Licht sehr früh rein und im Sommer bin ich echt schon um halb sechs einfach super wach, gehe mit dem Hund raus und sitze dann oft schon um halb sieben einfach am Schreibtisch und deswegen schreibe ich im Sommer immer vormittags und kriege bis zwölf eigentlich fast alles gebacken.
Und jetzt im Winter wird es erst um acht richtig hell gefühlt. Also mein Kopf ist da irgendwie noch gar nicht wach. Und ich merke, erst nachmittags komme ich so richtig in Fahrt.
Also auch das kann ja irgendwie eine Rolle spielen. Welche Jahreszeit haben wir gerade? Wie hell ist es draußen? Auch da kann man mal drauf achten, ob das einem weiterhilft, da so ein bisschen zu gucken.
Freewriting und kreative Techniken
[Melanie]Weißt du, was mir gerade noch für ein Gedanke kam? Also ich schreibe gerne und du schreibst auch gerne. Wenn ich jetzt Autorinnen habe, die so ein bisschen Bammel davor haben, einen größeren Text zu schreiben, empfehle ich auch immer, dass man sich tatsächlich mal das Freewriting zu Gemüte führt.
Und ich finde, das ist ein total schönes Tool. Geht im Grunde genommen so, dass du dir eine bestimmte Zeit setzt, zehn oder zwanzig Minuten, Stift in die Hand nimmst und losschreibst. Es gibt da fokussiertes Freewriting zu einem bestimmten Thema, muss aber gar nicht sein, sondern super ist, wenn man einfach losschreibt. Alle Dinge, die einem so einfallen vom Kopf in die Hand.
Die einzige Regel ist, dass man nicht aufhört mit dem Schreiben. Wenn dir nichts einfällt, schreibst du, mir fällt nichts ein, ich male jetzt Kringel und dein Gehirn kann gar nicht anders, um wieder neuen Output zu kreieren. Und das Schöne daran ist, dass es meiner Meinung nach so dieses Besondere vom Schreiben für Nicht-Autoren so ein bisschen runter reduziert, indem man es einfach häufig praktiziert. Ich produziere jetzt Text und das mache ich am besten jeden Tag oder jeden zweiten in einem Freewriting. Und dann ist dieses sich an den Rechner setzen und am eigenen Buch schreiben nicht mehr so eine besondere Situation. Weißt du?
Es wird so ein bisschen normaler, dass man schreibt und trickst auch wieder den Kopf ein bisschen aus, dass da jetzt keiner blockiert, weil jetzt der große Texterguss kommen muss, sondern nee, ich schreibe jetzt halt. Mache ich ja jeden Tag.
[Alex]Ich mache das ganz gern als Aufwärmübung vor dem Schreiben. Das habe ich in den Schreibcircle immer gemacht, dass wir so 10, 15 Minuten einfach erst mal so, ich habe das Braindump genannt, also dass wir so unseren Kopf entleert haben.
Und ich finde ja, man muss immer am Anfang schreiben und das ist meistens immer Müll und dann kommt man erst zu den guten Sachen.
Also hilft es da einfach, mit so einem Braindump zu starten. Und es gibt ja auch diese Morgenseiten, das ist ja auch so was Ähnliches von Julia Cameron. Also dass man das einfach morgens macht, da schwören auch viele drauf.
Also morgens muss ich erst mal mit dem Hund raus, aber vielleicht für diejenigen, die noch gemütlich im Bett sitzen bleiben können oder wollen, wäre das vielleicht auch eine Option.
Schreibblockaden und Lösungen
Wie kommt es dann deiner Erfahrung nach dazu, dass Menschen sagen, sie haben eine Schreibblockade? Also ich persönlich glaube nicht so an Schreibblockaden. Ich wäre da so eher so bei dir, dass du am Anfang gesagt hast, hey, wenn du prokrastinierst, dann fehlt oft Klarheit und Struktur.
Und ich glaube, wenn ich denke, ich kann nicht schreiben, meiner Erfahrung nach fehlt da auch sehr häufig Klarheit und Struktur.
Wie siehst du das? Also woran liegt es? Wie kann ich mit solchen Situationen umgehen?
[Melanie]Ich glaube auch nicht wirklich an Schreibblockaden, weil du kannst nicht schreiben, weil dir irgendetwas fehlt, damit du es kannst.
Und den Knoten zu lösen, das ist ja in der Schreibberatung ganz häufig der Knackpunkt.
Und wenn da jemand zu mir kommt, dann fehlt meistens Klarheit für etwas. Und das Problem ist meist überhaupt gar nicht so großartig, sondern man sieht es einfach nur nicht, weil man so sich reingewurstet hat und vielleicht auch ein bisschen in Panik verfällt, weil eine Deadline naht oder solche Dinge. Aber ich persönlich kenne keine großen Schreibblockaden, muss ich sagen. Und liebe es, die von anderen zu lösen, weil es meist nicht so schwierig ist, wie die Betroffenen dann denken. Es fehlt meist nur der Blick von außen.
[Alex]Was könnte denn so, kannst du vielleicht ein Beispiel geben? Also was könnte ein Grund sein für so eine Schreibblockade?
[Melanie]Zu viele Informationen habe ich häufig schon gehabt. Also ich hatte eine Beratung, da hat eine ehemalige Studentin super viele Interviews gesammelt für ihre Diplomarbeit und wollte das Ganze, weil das wirklich schönes Material war über die Lebensgeschichten von polnischen Gastarbeiterinnen.
Und die war so überfordert mit dieser Menge an Daten und wusste nicht, wie sie das Ganze jetzt in ein Buch verpacken sollte. Und da hat ein Blick von außen halt total geholfen, diese ganzen Lebensgeschichten einfach in eine Zeitleiste zu bringen.
Und mit diesem Blick von außen und mit dieser Idee, einfach einen Zeitstrahl zu erstellen, konnte sie sofort weiterarbeiten und hatte mega Lust, das anzugehen, weil das dieser kleine Schubs war, der sie wieder auf Spur gebracht hat, zum Beispiel.
Wie viel Zeit sollte man für ein Buch einplanen?
[Alex]Ich habe ja vorhin schon gesagt, ich habe so ein Jahr gebraucht für mein Buch. Was sind denn so deine Erfahrungswerte?
Also klar, im Verlag muss man tendenziell eher mehr Zeit einplanen. Self-Publishing habe ich selbst so unter Kontrolle. Wie ist es bei deinen Beratungen gewesen? Wie viel Zeit muss ich für ein Buch einplanen?
[Melanie]Da kann ich dir tatsächlich auch keinen konkreten Richtwert geben. Das kommt immer darauf an, wie viel Zeit du ins Schreiben und in die Planung steckst.
Ich habe einen Teil, der bei mir Projektplanung heißt. Und da rechnen wir runter, wie lange das Projekt, das individuelle Projekt dauert. Das hängt ein bisschen davon ab, wie viele Kapitel man plant, wie viele Seiten geplant sind und wie schnell du schreibst, wie viel Information du noch suchen musst, ob du Interviews führen musst, all diese Dinge.
Und dann ermitteln wir da einen Richtwert und setzen dann entweder, je nachdem, wenn du vom Verlag eine Deadline hast, musst du halt rückwärts rechnen und deine einzelnen Schreibzeiten dementsprechend planen. Oder andersrum, wenn du im Self-Publishing bist und weißt, okay, ich kann in der Woche dreimal zwei Stunden schreiben, ich rechne mal so grob, wie viele Seiten ich pro Session schaffe und dann rechnen wir es halt hoch und planen da Urlaube und anderweitige Zeiten, in denen nicht geschrieben werden kann, mit ein.
Also es ist tatsächlich so ein richtiger Projektplan mit, was sind die Hindernisse, was sind die Verhinderungszeiten, wie viel schaffe ich pro Session.
Das wird natürlich nicht so sklavisch durchgezogen, aber nur um den Autorinnen so einen Richtwert zu geben und eine Perspektive, wo sie darauf hinarbeiten, ist es mir wichtig, am besten an jedes Projekt ein Datum dran zu hängen.
Aber halt individuell wir arbeiten alle, wir schreiben die Bücher nebenbei. also außer wir sind hauptberuflich Ghost Writer, aber ja, ich finde es ist super individuell.
[Alex]Also mein persönlicher Endgegner ist der Mittelteil. Ich weiß nicht warum aber so am Anfang ist man ja total hyped und motiviert und so yay und am Ende ist es so oh geil, ich bin bald fertig, nachdem man halt vielleicht drei, vier Monate wie bescheuert da rumgeschrieben hat. Aber in der Mitte geht irgendwie gar nichts so bei mir. Und hast du da einen Tipp für? Also fehlt mir Motivation oder gibt es dann irgendwas, was ich machen könnte? Wie ist so deine Erfahrung?
[Melanie]Ich versuche immer, schon vor dem Schreiben konkrete Meilensteine festzulegen und die zu feiern und im besten Fall sogar schon festzulegen, wie sie gefeiert werden. Also es muss ja nichts Spektakuläres sein. Also wenn du die ersten zehn Seiten hast, keine Ahnung, gehst du spazieren oder wenn du die ersten 50 Seiten hast, bestellst du dir eine Pizza nach Hause und musst nicht kochen. Whatever, aber ... Einfach, dass man sich vorher schon bewusst Belohnungen einbaut für die Dinge, die man geschafft hat, weil du häufig, wenn du in diesem Schreibprozess drin bist, ja nicht so richtig zurückguckst, immer nur nach vorne guckst, was liegt alles nur vor dir. Und ich möchte einfach, dass man sich beim Schreiben die Zwischensteps gönnt und die Zwischensteps feiert. Und gerade in der Mitte, da könnte man sich schon mal mit was Größerem belohnen, finde ich.
[Alex]Ja, also wenn du Ideen hast, immer her damit.
[Melanie]Massagen, Cocktails, Kinofilme.
[Alex]Ich verstehe. Aber im Grunde sieht mein Alltag auch schon so aus.
[Melanie]Du musst dich schon jeden Tag belohnen.
[Alex]Genau, nee, ich gehe voll gerne ins Kino und gehe gerne zur Thai-Massage. Insofern ist es jetzt nichts Besonderes. Aber ich muss da, glaube ich, mal eine Schippe drauflegen.
[Melanie]Genau, du kannst eine Schippe drauflegen. Das lässt in meinem Privatleben dann tiefer blicken.
Abschließende Tipps fürs Schreiben
[Alex]Okay. Wir haben jetzt, glaube ich, eine Menge, Menge Tipps von dir gehört. Und abschließend würde ich gerne auch wissen, was sind deine drei besten Tipps für Menschen, die ihr allererstes Buch schreiben möchten? Die wissen noch gar nicht, wo starte ich, was ist wichtig, welche drei Dinge sollen sie wissen?
[Melanie]Ich glaube, das Wichtigste, wenn du wirklich ein Buch schreiben möchtest, ist, warte nicht auf irgendwen oder irgendwas.
Warte nicht darauf, dass du mehr Zeit hast, weil wir wissen, das wird nicht passieren.
Warte nicht auf einen Verlag, der dich annimmt, weil heutzutage bist du davon nicht abhängig.
Du kannst, wenn du wirklich ein Buch veröffentlicht willst, es selber machen. Oder warte nicht auf den Kuss der Muse oder irgendeine Eingebung. Der kommt auch sehr selten. Sondern fang es einfach an. Und nimm es in die eigene Hand, weil als selbstständige Unternehmer*innen sind wir es gewohnt, Entscheidungen für uns selber zu treffen. Und das ist beim Buch genau das Gleiche. Da braucht man keine Absolution von irgendwem oder irgendwas, sondern nimm es einfach selber in die Hand. Das ist, glaube ich, mein wichtigster Tipp.
Drei wolltest du haben, ne? Naja, ich bin ja Verfechterin von Buch als Projekt und würde als Tipp geben, plan dein Buch als Projekt. Es ist nicht nicht machbar. Andersrum gesagt, plan dein Buch als Projekt, es ist machbar.
Ja. Und als drittes, versuch es vielleicht nicht im ersten Wurf richtig zu machen, wo wir drüber gesprochen haben.
Es ist wichtig zu wissen, dass Schreiben ein Prozess ist, der aus ganz vielen Schritten besteht und viele denken, sie müssen sich hinsetzen und druckreif schreiben. Das ist es aber nicht. Also schreib es einfach runter. Es kommen noch ganz viele Schritte hintendran. Es muss nicht perfekt sein. Es muss einfach nur auf Papier sein und den Rest kriegt man immer noch hin.
Weil das macht den größten Druck aus, diese Seiten zu füllen. Da haben, glaube ich, die meisten Menschen Angst vor. Und wenn man sich einfach bewusst wird, dass das wirklich nur der erste Wurf ist und man da wahrscheinlich noch zwei- oder dreimal drüber geht und vielleicht auch noch andere Menschen drüber schrubben, dann erleichtert das total und macht es viel leichter, das runterzuschreiben.
[Alex]Ja, vielen Dank für das Gespräch. Das war total hilfreich, hoffe ich, für ganz viele Menschen, die jetzt zuhören.
Genau, wenn noch mehr Leute über dich Bescheid wissen, ich verlinke ja deine Links noch in die Shownotes und ansonsten hoffe ich, sehen wir uns bald mal wieder und bis bald.
Shownotes
Ein Jahr Podcast – mein ehrliches Resümee
Im Oktober 2024 wurde mein Podcast ein Jahr alt und ich habe es total vergessen. Aber das macht ja nichts. Somit werde ich heute – leicht verspätet – eine Folge anlässlich meines einjährigen Podcastgeburtstags machen und ein kleines Resümee ziehen.
Im Oktober 2024 wurde mein Podcast ein Jahr alt und ich habe es total vergessen.
Aber das macht ja nichts. Somit werde ich heute – leicht verspätet – eine Folge anlässlich meines einjährigen Podcastgeburtstags machen und ein kleines Resümee ziehen.
Folge anhören
Transkript lesen
Ja, diesen Podcast gibt es jetzt schon über ein Jahr. Und wenn auch du einer von den Menschen bist, die den Podcast regelmäßig hören, erst einmal vielen, vielen Dank dafür.
Für mich ist das alles andere als selbstverständlich, dass du mir deine Zeit und deine Aufmerksamkeit schenkst.
Und wenn du einer von den Menschen bist, die auch gerade überlegen, ob ein Podcast ein geeignetes Marketingtool für dich sein könnte, wird dieser Rückblick vielleicht spannend für dich.
Meine Idee ist:
Erstens dir einen Rückblick auf das vergangene Jahr zu geben und zu erzählen, wie die Anfänge mit dem Podcast so waren, wie sich der Podcast im Laufe des Jahres verändert hat und, ja, wie es mir jedes Mal dabei ging.
Zweitens möchte ich ein paar Dinge verraten, die ich in dieser Zeit rund um das Thema Podcast-Marketing gelernt habe.
Und schließlich möchte ich dir drittens einen kleinen Ausblick in die nahe Zukunft, in das Jahr 2025 geben und dir auch erzählen, wie du Einfluss nehmen kannst auf die Themen des Podcasts.
Ja, soweit der Plan.
Und starten wir doch gleich mit dem ersten Punkt: dem Rückblick.
Rückblick aufs erste Podcastjahr
Ich hab den Podcast ja im Oktober 2023 gestartet, weil ich mich natürlich grundsätzlich für Social-Media-freie Strategien interessiere. Und ich war dementsprechend erst einmal einfach nur neugierig, was so ein Podcast für mich überhaupt leisten kann.
Ich bin jetzt keine Podcast-Beraterin im strengen Sinn, aber wenn ich mit Kundinnen zusammenarbeite, dann ist mir wichtig, einfach das große Ganze im Blick zu haben und eine Fülle an Strategien zu kennen und anbieten zu können.
Weil ich es immer so doof finde zu sagen: Wenn du keine sozialen Medien nutzt, dann brauchst du unbedingt dies oder das, einen Blog oder einen Newsletter oder was auch immer.
Das ist totaler Blödsinn, weil jeder Mensch unterschiedlich ist, unterschiedliche Stärken und Fähigkeiten mitbringt. Und es kann einfach sein, dass jemand überhaupt nicht so gerne schreibt. Und dann ist natürlich so ein Podcast eine weitere tolle Möglichkeit, mit seinem Thema online sichtbar zu werden und Menschen zu erreichen, ohne Social Media zu nutzen.
Deshalb wollte ich da in erster Linie einfach mal selbst Erfahrungen sammeln.
Aber ich hab nicht damit gerechnet, muss ich sagen, dass mir das Podcasten tatsächlich so gut gefällt und dass ich es auch nicht sonderlich schwer finde, Themen zu finden, da am Ball zu bleiben und einfach regelmäßig neue Folgen zu veröffentlichen.
Ich hab immer von mir gedacht, dass ich eher der schreibende Typ Mensch bin, und das bin ich auch. Aber ich bin gerade mal wieder so im Schreiben meiner Bücher drin, dass ich es eigentlich auch ganz nett finde, mal nicht zu schreiben und mal zu sprechen. Es ist eine ganz gute Abwechslung und Ergänzung und ich hab das Gefühl, ein Podcast macht das Social-Media-freie Marketing auch ein bisschen runder. Zumindest für mich so.
Ja, und als ich im Oktober 2023 den Podcast begonnen hatte, habe ich mich gefragt:
Was könnte für mich ein leichter Start sein?
Denn mir war es wichtig, jetzt nicht gleich nach 5 Folgen wieder aufzuhören (das hatte ich schon bei einem Podcast davor so), sondern das Ganze dann eben auch langfristig zu machen.
Und deshalb habe ich mich dafür entschieden, zu Beginn nur Solofolgen zu veröffentlichen. Ich hatte ja schon seit Jahren einen Blog. Und ich dachte mir: Es wäre doch eigentlich ganz easy, die Texte, die ich eh schon hab, einfach als Grundlage für Podcastfolgen zu nehmen.
Und ich muss im Nachhinein sagen, das war auch tatsächlich eine ganz gute Idee, die ich nur weiterempfehlen kann, also sich zu fragen:
Wie kann ich mir den Start eines Podcasts möglichst leicht machen?
Das wird jetzt vielleicht auch jeder oder jede anders für sich beantworten. Meine Antwort war eben: Ich will die Technik dahinter verstehen und ich will mir eine Routine aufbauen. Da möchte ich mir nicht auch noch gleichzeitig mehr Gedanken als nötig um komplett neue Themen machen müssen.
Deshalb war es für mich total gut, Material zu nehmen, was ich schon hatte.
Und das habe ich auch fast ein halbes Jahr genauso gemacht und jede Woche eine neue Solofolge veröffentlicht, bis ich Anfang 2024 mir gedacht habe: So, jetzt traue ich mich auch an Interviews ran.
Und so begann ich, andere Menschen in meinem Podcast zu interviewen.
Das habe ich einige Wochen so gemacht und dann festgestellt:
Interviews sind super für die Reichweite. Weil Menschen – jetzt nicht immer, aber immer wieder – die gemeinsamen Interviews auf ihren Kanälen teilen und so eben neue Menschen zu meinem Podcast bringen.
Aber ich habe auch gemerkt: Interviews sind viel, viel zeitaufwändiger als Solofolgen. Und diese Zeit kann und, ja, will ich einfach nicht investieren. Der Podcast ist bei mir ein Kanal von mehreren. Und ja deshalb bin ich letzten Endes zu dem Entschluss gekommen, dass ich Interviews mit Solofolgen abwechseln möchte.
Und ich muss sagen: Das ist für mich die perfekte Mischung. Denn Solofolgen sind relativ schnell gemacht. Interviews erhöhen die Sichtbarkeit des Podcasts. Und so ergänzen sich die beiden Formate total super, finde ich.
Ja, im Sommer hat sich dann noch einmal bei mir was geändert. Ich habe eine Zusage von einem Verlag für ein neues Buch bekommen. Und ein paar Wochen später hat sich ein weiterer Verlag für ein weiteres Thema interessiert, sodass ich so mit Schreiben, Exposé erstellen und Leseprobe verfassen beschäftigt war, dass ich zunächst einmal einen Monat in Sommerpause ging, in der mir dann klar wurde:
Ich kann den Rhythmus, jede Woche eine neue Folge zu veröffentlichen, nicht mehr beibehalten. Also ich könnte es vermutlich, aber das wäre dann mehr viel Stress als Spaß und das wollte ich nicht.
Ich möchte den Podcast noch eine Zeit lang machen. Und dafür ist es wichtig, dass ich meine Zeit und meine Energie dafür ganz gut einteile.
Deshalb kommt seit September, du hast es vielleicht schon gemerkt, „nur noch“ alle zwei Wochen eine neue Folge. Und auch wenn schon einige gesagt haben, dass es schade ist, fühle ich mich mit der Frequenz tatsächlich sehr wohl und werde es wohl auch 2025 so beibehalten.
Was ich gelernt habe
Soweit zum Rückblick auf das erste Podcastjahr. Kommen wir zu dem, was ich in dem Jahr gelernt habe.
Erstens: Es gibt verschiedene Formate und Frequenzen. Und es lohnt sich definitiv, sich nicht nur anzugucken, was andere so in ihrem Podcast machen, sondern immer auch zu schauen, mit welchem Format und mit welcher Frequenz man sich selbst gerade am wohlsten fühlt und was auch einfach am besten zu den Zielen, Stärken und der Lebensrealität von einem passt.
Wie gesagt: Ich hab mit Solofolgen begonnen, weil es mir wichtig war, einen möglichst einfachen Start zu haben. Ich hab die Solofolgen dann wöchentlich veröffentlicht, weil es mir wichtig, da eine bestimmte Routine reinzukriegen.
Aber nach ein paar Monaten haben sich ein paar Dinge eben bei mir geändert und deshalb habe ich dann auch das Interview-Format hinzugenommen und die Frequenz ein bisschen runtergeschraubt.
Das ist der große Vorteil eines Podcasts, auch im Gegensatz zu Social Media zum Beispiel: Wir können das Podcasten genauso gestalten, wie wir wollen und immer wieder Anpassungen vornehmen.
Und ja. Das ist eben bei Social Media nicht so. Wenn die Algorithmen etwas von uns fordern, dann müssen wir das eben machen oder wir sind weg vom Fenster.
Das Zweite, was ich im letzten Jahr gelernt habe, ist, wie großartig eigentlich Interviews sind.
Ich hab mich, ehrlich gesagt, zu Beginn ein bisschen davor gefürchtet. Deshalb habe ich es vermutlich auch so lange rausgeschoben. Und auch jetzt denke ich noch, dass Interviewen wirklich eine Kunst für sich ist, die ich gerne viel besser beherrschen würde. Aber es ist definitiv eine Fähigkeit, die man trainieren kann.
Und das Schöne an den Interviews ist, dass man mehr mit anderen Menschen zu tun hat als nur mit Solofolgen.
Gerade beim Social-Media-freien Marketing ist das ja immer eine kleine Herausforderung, in Kontakt mit Menschen zu treten, mal was gemeinsam zu machen und so weiter.
Und der Podcast ist einfach ein toller Anlass, auf Menschen zuzugehen. Manche kommen zu mir und schlagen mir ein Thema vor, manchmal schreibe ich jemanden an. Manchmal nimmt man wieder Kontakt zu jemandem auf, mit dem man schon länger keinen Kontakt mehr hatte, und dann ist das eben eine tolle Möglichkeit, den Kontakt wieder aufleben zu lassen.
Manchmal lädt man Menschen zu sich ein, die dann wiederum mich in ihren Podcast einladen und so entsteht dann eben auch so ein schönes Geben und Nehmen.
Und wie ich schon vorhin gesagt habe, haben Interviews oft eine größere Reichweite als Solofolgen, einfach weil die Menschen, die interviewt werden, diese Interviews dann auch immer mal bei sich teilen.
Seit ich Interviews mache, haben sich Downloadzahlen bei mir zum Beispiel verdoppelt bis verdreifacht.
Insofern: Interviews sind auf so vielen Ebenen eine gute Sache. Gerade wenn man keine sozialen Medien fürs Marketing nutzt, können Interviews da einiges kompensieren.
Und das dritte, was ich in diesem Jahr gelernt habe, ist, dass der Podcast sich zu einer der wichtigsten Säulen in meinem Social-Media-freien Marketing entwickelt hat. Das hätte ich so nicht erwartet. Und bin sehr positiv überrascht. Und sehr überzeugt von Podcasts als Social-Media-freier Marketingstrategie.
Menschen schreiben mir immer öfter, dass sie mich über den Podcast gefunden haben. Oder dass sie sich viele Folgen auf einmal angehört haben und dann meine Kurse gekauft haben.
Das heißt, ein Podcast ist auf so vielen Stationen der Customer Journey wertvoll. Er kann der allererste Kontakt und damit eine gute Ergänzung zu Suchmaschinenoptimierung sein.
Menschen lernen mich durch den Podcast aber auch besser kennen und entscheiden sich so für einen Kauf.
Ausblick auf 2025
Und damit komme ich zum dritten und letzten Punkt: der Zukunft und der Frage: Was dich 2025 in diesem Podcast hier erwartet.
Erst einmal: Stand heute wird es keine großen Veränderungen geben. Mein Plan ist immer noch, alle zwei Wochen eine neue Folge zu veröffentlichen, vermutlich auch weiterhin: Solofolge und Interview im Wechsel.
Doch wenn du willst, kannst du Einfluss auf die Themen des Podcasts nehmen.
Wenn es also etwas gibt, was dich zu Social-Media-freiem Marketing brennend interessiert oder du dir einen bestimmten Interviewgast wünschst, freue ich mich auf eine Nachricht von dir.
Egal, was dich interessiert, du kannst mir deinen Themenwunsch als E-Mail an alex(at)alexandrapolunin.com schicken.
Ja, ich würde mich, wie gesagt, sehr darüber freuen. Denn mir ist wichtig, dass die Themen dieses Podcasts dich weiterhin interessieren und du weiterhin fleißig zuhörst.
Auch 2025.
Shownotes
How to Instagram-Sucht besiegen – Interview mit Josianne Hosner von Quittenduft
In dieser Podcast-Folge habe ich Josianne Hosner zu Gast. Josianne ist Zyklusberaterin, Autorin und sie hat vor einigen Jahren Social Media verlassen. Im Interview verrät sie mir, wie es dazu gekommen ist und auf welche Marketingstrategien sie als Selbstständige und Autorin stattdessen setzt.
In dieser Podcast-Folge habe ich Josianne Hosner zu Gast. Josianne ist Zyklusberaterin, Autorin und sie hat vor einigen Jahren Social Media verlassen. Im Interview verrät sie mir, wie es dazu gekommen ist und auf welche Marketingstrategien sie als Selbstständige und Autorin stattdessen setzt.
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Der Einfluss von Social Media
[Alex] Ja, hallo Josianne, du hast in einem Blogartikel auf die Frage, warum du soziale Medien verlässt, geschrieben und ich zitiere jetzt mal:
„Weil ich einen Abdruck im Hirn habe von meinem Handy. Schließe ich am Abend die Augen“, hast du dann weitergeschrieben, „sehe ich das Display immer noch leuchten. Und wenn ich nachts pinkeln gehe, denke ich sofort wieder an mein Handy. Im Halbschlaf formuliere ich Sätze auf Hochdeutsch und sehe Hashtags vor mir, weil ich nicht ohne kann, weil ich abhängig bin.“
Erst einmal finde ich das grandios beschrieben. Also ich glaube, man kann es nicht besser ausdrücken. Und die Frage, die ich beim Lesen dieser Zeilen hatte, war: Wie ist es dann dazu gekommen, dass du einen Abdruck von deinem Handy in deinem Hirn hattest? Was ist da passiert?
[Josianne] Ich denke, das ist so entstanden, dass ich einfach wahnsinnig gerne mit offenen Augen durch die Welt gehe. Ich fotografiere gerne, ich texte gerne und ich liebe mein Business.
Und da hat sich dann einfach durch den ganzen Alltag hindurch, haben sich Bilder und Sätze formuliert in meinem Kopf.
Und das hat sich dann nach einer Weile so entwickelt, dass es direkt so einen Klick gemacht hat von „Das muss auf Instagram“.
Also das war dann nicht mehr losgelöst von, ich habe einfach meine zyklischen Gedanken, ich denke an mein Business, auch wenn ich einen Spaziergang mache, kommen irgendwelche Gedanken zu mir, sondern die waren immer gerade dann nach einer Weile vorgefertigt, in meinem Hirn schon bereit für den nächsten Beitrag, für den nächsten Post. Und das wurde ich nicht mehr los.
[Alex] Wie lange warst du denn auf Social Media? Hast du das von Anfang an genutzt, als du dich selbstständig gemacht hast?
[Josianne] Facebook war ich schon relativ lange. Auch eine riesige Facebook-Gruppe habe ich dort über die Jahre aufgebaut.
Instagram waren es, glaube ich, drei Jahre oder so, drei oder vier Jahre, genau.
Und am Anfang war das nicht so extrem, das ist dann wirklich irgendwie, ich war immer mehr auf diesen Plattformen, habe immer mehr Zeit dort verbracht. Und es hat sich auch so verlagert von, am Anfang lief mein Geschäft mehrheitlich über meine Inbox, über E-Mail und dann so meine Angebote. Und dann hat sich das irgendwie verlagert auf Social Media. Ja, genau.
[Alex] Ich würde gerne noch ein Zitat aus deinem Blogartikel bringen. Die Texte verlinke ich dann natürlich nochmal in den Shownotes. Du schreibst:
„Unser Hirn ist nicht gemacht für so viele Informationen und Inspiration. Es ist zu viel für mich. Ich kann es nicht mehr verarbeiten, nicht mehr aufnehmen und 98% von den Beiträgen, die ich sehe, sind nicht wichtig für mein Leben. Deshalb fühlt es sich an, als hätte ich Schnipsel und Pommes im Kopf.“
Was genau haben denn soziale Medien mit deinem Kopf angerichtet? Kannst du es vielleicht mal beschreiben mit deinen Worten?
Gedanken zur Social-Media-Sucht
[Josianne] Ein riesiges Durcheinander irgendwie, so fühlt sich das an, auch immer noch rückblickend. Also diese Mischung aus so vielen Inputs, so vielen Möglichkeiten, die ich auch sehe, die zu Entscheidungen führen, die ich dann treffen könnte.
Also nur schon: Lese ich etwas zu Ende, mache ich ein Like, kommentiere ich, lese ich Kommentare anderer? Und dann ist einfach wie so, es fühlt sich echt so ein bisschen an, wie so ein Sog aus meinem Hirn entstanden ist von: Ich bin einfach nicht mehr bei mir, ich bin irgendwo bei irgendwelchen Diskussionen oder Anregungen oder Tipps oder was auch immer da geboten wird und ich müsste oder musste so viele Inputs, wie ich gesehen habe, da gehört immer auch gerade eine Entscheidung dazu.
Nur schon die Entscheidung, weiter zu scrollen. Also einfach so, was mache ich damit? Also eigentlich eine komplette Reizüberforderung kombiniert mit einer grossen, grossen Langweile in meinem Hirn.
Also das ist, finde ich, so eine abgefahrene Mischung, auch immer noch, wenn ich zurückdenke. Es ist wie so, es ist so künstlich relevant, was da auf Social Media läuft.
Und ist es wirklich für mich als Person, als Josianne, als Privatperson und auch als Geschäftsperson, ist es wirklich relevant?
Und da hat sich einfach so eine riesige Schere aufgetan von, ich bin ständig und immer drauf, wie ich das auch formuliert habe.
Also ich im Nachhinein oder in dem Moment, wo ich die Entscheidung getroffen habe, da wegzugehen, habe ich es dann zum ersten Mal auch als Sucht definiert.
Diese Mischung aus dieser Sucht und dieser, diesem Gefühl von Distanziertheit hat gar nicht so viel zu tun, doch mit mir. Und das war ein bisschen zu viel für mein Hirn. Das sind zwei Komponenten.
[Alex] Ich finde es immer so spannend, weil so ganz viele Studien zu Social Media, die beschränken sich ja sehr häufig auf junge Menschen.
Und die zeigen dann, dass soziale Medien eben für Junge eine Gefahr für die mentale Gesundheit darstellen können. Aber ich habe es ja auch bei mir gemerkt. Ich meine, ich bin erwachsen, du bist erwachsen und auch auf erwachsene Menschen hat das eben so einen krassen Einfluss.
Als du dann Social Media verlassen hast, du hast gesagt, du hast es das erste Mal als so eine Sucht erkannt. Gab es dann einen bestimmten Anlass oder ist irgendwann so das Fass quasi übergelaufen für dich?
Der Ausstieg aus sozialen Medien
[Josianne] Ja, also ich glaube, es waren schon diese nächtlichen Abdrücke in meinem Kopf. Wirklich so dieses, ich schliesse die Augen am Abend und ich habe einfach immer noch das Handy-Display vor mir.
Und dann ist mir das wirklich mehr und mehr passiert. Und ich konnte wirklich keinen Baum, keine Blume, kein Lichtstrahl im Wald mehr einfach so angucken, ohne den Hashtag dazuzufügen.
Also wirklich eigentlich schrecklich. Ich empfand es als nicht so schrecklich, aber dann kam natürlich meine Zyklusbeobachtung da mit rein.
Ich bin eine Zyklusmentorin und ich bewege mich seit über zehn Jahren ausschliesslich in Kreisen. In Kreisläufen, in Abläufen und habe dann wirklich auch gemerkt, anhand meines eigenen Zyklus, wann liebe ich Social Media, wann bin ich völlig, verknallt in diese Möglichkeiten von der Kommunikation und Mitteilen und wann nervt es mich? Wann triggert es mich? Wann schaffe ich es, diesen Adlerblick einzunehmen und ein bisschen über mein Leben zu kreisen und zu sagen, was mache ich da eigentlich?
Und das war immer so die Woche vor der Menstruation oder auch während der Menstruation. Fand ich die ganze Thematik völlig idiotisch. Und das habe ich dann über mehrere Monate beobachtet. Was macht es mit mir, meinem Zyklus, meinem Zyklus-Ich, mein Verhalten auf Social Media, meine Beziehung dazu?
Und habe dann, ich weiss nicht mehr, wie ich das Buch gefunden habe. Das ist irgendwie zu mir gekommen, ein Buch von Carl Newport. Das heisst Deep Work. Und ich glaube, auf Deutsch ist es ein stilles Arbeiten oder so. Ich habe das Buch gelesen und es war schon nach drei Seiten klar: Okay, soziale Medien sind das Gegenteil von Deep Work.
Und ja, dann einfach auch wieder zurück zu diesem Menstruationszyklus, zu diesen Werten, die ich habe, wie ich Business machen will, und das ist ja dann diese perfide Vermischung, es ist ja dann nicht nur, ich bin ja nicht nur als Businessperson auf den sozialen Medien, sondern auch privat, also diese Vermischung konnte ich irgendwie nicht mehr so handeln.
Ja und dann zusätzlich habe ich noch einen Kurs gemacht bei einer Australierin, Marketing without Social Media, und dann ist es mir echt einfach wie Schuppen von den Augen gefallen.
Dass, ja, sage ich jetzt mal, 95% von meinem Verhalten auf Social Media, wie ich auch meinte, ich mache Business darauf, ist eigentlich nur Bullshit. Hat nicht den Zusammenhang mit meiner Arbeit gehabt.
Ja, also das waren dann so Prozesse, Schritte, irgendwann der Entscheid von: Okay, die Konsequenz heisst, ich gehe weg von Facebook und Instagram.
Und das hat mich echt physisch und psychisch so in Aufregung versetzt. Also es war nicht lustig, dieser Prozess.
Der war irgendwie anstrengend, sehr anstrengend. Und ich habe wirklich auch gedacht, ich betreibe jetzt da einen geschäftlichen Selbstmord. Ich werde nie mehr Kunden haben. Ich werde nie mehr Frauen in meinen Kursen haben, wenn ich von Social Media weggehe. Und weisst du was? Es ist überhaupt gar nichts passiert von dem.
Im Gegenteil. Ja, genau. Aber es war eine lange Vorbereitungsphase. Ich musste mich mit mir auseinandersetzen, mit meinen Werten, mit meinen Wünschen.
Ich brauche Zeit für solche Entscheidungen, sonst falle ich zu schnell hin und her. Wenn ich jetzt einfach gesagt hätte, nach den ersten drei Seiten des Buches, jetzt gehe ich weg, dann wäre ich vielleicht wieder drauf jetzt. Es hat so ein halbes Jahr in mir gedauert Und dann nochmal drei, vier, fünf Monate Kommunikation auf den sozialen Medien.
Und erst dann wirklich so der Stichtag, den ich auch kommuniziert habe. Das muss ich machen manchmal, damit ich Dinge wirklich... Damit die wirklich passieren. Also ich habe meine Community informiert. Bis Ende Juni, ich glaube, das war 2022, bin ich noch auf den sozialen Medien.
Danach schließe ich all meine Accounts und Gruppen. Ich musste das kommunizieren, auch ein bisschen Abschied nehmen, auch ein bisschen zelebrieren. Ja, dann habe ich das gemacht. Keine Sekunde lang bereut.
Warum ein Social-Media-Ausstieg kreativer macht
[Alex] Das ist total witzig, weil ich gerade so viele Punkte wiedererkannt habe bei mir. Also zunächst einmal Deep Work von Cal Newport war auch so einer der Startschüsse für mich, dass ich gedacht habe: Boah, das geht einfach nicht mehr mit sozialen Medien.
Und bei mir hat es auch ziemlich lange gereift. Ich glaube, noch länger als bei dir. Also es ist aber auch, glaube ich, ganz wichtig, also diesen ersten Gedanken zu haben oder dieses Gefühl, vielleicht ist es auch so ein diffuses Gefühl eher, boah, irgendwie passt das nicht für mich. Ich kann zwar noch nicht so richtig das artikulieren oder genau sagen, woran es liegt, aber irgendwie habe ich so ein Gefühl, es ist nicht mehr stimmig. Und ich glaube, es ist total wichtig, dem nachzugehen. Also vielleicht nicht gleich sofort was zu machen, sondern so ein bisschen schwanger mit diesem Gedanken zu gehen und zu gucken, was steckt da vielleicht dahinter.
[Josianne] Ja, genau. Und auch so, das war für mich eine Zeit lang, so eine Parallelwelt dann. Ich wusste schon, ich gehe. Ich wusste, das bleibt nicht für immer. Und dann zwischendurch immer wieder mal kleinere Panikattacken von, was mache ich dann? Wie handle ich mein Business? Woher kommen meine Kunden? Und habe aber gleichzeitig auch mit diesen Büchern, die ich gelesen habe oder mit diesem Kurs, den ich gemacht habe, gemerkt, es war wie so ein...
Ich litt unter einem Marketingmuskelschwund. Also es war wie so, das Einzige, was mir in den Sinn kam, war auf Instagram zu posten, was ich anbiete, meine Angebote, oder?
Und es war so, hey, die Welt, die hat sich schon lange, also schon viel länger ohne Social Media gedreht. Und es war bis vor ganz kurzem möglich, auch gut zu geschäften, auch gute Umsätze zu machen oder auch sich irgendwelche Selbstständigkeiten, Wünsche zu erfüllen, ohne Social Media. Und das ist vielleicht auch ein bisschen so meine, ich habe es ein bisschen noch eine rebellische Ader, die dann stärker hervorgekommen ist von, also das muss doch möglich sein für mich. Ich bin doch schlau genug, um mein Business nach meinen Regeln aufzustellen und zu gestalten.
[Alex] Ich glaube, diese rebellische Ader, die ist gar nicht schlecht dafür. Und ich finde auch, das macht kreativer.
Also wenn man sich so ein bisschen begrenzt, das kennt vielleicht die eine oder andere auch vom Kochen. Also wenn ich nur noch drei Zutaten habe und denke, oh Gott, ich habe einen leeren Kühlschrank, da habe ich meistens die besten Ideen, was ich damit machen kann, wenn ich mich so begrenzen muss.
Es ist so ähnlich, wie wenn: Ich steige aus Social Media aus und dann kann ich erst mal versuchen, kreativ zu werden. Ja, okay, was mache ich denn dann? Also jetzt kann ich vielleicht nicht auf Instagram sagen, dass es das und das bei mir gibt. Okay, was kann ich stattdessen machen?
Also ich finde, das hat halt nicht nur Nachteile, sondern man kann dadurch auch wirklich kreativer werden in der Art, wie man kommuniziert.
[Josianne] Ja, und mich dünkt es, meine Augen sind wie offener seither wieder, dass ich, wenn ich diese Möglichkeit nicht mehr habe, einfach konstant, täglich, stündlich, minütlich rauszuhauen, was ich will.
Also ich überlege viel besser, wie ich mein Marketing gestalte.
Und das ist jetzt nicht so spektakulär, mein Marketing. Also das sind so guten alten, bewährten Sachen wie mein Newsletter. Das ist so das Hauptmarketing-Tool, das ich verwende.
Gleichzeitig ist es aber auch meine große Leidenschaft, diese Newsletter zu schreiben. Also ich liebe es. Und das ist ja auch so ein Ding. Ich weiss nicht so genau, ich müsste mich wieder anders orientieren oder erfinden, wenn ich jetzt nicht gerne schreiben würde. Aber auch da würde ich Wege finden. Aber Social-Media-Marketing ist zu einfach und ganz, ganz ehrlich zu wenig gewinnbringend.
Auch wenn mein Business absolut nicht nur auf Zahlen und Fakten und Einkommen basiert. Aber es ist einfach so viel Aufwand und so viel von meiner Hirnkapazität und von mir als Person. Und ich bin nicht sicher, ob ich wirklich, wirklich jemals Einkommen generiert habe auf Social Media.
Auch wenn mir nachher all diese Social-Media-Coaches gesagt haben, ja eben, du stärkst die Beziehung, die Bindung, du positionierst dich.
Aber weisst du, wenn mein Hirn dann einfach abstellt bei solchen Aussagen und ich finde, das ist so öde, das kann ich auch auf andere Arten machen. Ja, also es ist auch eine Herausforderung, jetzt zu schauen, wie ich mein Marketing betreibe, was ich mache, wie ich es mache. Aber ja, den Buchtitel von Cal Newport, dieses Deep Work, das ist schon für mich so zu einem festen Wert geworden. Ich will qualitär was Gutes machen und ich will keine Schnipsel mehr raushauen. Könnte ich als Hobby betreiben, aber nicht als Marketingmaßnahme für meine Firma.
Zum Umgang mit Entzugserscheinungen
[Alex] Wir werden gleich nochmal auch darauf zu sprechen kommen, was du jetzt für dein Marketing stattdessen machst. Ich würde jetzt nochmal gerne zu diesem Social-Media-Ausstieg fragen.
Also du hast gesagt, du hast das zum ersten Mal so als Sucht definiert. Hattest du dann auch Entzugserscheinungen? Wie ging es dir denn dann, als du dann wirklich soziale Medien verlassen hast?
Also ich hatte zum Beispiel dieses klassische, ich nehme mein Handy und gucke und will irgendwas öffnen, aber merke, da ist ja gar nichts mehr. Hattest du das auch?
[Josianne] Ja, da bin ich ein bisschen in die Falle getappt. Und da habe ich nachher im Anschluss so viele News konsumiert wie noch nie. Ich musste bei den Händen was machen am Handy. Und genau, das ist so ein bisschen, und da arbeite ich ehrlich gesagt auch noch daran, dass mein News-Konsum sich mehr reduziert oder dass ich wenigstens solche Art News konsumiere, die auch ein bisschen in Richtung Deep Information gehen und nicht diese Fast Food News. Genau.
Ja, aber diese Entzugserscheinungen, die waren real, die sind real.
Veränderungen im Alltag ohne Social Media
Aber die Benefits waren halt schon auch schön. Also diese Entspannung im Hirn, die sich dann irgendwann einstellte, diese Ruhe im Kopf, die tat mir schon gut. Und weißt du, das Krasse ist, ich würde jetzt mal sagen, wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, meine Handyzeit hat sich nicht mega fest reduziert.
Und das hat mich am Anfang genervt, das hat mich gestört, Weil das war auch so ein bisschen die große Hoffnung, einfach weniger Zeit am Handy zu verbringen.
Aber dann habe ich das mal ein bisschen auch analysiert, was ich denn mache am Handy. Und ich habe viel mehr Austausch mit meinen Freundinnen und meiner Familie. Also wirklich Zeiten, wo ich auf meinem Social-Media-Time im Austausch war mit fremden Menschen.
Auch wenn man den Instagram-Handle kennt, es waren fremde Menschen, habe ich zum Teil schon vor dem Frühstück schon ausgetauscht mit Leuten, Nachrichten beantwortet, Kommentare beantwortet und das vermisse ich keine Sekunde.
Man kann mir eine E-Mail schreiben und dann gibt es auch eine schöne Antwort. Aber man kann sich diese Satzfetzen in meine Richtung werfen, die zum Teil ziemlich auf eine Thematik oder Problematik hinzeigten, die man nicht mit zwei Sätzen beantworten kann.
Ja, und seither bin ich einfach wirklich viel mehr im Austausch mit den Menschen, die ich im echten Leben auch kenne und gerne mag.
Genau, also von dem her ist immer noch viel Handyzeit natürlich auch die ganze Familienorganisation läuft ja da auch darüber und, ja, aber ich würde sagen, die Ruhe in meinem Hirn ist größtenteils zurückgekehrt.
[Alex] Ich habe damals dasselbe gemerkt, dass ich also angefangen habe, Nachrichten zu lesen wie blöde.
Und damals war ja auch, hat Corona angefangen, dann der Krieg. Also es gab immer irgendwas zu lesen. Und dann habe ich es tatsächlich so gemacht, dass ich meinen E-Reader aufs Handy gepackt habe. Das bedeutet, immer wenn ich das Handy geschnappt habe, habe ich den zumindest in meinem Buch weitergelesen. Und da habe ich mir eingebildet, das war so ein bisschen in Richtung Deep Work oder halt einfach längere Inhalte, qualitativ hochwertigere Inhalte.
Also vielleicht so als Idee für Leute, die das kennen und überlegen: Was kann ich denn stattdessen auf meinem Handy machen, wenn ich das schon so automatisch greife? So ein Buch lesen könnte so ein Zwischenschritt sein, um vielleicht mal davon so wegzukommen.
Weil ich meine Nachrichten so letzten Endes ja auch Dopamin. Ich öffne die App und lese irgendwas Neues und mein Hirn denkt, yay, und schüttet Dopamin aus. Und das kann man so ein bisschen umgehen, indem man sich vielleicht dazu trainiert, was zu lesen und dann so ein bisschen wegkommt davon.
[Josianne] Ja, und krass finde ich schon auch. Also es sind so Langzeitwirkungen. In der wirklich intensivsten Social-Media-Zeit war meine Konzentrationsfähigkeit echt reduziert.
Also da konnte ich einfach nicht mehr als fünf, vielleicht zehn Minuten am Stück wirklich, wirklich eintauchen, ohne nach dem Handy zu greifen. Und das hält sich noch ein bisschen hartnäckig. Es ist wirklich besser geworden.
Also ich kann, ich schreibe jetzt auch in meinem zweiten Buch, ich kann lange Zeit schreiben, aber da ist immer noch dieser Mechanismus drin von, ich stehe auf, ich laufe vom PC weg, ich strecke mich, ich mache mir eine Tasse Tee und ich greife auf meinem Handy.
Und das ist schon, das sage ich, diese perfide Vermischung von, Wie gesagt, die gesamte Familienorganisation, die da auch drauf ist. Ich habe einen fast erwachsenen Sohn, der am anderen Ende der Schweiz wohnt. Es ist wie so eine Mischung von, doch, ich muss schon, ich denke es, ich weiss nicht, ob ich muss, ich meine, ich muss schon kurz nachgucken, was läuft, was los ist. Ob mich jemand gesucht hat. Ja, und das nervt mich immer noch.
Handyabhängigkeit, auch durch viele alltägliche Dinge wie Zug fahren, Ticket lösen. Und dann hast du das Ding einfach in der Hand. Also da bin ich schon noch so ein bisschen allergisch gegen mein Verhalten.
Also es nervt mich, es ärgert mich und ich weiss da nicht so genau, was mach ich damit. Und ich verbringe auch ganz, ganz viel Zeit in der Natur draussen. Wir haben zum Glück, sage ich, und nur schon so eine Aussage ist doch einfach absolut schräg, wir haben zum Glück grosse Teile mit Funklöchern im Wald.
Und ich bin froh darum. Und das zu äussern, das ist irgendwie so komisch. Ich bin froh um Funklöcher, damit ich nicht immer verwenden kann. Ja, finde ich kein schöner Aspekt von unserer Digitalisierung oder von meiner Digitalisierung damit.
Reaktionen auf den Social-Media-Ausstieg
[Alex] Wie hat denn dein privates oder berufliches Umfeld auf deinen Ausstieg reagiert? Konnten Sie es nachvollziehen oder hat es Sie überrascht? Was haben Sie gesagt?
[Josianne] Also in meinem privaten Umfeld gab es wirklich so ein bisschen die Einteilung von Freundinnen und Freunden, die auch selbstständig sind, die einfach total viele Fragen hatten zu diesem, wie machst du denn jetzt Marketing?
Der private Teil, mein Mann, meine Eltern, meine Geschwister, die waren alle so, whatever. Also das war so. Das ist ja keine große Sache. Von dem her, da gab es ein bisschen eine Einteilung.
Im beruflichen Kontext, also was am härtesten für mich war, Ich hatte eine Facebook-Gruppe, eine Zyklus-Gruppe mit fast 3000 Frauen drin. Und diese Gruppe, das war, also ich wage das fast nicht zu sagen, aber das war für viele so etwas wie ein neuer Heimatort.
Und das ist so krass. Also da habe ich Dutzende, wenn nicht Hunderte Nachrichten gekriegt von, hey, mach das nicht, tu uns das nicht an. Das ist der einzige Ort, wo wir so in diesem Safe Space austauschen können. Und das war für mich so die grosse Knacknuss.
Hat dann auch wieder viel mit meinen Werten zu tun. Oder vielleicht auch ein bisschen einem illusorischen Idealbild, das ich von der Welt habe, und gesagt habe, es kann nicht sein, dass meine Facebook-Gruppe dein einziger Safe Space ist.
Dann kümmere dich bitte, bitte, bitte in deinem Freundeskreis oder in einem neuen Freundeskreis oder einem Frauenkreis oder irgendwie um diese Art von Beziehungen. Also da habe ich wie so ein, für mich, das war eine harte Entscheidung, aber so einen Schritt zurück von, ich habe die Energie wahrscheinlich oder den Fokus nicht, um das noch länger zur Verfügung zu stellen. Für mich war das nämlich Zeit und auch Geld, das zu unterhalten. Ja, aber das war schwierig für mich.
[Alex] Hast du denn inzwischen eine Möglichkeit gefunden, deine Community auch weiter aufzubauen oder ist das jetzt ganz weg?
[Josianne] Ja, ich habe sowas zwischendurch gemacht und da haben mich am Anfang ein paar auch ausgelacht deswegen. Und zwar habe ich dann nach meinem Ausstieg analysiert, was ich persönlich vermisse.
Also jetzt abgesehen von Dopamin und Sucht und so, sondern einfach gibt es noch einen schönen Aspekt, den ich vermisse. Und dieser schöne Aspekt war für mich tatsächlich, ich fotografiere unheimlich gerne. Also es ist für mich so ein Leidenschaft/Hobby, auch ab und zu einen Fotokurs gemacht. Und ich bin ziemlich gut darin, meine Zyklusgedanken in kurze Texte zu fassen.
Das habe ich schon mit ganz viel Feedback gemerkt, das stösst auf sehr grosse Resonanz, wenn ich meine Zykluseinblicke in meinen persönlichen Alltag mitteile. Das rührt etwas an in anderen. Oh ja, stimmt, Zyklus und genau, wie ist es gerade bei mir und wie geht es mir gerade und so.
Und dann habe ich für mich eine Zwischenlösung gefunden, wo, wie gesagt, die waren mir am Anfang auch so fast ein bisschen peinlich. Ich weiss noch nicht so genau, warum, aber vielleicht, weil ich eben so konsequent war. Und dann habe ich einen Telegram-Kanal eröffnet, weil mir jemand gesagt hat, dass man da so eine Einstellung machen kann, dass es eben wirklich nur ein Kanal ist, keine Gruppe.
Und ich habe diesen Kanal von der ersten Sekunde an so eingestellt, dass ich darauf Fotos posten kann. Es kann niemand reagieren, es kann niemand kommentieren, man kann nicht mal liken, man kann einfach gar nichts.
Man kann das einfach lesen, man kann mich nicht kontaktieren, gar nichts. Und das war für mich nachher so diese Zwischenwelt von... Ich weiss, dass ich einen Mehrwert bringen kann und ich gleichzeitig noch ein Bedürfnis von mir erfülle.
Mit diesen Fotos, mit diesen schönen, ja zum Teil auch radikal ehrlichen, aber auch poetischen Texten, dass ich das noch schicken kann. Und die Leute lieben es.
Habe aber am Anfang E-Mails erhalten, die mir sagten, hey, das ist voll doof, was du da machst. Ich kann nicht kommentieren. Ich kann nicht sagen, wie schön und berührend ich das fand. Und ich war so, ja, das ist voll okay für mich, dass du das machen kannst. Finde es doch einfach berührend und schön und nützlich.
Ist okay, muss es mir nicht mitteilen.
Genau, also das ist das Ding. Aber ich glaube, es zählt nicht als Community, würde ich jetzt mal sagen.
[Alex] Ja, ich glaube, es gibt so unterschiedliche Meinungen. In meinem Buch zum Beispiel habe ich Telegram auch als möglichen Social-Media-Kanal, aber es ist, glaube ich, immer eine Definitionssache. Aber hast du den immer noch? Also hat sich das bewährt? Hast du den Telegram-Kanal immer noch?
[Josianne] Ja, der wächst. Und der ist easy. Und für mich, also das ist der größte Benefit für mich, für mich gibt es nie einen Grund, auf Telegram zu gehen, ausser ich mache einen neuen Beitrag.
Also ich kann auf Telegram nichts checken, nichts nachschauen, ob jemand reagiert hat.
[Alex:] Ob es neue Likes gibt oder Kommentare gibt …
[Josianne] Es ist eine ganz, ganz ruhige Sache in meinem Kopf.
Und das ist für mich ja auch vor allem wichtig. Ich will Ruhe da oben. Und ich brauche Ruhe, damit ich kreieren kann. Genau. Aber ein [unverständlich] habe ich nicht. Ein Austausch-Gruppen- Dingsgefäß habe ich nicht mehr.
[Alex] Du hast schon gesagt, du hast auch einen Newsletter, den du nutzt. Kannst du uns mal so mitnehmen? Was du als Online-Unternehmerin für Strategien nutzt, wenn du nicht mehr auf Social Media unterwegs bist?
[Josianne] Also wirklich Newsletter. Das ist mein Hauptkanal, mein Haupttool. Und ich habe gar keine andere.
[Alex] Du hast einen Blog aber noch.
[Josianne] Ja, stimmt. Vielleicht weiss ich gar nicht, was ich alles habe. Das stimmt.
Aber der Blog ist so etwas, wo ich nicht so, also da könnte ich noch ein bisschen regelmässiger was machen damit. Da bin ich nicht so konsequent wie mit dem Newsletter.
Wie gesagt, diesen Newsletter zu schreiben, das ist mein Highlight meiner Arbeit, also ich liebe das, Punkt. Da gehen mir die Themen nie aus, da könnte ich für die nächsten 10 Jahre easy Content machen, also das liebe ich einfach.
Ich sage ziemlich oft ja, wenn es um solche Vernetzungen geht, wie jetzt mit dir, mit Podcasts oder bei einem Online-Kongress mitzumachen. Da werde ich auch sehr oft angefragt. Ja, das sind sicher noch Dinge, die ich mache.
Dann merke ich, dass mein Buch, Back to the Roots, das ist ein ziemlich gutes, nachhaltiges Marketing-Instrument auch. Hätte ich nicht gedacht. Also da habe ich das große Glück, dass ich schon jetzt in der vierten Auflage bin, und es läuft immer noch.
Ja, das ist sehr schön. Das hätte ich nicht gedacht. Also dass ein Buch wirklich auch einen maßgeblichen Anteil hat an Marketing für meine Firma. Ja, genau.
[Alex] Das heißt, die Menschen lesen dein Buch und dann kommen sie zu dir auf die Website …
[Josianne] Tragen sich in meine Newsletter ein. Und genau, und buchen dann Angebote, die ich mache. Und meine Angebote, die bestanden bis vor ganz kurzem mehrheitlich aus Onlinekursen, mehrwöchigen Onlinekursen.
Jetzt seit ungefähr zwei Jahren, seit meine kleineren Kinder etwas grösser sind, mache ich auch vermehrt wieder Vorträge. Ich habe viele Anfragen auch so von, es kommt jetzt immer mehr von Teams, Schulungen für Teams, Zykluswissen für Firmen. Das macht auch mega Spass.
Und im Moment habe ich so eine Zwischenphase von, ich schreibe ein zweites Buch. Ich merke, ich kann nicht unbedingt gut dranbleiben und schreiben, während ich nebendran einen Kurs nach dem anderen noch anbiete. Das ist zu wenig Zeit.
Ich arbeite 40 Prozent, mein Mann 60, wir homeschoolen die Kinder. Also ich muss mega, mega bedacht sein, auch mit meiner Zeit, wenn ich die aufteile. Genau.
Und jetzt in diesem Jahr steht der Fokus echt auf dem zweiten Buch. Aber das wird dann nachher wieder kommen mit Onlinekursen und Webinaren. Die passen auch zu meinem Energie-Level. Es gibt Menschen, die sind mit mehr Energie ausgestattet als ich. Und von dem her muss ich da auch immer ein gutes Auge drauf haben, wie viel ich unter meinen Hut bringen kann.
[Alex] Jetzt hast du schon so oft das Thema Zyklus angesprochen. Kannst du vielleicht für die Menschen, die noch gar nicht so richtig wissen, worum es da genau geht, mal ganz kurz sagen, worum es beim zyklischen Leben und Arbeiten vielleicht geht?
[Josianne] Also menstruierende Menschen haben einen Menstruationszyklus. Lebensgrundlage aller Menschen, also alle unsere Mütter, ausschließlich alle, hatten einen Menstruationszyklus, sonst gäbe es uns nicht.
Und, ich finde es einfach ein spannender Fakt im Sinne von, auch wenn morgen niemand mehr diesen Zyklus hätte, es gäbe keine weiteren Menschen. Also schon mal eine ganz schöne Sache, unsere Lebensgrundlage, dieser Zyklus.
Er hat einfach einen schlechten Ruf. Wir sind vor allem bekannt mit den Themen wie Menstruationsschmerzen und PMS. Das sind so ein bisschen die Downsides vom Zyklus.
Und meine Leidenschaft ist es, diesen Zyklus so zu beleuchten, dass wir aus diesen vier Zyklusphasen, die wir monatlich durchleben, die uns durchfließen, dass wir aus jeder Zyklusphase das Beste herauspicken.
Das sind einfach verschiedene Qualitäten, die wir zum Vorschein bringen, je nach Zyklusphase. Soll ich es ganz kurz, ich kann es ganz, ganz kurz umreißen? Wenn du willst.
[Alex] Ja, bitte, bitte.
[Josianne] [unverständlich] innerer Winter und das ist so die Ruhephase, Rückzug. Nachher kommt die Energie wieder zurück nach der Menstruation. Östrogen steigt und das ist so dieses Aufblühen, dieses Fühler ausstrecken und zu gucken, was da draussen los ist. Da folgt nachher der innere Sommer, ist biologisch auch die fruchtbare Zeit, Einsprungzeit und ist die Zeit im Zyklus, wo wir sehr gesellschaftsfähig sind, sehr viel Energie haben, kompatibel sind mit allem, was da abgeht. Danach folgt der innere Herbst. In der Natur fallen da die Blätter. Es ist wieder die Zeit für den Rückzug. Und es ist so die verhasste Zeit im Menstruationszyklus.
Drachentage, ganz viele Frauen sind da, ja, finden sich da nicht toll, verstehen sich nicht, wissen nicht, was los ist, streiten viel, sind aggressiv, weinerlich, traurig, alles ist zu viel.
Und meine Aufgabe oder wie gesagt auch meine Leidenschaft ist es, da ein bisschen Licht ins Dunkle zu bringen, weil jede dieser Phasen hat auch Qualitäten und gerade auch im Arbeitsleben und natürlich auch in der Familie mit den Kindern und so, aber wirklich auch im Arbeitsleben.
Also ich weiss genau ein bisschen, was ich wann mache, wann mir was leicht fällt. Es gibt super Zeitpunkte, um Buchhaltung zu machen. Es gibt super Zeitpunkte, um zu netzwerken. Und dass ich das so ein bisschen im Einklang mit meinem Zyklus gestalte.
Und vor allem ganz wichtig, dass ich auch weiss, wie ich mir schaue, selbst fürsorge, wenn von außen ja einfach auch Termine oder Umstände gegeben sind. Fast noch wichtiger.
Also es ist jetzt nicht nur, ich schiebe alles perfekt an meinem perfekten Zykluszeitpunkt, sondern die Welt dreht sich ja einfach weiter, egal wo ich bin in meinem Zyklus. Und wie gucke ich mir, wie schaue ich mir, damit am Ende des Tages immer noch eine schöne Portion Lebensfreude oder Humor übrig bleibt.
[Alex] Nun sind ja soziale Medien gerade nicht zyklisch. Also eigentlich verlangen die ja jeden Tag dasselbe von uns. Wir sollen präsent sein und uns zeigen. Und wie du schon gesagt hast, es gibt halt Phasen, da will man sich vielleicht gar nicht zeigen, da ist eher Rückzug angesagt. Und wie siehst du dann so den Zusammenhang oder die Herausforderung von Social Media und Menstruationszyklus? Was hast du da beobachtet?
[Josianne] Also für mich ist Social Media wirklich der Inbegriff von diesem besser, dichter, schneller, höher, fordernder, immer präsent sein. Also linearer geht es nicht.
Ich finde persönlich, es tut nicht gut, es tut auch den Männern nicht gut, aber gerade im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus habe ich schon stark bemerkt wie, eben da gibt es Phasen, da fällt es so leicht etwas zu posten, diese Videos zu machen, dieses Herumgetänzeln bei den Reels und es ist noch ein bisschen lustig, ein bisschen amüsant und so. Und dann gibt es aber auch immer wieder Zeiten, wo ja, wo das schwerfällt und wo dann auch, wenn dir etwas schwerfällt, und in diesem Zusammenhang jetzt, wenn es dir schwerfällt, dich zu präsentieren, dich zu zeigen, braucht es auch immer mehr Strom. Und je nachdem, wo ich bin im Zyklus, ist das wie eine andere Geschichte. Und es laugt einfach mehr aus, wenn wir uns für Social Media derart verbiegen, damit es für Social Media stimmt.
Also für mich ist es wirklich so dieser Inbegriff von entweder lieferst du ab, entweder leistest du oder du fliegst raus aus dem System. Du spiegst da raus. Wenn du dich nicht an die Social-Media-Regeln hältst, dann bist du nicht mehr wichtig für Social Media. Dann bist du nicht beachtet oder wirst gestraft oder was auch immer. Und das ist für mich ein No-Go auch mit der Brille von diesen zyklischen Werten. Also ist eine Person, die eine Pause macht, nichts mehr wert? Ist eine Person, die Ruhe braucht, faul? Nein, ist sie nicht. Sie ist nun nicht immer gleich konstant leistungsfähig.
Und das führt zu ganz vielen großen Problemen in unserer Gesellschaft. Die ganzen Zahlen von Erschöpfungsdepressionen und all diesen psychischen Thematiken, die nehmen Jahr für Jahr zu. Und mich dünkt, dass Social Media einen nicht kleinen Anteil daran hat.
[Alex] Das heißt, würdest du sagen, so als Mensch mit Menstruationszyklus ist es fast nicht möglich, Social Media dann so achtsam für sich zu nutzen? Oder meinst du, es gibt eine Möglichkeit, das ein bisschen zyklischer für sich zu nutzen?
[Josianne] Ich denke, man kann da sicher mit sich selber eine Art Deal aushandeln, im Sinne von, hey, ich bin präsent, ich bin live, ich bin connected, ich bin da, wenn es im Einklang ist mit meinen eigenen Bedürfnissen, wenn ich das lustig finde, wenn ich Ideen habe, wenn es sprudelt.
Aber mein Deal wäre in einem solchen Ding, und das habe ich auch so gelebt, als ich noch drauf war, ich verbiege mich nicht, weil mein Kopf denkt, aber heute muss ich dann noch etwas posten. Heute muss ich noch ein Output liefern.
Wenn das nicht aus mir herauskommt, dann lasse ich es bleiben und natürlich, das könnte man auch überbrücken, also man kann ja auf Social Media Dinge vorbereiten, man kann sich zurückziehen, man muss nicht das Gesicht den ganzen Tag in die Kamera halten.
Aber zyklisch gesehen kann man das in dem Sinne nutzen auch von einem inneren Frühling, das haben so viele Frauen da explodieren die Ideen. Also Brainstorming im inneren Frühling oder einfach ganz, ganz viele neue Ideen, alles notieren, alles.
Ja, und da kann man das im inneren Herbst oder im inneren Winter auch verwenden, wenn nichts aus mir herauskommt, weil ich will gar nicht da draussen sein. Ich will im Wald am Feuer sitzen, ob in echt oder als Sinnbild. Da kann man sich schon auch lieb sein, indem man ein bisschen schlau ist und ein bisschen ehrlich ist. Und nicht nur auf diese Gewohnheit oder aus Druck auf dieses Mitmachen reagiert.
[Alex] Also ich finde schon, dieses Wissen um diese Zyklusphasen kann einem enorm helfen, einfach auch liebevoller zu sich zu sein und zu wissen, okay, mir fällt das jetzt schwer, mich zu präsentieren auf Social Media.
Dann begegne ich mir eher mit Verständnis als mit Disziplin und Druck. Ich meine, das kann ja schon ein Riesengewinn sein für so einen Arbeitsalltag.
[Josianne] Und auch das Abgrenzen, weißt du?
Also da gibt es Zyklusphasen, gerade so kurz vor der Menstruation, während der Menstruation, da siehst du Dinge auf Social Media, die dich triggern oder traurig machen.
Und da ist die Haut einfach nicht so dick. Und also das habe ich schon auch gemerkt, wenn da irgendwie lieblose Kommentare oder gar Angriffe ich habe das wenig erlebt, aber du bekommst es ja mit, was bei anderen auch abgeht oder wenn du das einfach mitliest oder so. Ja, dass ich das echt, echt schlecht ertragen habe und nur schon das zu wissen von aha, es ist nicht dass mit mir irgendetwas nicht stimmt und ich bin gerade so dünnhäutig oder nahe am Wasser gebaut oder aggressiv oder was auch immer, sondern okay, wo bin ich denn in meinem Zyklus? Kann es einen Zusammenhang haben und bin ich dafür verantwortlich und ja, ich bin es für diesen Abstand und zu sagen, hey, meine mentale Gesundheit ist, weiss Gott, millionenmal wichtiger als die Gesundheit von Social Media, wie es den Firmen geht, die das anbieten, diese Apps. Me first.
Da hilft mir das Zyklische wahnsinnig fest, einfach auch um ein bisschen diese Beobachtungsposition einzunehmen und zu sagen, okay, bin ich ehrlich mit mir selber, bin ich smart, bin ich schlau, bin ich mir selber nahe und ich bin mir tatsächlich näher, seit ich nicht mehr auf Social Media bin.
[Alex] Ich habe auch für mich das mittlerweile zum Lebensmotto gemacht, muss ich sagen. Also: Was keine Pause kennt, ist nicht von Dauer.
Das ist ja dieses Zitat von Ovid und ich finde, dass es einfach so wahr. Das zeigt sich immer wieder. Wenn meine Marketingstrategie voraussetzt, dass ich jeden Tag über meine Grenzen gehe, dann werde ich es einfach nicht lange durchhalten.
Aber wenn meine Marketingstrategie Pausen mitdenkt und Auszeiten mitdenkt und Rückzug mitdenkt, dann werde ich es vermutlich auch über die nächsten Jahre gut aushalten können.
Und ich glaube, das ist so der Grund, warum Social Media für mich nicht funktioniert hat und dann vielleicht für dich nicht funktioniert hat. Und vielleicht erkennt sich da ja jemand auch wieder und denkt jetzt, okay, ich bin vielleicht nicht ganz so ein Alien, wie ich immer dachte.
[Josianne] Genau, ganz genau.
[Alex] Abschließende Frage, wenn jetzt jemand ebenfalls überlegt, vielleicht Social Media zu verlassen, auch als Selbstständige, auch als Online-Unternehmerin, gibt es so von deinen Erfahrungen einen Tipp, den du mitgeben könntest? Was hättest du denn vorher gewusst vielleicht?
[Josianne] Hm. Mit welchen Menschen, dass ich austauschen kann, um diesen Marketingmuskel wieder ein bisschen mehr zu trainieren.
Also das war für mich echt so eine, auch ein bisschen eine mühsame Suche, sage ich jetzt mal. Also auch eine spannende Suche, aber so, was mache ich denn jetzt? Ich fühlte mich so ein bisschen verloren von, oh, jetzt fällt Social Media weg, jetzt werde ich vergessen.
Und da hätte ich mir gewünscht, wirklich ein bisschen mehr Futter zu haben, auch für meine Selbstständigkeit, wo ich so wie Referenz gehen kann oder nachlesen kann, jetzt in deinem Buch, wenn das schon zwei, drei Jahre vorher erschienen wäre, wäre es eine Bibel gewesen für, okay, was mache ich denn jetzt? Was mache ich denn jetzt? Genau. Also von dem her, wenn jemand so einen Ausstieg andenkt, ja, vielleicht wirklich diese Erfahrung, vielleicht ist es kein Tipp, vielleicht ist es einfach diese Erfahrung von, selbstverständlich kann Business gut weitergeführt werden ohne Social Media.
Und man darf oder soll sich den Austausch suchen, sich informieren, alles drüber lesen und dann seine ganz eigene Form auch finden von Marketing, die auch Freude macht. Wenn es Freude macht, ist es auch nachhaltiger.
[Alex] Ja. Ja, das sind auch schöne Abschlussworte. Josianne, ich danke dir herzlich, dass du heute hier warst und deine Geschichte erzählt hast. Ich fand es total spannend. Und übrigens, die Blogartikel, die ich erwähnt habe, die sind ganz, ganz witzig zu lesen teilweise. Also großer Lesetipp von mir.
Die verlinke ich dann natürlich in den Shownotes. Und ja, ich sage vielen, vielen Dank und freue mich. Vielleicht in zwei, drei Jahren kannst du ja mal wieder erzählen, wie es bei dir in der Zwischenzeit so gelaufen ist. Ich würde mich freuen.
[Josianne] Das würde ich sehr gerne machen. Ich danke dir, Alex.
Shownotes
Schnipsel und Pommes im Kopf – deshalb verlasse ich Facebook und Instagram
How to pinkeln ohne Instagram: Mein Fazit aus 6 Monaten ohne Instagram
Blog ohne Kommentarfunktion? Ja, bitte!
In dieser Podcastfolge möchte ich darüber sprechen, warum ich auf meinem Blog die Möglichkeit, meine Blogartikel zu kommentieren, vollständig deaktiviert habe. Ja, ich weiß, das ist ein super nerdiges, nischiges Thema. Aber ich werde tatsächlich hin und wieder nach den Gründen gefragt. Und falls du auch schon mal überlegt hast, wie sinnvoll Kommentare auf dem Blog eigentlich für dich sind, ist diese Folge für dich.
In dieser Podcastfolge möchte ich darüber sprechen, warum ich auf meinem Blog die Möglichkeit, meine Blogartikel zu kommentieren, vollständig deaktiviert habe.
Ja, ich weiß, das ist ein super nerdiges, nischiges Thema. Aber ich werde tatsächlich hin und wieder nach den Gründen gefragt.
Und falls du auch schon mal überlegt hast, wie sinnvoll Kommentare auf deinem Blog eigentlich für dich sind, ist diese Folge für dich.
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Ja, du hörst es vielleicht, ich bin heute ein bisschen nasal unterwegs, ein bisschen erkältet. Aber ja, mir geht’s ansonsten gut und deshalb kommt die Folge heute dennoch pünktlich, nur eben leicht verschnupft.
Ich hoffe, du kannst mich trotzdem gut genug verstehen.
Ja, warum kann es eine gute Idee sein, Kommentare auf seinem Blog zu deaktivieren?
Erst einmal: Falls du selbst Kommentare auf deinem Blog aktiviert hast und es liebst und regelmäßig nette Rückmeldungen unter deinen Blogartikeln bekommst oder nette Gespräche führst, ist es natürlich absolut super so.
Ich möchte dich auch überhaupt nicht umstimmen oder so. Mir geht es eher darum, dass wir uns mal über die Kommentarfunktion an sich ein paar Gedanken machen und dass da jede und jeder eine individuelle Entscheidung treffen kann.
Grund #1: Ich finde die Kommentar-Kultur problematisch
Und der erste Grund, warum ich persönlich mich gegen Kommentare auf meinem Blog entschieden habe, ist, dass ich diese ganze Kommentar-Kultur, nenne ich sie mal, sehr kritisch sehe.
Es ist natürlich auf der einen Seite toll, dass wir das Internet haben und Menschen dort ihre Themen und Botschaften teilen können. Und dass es keine klassischen Gatekeeper mehr gibt, die darüber entscheiden, was überhaupt veröffentlicht werden darf und was nicht.
Ich glaube, dass Aktivismus zum Beispiel extrem davon profitiert hat und Themen wie Klimaschutz, Feminismus, Antirassismus und so weiter, erst dadurch auch überhaupt massentauglicher wurden.
Gleichzeitig hat diese Entwicklung vor allem auf Social Media auch für eine ja sehr merkwürdige Veränderung im Menschen gesorgt. Und zwar denkt der Mensch jetzt, er muss zu absolut allem seine Meinung kundtun und einfach alles kommentieren.
Und das sind aber auch meist nicht nur nette Sachen und Komplimente, sondern auch Kritik und immer öfter auch Beleidigungen, Beschimpfungen, Desinformation und vieles, vieles mehr.
Für mich nimmt es vor allem im Bereich der Nachrichten absurde Züge an, muss ich sagen. Also wenn es zum Beispiel eine neue Nachricht zu einem x-beliebigen Thema gibt oder bestimmte Wissenschaflter*innen sich zu bestimmten Themen äußern und dann Günter, der da überhaupt keine Expertise in diesem Bereich hat, diese Nachricht dann kommentiert und sich tierisch über irgendetwas aufregt.
Und ich denke mir dann immer: Wem soll das dann weiterhelfen, dass die Günters dieser Welt Fakten oder Forschung bewerten?
Das sorgt eher dafür, dass Menschen Fakten anzweifeln, wütend oder nicht wertschätzend miteinander umgehen, das verhärtet eher die Fronten, als dass es wirklich dabei hilft, dass Menschen Verbindung eingehen.
Und natürlich ist ein Blog jetzt nicht so wichtig wie eine Nachrichtenwebsite, das ist völlig klar, aber auch hier können wir uns da eigentlich dieselbe Frage im Kleinen stellen:
Muss alles, was ich schreibe, überhaupt kommentiert werden?
Will ich überhaupt zu allem, worüber ich schreibe, verschiedene Meinungen hören?
Brauche ich diese Meinungen?
Hilft mir das in irgendeiner Weise?
Profitiert irgendjemand davon?
Oder habe ich einfach nur Kommentare, weil es technisch eben möglich ist und es gerade alle so machen?
Es ist letzten Endes also die Frage nach dem Zweck des Blogs, also: Warum hast du überhaupt einen Blog? Welche Rolle spielt er in deinem Marketing oder soll er in deinem Marketing spielen? Welche Rolle spielt er in der Customer Journey? Wobei soll er dir genau helfen?
Und bei mir ist es jetzt so:
Mein Blog hilft mir dank Suchmaschinenoptimierung dabei, online gefunden zu werden.
Menschen können in meinen Blogartikeln mehr über mein Thema erfahren und manchmal auch mehr über mich.
Ein Blogartikel kann der Anlass sein, dass Menschen Kontakt mit mir aufnehmen oder einen Onlinekurs kaufen.
Ich kann mit meinen Blogartikeln informieren, inspirieren, unterhalten, aber … Communityaufbau oder einen Raum für Diskussionenen, das will ich gar nicht bzw. das muss mein Blog gar nicht leisten.
Und deshalb bringt es mir persönlich jetzt nicht so viel, wenn ich meine Blogartikel zum Kommentieren freigebe. Das bringt mir nichts persönlich, nichts fürs Marketing und deshalb lasse ich es eben sein.
Grund #2: Ich möchte richtige Unterhaltungen führen
Der zweite Grund, die Kommentare auf meinem Blog zu deaktivieren, hängt mit dem ersten Grund zusammen, nämlich: Ich möchte richtige Unterhaltungen führen.
Was meine ich damit?
Heutzutage ist es einfach nicht mehr so, dass in den Kommentarspalten auf dem Blog oder auch auf Social Media ehrlich gesagt jetzt für meine Begriffe wirklich gute Gespräche geführt werden.
Das mag in Einzelfällen funktionieren – ich hab ja nicht den Überblick über alle Kommentarspalten dieser Welt. Und ich kenne ein paar Foodblogs, in denen es zumindest von außen so scheint, als würde so eine Kommentarspalte da weiterhelfen.
Aber für die meisten Selbstständigen wird es so sein, dass Kommentare eben nicht dazu führen, dass man jetzt qualitativ hochwertige Gespräche mit potenziellen Kund*innen führt.
Ja, manche Menschen haben eine Frage zum Blogartikel, stellen sie dann im Kommentar, das mag sein. Aber meist kommen sie dann eben auch nicht wieder zurück und antworten nicht drauf, wenn man eben auf den Kommentar antwortet.
Andere schreiben so typische „Wow, super Artikel, vielen Dank“-Kommentare. Und das ist auch ganz nett, das sind eben auch keine richtigen Gespräche.
Und dann gibt es natürlich auch immer wieder mal Spam-Kommentare.
Das heißt: Ich hab seit 2016 schon einen Blog und auch damals nur in den seltensten Fällen wirklich echte Gespräche mit Menschen in den Kommentarspalten geführt.
Natürlich kann es sein und ist es regelmäßig auch so, dass jemand einen Blogartikel von mir liest und eine gute Frage hat oder auch einen validen Kritikpunkt hat oder mir einfach etwas mitteilen will. Und darüber – also über echte Themen, echte Gespräche und echte Anlässe – freue ich mich natürlich immer.
Und ich habe einfach gemerkt, dass die Kommunikation sich dann auf die E-Mail verlagert. Also wenn jemand einen Blogartikel von mir liest und mir etwas zu sagen hat, schreibt diese Person mir dann einfach meistens eine E-Mail. Und dann können wir uns via E-Mail austauschen.
Es kann natürlich sein, dass mir Menschen dann nicht schreiben. Das weiß ich jetzt natürlich nicht, wie viele Menschen die fehlende Kommentarfunktion davon abgehalten hat, mit mir in Kontakt zu treten. Aber grundsätzlich ist es so:
Für mich persönlich sind das schönere Gespräche als in den Kommentarspalten und ich hab den Eindruck, dass ich dadurch eben auch viel wertschätzendere Nachrichten erhalte. Es ist eben viel bequemer, mal schnell einen Kommentar unter einem Blogartikel dazulassen und dann mach ich das dann vielleicht auch mal, ohne so viel darüber nachzudenken, ob das jetzt so gehaltvoll war, wertschätzend oder zumindest freundlich.
Eine E-Mail schreibe ich vermutlich, wenn es mir ein bisschen ernster ist. Und wenn ich ein bisschen mehr darüber nachgedacht habe, was ich da eigentlich tue.
Und apropos E-Mail: Es gibt ja auch Fälle, da brauche ich die Schwarmintelligenz. Da will ich vielleicht viele Meinungen hören. Oder will wissen, wer hier wen kennt. Das mag alles sein, und das hatte ich in der Vergangenheit auch immer wieder mal. Und dafür nutze ich dann einfach den Newsletter.
Und auch das ist für mich persönlich die bessere Lösung. Wenn ich tatsächlich eine Frage habe, wenn ich tatsächlich Meinungen hören will, schreibe ich einen Newsletter, stelle diese Frage und Menschen antworten dann auf diesen Newsletter. Und Kommentarspalten sind dann eben auch gar nicht nötig.
Grund #3: Mir ist es die Zeit nicht wert
Und Grund Nummer drei, warum ich keine Kommentare mehr auf dem Blog habe, ist die Zeit.
Denn Blogkommentare müssen moderiert und beantwortet werden. Es gibt, wie gesagt, Spam-Kommentare. Und da die Hürde, seine Meinung dazulassen, eben so niedrig ist, immer wieder auch nicht so nette Kommentare. Und infolgedessen kann es zu Stress, Druck, Frust, Selbstzweifeln und vielen anderen Gefühlen kommen.
Das heißt, es kann unter Umständen sein, dass wir einfach nur durch die Kommentarfunktion auf unserem Blog vermehrt Emotionsarbeit leisten müssen.
Und wie schon bei Social Media auch habe ich mich bei den Kommentaren auf dem Blog gefragt: Ist das überhaupt gut investierte Zeit?
Meine Antwort war: nein. Blogkommentare waren für mich persönlich und aus einer Marketingsicht eher unnötig bis aufwändig und anstrengend. Und ja, auch wenn ich jetzt nicht unbedingt Stunden für die Blogkommentare gebraucht habe, war mir dann tatsächlich irgendwie jede Minute zu schade.
Und die Frage kannst du dir natürlich auch stellen:
Wie viel Zeit brauchst du für die Moderation und für die Beantwortung der Blogkommentare?
Entsteht durch das Thema ein gewisser Mental Load bei dir oder zusätzliche Emotionsarbeit? Habe ich zusätzliche Gefühle, die ich regulieren muss?
Und drittens: Ist dir diese Zeit und Energie, die du da investierst, es wert oder nicht? Darauf geht es letzten Endes zurück.
Fazit
So, das waren meine drei Gründe gegen Kommentare auf meinem Blog:
Grund 1: Ich finde grundsätzlich nicht, dass alles immer kommentiert werden muss. Meine Texte sollen einfach informieren und inspirieren und da sein. Punkt.
Grund 2: Wenn jemand ein wichtiges Anliegen hat, schreibt er mir eine E-Mail. Ich führe bessere Gespräche via E-Mail als in den Kommentarspalten und deshalb ist das auch für mich die bessere Lösung.
Und Grund 3: Ich spare mir Zeit. Und auch wenn wir hier nicht von vielen Stunden sprechen, bin ich für jede Minute, die ich mit sinnvollen Aufgaben verbringen kann, dankbar.
Shownotes
Unternehmerischer Erfolg ohne Social Media? Interview mit Sascha Boampong
In dieser Folge habe ich Sascha Boampong zu Gast. Sascha hat mehrere Unternehmen gegründet und sich vor einiger Zeit aus Social Media verabschiedet. Warum soziale Medien keine große Rolle an seinem unternehmerischen Erfolg spielten und spielen, wird er uns im Interview verraten.
In dieser Folge habe ich Sascha Boampong zu Gast. Sascha hat mehrere Unternehmen gegründet und sich vor einiger Zeit aus Social Media verabschiedet. Warum soziale Medien keine große Rolle an seinem unternehmerischen Erfolg spielten und spielen, wird er uns im Interview verraten.
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Wie kam es dazu, dass du an so vielen Unternehmen beteiligt bist?
[Alex] Ja, hallo Sascha, ich freue mich sehr, dass du da bist. Du hast unfassbar viele Unternehmen – wahrscheinlich hörst du das oft, wenn du irgendwo interviewt wirst – entweder selbst gegründet oder du bist Teilhaber, wenn ich das richtig interpretiere.
Und ich habe mal auf deiner Website geguckt, das ist ja wirklich bunt gemischt von SEO-Agentur bis zu bindungsorientierter Umgang mit Kindern. Wie kommt es dazu, dass du bei so vielen Unternehmen einsteigst oder da einfach mitmischst? Wie kommt es dazu?
[Sascha] Ja, also erstmal danke für die Einladung, Alex. Und tatsächlich kriege ich die Frage relativ häufig gestellt und es war auch nicht so geplant.
Also ich bin jetzt nicht auf die Welt gekommen und habe gesagt, ich möchte gerne viele Unternehmen gründen. Das ist tatsächlich eher durch Zufall passiert, weil ich ja durch meine Vergangenheit so ein bisschen als derjenige, der das digitale Nomadentum in Deutschland vorangebracht hat, also das ortsunabhängige Arbeiten, gemeinsam mit meinem Kumpel und Geschäftspartner Timo, irgendwann an einem Punkt war, wo wir anderen Selbstständigen geholfen haben oder Leute, die in die Selbstständigkeit starten wollten.
Und dann hatten wir irgendwann so viele Kunden und haben dann gemerkt, oh wow, da sind wirklich tolle Menschen dabei, mit denen man irgendwie weitermachen möchte.
Und wir haben so ein Mentoring-Programm gehabt, dann haben wir überlegt, wie kann man weitermachen und dann war irgendwann der Gedanke, lass uns doch mal mit denjenigen, wo wir das Gefühl haben, das passt ganz gut und die haben das Potenzial, irgendwie Deals machen, dass wir vielleicht einfach eine längerfristige Kooperation machen und dann gründen wir gemeinsam einfach Unternehmen.
Und so habe ich dann irgendwie, ja völlig zufällig, so Minderheitsanteile an Unternehmen bekommen, dadurch, dafür, dass wir weiterhin dann die Beratung machen. Also anstatt Honorarberatung einfach zu sagen, wir machen Beratung gegen Anteile.
Und dann ist innerhalb von wenigen Jahren, ja sind da, ich glaube jetzt inzwischen, also diejenigen, die du gesehen hast, das sind noch nicht mal alle, insgesamt sind es glaube ich neun Beteiligungen.
Entweder tatsächlich echte Firmenbeteiligung, so wirklich als Gesellschafter, oder tatsächlich Umsatzbeteiligung, wenn wir jetzt nicht gemeinsam mit den Geschäftspartner*innen gegründet haben.
[Alex] Und bist du dann auch so richtig drin in den Themen? Also SEO, Erziehung, sind das alles so Dinge, die dich interessieren oder wie kommt es dann immer dazu?
[Sascha] Also thematisch bin ich natürlich nicht überall drin, das funktioniert auch nicht.
Ich sehe mich tatsächlich auch eher in der Funktion, dass ich die unternehmerischen Themen, in den unternehmerischen Themen berate, weil wir haben es halt selber geschafft, ich sag mal mit 200 Euro Startkapital ein recht profitables Unternehmen zu gründen und dann ja auch mehrere große Projekte.
Das heißt, ich betrachte so ein bisschen das unternehmerische Design, Marketing, Vertrieb, das Produkt und Teamaufbau. Und da kann ich, glaube ich, sehr gut unterstützen. Die Menschen, mit denen wir gegründet haben, die sind natürlich weiterhin Profis auf ihrem Gebiet. Und da kann und will ich dir nicht reinreden.
Aber es sind natürlich Dinge, die ich unterstütze, wo ich sage, okay, SEO ist was. Das ist natürlich ein Thema, das ist sowieso irgendwie immer präsent.
Das Thema Erziehung, bindungsorientierte Erziehung, das ist natürlich auch was, das jetzt gerade, vor allem seitdem ich Vater bin, habe ich noch mehr Verständnis dafür. Das heißt, da denke ich, okay, das sind Projekte, die ich halt auch einfach gerne unterstütze, aber halt nicht inhaltlich, was so die Fachexpertise angeht, sondern eher, was das Unternehmerische angeht.
Welche Rolle spielen soziale Medien im Unternehmertum?
[Alex] Was ich ja total spannend finde, und da habe ich dich ja auch schon im Buch interviewt, dass du sagst, dass soziale Medien eigentlich gar keinen so großen Anteil an deinem unternehmerischen Werdegang und Erfolg hatten. Und das würde ich jetzt nochmal genauer gerne hören. Warum ist das so?
[Sascha] Ja, warum ist das so? Also wir haben gestartet oder sind gestartet 2016 mit dem „Digitale Nomaden“-Podcast. Da hatten wir keine Reichweite, uns kannte niemand und da haben wir natürlich überlegt, was können wir machen.
Und wir haben selber gerne Podcast konsumiert und deswegen war das auch unsere Strategie, einen Podcast zu starten. So, jetzt bringt es aber ja nichts, einfach einen Podcast zu starten, den hört ja keiner.
Also was haben wir gemacht? Wir haben dieses Interviewformat gewählt, was heute gang und gäbe ist, aber damals noch sehr besonders war.
Das heißt, wir haben uns die Menschen eingeladen, die selber schon oft Podcaster waren oder auf irgendeine andere Art und Weise eine Reichweite hatten. Du nennst es ja Other People's Audiences, glaube ich. Die OPA-Strategie.
Und genau das haben wir gemacht. Wir haben uns also primär die Reichweite von anderen geborgt, haben die auf eine Bühne gehoben und als Dankeschön haben die das dann geteilt in ihrem Netzwerk.
Und das heißt, dafür war Social Media gar nicht notwendig. Wir haben das dann nebenbei gemacht, irgendwie Facebook und Instagram. Ja, so halbherzig, so richtig gefallen hat es mir eigentlich nie. Und es war auch nicht wirklich elementar für den Aufbau der Reichweite, weil dafür waren wir dann doch primär einfach auf den Podcast fokussiert und das hat sehr, sehr gut funktioniert und funktioniert, glaube ich, heute auch immer noch genauso gut.
[Alex] Das heißt, wie habt ihr das dann gemacht? Ihr habt die Menschen interviewt und habt ihr sie dann gebeten, die Folge zu teilen oder habt ihr das von selbst quasi freiwillig gemacht?
[Sascha] Ja, das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass wir beides gemacht haben.
Das heißt, ich habe zum Beispiel, wenn ich jetzt gefragt hätte, hey Alex, ich lade dich jetzt ein in meinen Podcast, hast du Lust?
Wenn dir die Folge gefallen hat, das Interview, würdest du es denn teilen? Und wenn ja, kannst du mir ja sagen, wo? Also irgendwie keine Verpflichtung musst du nicht tun. Ich sage jetzt nicht, das musst du aber teilen, nur dafür darfst du jetzt hier ins Interview.
Aber was wir halt früh gemerkt haben, ist, dass wir da recht intentionslos rangegangen sind. Also wir hatten niemals die Intention, ah ja, jetzt schnappe ich mir die Reichweite von der Alex und dann teilt sie das bestimmt. Und ich glaube, das spürt das Gegenüber.
Und deswegen haben die Leute das gerne geteilt, weil wir halt einfach gesagt haben, hey, wir laden dich gerne ein, du kannst über deine Themen reden. Und dann haben 90 Prozent das einfach gerne geteilt, weil wir, ich glaube, einfach den Menschen gesehen haben und nicht nur seine Reichweite.
Und das ist, glaube ich, auch heute noch wichtig, da nicht zu taktisch zu denken. Natürlich ist es nett und es freut uns, wenn es geteilt wird, aber ich erwarte das nicht, sondern ich habe die Menschen eingeladen, die ich eh interessant finde oder fand und dachte, die bräuchten auch eine Bühne und die haben das dann sehr, sehr gerne geteilt, einfach vielleicht auch, weil es nicht so pushy war, bitte teil das danach und sag mir Bescheid, wo du es teilst. Das haben wir nicht gemacht.
[Alex] Das finde ich auch schön, dass man auch so locker und entspannt rangehen kann und sich das auch irgendwie natürlich entwickeln darf und man da auch gar nicht so pushen muss, wie du sagst.
Du hast gerade gesagt, du hast oder ihr habt Social Media so halbherzig genutzt. Was meinst du damit? Wart ihr dort, weil ihr dachtet, ihr müsst da jetzt sein?
[Sascha] Ja, genau so. Also wir dachten, man muss da sein. Das war ja so dann die Zeit, wo, keine Ahnung, kamen auch so die ersten Funktionen mit Live und Storys und was weiß ich nicht was.
Und ich habe das dann auch mitgemacht, aber ich habe immer gespürt, das fühlt sich irgendwie nicht richtig an für mich.
Also ich weiß nicht, ich kann nicht mal sagen, warum. Aber es ist ja auch eine künstliche Situation, sich vor dem Mikrofon alleine zu setzen. Also im Gespräch, jetzt im Dialog geht das, finde ich. Aber alleine finde ich es auch immer noch, es ist immer noch eine Herausforderung.
Aber mit einer Kamera im Gesicht alleine, das fand ich noch weirder. Und vor allem in Situationen, wo es gar nicht um das Thema ging, sondern viel auch im Alltag.
Und ich wollte meinen Alltag eigentlich gar nicht begleiten, denn ich habe es nicht verstanden. Warum soll ich denn jetzt zeigen, was ich gerade esse, wo ich gerade bin, wie ich mit meinem Hund spazieren gehe. Das waren für mich so auch intime Momente und private Momente. Da habe ich mich immer gefragt, möchte ich das wirklich? Und es hat sich selten richtig angefühlt. Und deswegen war das halbherzig.
Ich habe gedacht, ja, okay, ich mache es mal, weil die anderen machen das auch. Aber es hat mir nie richtig Freude bereitet und macht es heute auch nicht wirklich.
Und gerade bei diesen Shortform-Formaten, die ja auch so kurzlebig sind, hatte ich das Gefühl, okay, du musst relativ viel machen, weil das ist ja auch nach 24 Stunden wieder verschwunden maximal.
Das heißt, du musst von der Frequenz immer viel geben, weil ansonsten verlierst du da so ein bisschen die Sichtbarkeit und das hat mich dann so gestresst. Ja, und ich habe es aber nie richtig gemacht und es war aber auch nicht wichtig, spannenderweise, weil andere Kanäle viel, viel wichtiger waren, wie zum Beispiel E-Mail.
Die Rolle der Tochter und Social Media
[Alex] Ja, darüber können wir gleich auch nochmal reden. Du wurdest vor einiger Zeit auch Vater, hast du, glaube ich, auch gerade nochmal erwähnt. Hat deine Tochter auch irgendwas an deiner Haltung zu Social Media geändert?
[Sascha] Hat meine Tochter was an der Haltung geändert? Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe aber natürlich überlegt, okay, in was für eine Welt soll sie eigentlich hineingeboren werden? Und ich habe gesehen, wie Social Media nicht nur social ist, sondern die Welt auch spaltet. Durch Algorithmen, durch große Konzerne, die natürlich andere Interessen vertreten, die Algorithmen, die dafür sorgen, dass wir uns in Mikrobubbles befinden und ja, irgendwie gar nicht mehr gemeinsam einen Diskurs anfangen, sondern maximal noch auf die anderen mit Steinen werfen und das war's.
Da habe ich gesagt, okay, da möchte ich kein Teil von sein. Ob meine Tochter jetzt einen großen Anteil daran hat, weiß ich nicht, aber ich weiß auf jeden Fall, dass ich mir gedacht habe, ich hoffe, dass wenn sie größer ist und Zugang zu diesen Medien haben darf, dass sie dann nicht mehr Social Media so erleben muss, wie wir es jetzt erlebt haben in der letzten Zeit.
Weil ich glaube einfach, dass es eine bessere Form gibt, Social Media wirklich zu nutzen. So wie es vielleicht am Anfang auch mal gedacht war und so wie es am Anfang vielleicht auch war.
So die ersten Jahre, ich weiß nicht, wie es dir da ging, Alex, aber ich fand es, da war es noch so, okay, ich folge meinen Freunden, ich schaue, was die machen und das war es so. Viel mehr ist da nicht passiert. Das war wirklich social, weil dadurch war ich in Kontakt zu Menschen, die ich sonst lange nicht gesehen habe. Es war eigentlich eine tolle Zeit, aber davon ist nicht mehr viel übrig geblieben.
[Alex] Also für mich war der Cut so 2018, als da diese große Facebook-Änderung kam und als emotionalisierende Inhalte dann auf einmal am meisten ausgespielt werden mussten und es dann darum ging, diese emotionalisierenden Inhalte zu erstellen, das war für mich so der Cut, wo sich vieles verändert hat und wie diese sozialen Medien, die wir jetzt so kennen, quasi entstanden sind für mich.
[Sascha] Ja, ja.
Ethische Überlegungen zu Social Media
[Alex] Höre ich das denn richtig raus, dass für dich dann auch ethische Überlegungen bei der Frage Social Media ja, nein spielen? Wenn du sagst, in welcher Welt will ich leben oder will, dass meine Tochter lebt?
[Sascha] Ja, absolut. Also ich würde sogar sagen, dass das der Hauptgrund ist. Also das eine ist ja, dass ich es nicht genieße, eine Kamera an mein Gesicht zu halten und den ganzen Tag Storys zu machen. Das ist mein eigenes Ding.
Aber wenn ich sehe, was gesellschaftlich passiert ist, eigentlich müssten wir ja jetzt viel näher beieinander sein, weil wir die Möglichkeit haben, komplett global vernetzt zu sein. Aber das Gegenteil ist passiert. Wir sind gespalten.
[Sascha] Und das ist für mich tatsächlich eine ethische Frage. Und wenn man überlegt, wir haben da eigentlich einen großen Konzern aktuell oder vielleicht sind es jetzt auch zwei mit TikTok, ich weiß gar nicht, wer dahinter steckt, irgendein chinesischer Konzern, die halt eine Macht haben, die sich viele Staaten wahrscheinlich wünschen und die einfach die Möglichkeit haben, die Gesellschaft zu beeinflussen.
Und das meiner Meinung nach natürlich nicht nur für positive Zwecke nutzen, sondern primär zur Profitgenerierung. Und da sind dann ja alle Mittel recht. Da weiß ich nicht, ob es so gedacht ist, dass wir diesen... Konzernen unsere Daten zur Verfügung stellen und die wissen ja tatsächlich mehr als wir selber oder als unsere Liebsten nachher über uns, wenn man so viele Datenpunkte sammelt, daraus Profile erstellt und dann Algorithmen so programmiert, dass sie uns genau das ausstrahlen, worauf wir reagieren, dann ist das schon, finde ich, eine gefährliche Geschichte.
Und ich wünsche mir eigentlich, dass man mehr darüber spricht. Und das passiert mir eigentlich noch zu wenig. Ich glaube, immer mehr. Und du klärst da ja auch sehr viel auf jetzt. Aber ich habe das Gefühl, dass der Normale, in Anführungszeichen, der sich jetzt nicht auch beruflich mit sozialen Medien beschäftigt, sondern das hauptsächlich privat nutzt, oft gar nicht spürt, dass er oder sie eigentlich das Produkt ist.
[Alex] Ich finde das immer so überraschend, wenn ich mit Menschen spreche, die gar nicht selbstständig sind und die noch nie den Facebook-Manager zum Beispiel kennen und genutzt haben.
Wenn ich denen erstmal erkläre, so die ganzen Targeting-Möglichkeiten, die meisten haben überhaupt keine Vorstellung davon, wie mächtig das eigentlich ist und wie eigentlich alles, was sie ausmacht, getargetet werden kann.
Ich glaube, ganz vielen Menschen fehlt da einfach das Verständnis. Ist schon so, würde ich auch so sehen.
[Sascha] Ja, ich glaube, Meta möchte jetzt auch nicht unbedingt, dass jeder erfährt, was da möglich ist.
Ich meine, das Targeting hat sich natürlich auch ein bisschen verändert. Also ich kenne wirklich auch noch die Zeiten teilweise, wo du nach Haushaltseinkommen und so weiter targeten konntest. Das war ja richtig extrem.
Es hat sich ein bisschen verändert. Glücklicherweise auch dadurch, dass bestimmte Firmen, auch wie Apple zum Beispiel, mit ihren Datenschutzbestimmungen dafür gesorgt haben, dass eben nicht mehr so viele Daten geteilt werden mit diesen Unternehmen.
Das finde ich auch sehr, sehr gut, aber trotzdem ist es immer noch krass, was man da einstellen kann. Und wenn die meisten das wüssten, weiß ich nicht, ob sie noch so sorglos mit solchen Diensten umgehen würden. Also ich glaube eher nicht.
Wie kam es zum Social-Media-Ausstieg?
[Alex] Ja, ich habe es ja schon im Intro gesagt, du hast es ein bisschen angedeutet. Dann bist du mehr oder weniger aus sozialen Medien raus vor einiger Zeit. Wie kam es genau dazu? Gab es einen konkreten Anlass? Hat sich das entwickelt? War das ein Prozess? Nimm uns mal mit.
[Sascha] Gute Frage. Ich glaube, es war tatsächlich ein Prozess. Also ich habe schon länger gespürt, da ist irgendwas. Ich konnte es aber nicht so ganz beschreiben. Das war so ein diffuses Unwohlsein bei der Nutzung von sozialen Medien.
Und obwohl ich mir dessen allen bewusst war, was da so passiert und dass da Algorithmen sind und dass Menschen sich auch teilweise natürlich inszenieren, weil es funktioniert halt einfach nicht, dass du zu 100% authentisch bist, sondern gerade bei Selbstständigen und Unternehmer*innen ist es natürlich auch so, dass sie das als Plattform nutzen und am Ende haben sie irgendeinen Zweck, irgendein Ziel.
Das heißt, sie zeigen auf dieser Vorderbühne natürlich nur eine bestimmte Seite von sich und trotzdem hat das was in mir getriggert. Also ich habe gemerkt zum Beispiel, in Momenten, wo es mir nicht so gut ging und wenn ich dann Social Media genutzt habe und andere erzählen mir, wie wunderbar ihr Leben gerade ist und wie toll und so weiter, dass ich mich nicht besser gefühlt habe.
Und es wurde mir dann immer, es wurde mir irgendwann einfach zu viel und auch zu extrem, weil es wurde auch immer lauter, immer extremer und ich hatte das Gefühl, der Algorithmus hat natürlich dann auch verstanden, worauf ich emotional reagiere und das nicht nur positiv und hat mir dann immer mehr davon ausgespielt und dann fühlte ich mich eigentlich, je mehr ich konsumiert habe, immer schlechter und dann habe ich irgendwann gesagt, das macht für mich keinen Sinn mehr. Und ich will auch nicht Teil dieses Spiels sein, dieser Inszenierung, weil ich kenne sehr, sehr viele Menschen in dieser Online-Bubble und was ich gesehen habe bei Social Media, entsprach einfach nicht dem, was ich wusste, wenn ich mich mit den Menschen persönlich ausgetauscht habe.
Das heißt, da wird gelogen, da wird inszeniert. Und das einfach nur, um am Ende dafür zu sorgen, mehr Sales zu machen, mehr Verkäufe.
Und allgemein hatte ich das Gefühl, dass es nicht mehr darum ging, ehrlich den Menschen verschiedene Seiten von sich zu zeigen, sondern das ist wirklich ein reines Marketing- und Verkaufsinstrument geworden. Und zwar auf eine sehr manipulative Art und Weise, wie ich finde. Und da habe ich dann irgendwann gespürt, das passt für mich nicht mehr. Ich kann nicht mehr Teil des Ganzen sein. Weder als Produzent und noch weniger eigentlich auch als Konsument, weil das mir nicht gut tut.
Also eigentlich tun mir beide Seiten nicht gut. Die Produzenten- und die Konsumenten-Seite haben mir nichts Gutes, nicht mehr gut getan. Da habe ich gesagt, okay, ich muss einen Cut machen.
[Alex] Und wie sah der Cut genau aus? Wie bist du da vorgegangen?
[Sascha] Ich bin sehr radikal, ehrlich gesagt. Das entspricht so ein bisschen meinem Persönlichkeitstyp. Ich kann einfach von einem Tag auf den anderen damit aufhören und so habe ich es dann auch gemacht.
Also ich habe wirklich alle Social-Media-Profile gelöscht. LinkedIn, Facebook, Instagram, obwohl ich gute Reichweiten und so weiter auch teilweise hatte, weil ich ja auch mit der Zeit einfach in dieser kleinen Mikronische des ortsunabhängigen Arbeitens und so recht bekannt war.
Aber ich habe halt einfach gesagt, okay, ich gehe jetzt und tschüss, das war's. Es gab vorher noch eine dreistündige Podcast-Folge, die ich dazu aufgenommen habe. Ich weiß nicht, vielleicht hast du die sogar gehört, mit meinem guten Freund Robin Stolberg.
Da haben wir auch gesprochen über das Ende der Manipulation, so haben wir es, glaube ich, sogar genannt. Und da habe ich schon meine Gedanken geteilt.
Das war kurz bevor ich alle Social-Media-Kanäle gelöscht habe, weil ich da auch das erste Mal so auf deine Inhalte gestoßen bin und auch auf die Inhalte von vielen anderen Content-Creators, die sich so ein bisschen mit dem Thema Marketing kritischer auseinandergesetzt haben.
Und ich gehörte eigentlich auch immer zu denen, die so dieses amerikanische Marketing ganz toll fanden und gedacht haben, ach Mensch, ich kannte ja vorher nichts vom Marketing und habe dann gelernt von denen und war überrascht, wie gut das funktioniert.
Bin aber selten an den Punkt gekommen, mal zu hinterfragen, was macht das mit mir und was macht das auch mit anderen Menschen und was für psychologische Techniken bediene ich mich da eigentlich?
Und da habe ich für mich gesagt, okay, jetzt muss ich aufhören, sowohl mit dem dunklen Marketing als auch mit dem ganzen Social-Media-Kram, weil es gehörte für mich irgendwie dann zusammen und dann habe ich radikal einfach alles gelöscht und habe gesagt, so, es reicht, ich brauche das sowieso nicht mehr.
Ich war da schon aus allen operativen Angelegenheiten aus den Unternehmungen raus und habe es bis heute nicht bereut. Es ist noch nicht ewig lang her, ich weiß nicht genau, ich habe jetzt nicht mal ein Datum oder so im Kopf. Ich gucke gerade hier oben auf das aktuelle Datum, lass es vielleicht jetzt irgendwie neun Monate her sein. Es ist also noch nicht so lang her.
FOMO vs. JOMO
[Alex] Ich habe viele Fragen. Die erste Frage, hast du nie FOMO gehabt?
Ich habe jetzt auch vor kurzem wieder so eine Umfrage gemacht in meinem Newsletter „Was ist so die größte Herausforderung?“ und ganz, ganz viele Menschen schreiben, sie haben so Angst, irgendwas zu verpassen, Möglichkeiten zu verpassen, Kunden zu verpassen, Aufträge zu verpassen, Trends zu verpassen. Hattest du das auch?
[Sascha] Nein.
[Alex] Warum nicht?
[Sascha] Das liegt auch so ein bisschen an meinem Lifestyle. Ich bin kein FOMO-Typ, sondern ich bin JOMO-Typ. Das heißt, ich habe wirklich Joy of missing out.
Auch bevor ich dieses Wort überhaupt kannte, war es schon immer so. Ich bin auch derjenige, der nicht zur Party kommt oder bei bestimmten Veranstaltungen einfach, nein, ich höre mir nicht den Vortrag an, nein, ich komme da nicht.
Ich habe schon immer gerne irgendwann für mich entdeckt, Nein zu sagen und Ja zu mir selbst. Und ich habe keine Angst, was zu verpassen, weil im Leben ist es immer so, egal, was ich mache, ich werde immer irgendetwas anderes verpassen. Das heißt, it's part of the game. Es gibt keine Möglichkeit, alles mitzumachen. Ich will das auch gar nicht, sondern das Wichtigste ist, was fühlt sich für mich gerade richtig an.
Und wenn ich das habe und so mit mir verbunden bin, dann habe ich nicht die Angst, oh, woanders könnte es jetzt gerade besser sein, sondern da, wo ich jetzt gerade bin, ist es am besten, weil ich mich dafür entschieden habe.
Das ist eher eine Geisteshaltung für mich und deswegen habe ich das eben nicht, dass ich sage, oh, ich habe dieses FOMO-Ding, weil selbst wenn ich mich gegen Social Media entscheide, dann entscheide ich mich ja dafür, zum Beispiel woanders einfach mehr Zeit investieren zu können.
Und ich habe inzwischen auch viel, viel tiefere Bindungen zu anderen Menschen wieder, weil ich telefoniere mehr, ich treffe mich mehr mit den Menschen, wir haben tiefere Verbindungen und nicht, ah, ich habe das Gefühl, ich weiß, was du gerade machst, weil ich habe deine letzten 200 Storys gesehen, sondern ich habe nichts von dir gesehen, also nehme ich das Telefon in die Hand und rufe dich an und dann sprechen wir mal eine Stunde, anderthalb und ich frage dich einfach mal, wie geht es dir?
Und auf einmal merkt man auch, ich habe nur mit ganz wenigen Menschen Austausch, aber sehr intensiv. Und 90 Prozent der Menschen, mit denen ich so einen Pseudo-Austausch auf Social Media hatte, zu denen hatte ich eh keine echte Verbindung. Das war so eine, okay, wir sind hier connected, weil wir folgen uns irgendwie. Aber in Wirklichkeit, wenn ich Geburtstag habe oder im Krankenhaus liege, dann bist du wahrscheinlich auch nicht die Person, die hier ist. Das sind dann andere Menschen. Und deswegen, ich brauche nicht Verbindungen zu tausend, also tausend oberflächliche Verbindungen zu Menschen, Sondern ich hätte gerne fünf bis zehn echte Verbindungen zu Menschen, die mir wirklich am Herzen liegen und denen ich am Herzen liege.
Und das ist mir viel wichtiger. Und deswegen habe ich kein FOMO, sondern das hat mein Leben eher bereichert. Und ich verpasse gerne viel Oberflächlichkeit dafür, dass ich viel Tiefe in mein Leben holen konnte.
[Alex] Wie können wir diesen inneren Buddha aktivieren? Für diejenigen, der diese Persönlichkeit nicht haben.
[Sascha] Hatte ich auch nicht immer. Das war nicht schon immer so. Es kam auch erst später. Ich habe es halt einfach übertrieben. Also bei mir ist wahrscheinlich das Problem, ich war wieder sehr extrem und war mit allen connected und überall und ha ha ha und auf allen Bühnen und toll und habe dabei so ein bisschen verlernt, auf meinen Körper zu hören und auf meine Intuition.
So, weil ich einfach überall dabei sein wollte und dachte, das muss so. Und ich habe dann mal eine Veranstaltung moderiert vor 1000 Leuten. An der stand ich acht, neun Stunden auf der Bühne. Das war die „Digitale Nomaden“-Konferenz 2017.
Das war so ein großes Ziel von mir, die zu moderieren. Und dann war ich der Moderator, neun Stunden auf der Bühne. Das war super anstrengend. Und dann habe ich gemerkt, eine Woche danach bin ich eigentlich nur mit meinem Fahrrad durch den Wald gefahren und wollte mit niemandem mehr reden.
Ich bin in so ein tiefes Loch gefallen, weil ich halt vorher mir so viel Dopamin und alles geholt habe. Und dann ging es halt komplett in die andere Richtung.
Und da habe ich das erste Mal hinterfragt, okay, ist das jetzt eigentlich nur so ein Ego-Ding und dass du es ganz toll findest, dass du die Person bist, die da auf der Bühne rumhüpft und auf die alle schauen und dann ist mir klar geworden, ich bin gar nicht so extrovertiert, wie ich dachte.
Also ich dachte immer, ich ziehe ganz viel Energie daraus, mich mit Menschen zu umgeben, aber ich habe gemerkt, nein, es gibt mir überhaupt keine Energie, sondern ich bin eigentlich sehr gerne mit mir.
Ich habe eine Seite, die funktioniert ganz gut, ich kann eine Rampensau sein, aber das entspricht gar nicht meinem Naturell im Sinne von, das mache ich am liebsten den ganzen Tag wie manche Menschen, die sich super gerne connecten und super gerne irgendwie auf Bühnen stehen, sondern ich habe das gelernt, aber das ist nicht natürlich.
Und das war für mich dann so diese Erkenntnis, okay, dann muss ich das im Digitalen eigentlich genauso handhaben. Und dadurch bin ich dann irgendwann so ein JOMO-Typ geworden, weil ich gemerkt habe, ich liebe es einfach ein langweiliges, unaufgeregtes Leben zu führen.
Und ich liebe es auch Dinge zu verpassen, weil ich am meisten Freude habe ich in der Stille oder mit meiner Family oder wenn wir einfach spazieren gehen, aber nicht, wenn Halligalli ist. Und Social Media ist mehr als Halligalli.
Wie hat dein Umfeld auf den Social-Media-Ausstieg reagiert?
[Alex] Wie hat denn dein privates oder berufliches Umfeld dann reagiert, als du zum Beispiel diese Folge gemacht hast? Du hast gesagt, drei Stunden hast du erzählt, dass du dich von sozialen Medien verabschieden möchtest oder wie du die empfindest und als du dann weg bist, was für Reaktionen kamen da?
[Sascha] Da gab es unterschiedliche Reaktionen. Also im Privaten war es gar nicht so ein großes Thema, weil die meisten Menschen, mit denen ich da Kontakt hatte, da haben wir über Social Media gar nichts gemacht. Das war einfach … ist bis heute so. Wir sind so eng verbunden, dass Social Media keine Rolle spielte.
Im beruflichen Kontext war es interessanterweise so, dass die meisten gesagt haben, oh wow, das würde ich auch gerne.
Es hat niemand gesagt, wie kannst du nur, verstehe ich nicht, habe ich noch nie gehört, sondern ganz im Gegenteil, die meisten haben gesagt, ich würde das auch so gerne, aber, naja, und dann kommen die x Gründe, warum sie es eben nicht können.
Und das mag für manche tatsächlich auch der Fall sein. Ich will das nicht mit einem absprechen. Ich will nicht sagen, jeder kann jetzt Social Media löschen und das hat keine Auswirkungen auf ihr Business. Ich habe mein Business halt so designt oder mein Unternehmerleben, dass es nicht abhängig davon ist, dass ich den ganzen Tag den Marketingonkel spielen muss, sondern dass ich anders mein Geld verdiene.
Wäre es jetzt noch abhängig von mir als Personal Brand gewesen und ich hätte super viel Kunden über Social Media gewonnen, dann würde es mir wahrscheinlich auch schwerer fallen. Aber das war nicht der Fall.
Aber ich habe gespürt, dass es anderen auch so geht. Und es ist ja auch kein Geheimnis mehr, spätestens seit The Social Dilemma, was viele dann auch auf Netflix gesehen haben, wissen eigentlich auch viele gerade in diesem Online-Business-Space, was Phase ist.
Und ich glaube, eigentlich wissen sie es noch mehr, weil sie es auch von dieser Produzentenseite nutzen und auch eben doch wissen, was man im Werbeanzeigenmanager alles so eingeben kann. Und kaum einer fühlt sich richtig gut.
Also gerade diejenigen, meine Freunde, die wirklich große Reichweiten haben, haben mich eigentlich am meisten beneidet. Weil die sind gefangen in so einem Hamsterrad aus, okay, ich habe mir das jetzt hier aufgebaut. Und dann hat man so dieses Sunk-Cost-Fallacy, wo man denkt, okay, wenn ich das schon alles aufgebaut habe, dann kann ich jetzt nicht mehr aufhören. Ich kann das jetzt nicht zerstören. Es ist zu groß geworden. Ich kann das nicht mehr anhalten.
Und ja, mit denen habe ich mich sehr intensiv ausgetauscht. und dann haben wir eigentlich viel auch darüber gesprochen, okay, wie sieht es denn bei dir aus? Ist Social Media wirklich so wichtig für dein Business?
Und dann sind wir mal tiefer reingegangen und bei den meisten kam raus, nee, eigentlich ist es das auch nicht. Die meisten gewinnen eben kaum Kunden über Social Media. Sie haben zwar große Reichweiten, aber der Prozess, dass die Leute sich wirklich dafür entscheiden, nachher Kund*innen zu werden, der passiert oft gar nicht über Social Media, sondern über Long-Form-Content-Kanäle, wo es tiefer geht. Und das ist, glaube ich, für viele eine spannende Erkenntnis gewesen.
Deswegen habe ich auch viele inspiriert, unter anderem auch meinen Kumpel Robin, den ich eben gerade schon erwähnt habe. Der hat dann auch aufgehört mit Social Media. Wir haben fast zeitgleich aufgehört. Der hat auch gesagt, es war eine der besten Entscheidungen in seinem Businessleben.
Marketingstrategien ohne Social Media
[Alex] Du hast selbst ja einen Podcast und einen Newsletter und bist jetzt auch seit neuestem auf YouTube unterwegs. Magst du mal so erzählen, was so die Beweggründe sind, diese Plattform oder diese Strategien zu nutzen für dich?
Also gerade YouTube, könnte man vielleicht auch sagen, ist auch ein Social-Media-Kanal oder siehst du das nicht so? Ist das für dich eher eine Suchmaschine?
[Sascha] Ja, also so eine Mischung aus beiden, wobei primär Suchmaschine. Jetzt ist es so, ich konsumiere YouTube auch nicht so, dass ich jetzt immer die neuesten Videos angezeigt bekomme, also dieser Algorithmus der mir irgendwas vorschlägt, das habe ich schon seit Jahren ausgeschaltet.
Das heißt ich habe dafür irgendwelche Plugins oder Einstellungen gewählt, so dass ich das auch nicht sehe, sondern ich selber ganz bewusst Menschen abonniere oder halt in das Suchfeld eingebe, was ich gerade sehen möchte.
Das heißt, in meiner Wahrnehmung ist das keine, ist da kein Algorithmus mehr, der versucht mir irgendwas vorzuschlagen. Ich weiß aber wohl, dass es bei anderen so ist. Aber ich persönlich habe mich dafür entschieden, weil ich gemerkt habe, ich konsumiere fast nur noch Longform-Content.
Also wenn ich Podcasts höre, dann müssen die gefühlt schon 90 Minuten sein oder drei Stunden ist auch kein Problem. Und dasselbe bei YouTube. Und ich lese auch gerne, deswegen habe ich auch all deine Blogartikel zum Beispiel durchgelesen, weil ich gemerkt habe:
Seit ich mich von Social Media verabschiedet habe, habe ich auch wieder die Aufmerksamkeitsspanne, die Ruhe und die Möglichkeit, so ein Content zu genießen. Und ich ziehe da viel mehr draus und deswegen habe ich gesagt, okay, wenn ich Menschen anziehen möchte, die ähnlich ticken wie ich, dann nutze ich einfach die Kanäle, die ich selber gerne konsumiere.
Und ich liebe Podcasting und ich mag auch YouTube und ich schreibe auch gerne und genau, da versuche ich mich so ein bisschen, das ist ja alles so mein Hobbyprojekt, weil ich muss jetzt kein Geld damit verdienen, auch wenn ich das tue und ich teilweise Produkte habe, aber es ist nicht so, dass dieses Content-Marketing jetzt dem dient, dass ich die Leute irgendwie in den Funnel packe und denen was verkaufen muss und so weiter, sondern ich merke, das ist für mich inzwischen mehr Kunstform und ich entdecke mich da gerade wieder neu, ich tappe auch immer wieder in diese Falle, dass ich dann doch denke, ah, Marketing, was könnte ich da machen und dann kommt immer wieder diese Stimme in mir und die sagt, nein Sascha, du musst jetzt hier nicht wieder versuchen, irgendeinen Funnel zu bauen und dies zu machen, sondern ich will eigentlich echte, authentische Verbindung zu Menschen, weil so haben wir angefangen, 2016.
Wir haben von Anfang an mit unserem Podcast damals …, wir haben kostenlose Meetups veranstaltet, wir haben Reisen, Events, Seminare veranstaltet, wo es immer darum ging, dass wir in einem echten, authentischen Austausch auf Augenhöhe den Leuten begegnen und nicht, ich bin hier der, keine Ahnung, der Mensch, der die Weisheit mit Löffeln gefressen hat und du hörst mir jetzt zu als meine Hörerin oder mein Hörer, sondern lass uns doch mal austauschen, lass uns in den Austausch gehen.
Und ich habe das Gefühl, dass ich das mit diesen Kanälen sehr gut kann. Und das spüre ich auch jetzt wieder. Ich habe eine sehr kleine Reichweite, aber ich habe noch nie so viel Feedback auf meinen Content bekommen wie jetzt. Also ich habe früher wahrscheinlich das, keine Ahnung, hundertfache, wenn nicht sogar noch mehr an Reichweite. Es waren wirklich gigantische Reichweiten. Millionen Podcast-Downloads.
Heute hören ein paar hundert Leute meine Podcasts. Aber der Austausch ist noch viel intensiver geworden. Und da habe ich gemerkt, okay, es kommt nicht auf diese Eitelkeitsmetriken an, ganz im Gegenteil, es kommt darauf an, welche Kanäle passen zu mir, wie kann ich da echte tiefe Beziehungen aufbauen und ich habe auch ein echtes Interesse und glücklicherweise durch die geringe Reichweite auch die Möglichkeit, so stark in den Austausch zu gehen, weil wenn ich 10.000 Mails beantworten müsste, wäre es ein bisschen schwierig, aber ich sage mal so 10 bis 20 die Woche, mit denen kann ich ganz anders umgehen und kann mit diesen Menschen halt auch einfach in einen Dialog gehen und dafür bin ich sehr dankbar. Deswegen liebe ich das Leben als Mikro-Mikro-Mikro-Influencer.
[Alex] Was würdest du denn sagen, wie gelingt dir das denn, dass die Menschen dir zurückschreiben? Also das ist tatsächlich auch eine Frage, die ich häufig gestellt bekomme, dass Menschen sagen, gerade wenn ich Newsletter schreibe, gerade für meinen Podcast, bekomme ich eigentlich kaum Rückmeldung. Das ist bei Social Media anders. Da mache ich eine Story und Leute antworten schneller drauf. Warum klappt das bei dir dann besser?
[Sascha] Also warum es bei mir besser klappt, kann ich natürlich nicht sagen. Ich kann nur sagen, warum mir viele Leute schreiben, ist, weil ich einfach, glaube ich, oder weil Menschen vielleicht spüren, dass das, was ich mache, nicht inszeniert ist, sondern das ist tatsächlich für mich so ein bisschen Form, vielleicht auch so eine Form von Therapie und ich in meinen Newslettern auch manchmal einfach über die Dinge schreibe, die jetzt nicht sexy sind, die nicht in einen Verkauf münden. Ich glaube, das spüren Menschen sowieso.
Die Intention ist nicht, ah ja und komm in mein Programm, ah ja und kaufe das. Das ist alles fair enough. Muss man auch machen, wenn man davon lebt. Aber bei mir ist das eben nicht der Fall.
Plus, ich mache mich dann halt auch nackt und ich habe zum Beispiel in einem der letzten Newsletter geschrieben über eine Krankenhausbehandlung, die ich gerade hatte und über die Angst, die ich dort hatte. Und damit konnten sich sehr viele Menschen dann auch identifizieren. Und das mache ich jetzt aber nicht, weil ich denke, oh, was wäre jetzt eine coole Story, damit mir möglichst viele Leute antworten? Wie kann ich auf die Tränenbrüse drücken? Sondern es war für mich in dem Moment einfach so, dass ich dachte, ich glaube, es würde anderen Menschen helfen, wenn ich zeige, hey, ich habe da auch, ich habe Ängste und auch bei mir läuft nicht alles rund und auch gesundheitlich gibt es durchaus Herausforderungen.
Das war jetzt ein Beispiel oder mein letzter Newsletter, da habe ich einfach gesagt, ich merke, ich habe mich so ein bisschen entfernt von meiner eigentlichen Mission, mich mit Menschen zu verbinden und bin wieder in so oberflächlichen Content gerutscht, das tut mir auch total leid, ich würde mich gerne wieder mehr mit euch verbinden, deswegen überlege ich jetzt so Dinge zu tun, wie zum Beispiel eine Business-Wanderung, das heißt, wir gehen zusammen wandern, wir nehmen nicht unsere Handys mit, wir tauschen uns einfach aus und erleben gemeinsam in der Natur schöne Momente, so wäre das überhaupt interessant für euch, schreibt mir gerne mal zurück.
Und ich habe unfassbar viele Zuschriften und Antworten bekommen. Einfach so, wow, super, weil es eben genau das Gegenteil ist von dem, was da draußen passiert. Das ist nicht, wir machen Halligalli, das große Event und sieben Tage dies und keine Ahnung, große Pitchshow auf der Bühne, sondern lass uns doch mal wieder das machen, wonach wir uns alle sehnen und das ist eigentlich in kleinen Gruppen auf Augenhöhe austauschen, gemeinschaftlich Dinge erleben und auch fernab von unserer Technologie mal, ja, einfach wieder Mensch sein.
Ich glaube, das ist das, Mensch sein. Und deswegen funktioniert es vielleicht bei mir auch, weil ich immer mehr selber versuche, wieder Mensch zu sein, weil ich war sehr gerne auf dieser Technologie-Seite unterwegs, bin ja auch ITler von Hause aus. Und jetzt wieder in die andere Richtung zu gehen, ich glaube, das gefällt vielen Menschen und deswegen schreiben sie auch gerne zurück, weil sie das kaum noch irgendwo kriegen.
Weil durch KI und was weiß ich nicht was, alle möglichen Content Creators es auch lieben, jetzt Content zu automatisieren, zu digitalisieren, irgendwelche Avatare von sich zu produzieren. Und dadurch baut man so eine Wand auf zwischen sich und den Menschen. Und in meinem Mission ist es eigentlich eher, diese Wand wieder wegzunehmen und zu sagen, pass mal auf, lass uns doch mal wieder einfach, lass uns einfach wieder in den Austausch gehen und aufhören, jetzt einfach nur Content-Müll in die Welt zu spülen und unsere Produkte zu verkaufen.
[Alex] Glaubst du, dass sich so deine Herangehensweise auch auf andere übertragen lässt? Also wenn jetzt jemand, wie du sagst, zum Beispiel sein Zeugs verkaufen muss eben im Newsletter und auf seine Angebote hinweisen muss, weil er eben davon lebt. Also inwiefern ist so dein leaner Ansatz, Marketing-Ansatz übertragbar auf andere? Was denkst du?
[Sascha] Ich glaube, der ist absolut übertragbar, denn ich verkaufe ja trotzdem. Das heißt also zum Beispiel, ich habe jetzt einen Kurs, den sieht man glaube ich auch auf meiner Website, da geht es um meine Einkommensquellen. Weil viele mich immer fragen, ja, was hast du denn für Einkommensquellen jetzt neben den Unternehmensbeteiligungen? Und das wurde ich so häufig gefragt, dass ich gesagt habe, ich mache da mal einen Kurs draus. Und den habe ich sehr gut verkauft.
Also für meine kleine Reichweite war ich sehr erstaunt, dass ein großer Prozentsatz meiner E-Mail-Liste diesen Kurs erworben hat. Aber einfach, weil ich die Menschen auch mitgenommen habe auf diese Reise und es nicht nur darum ging, diesen Kurs zu verkaufen, sondern ich sage, okay... Das, was ich hier mache, das begleite ich irgendwie. Und ja, ich habe jetzt auch ein Produkt und das kannst du gerne kaufen, aber ich nutze eben nicht diese bewusst manipulativen Marketing-Taktiken und Techniken und ich weise auch darauf hin, dass ich das nicht tue.
Und das hat, glaube ich, auch vielen, ja, viele haben gesagt, oh, das finde ich gut, dass ich jetzt nicht sage, alles dreht sich jetzt nur noch darum, dass ich die Leute funneln will und sie als Sales, Leads, Conversions bezeichne, sondern sie als Menschen sehe und sie mitgenommen habe in diesem Prozess.
Ich habe gesagt, hey, ihr könnt den auch vorher schon kaufen, den Kurs, dann mache ich einen extra Q&A-Call mit euch, der ist kostenlos, da können wir gemeinsam mal alle Fragen beantworten, dann kann ich den Kurs sogar noch besser machen.
Also ich glaube, es ist dieses, wenn man den Menschen einfach zeigt, hey, hey, du bist mir wichtig als Person. Es geht mir nicht nur darum, schnell einen Euro zu machen, sondern ich verdiene gerne Geld und das ist total legitim und ich bin nun mal Produktersteller oder Dienstleister oder was auch immer, dann ist das überhaupt kein Problem.
Aber du stehst im Mittelpunkt, so. Also die Menschen stehen immer im Mittelpunkt, weil am Ende zahlen die ja auch mein Gehalt und die kaufen meine Produkte. Das heißt, mir muss auch viel daran liegen und nicht, es geht mir darum, ich möchte möglichst viele Produkte kreieren, die hoffentlich irgendeiner kauft. Nein, sondern ich möchte mit vielen Menschen, ich möchte vielen Menschen Mehrwert liefern.
Und dann kriege ich natürlich auch im Gegenzug dafür Geld. Ich glaube, das passiert dann auch als Transaktion. Aber die Transaktion sollte nicht im Vordergrund stehen, sondern für mich steht die Transformation im Vordergrund. Und die entsteht dadurch, dass ich mich dafür interessiere. Wer bist du? Wie kann ich dir helfen? Und auch wenn du nichts bei mir kaufen solltest, dann bist du hier herzlich willkommen. Du bist hier herzlich willkommen. Und das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig. Weil ansonsten ist es so dieses, okay, ich mag dich, solange du hier irgendwo in meinem Shop irgendwelche Dienstleistungen und Produkte kaufst. Aber ansonsten kannst du eigentlich wieder gehen und das möchte ich auf keinen Fall ausstrahlen, weil das entspricht nicht meinem Weltbild.
Unternehmertum vs. Selbstständigkeit
[Alex] Du betonst auch ganz oft, dass du unterscheidest zwischen Unternehmertum und Selbstständigkeit. Du siehst dich ja mehr als Unternehmer. Du hast verschiedene Unternehmen gegründet oder bist eben Teilhaber.
Spielt es für dich eine Rolle, ob man jetzt Unternehmer ist oder selbstständig ist, also vielleicht eine Dienstleistung anbietet, für Leute irgendwas macht, wie textet oder designt, was jetzt soziale Medien angeht?
Also können Selbstständige auch auf soziale Medien verzichten aus deiner Sicht oder wie empfindest du das?
[Sascha] Also genau, ich unterscheide tatsächlich, ich unterscheide sogar noch mal zwischen Unternehmer/Unternehmerin, selbstständig mit Team und selbstständig.
Ja, das ist ja auch so ein bisschen, worum es in meinem vorherigen Projekt ging, weil ich es halt super spannend finde, auch an den Punkt zu kommen, das war jetzt ja meine persönliche Reise, dass ich meine, also dass ich quasi nicht mehr Zeit gegen Geld tauschen muss, das ist jetzt so, ich weiß, klingt sehr abgedroschen, aber ich habe halt Zeit und Einkommen voneinander entkoppelt, weil mir das super wichtig war.
Als meine Tochter zur Welt kam, habe ich gedacht, okay, oder bevor sie zur Welt kam, ich möchte gerne für sie da sein und ich möchte jetzt nicht der typische Selbstständige sein, der sagt, naja, Papi muss jetzt die ganze Zeit arbeiten, ich kann nicht für dich da sein. Weil ich habe gemerkt, das passt für mich irgendwie nicht.
Und deswegen war es für mich immer spannend, wie kann ich mich ein bisschen rausziehen aus all den Dingen und wie kann ich etwas aufbauen, was ohne mich funktioniert, damit ich am Ende doch wieder selbstständig sein kann. Das bin ich heute ja auch, aber ich muss es nicht. Ob ich jetzt selbstständig bin oder nicht, mein Geld kommt durch recht passive Einnahmequellen rein, in Anführungszeichen.
Und um deine Frage zu beantworten, macht das einen Unterschied? Nein, ich glaube tatsächlich macht das keinen Unterschied, weil egal ob selbstständig, ob Freelancer, Unternehmer, selbstständig mit Team, was auch immer, wir haben die Möglichkeit, unsere Marketingkanäle so zu wählen, wie sie zu uns, unseren Werten und ja, wie sie zu uns passen.
Und da spielt Social Media keine große Rolle, also es spielt eine große Rolle, weil man denkt, alle nutzen es, aber sind wir ganz ehrlich, bis vor ein paar Jahren gab es keine sozialen Medien. Das heißt, Marketing hat schon immer anders funktioniert und es wird auch heute noch funktionieren.
Social Media ist ja nur eine Plattform, um Marketing zu betreiben. Und es gibt tausende andere Plattformen. Und gerade, wenn man so ein bisschen out of the box denkt und Social Media nicht mehr nutzt, gibt es da wundervolle Dinge. Und ich glaube nicht, dass man da unterscheiden muss, sondern ich glaube, für jeden ist es möglich, ohne Social Media trotzdem sehr, sehr gute und schöne Marketingkanäle zu nutzen. Also, ja, ich unterscheide da nicht. Kann jeder, glaube ich. Ich glaube, es ist nicht notwendig.
[Alex] Das fand ich jetzt gerade eine superschöne Zusammenfassung und deshalb nochmal vielleicht die allerletzte Frage. Wenn jetzt jemand zuhört, der oder die überlegt, soziale Medien vielleicht nicht mehr zu nutzen, was würdest du dieser Person raten? Wo kann sie beginnen mit ihren Überlegungen?
[Sascha] Gute Frage. Wo kann sie beginnen? Also zuallererst, ich glaube, die Intention sollte klar sein, warum möchte ich Social Media nicht mehr nutzen? Also sich klar werden, warum möchte ich damit überhaupt aufhören?
Weil auch das, man muss uns jetzt ja nicht einfach Glauben schenken und das ist vielleicht auch nicht der heilige Gral für jeden, sondern man muss erstmal überlegen, okay, was fühlt sich da für mich nicht gut an? Warum fühlt sich das nicht gut an?
Weil sonst tappe ich im schlimmsten Fall wieder in die nächste Falle und nutze dann einen anderen Marketingkanal, der für mich auch nicht passt.
Und deswegen, glaube ich, ist es wichtig zu wissen, warum möchte ich aufhören.
Dann natürlich zu überlegen, okay, wie könnte eine Alternativreise meiner Kunden aussehen? Also wenn sie nicht über Social Media auf mich aufmerksam werden, wie werden sie dann auf mich aufmerksam? Welche Kanäle mag ich denn? Oder wie werde ich auf Produkte, Dienstleistungen oder vielleicht auch auf Personenmarken aufmerksam außerhalb von sozialen Medien?
Um mal überhaupt wieder eine Idee zu haben, wie funktioniert das eigentlich? Ja, was gibt es denn da eigentlich noch? Also sich klar zu werden, welche alternative Customer Journey gibt es dann?
Und dann vielleicht für diejenigen, die auch ein bisschen mehr Sicherheitsbedürfnis haben, zu überlegen, kann ich das erstmal parallel vielleicht aufbauen? Ein zweites Standbein, also ein zweites Marketing parallel zu erschließen, um nicht gleich sofort einen radikalen Cut zu machen, aber das ist abhängig vom Persönlichkeitstyp.
Für mich fühlt es sich immer gut an, einen radikalen Cut zu machen, aber wenn man jetzt, ich sag mal, vielleicht auch nicht die finanzielle Reichweite gerade hat, um die nächsten Monate einfach mal zu sagen, ich könnte es auch akzeptieren, dass vielleicht zwei, drei Monate oder länger nichts reinkommt, dann sollte man sich Gedanken machen darüber, wie kann ich das langsam runterfahren und einen anderen Kanal parallel hochfahren und dann würde ich da reingehen.
Aber das wären so jetzt vielleicht erstmal meine Schritte. Also Intention, dann zu überlegen, okay, wie machen es andere? Kann ich da was modellieren? Wie ist meine eigene Customer Journey, wenn ich irgendwo Kunde, Kundin werde? Und dann, genau, ganz langsam vielleicht den Übergang zu machen. Das wären jetzt so meine drei Schritte, die ich mir mal aus dem Ärmel geschüttelt habe.
[Alex] Ja, vielen, vielen Dank, Sascha, auch für das Interview und für deine Erfahrung, dass du die mit uns geteilt hast. Danke, dass du da warst.
[Sascha] Ich danke dir.
Shownotes
Saschas Podcast (Link zu Spotify)
„Muss ich wirklich jede Woche bloggen?“
In dieser Folge möchte ich eine Frage beantworten, die ich vor einiger Zeit per E-Mail habe. Es geht darum, ob Selbstständige unbedingt wöchentlich bloggen oder Newsletter verschicken sollten oder ob es auch seltener geht.
Folge anhören
Transkript lesen
In dieser Folge möchte ich eine Frage beantworten, die ich vor einiger Zeit per E-Mail bekommen habe.
Ich lese sie einmal vor:
„Hallo Alex, es gibt immer wieder Tipps, wie oft man bloggen sollte und wie oft ein Newsletter erscheinen sollte. Da ich für die meisten meiner Artikel nähen, fotografieren und Bilder bearbeiten muss, ist „alle zwei Wochen ein Artikel“ eine realistische Zahl.
Wenn ich öfter veröffentlichen würde, würde zwangsläufig die Qualität meiner Artikel darunter leiden.
Gerade beim Thema Newsletter lese ich aber immer wieder, wie wichtig es ist, diesen einmal pro Woche zu schreiben. Ich habe mich dazu bisher nicht committen wollen, weil ich nicht weiß, was ich da rein schreiben könnte, wenn nicht gerade ein neuer Artikel erschienen ist. Ab und zu geht das zwar, aber ja nicht jedes zweite Mal.
Meine Frage an dich ist jetzt, wie du das an meiner Stelle handhaben würdest. Siehst du ein Problem darin, wenn ein Newsletter nicht jede Woche erscheint, sondern auch mal eine Woche Pause dazwischen ist?“
Ja, das ist eine gute Frage und ich muss grundsätzlich erst einmal sagen:
Ich habe ein etwas ambivalentes Verhältnis zu solchen Regeln und Empfehlungen.
Auf der einen Seite weiß ich, dass gerade Einsteiger*innen aktiv nach solchen Richtlinien und Empfehlungen suchen.
Sie wollen am liebsten eine konkrete Zahl haben. Denn eine feste Struktur, ein klarer Rahmen, in dem Marketing betrieben werden kann, ist für viele zu Beginn extrem hilfreich.
Und in diesem Kontext haben solche Richtlinien wie „Jede Woche einen neuen Newsletter“ aus meiner Sicht auch durchaus ihre Berechtigung.
Und dann ist wöchentliches Bloggen oder wöchentliches Newsletterschreiben oder Podcasten oder was auch immer eine gute Sache, finde ich.
Auf der anderen Seite merke ich aber, dass sich andere Einsteiger*innen von diesen Zahlen enorm stressen lassen.
Sie denken: „Einmal die Woche einen Blogartikel zu veröffentlichen? Das schaffe ich doch nie!“ Oder „Einmal die Woche einen Newsletter schreiben? Das ist völlig unrealistisch!“
Und statt dann halt 1x alle zwei Wochen zu bloggen oder 1x im Monat oder was auch immer, machen sie gar nichts.
Nicht, weil sie nichts zu sagen hätten, sondern aus Angst, diesen Empfehlungen nicht zu genügen, und weil sie dann denken: „Naja, dann hat das dann ja auch keinen Sinn, das überhaupt erst zu starten.“
Und das tut mir dann immer ganz furchtbar leid und es ist auch überhaupt nicht nötig.
Und zwar aus folgenden fünf Gründen:
#1 Man sollte Äpfel nicht mit Birnen vergleichen
Was meine ich damit?
Meine Beobachtung ist, dass solche Empfehlungen, Richtlinien, Zahlen wie „einmal die Wochen irgendwas machen“ sehr häufig von Unternehmer*innen kommen, die schon fortgeschrittener sind und ein großes Team um sich haben.
Und dann ist es doch klar:
Wenn ich jemanden habe, der meine Artikel einpflegt und sich mit WordPress rumärgert, Social-Media-Posts erstellt und sogar noch die passenden Newslettertexte textet, ist es natürlich viel leichter, wöchentlich oder sogar noch öfter Inhalte zu erstellen oder Newsletter zu verschicken.
Als Einzelunternehmer*in
ohne Team
mit Kind(ern)
mit Eltern, die man pflegt, oder
einem Brotjob, dem man noch nachgeht, um sich die Selbstständigkeit zu Beginn zu finanzieren
ist das aber um einiges schwieriger.
(Um nicht zu sagen: Oft nur dann möglich, wenn man so viel arbeitet, dass man gefährlich nahe am Burnout ist.)
Deshalb wäre ich bei solchen Empfehlungen wie „Einmal die Wochen einen Newsletter zu schreiben“ zuerst einmal kritisch und würde mich fragen:
Wer rät mir das eigentlich?
Ist diese Person privilegierter als ich?
Ist diese Person weiter als ich?
Ist sie routinierter als ich?
Hat sie ein Team? Hat sie Menschen, die sie unterstützen?
Und wenn ich feststelle, dass dem so ist, dann wäre ich ehrlich gesagt, eher vorsichtig damit, diese Richtlinie 1:1 auf mich zu übertragen, wenn das alles nicht auf mich zutrifft.
Es gibt ja diesen Spruch „Vergleiche deinen Anfang nicht mit dem Fortschritt eines anderen.“
Und das ist ein sehr weiser Ratschlag, finde ich. Auch was das Bloggen und Newsletterschreiben angeht.
#2 Eine Garantie gibt es nicht
Nur weil du jede Woche einen Newsletter verschickst oder einen Blogartikel veröffentlichst oder eine Podcastfolge oder was auch immer, heißt es nicht, dass du finanziell erfolgreicher dadurch sein wirst.
Meine Beobachtung ist hier, dass Korrelation und Kausalität oft miteinander vermischt werden.
Zum Beispiel:
Je mehr Eis in den Eisdielen verkauft wird, desto mehr Sonnenbrände gibt es. Das heißt aber nicht, dass Sonnenbrände auftreten, weil Eis verkauft wird, sondern weil es draußen HEISS ist und die Sonne scheint.☀️
So ähnlich ist es aus meiner Sicht auch mit der Häufigkeit der Blogartikel oder Newsletter.
Wer denkt „Wenn ich erst einmal einen wöchentlichen Newsletter schreibe, werde ich schnell(er) erfolgreich.“, wird erfahrungsgemäß oft enttäuscht.
Denn nicht die konkrete Zahl ist ausschlaggebend, sondern ob wir es schaffen, mit unseren Marketingtexten Menschen auf ihrer Customer Journey, bei ihrer Kaufentscheidung zu begleiten.
Ob wir es schaffen,
uns persönlich zu zeigen
Vertrauen aufzubauen und
Kaufhürden abzubauen
und vieles, vieles mehr
Das kann in einem wöchentlichen Blogartikel oder Newsletter gelingen, muss es aber nicht zwingend.
Was aus meiner Sicht eher stimmt, ist:
Je mehr wir üben, desto routinierter werden wir und desto schneller werden wir feststellen, was (für uns) gut funktioniert und was nicht.
Aus dieser Perspektive ist das wöchentliche Newsletterschreiben oder Bloggen oder Podcasten also durchaus sinnvoll – um zu üben.
Aber es heißt nicht, dass Selbstständige, die „nur“ alle zwei Wochen bloggen oder einen Newsletter schreiben, zum Für-immer-unerfolgreich-Sein verdammt sind.
Es kann einfach ein bisschen länger dauern.
#3 Qualität kommt für mich immer vor Quantität
In der E-Mail, die ich dir zu Beginn vorgelesen habe, konnten wir ja ganz deutlich erkennen, dass es der Person um Qualität der Inhalte ging.
Dass gerade wenn ein aufwendiger Prozess dahinter steht – also zum Beispiel aus nähen, fotografieren, Bilder bearbeiten usw . –, Contenterstellung nun einmal dauert.
Und was soll daran schlecht sein? Aus meiner Sicht ist gar nichts daran schlecht.
Denn Blogartikeln und Newslettern, die mit viel Wissen und Liebe erstellt wurden, merkt man genau das an: Kompetenz, Kreativität, Herzblut, Erfahrung.
Es heißt jetzt nicht, dass jeder Blogartikel oder jeder Newsletter oder jede Podcastfolge unbedingt ein kleines Meisterwerk sein muss – überhaupt nicht.
Es heißt einfach nur: Warum sollte man sich dazu zwingen, semi-gute Inhalte zu veröffentlichen, nur um bestimmten Zahlen und Ansprüchen von Menschen, die uns sowieso nicht kennen, zu genügen?
Ich persönlich sehe da keinen Sinn drin.
#4 Zeit ist dein bester Freund
Es ist in der Onlinebusiness-Welt ein oft totgeschwiegener Punkt, aber:
Zeit ist aus meiner Sicht einer der wichtigsten Faktoren (neben der Qualität) für unternehmerischen Erfolg.
Wenn du alle zwei Wochen tolle Texte schreibst oder Podcastfolgen veröffentlichst oder Newslettertexte verschickst und das eben zwei, drei, vier, fünf Jahre lang durchhältst, summiert sich das ganz schön.
Das ist Kontinuität, die überzeugt und die sich auszahlen wird.
Und schließlich Grund #5: Marketing ohne Social Media darf Marketing nach deinen Regeln sein
Wenn ich immer sage, dass jeder Mensch doch einfach selbst entscheiden sollte, wie Marketing aussehen soll, gilt das natürlich nicht nur für „Social Media – ja oder nein?“, sondern auch für den Blog und den Newsletter und die Website.
Du bist der Boss.
Du darfst entscheiden.
Du darfst deine eigenen Regeln machen.
Denn du weißt ja schließlich am besten, welche Zahlen, welche Quantität für dich überhaupt realistisch ist.
Bei sich zu bleiben, realistisch einzuschätzen, wie viel man leisten kann, schlägt Ratschläge von Expert*innen.
Immer. Und um Längen.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Falls du grobe Richtlinien, eine Faustregel, Struktur für dein Blog-, Podcast- und Newslettermarketing brauchst, orientiere dich gerne daran und nutze es als Werkzeug und veröffentliche deinen Blogartikel und deinen Newsletter oder deinen Podcast eben wöchentlich oder vielleicht sogar noch öfter, weil du es dir zutraust und falls du die Zeit dafür hast.
Falls dir diese Richtlinie nicht hilft, falls sie dir nicht dienlich ist, falls sie dich stresst, dann ignoriere diese Zahlen.
Du darfst das. Du musst dich nicht von Ratschlägen von Marketingberater*innen kirre machen lassen. Die haben vielleicht sowieso ein Team hinter sich und sie haben Unterstützung bei ihrem Contentmarketing. Sie können einfach ganz andere Häufigkeiten an den Tag legen als jemand, der oder die alleine ist und alleine Marketing macht.
Du kannst guten Gewissens dein Tempo gehen. Egal, wie schnell oder langsam du voran kommst.
Und wenn du es schaffst, einmal in zwei Wochen einen Blogartikel zu veröffentlichen, eine Podcastfolge zu veröffentlichen oder einen Newsletter zu verschicken, dann ist das eine großartige Leistung. Punkt.
Shownotes
Alles doof außer LinkedIn? Interview mit Positionierungsberater Sascha Theobald
In dieser Podcastfolge habe ich Sascha Theobald zu Gast. Sascha berät andere Selbstständige bei ihrer Positionierung und hat als Berater Social Media den Rücken gekehrt, ist dann aber nach einiger Zeit zu LinkedIn zurück. Warum? Das wird er uns im Interview erzählen.
In dieser Podcastfolge habe ich Sascha Theobald zu Gast. Sascha berät andere Selbstständige bei ihrer Positionierung und hat als Berater Social Media den Rücken gekehrt, ist dann aber nach einiger Zeit zu LinkedIn zurück.
Warum? Das wird er uns im Interview erzählen. Und wir werden natürlich darüber sprechen, wie sein Marketing (fast) ohne Social Media genau aussieht und warum er Positionierung für Selbstständige für so wichtig hält.
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Wie kam es zum Social-Media-Ausstieg?
[Alex] Ja, hallo Sascha, du bist seit fast zwei Jahrzehnten inzwischen selbstständig, habe ich auf deiner Website gelesen, hast du gerade noch im Vorgespräch gesagt, und du hast dich jetzt vor rund zwei Jahren von den meisten deiner Social-Media-Kanäle verabschiedet. Wie kam es dazu?
[Sascha] Das war tatsächlich ein Prozess, der sich länger angebahnt hatte. Das war also keine Übersprungshandlung von einem Tag auf den anderen. Ich war sehr lange in den Social Media aktiv, vor allen Dingen Twitter war mein Lieblingsnetzwerk, habe da auch viel gemacht, habe da auch Kunden drüber gewonnen.
Und irgendwann merkte ich, dass mich eher diese ganzen Inputs, die man da so gegen den Kopf geknallt kriegt, belasten, dass das zunehmend anstrengender wurde.
Wo früher für mich viel auch so persönlicher Austausch, also mit vielen tollen Menschen, die ich da kennengelernt habe, stattfand, war da immer mehr Belangloses. Also es ging ganz viel um Meinung. Jeder hatte irgendwie das Bedürfnis, alles kommentieren zu müssen.
Es gab sehr viel, naja, zunehmend Hass und Hetze. Wo gerade dann auch, also mal davon abgesehen, dass ich mir das nicht den ganzen Tag antun möchte, aber natürlich auch die ethischen Gedanken, das heißt gerade bei heute X und Facebook hat man so ein bisschen den Eindruck gehabt, das läuft völlig unkontrolliert aus dem Ruder. Da finden Dinge statt, die ich überhaupt nicht gut fand und nicht unterstützen möchte.
Aber halt auch einfach die Tatsache, dass Postings immer lauter, immer, ich nenne es immer pseudo-emotionaler wurden. Also das ist ja keine Emotionalität, die echt ist, sondern um was zu provozieren. Und es wurde immer provozierender gepostet, um Interaktionen zu provozieren und damit halt natürlich die Sichtbarkeit zu steigern.
Und ich habe für mich irgendwann überlegt, also da bin ich ein relativ nüchterner Mensch und habe einfach abgewogen: Wo sind die Vorteile? Wie dringend brauche ich das wirklich für mein Business und was kostet es mich?
Viele sagen oder so der Tenor ist, Social Media ist kostenlos. Wir Selbstständige können da kostenlos Werbung machen, können kostenlos mit Millionen von Menschen in Kontakt kommen, aber es ist nicht kostenlos.
Weil wenn wir mal das Geld beiseite lassen, es kostet sehr viel Zeit, sehr viel Energie und für mich war es halt, wo ich früher wirklich regelmäßig Kunden gewonnen hatte, einfach weniger geworden und stand nicht mehr in Relation zu dessen, was es mich an Energie gekostet hat. Und dann habe ich tatsächlich auch an die Konsequenzen überlegt.
Kann ich das als Business, als Kundengewinnungstool tatsächlich verschmerzen, das komplett abzuschalten? Brauche ich das für meinen Job? Sieht das komisch aus, wenn ich als Kommunikationsmensch das jetzt irgendwie abschalte? Muss ich nicht eigentlich wissen, was da stattfindet, um meine Kunden noch ordentlich zu beraten?
Aber mir wurde halt bewusst, ich bin kein Social-Media-Berater, ich bin kein Online-Marketing-Berater, ich bin Positionierungsberater. Ich kenne die Mechanismen der Social Media, ich sehe sie ja weiterhin, aber ich bin an diesem großen Zirkus einfach nicht mehr beteiligt. Und das konnte ich guten Gewissens entscheiden und für mich hat das auch sehr gut funktioniert.
Wie bist du beim Social-Media-Ausstieg vorgegangen?
[Alex] Und wie bist du dann konkret vorgegangen, als du dich entschieden hast, die zu verlassen? Also hattest du zum Beispiel einen letzten Post, wo du dich verabschiedet hast oder wie bist du da vorgegangen?
[Sascha] Also ich habe meinen kompletten Gedankengang in einem Blogbeitrag tatsächlich aufgeschrieben.
Zum einen, um zu zeigen, was so an Gedanken dahinter steckte, aber halt auch um …, mir war wichtig, andere Selbstständige dazu anzuregen, sich diese nüchternen Gedanken auch mal zu machen und nicht blind diesem „Ihr müsst alle auf Social Media sein“ zu folgen.
Habe da auch die Vorteile und Nachteile abgewägt und habe da auch erklärt, wie mein weiterer Weg sein wird. Also zu welchem Datum schalte ich ab, dass ich wirklich alles komplett abschalte.
Ich habe darauf hingewiesen, worauf ich mich dann in meinem Marketing fokussieren werde, wie man mir weiter folgen kann und bin damit dann auch in alle Netzwerke, in denen ich noch aktiv war, reingegangen und habe da Posts abgesetzt, habe angekündigt – ich glaube, das war irgendwie 6. April oder so bin ich weg, konsequent hier. Und habe den Beitrag verlinkt, habe dann noch mehrmals das wiederholt, damit es wirklich möglichst viele mitbekommen.
Und habe immer wieder auch darauf verwiesen, dass es meinen Letter gibt. Also wer tatsächlich …, weil viele haben geschrieben „Ach wie schade, ich habe immer deine Posts gern gelesen oder mich mal mit dir ausgetauscht“. Und um denen halt quasi nicht so völlig vom Schirm zu fallen, habe ich immer wieder hingewiesen, dass es halt meinen Letter gibt.
Und als der Tag dann tatsächlich da war, habe ich so einen letzten Bin-Weg-Gruß quasi gepostet und habe ein paar Stunden später abgeschaltet und habe in die Profile jeweils reingeschrieben, ist nicht mehr aktiv und bitte hier Website und Letter.
Soweit das ging, habe ich die Profile deaktiviert und nicht komplett gelöscht, weil ich nicht wollte, dass jemand dann meinen Account oder meinen Account-Namen kapert und darunter irgendein Schindluder macht, was anderen teilweise passiert ist.
Bei einigen sozialen Netzwerken kann man tatsächlich das so deaktivieren, dass es nicht mehr findbar ist und man unsichtbar ist. Und bei anderen ist es halt so, da ist das Profil noch da, dann kann man das auf privat stellen, dass quasi Leute, die nicht im Netzwerk sind, auch die Posts nicht mehr sehen. Man kann aber in dieser Biografiebeschreibung irgendwie noch einen Hinweis geben und das habe ich halt komplett gemacht.
Wie haben Menschen auf deinen Social-Media-Ausstieg reagiert?
[Alex] Und wie haben dann die Menschen auf deine Abschiedspost reagiert? Was haben die kommentiert?
[Sascha] Also so die engen Kontakte, die Follower, waren also auf der einen Seite traurig tatsächlich und haben gesagt „Wie schade, hier geht wieder noch ein Guter“. Also im Gegensatz zu denen, die so laut und meinungs- und hassmäßig da unterwegs sind.
Aber was tatsächlich sehr, sehr interessant war, ist, dass 99,9 Prozent der Menschen, und da ist es auch tatsächlich egal, ob das Kollegen aus dem Marketing waren oder ob das Menschen in ganz anderen Berufen waren, die haben meine Argumente verstanden, teilten die ganz oft. Also sie sagten auch „Ja, ich finde das auch anstrengend und das mit dem Hass“ oder mit dem ganzen Social Selling ist halt auch sowas, was völlig absurde Wege in der Zwischenzeit genommen hat und die Leute finden es tatsächlich auch blöd.
Sind aber dann tatsächlich nicht wirklich oder noch nicht bereit, diesen Schritt zu gehen, weil die Selbstständigen zum Beispiel sagen „Ja, aber kann ich denn ohne überhaupt noch Kunden gewinnen? Man muss doch heute auf Social Media sein.“
Und der Tenor war tatsächlich, das ist so ein Übel, das ich in Kauf nehmen muss, beziehungsweise eingehen muss, um als Selbstständiger sichtbar zu sein und Kunden gewinnen zu können.
Und dieser Tenor, der da von vielen Coaches und Gurus umhergetrieben wird, was Social Media alles für ein Wunderwerk für Selbstständige und Business an sich ist, ist bei den Menschen so fest im Kopf drin, dass sie halt auch gar nicht für sich selber nüchtern abwägen, ob es sich für sich noch lohnt. Und gar nicht über den Tellerrand drüber gucken, ob es tatsächlich andere Maßnahmen gibt, die für sie passender sind und, also das weiß ich ja aus eigener Erfahrung, einfach mehr Wirkung bringen.
Und das war halt so dieses Unverständnis, nicht Unverständnis, aber so dieses „Schade, dass du weg bist“ und aber dieses Verständnis für die Argumente, es gab tatsächlich ganz, ganz wenige … Ich erinnere mich gerade an eine Kollegin, die tatsächlich darüber einen Blogbeitrag geschrieben hat und wiederum meinen Gedankengang zerpflückt hat in der Art und Weise, dass sie sagte, ob das die richtige Entscheidung ist, ob das der richtige Weg ist. Sie wird das anders sehen und glaubt, dass, was ja auch stimmt, man kann Stellhebel in seinen eigenen Netzwerken selbst beeinflussen. Also das heißt, man kann gucken, wer im eigenen Netzwerk reinkommt, wen man mutet oder blockiert. Und hat sich da sachlich mit auseinandergesetzt und kam für sich und sie war halt auch oder ist beratend unterwegs, als Beratende da auch zu einem anderen Schluss. Aber 99 Prozent war wirklich positiv und verständnisvoll.
[Alex] Und jetzt bei deinen Kund*innen auch. Also wenn ich mir jetzt überlege, du bist jetzt zwei Jahre nicht mehr auf Social Media, richtig? Hast du in der Zwischenzeit mal irgendwie Anfragen gehabt und als dann klar wurde, du bist nicht mehr auf Social Media, war das dann „Nee danke, dann lieber nicht?“ Oder hast du solche Situationen noch nie erlebt?
[Sascha] Überhaupt nicht. Das Ding ist und das Interessante und das hat mich auch bestärkt, die Art von Menschen, die mit mir arbeiten, sind in der Regel auch eher die ruhigeren, eher die tiefgründigeren. Und ich arbeite eigentlich nicht mit Rampensäulen. Das ist nicht, dass ich sage, ich will nicht mit euch arbeiten, aber das sind halt nicht meine Wunschkunden. Und das, glaube ich, merkt man auf meiner Website und in meinen Posts. Und diese Menschen fühlen sich dann auch nicht angesprochen.
Die Menschen, mit denen ich arbeite, und das war auch schon eine ganze Weile vor meinem Ausstieg so, eine Standardfrage ist, oh, muss ich denn Social Media machen? Ich habe da überhaupt keinen Bock drauf. Und ich glaube, ich bin da einer der wenigen, der direkt sagt: Nee, muss nicht. Kann, kann funktionieren. Wir werden auf jeden Fall darüber sprechen, ob irgendwas davon sinnvoll ist. Aber von mir werden sie nicht hören, dass das muss, dass das Pflicht ist, um überhaupt erfolgreich ein Business führen zu können.
Warum bist du nach einer Zeit zu LinkedIn zurück?
[Alex] Nun hast du ja nicht alle Kanäle, oder du hattest zuerst alle Kanäle gelöscht, aber dann bist du zu LinkedIn zurück. Ist LinkedIn für dich anders als die Meta-Kanäle Instagram und Facebook oder was hat es damit auf sich?
[Sascha] Ja, also erst habe ich alle komplett abgestellt und ich habe einfach gemerkt, wenn ich Menschen treffe, also das heißt, wenn ich, ob das jetzt online oder im realen Leben, Kontakte knüpfe, fehlt mir etwas, um tatsächlich unkompliziert Kontakt zu halten.
Also dass ich diese Menschen auf dem Schirm behalte, dass man sich auch mal unkompliziert austauschen kann, dass man merkt, was bei denen Neues ist etc. Und das hat mir gefehlt.
Das habe ich eine Zeit lang beobachtet, ob ich da gut mit klarkomme oder nicht. Und es war tatsächlich so, dass ich dachte, nee, du schaffst es einfach nicht, auf anderem Wege wirklich das unkompliziert zu halten, in Kontakt zu bleiben.
Das ist ja dann auch immer eine Frage der Menge und der Intensität, so seinen engsten Kreis in Kontakt zu bleiben geht. Aber so Menschen, die man jetzt bei einer Online-Konferenz kennengelernt hat oder so, da ist das schon deutlich schwieriger.
Und ich bin dann tatsächlich hingegangen und habe gesagt: Okay, LinkedIn ist das Netzwerk, was für mich am besten passt und was für diese Aufgabe am besten passt. Also wirklich Kontakte pflegen und wo tatsächlich auch diese Menschen, mit denen ich da Kontakte knüpfen möchte, eigentlich auch alle sind. Das trifft ja auf andere Kanäle einfach nicht mehr zu.
Und bin dann testweise wieder reingegangen und habe im Vorfeld mir Dinge überlegt, die ich anders machen möchte.
Also das heißt selektiver damit umgehen, wem ich folge, mein Stream tatsächlich, ich nenne es mal, sauber zu halten und Menschen, die mich nerven, die so ein plattes Social Selling machen, die irgendwie diese Direktnachrichten schicken mit „Hey, lass uns mal Kooperation oder du brauchst doch bestimmt das und das“ … da einfach konsequenter zu sein und die Sache für mich machbarer und nicht so belastend zu machen.
Und das funktioniert an sich gut. Das ist immer noch in so einer Beobachtungsphase, definitiv. Aber ich merke halt auch, dass wenn ich in diesem neuen Modus für mich, ich nenne es mal gesünder, damit umgehe, dass ich zum einen eine gute Wirkung, also das ist jetzt seit dem Wiedereinstieg noch nicht riesig groß geworden oder so, aber schon so mit Kontakten wieder merke, dass sich da was belebt.
Und ich komme gut damit zurecht und kann das gut in meinen Alltag integrieren, weil ich in der Zwischenzeit halt auch nicht mehr jeden Tag dreimal dann irgendwie nachgucke, was ist, sondern das wirklich komprimierter mache und da feste Blöcke für eingeplant habe und das funktioniert für mich sehr gut.
Und LinkedIn ist da einfach auch ein ruhigeres Netzwerk, wo dieses Hass, Hetze, Meinung auch da ist, aber einfach weniger und es ein bisschen ruhiger zugeht und der Business-Fokus für mich ganz wichtig ist.
Da ist wirklich dieses ganze Butterbrot-Posten, ich war heute am Strand, was weiß ich was, Kaffee hier getrunken, was auch immer, ist da weniger. Dafür ist dieses Social Selling da einfach präsenter, aber vieles, was genervt hat, gerade so auf Twitter etc., ist da deutlich weniger.
Wie sieht dein Marketing ohne Social Media aus?
[Alex] Du hast ja jetzt schon am Anfang gesagt, dass du soziale Medien auch gar nicht wirklich gebraucht hast, jetzt bis auf LinkedIn. Was machst du denn stattdessen? Also kannst du das mal entlang der Customer Journey durchspielen? Wie wirst du online gefunden? Wie baust du Vertrauen auf? Wie verkaufst du ohne Social Media?
[Sascha] Ja, also mein Fokus in meinem eigenen Marketing ist tatsächlich meine eigene Website.
Mit … früher hätte ich Blog gesagt, heute sage ich Content Hub. Also ich veröffentliche Beiträge, kümmere mich da um SEO. Also das heißt, für mich ist tatsächlich ein wichtiger Punkt, wie ich gefunden und dann auch gebucht werde, dass die Menschen nach was googeln, mich dann finden und das, was ich da schreibe, für sich ansprechend finden.
Ich versende einen Letter, einen Newsletter, der dann eher natürlich zur Bindung und zur Pflege ist. Ich, was ich auch gestärkt habe, seitdem ich aus den Social Media raus bin, ich gebe Interviews, ich veröffentliche Gastbeiträge, um quasi in Kanäle zu kommen, die meine Wunschkunden konsumieren. Da halt tatsächlich auch einfach mit Themen, die für mich relevant sind und für die Zielgruppe dann in diesem Medium einfach Sinn machen.
Oder wie zum Beispiel in Büchern, wie zum Beispiel in deinem neuen Buch, dann mit einem Interview dabei zu sein und einfach über seine eigene Arbeit, seine eigenen Ansätze zu sprechen.
Und natürlich sind Empfehlungen einfach auch ein wichtiger Punkt, eine ordentliche Arbeit abzuliefern, ordentlich mit den Kunden zu arbeiten und wirklich Gutes zu schaffen, sodass die dann tatsächlich aus eigener Intention, also ich bin keiner, der sagt, bitte empfehle mich weiter und das pusht. Sondern die Menschen, die mit mir gearbeitet haben und sagen, das hat mir geholfen, das hat mir wirklich ermöglicht, dies, das und jenes zu schaffen, dass die darüber erzählen. Das ist natürlich die ehrlichste und direkteste Art und Weise von meiner Arbeit aus einer anderen Perspektive. Also nicht ich erzähle, was ich mache, sondern die Menschen, die mit mir gearbeitet haben, erzählen, wie sie das empfunden haben und was da tatsächlich sich verändert hat, was ja einfach ganz wichtig ist.
Das Vertrauen schaffen ist für mich tatsächlich über meine Inhalte.
Ich habe für mich den Anspruch, mit meinen Inhalten Einblicke zu geben. Ich nenne es immer die virtuelle Bürotür öffnen.
Also ich bin nicht Wikipedia. Ich muss nicht einfach nur Fachbegriffe erklären und irgendwie drei Tipps dazu um die Ohren hauen, sondern ich versuche tatsächlich einen Einblick zu geben, wie ich arbeite, wie ich Themen sehe. Meine Überzeugungen sind ganz wichtig.
Ich möchte nicht den Standard da irgendwie runterspulen, sondern ich möchte auch zeigen, wie jetzt zum Beispiel mit dem Ausstieg aus Social Media, dass ich da eine andere Haltung zu habe, als die meisten anderen in unserem Marketing-Kommunikationsfeld.
Und das ist wichtig für das Vertrauen, weil die Menschen, das bekomme ich immer wieder als Feedback, tatsächlich sagen, das hat mich sehr angesprochen, ich habe mich darin wiedergefunden.
Das heißt, ich gehe sehr konkret auch in die Situation meiner Wunschkunden und gebe denen das Gefühl, dass ich die Situation, das Problem, den Wunsch verstehe und gehe dann den Weg oder den gedanklichen Ansatz durch, den ich da für richtig und wichtig halte. Und das ist tatsächlich für das Vertrauen unbezahlbar.
Also Menschen, die bei mir auf der Website so ein paar Beiträge gelesen haben, die rufen bei mir an und sagen, das hat mich sehr angesprochen. Und wenn die dann irgendwie zehn Minuten mit mir telefoniert haben, sagen die: Sie klingen genauso, wie ich mir Sie mir vorgestellt habe, aufgrund der Texte. Also Sie klingen genauso wie auf Ihrer Website.
Und ich merke, seitdem ich das mache, dass dieses Vertrauen gar kein Problem mehr ist. Also wo früher, ich habe früher als Designer gearbeitet, ganz oft so ein Gespräch mit „Wir brauchen eine Website, wir brauchen dies und das, was kostet das denn?“ anfing. Und seitdem ich tatsächlich veröffentliche, sowohl auf meiner Website als auch auf anderen Plattformen, und die Menschen tatsächlich so ein bisschen in meinen Kopf gucken können und in meine Arbeit, in mein Büro reingucken können, steht das ganz weit hinten.
Die Menschen haben das Gefühl, mich greifen zu können, mich besser zu verstehen, als wenn sie jetzt irgendwie nur einen nüchternen Erklärbeitrag lesen. Und das ist für mich tatsächlich, warum ich da auch sehr viel Zeit investiere, diese Art von Beiträge zu schreiben, die bei mir halt auch oft länger sind und tiefer gehender sind, als das zum Beispiel auf Social Media ist.
Das heißt, wenn auf Social Media eher so die kurzen plakativen Headlines rausgehauen werden, das ist nicht so meins, gehe ich lieber rein und sage, okay, was heißt das denn konkret und was heißt das aus der Perspektive, was hat das für Vor- und für Nachteile und für wen eignet sich das eher und für wen nicht.
Und ich glaube, die Menschen merken dann einfach, wer nur die üblichen Phrasen drescht oder wer tatsächlich konkret wird und wer da auch eine eigene Meinung und Überzeugung hat.
Und der dritte Punkt, den du angesprochen hast, Verkaufen, den kann ich gar nicht so klar benennen, der ist bei mir gar nicht so separat, weil ich kein Angebot habe, also Positionierungsberatung ist jetzt nichts, was man irgendwie, man sieht eine Anzeige, klickt drauf und bucht das.
Sondern bei mir ist es tatsächlich oft diese Reise, dass Menschen irgendwann über mich gestolpert sind, zufällig in Anführungsstrichen, und immer mal wieder von mir lesen und hören. Und dann, wenn der Bedarf da ist, wenn sie merken, oh, jetzt muss ich echt was tun, es läuft nicht mehr so wie früher oder ich merke, ich komme immer wieder ins Trudeln, wenn ich erzählen soll, was ich mache und wofür ich stehe, dann haben die im Hinterkopf, mich auf der Kurzwahl-Taste und dann melden die sich.
Und das ist für mich immer wirklich faszinierend und überraschend, was in so Kennenlerngesprächen für Sätze kommen. So dieses, ach, ich lese sie schon seit zwei Jahren, irgendwie ihren Newsletter. Oder ich habe damals noch den und den Beitrag auf dem und dem Blog gelesen, wo ich schon überlegen muss, was war das denn damals nochmal? Also ich hatte, ich glaube, letztes Jahr war das, eine Anfrage und der Mensch war seit, ich glaube, acht Jahren irgendwie bei mir im Newsletter und ich hatte den gar nicht so auf dem Schirm. Und dann meldet er sich und sagt, ich brauche jetzt Unterstützung.
Und das ist dann so der Punkt, wie ich verkaufe, ich sage mal so über Reputation und so eine mentale Kurzwahltaste nenne ich das.
Also wirklich da klar abgelegt zu sein, wenn der Bedarf da ist, dass die Leute wissen, ah, da war doch der, den fand ich irgendwie gut.
Warum ist eine Positionierung fürs Marketing so wichtig?
[Alex] Egal, ob mit Social Media oder ohne Social Media, du sagst, erfolgreiches Marketing braucht eine klare Positionierung. Du hast schon gesagt, du hilfst Selbstständigen bei der Positionierung. Warum ist das so wichtig für Selbstständige, sich da klar zu positionieren?
[Sascha] Ja, also bei Selbstständigen und ich arbeite ja wirklich nicht hauptsächlich, sondern nur mit Solo-Selbstständigen. Wir wollen ja als Selbstständige unser Ding machen. Wir wollen selbstbestimmt arbeiten. Wir wollen souverän auftreten. Wir wollen was bewirken. Und da ist halt oft das Problem, dass den Menschen Klarheit fehlt.
Das heißt, viele sind zu breit aufgestellt, wollen zu viel potenzielle Kunden, zu viel potenziellen Umsatz mitnehmen, wissen nicht genau, wie sie vermitteln sollen, was sie ausmacht, was sie tatsächlich bewirken, was sie leisten und sind dann sehr beliebig in ihrem Auftritt und gehen in der Masse unter.
Und das ist wirklich ein großes Problem. Und da ist sowohl in den Social Media ist das ein riesiges Problem, aber natürlich genauso bei Google, bei YouTube, wo auch immer man veröffentlicht und findbar werden möchte oder Aufmerksamkeit schaffen möchte, ist es sehr, sehr wichtig, dass man klar aufgestellt wird und einen Fokus gezogen hat, einen roten Faden für sich hat, den Menschen auch tatsächlich gut abspeichern können.
Also das heißt, dieses Merkbarwerden, Greifbarwerden und Merkbarwerden ist tatsächlich existenziell, um ein Business zu schaffen, was selbstbestimmend ist, was nicht dieses, ich mag „selbst und ständig“ als Erklärung für Selbstständigkeit überhaupt nicht. Ich finde, Selbstständige sollten nicht selbst und ständig sein.
Das heißt, viele sind ja in so einem, ich nenne es gerne so Rödeln-Modus, also dieses, die arbeiten viel rund um die Uhr und das ist ja auch das Bild, was man von uns Solo-Selbstständigen hat, die arbeiten rund um die Uhr und verdienen schlecht.
Das ist so diese prekäre Situation, die auch da in der Politik gerne dargestellt wird. Und um daraus halt wirklich was Selbstbestimmtes zu machen und zu gestalten, wie man arbeiten möchte, mit wem man arbeiten möchte für uns Selbstständige, ein ganz wichtiger Punkt, dieser Freiheitsgedanke.
Ich möchte bestimmen, mit wem ich arbeite. Ich möchte ablehnen können und den Freiraum auch finanziell dafür haben, zu sagen, nee, das passt nicht. Such dir lieber den und den Berater. Und tatsächlich, wie ich möchte.
Ich sehe immer wieder Selbstständige sagen, ja, ich mache hier Stundenkontingente. Eigentlich mag ich gar nicht per Zeit abrechnen oder so Zeit zu stoppen und zu protokollieren, aber die Kunden wollen das ja so.
Und Positionierung ist halt tatsächlich ein Weg, sich sein Business so zu gestalten, wie es einem entspricht und halt auch zu gestalten, wie man selbst wahrgenommen wird. Weil tatsächlich, das ist nicht vorgegeben, wie Kunden einen wahrnehmen und was man erfüllen muss, sondern man kann selbst beeinflussen und gestalten, wie Menschen einen wahrnehmen sollen im Optimalfall und wer sich davon angesprochen fühlt und wie dann so eine Zusammenarbeit aussehen kann.
Das heißt, eine Positionierung ist deswegen wichtig, weil sie zum einen Orientierung gibt, Sicherheit.
Das heißt für mich selber, ich weiß, was ich will, wohin ich will, was ich vermitteln will, wen ich erreichen will. Und natürlich auch nach außen, ich werde greifbar. Und die Leute wissen einfach, wenn du klar positioniert bist und dann auch klar rausgehst, wo sie bei dir dran sind.
Und du hebst dich vom Wettbewerb ab, das ist heute einfach unfassbar wichtig und du schaffst Resonanz. Also das ist wirklich auch noch ein Punkt, das merke ich bei mir selber und bei Kunden.
Der Unterschied ist halt, ob du was sendest und die Leute das wahrnehmen und sagen, nett und weiter. Oder ob Menschen von dir lesen und da ist egal, ob das bei LinkedIn ein Post ist, ob das über eine Google-Suche ein Beitrag ist oder in einem Interview.
Wenn die Menschen sagen, also manchmal habe ich schon gehört, dass Menschen sagen so dieses, ich habe gedacht, sie haben den Beitrag nur für mich geschrieben. Das war so treffgenau ich. Ich war verblüfft. Ich hatte sogar mal einen Kunden angerufen, mit dem ich Jahre zuvor gearbeitet hatte. Er sagte: „Hören Sie mal, Theobald, den letzten Newsletter haben Sie doch für mich geschrieben, oder? Das war doch eins zu eins ich. Und sowas ist einfach für Interessenten total wichtig, weil sie dann, diese Resonanz gibt denen auch Sicherheit und die haben das Gefühl, hier bin ich richtig. Und das ist wirklich sehr wertvoll für Vertrauen und für abgespeichert werden. Deswegen, mein Motto ist ja Positionierung stärkt Selbstständige und das schaffen sie halt mit einem klaren Kopf und klaren Botschaften. Das hilft nach innen und nach außen.
[Alex] Woher weiß ich denn, ob ich klar positioniert bin als Selbstständige? Hast du so ein paar Kriterien?
[Sascha] Ja, so ein bisschen habe ich das eben schon angerissen.
Letztendlich, der Hauptpunkt ist: Kann ich klar vermitteln, wofür ich stehe und was ich biete, welches Problem ich löse?
Ganz viele, die zu mir kommen, sagen, naja, ich weiß an sich, was ich mache. Ich bin Karrierecoach oder Trainer für Kommunikation, Führungskommunikation, aber ich kriege das nicht konkreter darüber gebracht. Ich bin halt da einer von vielen.
Und wenn mich jemand fragt, so nach dem Motto, was machen Sie denn, dann komme ich ganz schnell in Strudeln oder ich erzähle Dinge, die die Leute total uninteressant finden, weil es halt überhaupt nicht greifbar ist. Eine Kundin von mir sagte sogar mal konkret, wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, laufen die weg. Also im übertragenen Sinne, im Sinne von die merkte dann, wenn sie anfängt so ein bisschen zu erzählen, dass die Menschen dann überhaupt kein Interesse hatten und wieder gingen.
Das heißt, man merkt, wenn man angesprochen wird, ob man klar sagen kann, wofür man steht, was man macht, welche Probleme man löst oder man fühlt sich halt selber unsicher und unsouverän.
Genauso ist es dann auch in der Wirkung. Ein sehr untrügerischer Indikator ist, welche Art von Anfragen bekomme ich und wie werde ich empfohlen?
Passt das zu dem, was ich aussende, was ich anziehen möchte oder ist das eher, naja, von allem ein bisschen?
Das heißt, wie hoch ist der Anteil der Anfragen oder Empfehlungen, die zu dem passen, was ich wirklich machen möchte?
Und wie viele, naja, Ausschuss klingt jetzt doof, aber wie viele Anfragen sind dabei, die auch völlig andere in dem Bereich erfüllen könnten?
Und da ist tatsächlich, das weiß ich auch aus eigener Erfahrung über die Jahre, umso klarer man da rausgeht und umso eindeutiger die Botschaften sind, umso treffender sind die Anfragen tatsächlich.
Das heißt, man hat ein Telefonat, ein Kennenlerngespräch mit einem Interessenten oder einer Interessentin und man hat direkt das Gefühl, ja, das passt. Da hat tatsächlich jemand auf der Website sich ein bisschen umgeguckt und hat selber auch das Gefühl gehabt, das könnte passen. Das heißt, ich verbringe dann auch weniger Zeit mit, ich sage mal, unnötigen Kennenlerngesprächen.
Ich schreibe nicht mehr Angebote für Hinz und Kunz, wo es dann eh nicht zu einem Auftrag kommt oder wo Budgeterwartungen völlig auseinandergehen. Das heißt, da ist halt der Indikator auch, schätzen die Menschen, was ich mache und wie ich es mache. Also schätzen die halt auch meine Art und wollen die nicht nur irgendwen haben.
Und das mit der Bezahlung ist tatsächlich dann auch ein häufiger Indikator. Sind die Menschen bereit, das zu zahlen, was meine Arbeit wert ist? Oder habe ich viel Menschen, die einfach vergleichen wollen? Sprich, muss ich über den Preis verkaufen? Muss ich darauf achten, dass ich günstiger bin als der Wettbewerb? Oder habe ich tatsächlich mich so positioniert, dass die Menschen sich angesprochen fühlen, dass sie so eine Resonanz haben, dass sie sagen, ich will mit dem und nicht mit einem anderen arbeiten? Das heißt, wenn Menschen mit Ihnen ein Kennenlerngespräch machen und das Thema Preis ganz hinten kommt.
Und für mich ist es immer ein gutes Zeichen, wenn die Menschen sagen, also bei mir bei Anfragen: „Oh ja, das ist nicht wenig, aber ich will das machen, das ist es mir wert, ich habe das Gefühl, bei Ihnen in den richtigen Händen zu sein und Sie gehen die richtigen Punkte mit mir zusammen an.“
Das sind so die typischen Punkte, über die ich checken kann, ob ich gut positioniert bin, wen das weiter interessiert. Ich habe da auch eine Checkliste bei mir auf der Website, wo man noch diverse Punkte für sich durchchecken kann.
Ja, ich finde da wirklich auch einen guten Hinweis oder einen Tipp, sich, wenn man Kennenlerngespräche hat, wirklich aufzuschreiben und zu protokollieren, was die Menschen anfragen, wie gut das gepasst hat und das auszuwerten, um einen Überblick darüber zu haben, wie da so die Quoten sind.
Und da geht es mir nicht darum, wie viele Abschlüsse mache ich, wie viele Menschen sagen ab, sondern wie viele dieser Menschen passen zu mir und zu dem, wie ich positioniert bin, und wie viele fliegen da einfach dran vorbei, die irgendwie nur jemanden suchen und nicht mit mir arbeiten wollen.
Was sind die Schritte zu einer klaren Positionierung?
[Alex] Und wenn ich jetzt merke, dass ich nicht klar positioniert bin, was wäre so der erste Schritt, den ich gehen könnte?
[Sascha] Also die Arbeit an der Positionierung ist sehr intensiv. Also der erste Schritt wäre für mich tatsächlich, sich bewusst zu machen, was es heißt, sich klar zu positionieren.
Leider ist da draußen oft so dieses Bild: neuer Slogan, neues Logo, neue Website und dann bin ich neu positioniert.
Im Bereich Coaching ist das so, ich habe mich als Coach oder als Berater positioniert. Und wichtig ist erstmal zu verstehen, dass das keine klare Positionierung ist, dass das keine passende Positionierung ist, sondern dass das deutlich tiefer geht, dass das wirklich sehr intensive Gespräche braucht.
Und ich bin halt auch davon überzeugt, dass das nicht quick and dirty zu erarbeiten ist. Es gibt da draußen wirklich sehr viele Angebote, Positionierung in drei Stunden oder mit einem Selbstlernkurs oder über ein Buch. Das ist alles nett gemeint, aber ich bin davon überzeugt, dass man wirklich unter die Oberfläche gucken muss.
Und dazu braucht es jemanden, der als Gesprächspartner unvoreingenommen ist, das heißt, der nicht in dieser Betriebsblindheit ist, nicht seit Jahren in dieser Suppe schwimmt, sondern der von außen drauf guckt und merkt, wo Dinge verborgen sind, die sehr wertvoll sind, wo aber auch Dinge sich eingeschlichen haben, die keinen Sinn mehr machen, die das torpedieren, die das aufweichen. Und dann würde ich tatsächlich hingehen, für mich habe ich da definiert vier Bausteine, die man bearbeiten sollte, in denen man Klarheit schaffen sollte. Der erste Baustein ist Identität.
Das ist auch ein Punkt, der sehr häufig vernachlässigt wird, weil so diese Kundenorientierung immer vorne steht. Und ich bin davon überzeugt, dass sowohl eine klare Positionierung als auch ein selbstbestimmtes Business eine Art von Selbstbewusstsein braucht.
Das heißt, da erstmal wirklich zu gucken, was macht mich aus, welche Erfahrungen bringe ich mit, was für Wissen bringe ich mit, welche Überzeugungen stehen bei mir vorne, was biete ich zum Beispiel an, was andere nicht machen? Oder was schließe ich bei mir aus, weil ich davon überzeugt bin, dass es nicht funktioniert oder dass es nicht zu einem guten Ergebnis führt?
Da sind häufig tatsächlich Dinge verborgen, entweder aus früheren Jobs oder auch aus dem Alltag, die für einen Selbstständigen selber völlig normal sind, völlig unwichtig sind. Und ein Außenstehender sagt, oh, das ist aber total besonders, das machst du, das macht doch sonst keiner.
Und da kommen manchmal Stärken und Besonderheiten zu Tage, die sehr, sehr wichtig sind. Die so eine Arbeit aus einem, ich mache dasselbe wie alle, rausholt und da wirklich was Besonderes und was Individuelles draus macht.
Ich finde da wichtig zu begreifen, dass gerade wenn wir bei Trainern, Beratern, Coaches sind, dass das Was, also das Angebot an sich in der Regel vergleichbar ist.
Wir haben nicht wie Rittersport die quadratische Schokolade, die wir als USP haben, sondern wenn ich einen Steuerberater suche, dann ist die Steuererklärung sachlich erstmal immer gleich.
Wenn ich, weiß ich nicht, einen Social-Media-Berater buche, der mir LinkedIn zeigen soll, dann ist das sachlich erst mal gleich.
Und wenn dieses Was vergleichbar ist, dann kommt es auf das Wie an. Und die Identität zu ergründen und da einzutauchen und für sich selbst zu erkennen, was man selber anders macht, was man besonders macht, ist wirklich das Fundament für alles Weitere.
Im zweiten Schritt würde ich hingehen und Wunschkunden ergründen. Das heißt, nicht nur hinzugehen und diese typische Zielgruppendefinition, Alter, Familienstand, wo wohnt er, wie viel verdient er, das ist nicht dienlich, glaube ich, sondern tatsächlich hinzugehen und sich diese Menschen anzugucken:
Was sind das für Menschen? Welche Probleme haben die? Welche Wünsche haben die? Was ist deren Situation?
Das ist ein anderer Ansatz, auf diese Menschen zu gucken und sie nicht nur als Zahlen und als Gruppe zu sehen, sondern tatsächlich in Gefühle zum Beispiel einzusteigen, Emotionen:
Wie fühlt sich das vor der Zusammenarbeit an, wenn man dieses Problem hat, wenn man in dieser Situation vielleicht schon länger steckt und wirklich Dinge ausprobiert hat und verzweifelt? Wie fühlt sich das an nach der Zusammenarbeit? Was ändert sich für diese Menschen? Also auch wirklich greifbar machen zu können, was verändert sich nicht nur in der Sache, sondern wie verändert sich das Leben dadurch oder andere Aspekte? Welche Auswirkungen hat Produktivität auf Familie? Welche Auswirkungen hat eine klare Buchhaltung damit, dass ich besser schlafen kann, dass ich mich sicherer fühle und souveräner irgendwie auftreten kann zum Beispiel?
Das sind alles Dinge, die man ergründen sollte, um, wir haben eben darüber gesprochen, diese Resonanz tatsächlich zu stärken. Denn nur wenn ich weiß, wen genau ich ansprechen möchte, kann ich auch entsprechende Angebote aufbauen, kann entsprechende Botschaften senden und da wirklich ganz zielgenau vorgehen. Und umgekehrt, wenn ich mir dann Gedanken mache, mit wem möchte ich eigentlich nicht arbeiten, also Anti-Wunsch-Kunden definieren, dann kann ich zum Beispiel meine Texte und Angebote auch so aufstellen, dass diese Menschen sich nicht angesprochen fühlen.
Das heißt, ich muss nicht hinschreiben. „Hey, bitte Rampensau, komm nicht zu mir, das passt nicht.“ Aber indem ich halt zum Beispiel schreibe, dass das tiefgründigere Dinge sind oder dass man auch für Leisere dieses oder jenes schafft, kann man natürlich die einen mehr anziehen und die anderen eher auf Abstand halten.
Der dritte Punkt, den ich empfehle, da durchzugehen, ist Wert.
Viele Selbstständige haben tatsächlich Schwierigkeiten damit, den Wert ihrer Arbeit zu vermitteln. Das heißt, die können erzählen, was sie machen, was ihre Leistung ist, aber das ist vergleichbar. Diese Leistung, ich berate das und das, ich coache das und das, ist absolut vergleichbar.
Wichtig ist tatsächlich diese Kombination aus, was kann ich besonders gut, was mache ich besonders gerne und was brauchen meine Wunschkunden, was wollen die, was ist deren Bedürfnis. Die Schnittmenge zu nehmen und da den Wert herauszuarbeiten. Und das kann tatsächlich für denselben Beruf, für dasselbe sachliche Angebot sehr unterschiedliche Dinge sein. Wenn ich zum Beispiel Rhetoriktrainings mache, kann es darum gehen, Lampenfieber wegzukriegen oder zu reduzieren oder es kann darum gehen, die körperliche Präsenz zu stärken oder, oder, oder.
Das heißt, den Wert, den das für die Wunschkunden hat, zu verdeutlichen, zeigt einfach auch nochmal, in welcher Situation ist das das optimale Angebot, bin ich der optimale Ansprechpartner? Und es zeigt natürlich oder es holt aus dieser Vergleichbarkeit der Leistung und zeigt den Menschen wirklich oder macht es spürbar, was sich verändert und fördert natürlich dann auch, dass man den Wert sieht, was sich natürlich dann auch auf zum Beispiel Honorare auswirkt.
Das heißt, umso besser ich vermitteln kann, welchen Wert meine Arbeit hat für den Menschen, umso besser kann ich meine Honorare vertreten, weil ich halt gar nicht irgendwie groß erklären muss in einem Kennenlerngespräch, sondern weil die Menschen wissen, hey, genau das will ich erreichen und das ist genau das, was ich jetzt brauche und sich da sehr gut aufgehoben fühlen.
An dem vierten Schritt, das ist ein ganz wichtiger Schritt, ist da eine kommunikative Basis zu schaffen. Das heißt, das, was ich in den ersten drei Bausteinen ausgearbeitet habe, tatsächlich klare Botschaften zu entwickeln, die sehr auf den Punkt sind, die reduziert sind. Also möglichst eine Kernbotschaft, die ich nach vorne stellen möchte, diese Überlegung, wenn Menschen sich was zu mir merken, welcher Begriff oder welche Formulierung soll das sein?
Und dann natürlich auch diese strategischen Fragen, welche Themen will ich beackern, in welche Kanäle gehe ich rein, wo erreiche ich meine Wunschkunden am besten und was passt zu mir und meiner Energie? Das heißt, was kann ich überhaupt leisten und wo kann ich Kontinuität aufbauen?
Das ist so der vierte Schritt, der dann quasi die Startrampe für die Umsetzung ist.
Das ist da noch dieses, die Positionierung, die ich erarbeite, ist anders als bei großen Marken und Unternehmen, wo es ja wirklich um Zahlen und um Märkte geht und sowas, sich wirklich sehr bewusst halten, Positionierung für Selbstständige, da geht es nicht nur um Marketing, sondern da geht es um Lebensqualität, da geht es um Selbstbestimmung, also darum, wie ich arbeite, mit wem ich arbeite, ob ich Freiraum habe, mich weiterzuentwickeln und an Dingen zu arbeiten oder ob ich gehetzt durch den Alltag bin und bis in den Abend rein jeden Tag arbeiten muss.
Warum ist Positionierung besonders für introvertierte Menschen wichtig?
[Alex] Ich habe bei dir auf der Website gelesen, dass du eine Positionierung besonders für introvertierte Menschen wichtig hältst. Das finde ich total spannend und deshalb meine letzte Frage an dich. Warum profitieren vor allem introvertierte Menschen von einer klaren Positionierung?
[Sascha] Also introvertiert, ich zähle mich selber dazu.
Diese Marketingwelt da draußen ist ja schon eine recht laute und eine recht wuselige und für Intros kann das sehr herausfordernd sein.
Das heißt, man ist schnell dabei, dass man überfordert ist von all diesen Kanälen, von all diesen Möglichkeiten und natürlich ist es immer eine Hemmschwelle rauszugehen, in dieses Getümmel rauszugehen. Und für Intros sind halt auch nicht die Menschen, die sich irgendwo auf eine Bühne stellen oder in einem Social Network irgendwie rausgehen und sagen, hier bin ich, schaut mich an, wie toll ich bin. Also dieses sich anpreisen müssen, sich verkaufen müssen, ist eine ganz schlimme Formulierung. Das ist natürlich für Intros eine schwierige Sache und Intros torpedieren sich dann häufig, indem sie quasi vor dem Marketing so blockieren, dass sie das nicht wirklich machen oder halt nicht strategisch. Also hier mal ein bisschen und da mal ein bisschen.
Und eine Positionierung ist deswegen so wichtig, um seinen eigenen Weg zu finden, um sein eigenes Ding zu stärken.
Wir haben halt draußen ganz viele Menschen, die einem rund um die Uhr gefühlt entgegenbrüllen, was man tun muss, um erfolgreich selbstständig zu sein. Da ist so dieses, du musst auf Social Media sein, du musst Podcasts machen, du musst Videos machen, ohne geht es nicht. Du musst die und die reißerischen Headlines machen, sonst liest das keiner.
Und Introvertierte, so ist zumindest meine Erfahrung, verbiegen sich häufig, um das zu erfüllen, um ein guter Selbstständiger zu sein, um im Marketing was erreichen zu können, sind dann aber darin nicht gut, weil es ihnen einfach nicht entspricht. Und diese persönliche Komponente, die ich dann häufiger mitkriege, ist:
Die Menschen fühlen sich dann falsch und schlecht, weil sie tun ja oder versuchen das, was gesagt wird, was man tun muss, aber das funktioniert für die nicht.
Und dann ist so dieses, dann bin ich hier falsch, dann ist das nicht meins. Und Positionierung hat halt tatsächlich diesen Weg, diese Selbstsicherheit zu finden, auf seinen eigenen Weg zu hören.
Das heißt, wenn ich sehr klar weiß, wofür ich stehe und was zu mir passt und was vor allen Dingen auch zu meinen Wunschkunden passt, dann kann ich diesen Weg sehr gut gehen und sehr sicher gehen und kann all diese Ratschläge von außen, diese Gurus, diese Erfolgsrezepte, diese geheimen, kann ich tatsächlich zur Seite schieben und kann einfach gute Entscheidungen für mich und mein Business treffen.
Und das Witzige ist, dann wird man halt auch für die passenden Kunden interessanter, weil ja gerade für uns Intros häufig sind unsere Wunschkunden halt auch eher die ruhigeren und nicht die Rampensäue. Das heißt, wenn ich in meiner Art ruhiger und tiefgründiger zum Beispiel schreibe und die schnellen Instagram-Reels nicht mache, weil es zu oberflächlich ist, dafür aber Beiträge schreibe, die tiefer gehen oder Interviews gebe, wo man Einblicke bekommt, dann ist das tatsächlich auch für diese Menschen viel, viel interessanter. Und da ist die Resonanz einfach eine ganz andere.
Deswegen ist es halt auch aus Positionierungsgründen für Social Media, finde ich, eine Entscheidung, will ich da überhaupt stattfinden in diesem oberflächlichen Schnellen? Oder will ich zum Beispiel hingehen und sagen, es gibt sehr erfolgreiche Berater und Coaches, die überhaupt nicht auf Social Media sind, die Bücher veröffentlichen, Vorträge geben, die Interviews geben und unfassbar erfolgreich auf ihre Art und Weise sind und sich konsequent aus diesem Trubel rausnehmen und einfach eine komplett andere Schiene entsprechend ihrer Positionierung ziehen und natürlich dann auch an jedem Kontaktpunkt das konsequent vertreten können, weil sie sich nicht verbiegen.
Das heißt, man verbiegt sich nicht mehr, man bekommt eine andere Einstellung zu dem Prozess. Das heißt, raus aus diesem Ich-muss-mich-verkaufen, Ich-muss-mich-verbiegen, hin zu einer Kommunikation.
Ich spreche darüber, was mich umtreibt, was meine Mission ist, was ich bewirken möchte, gebe Einblicke und Menschen finden das interessant oder nicht. Aber die, die passen, finden es dann in der Regel interessant.
Und das ist ein ganz anderes, in Anführungszeichen, Verkaufen, als das für üblich im Hard Selling und Social Selling propagiert wird. Und gerade für Intros ist das wichtig, um das Frustlevel niedrig zu halten, sich da motiviert zu halten und wirklich auch konsequent in die Umsetzung gehen zu können und auch um ihre Energie fokussieren zu können.
Also da auch wirklich konsequent zu sagen, diese drei Dinge passen zu mir, die kann ich gut umsetzen, die passen zu meinen Wunschkunden und alles andere lasse ich weg. Das gibt ganz viel Energie frei, um die wenigen Dinge, die ich tatsächlich machen will, richtig gut zu machen.
[Alex] Das ist doch ein wunderbares Schlusswort. Sascha, vielen, vielen Dank, dass du heute hier warst und über deinen Social-Media-Ausstieg erzählt hast und über Positionierung für Selbstständige natürlich auch. Vielen, vielen Dank.
[Sascha] Danke dir.
Shownotes
Newsletter-Anmeldungen bekommen ohne Social Media – einfach unmöglich?
In dieser Podcastfolge geht es um den Newsletter. Genauer gesagt darum, wie wir Newsletter-Abonnenten völlig ohne Social Media bekommen können. Los geht’s.
In dieser Podcastfolge geht es um den Newsletter.
Genauer gesagt darum, wie wir Newsletter-Abonnent*innen völlig ohne Social Media bekommen können.
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Ich hab vor einigen Wochen eine Umfrage in meinem Newsletter gemacht und gefragt, was die größten Herausforderungen beim Social-Media-freien Marketing sind.
Und ganz, ganz viele haben mir geantwortet:
neue Anmeldungen für meinen Newsletter zu bekommen.
Und deshalb dachte ich, dass ich da unbedingt mal eine Podcastfolge dazu machen muss und mal darüber spreche, wie wir auch ohne soziale Medien neue Menschen für unseren Newsletter gewinnen können.
Doch bevor ich das mache, möchte ich unbedingt ein paar Missverständnisse aus dem Weg räumen.
Ist es einfacher, mit Social Media neue Newsletter-Abonnent*innen zu bekommen?
Denn bei der Frage, wie wir ohne Social Media Newsletter-Abonnent*innen gewinnen können, schwingt so ein bisschen der Gedanke mit, dass das mit Social Media ja viel einfacher geht.
Und da müssen wir unbedingt ein bisschen differenzieren.
Die Vorstellung, dass ich einen Instagram- oder Facebook-Account habe und sowas poste wie „Hey, melde dich zum Newsletter an!“ und dann kommt eine Horde von Menschen auf meine Website und meldet sich zu meinem Newsletter an … diese Vorstellung wird für die meisten Selbstständigen komplett unrealistisch sein.
Das liegt daran, wie soziale Medien funktionieren, und ich erzähl dir da mit Sicherheit auch nichts Neues mehr. Aber lass es mich trotzdem noch einmal in ein paar Sätzen zusammenfassen, weil auch das wieder super relevant für dieses Thema ist.
Das Geschäftsmodell von Facebook, Instagram und so weiter ist, dass sie Daten der Menschen sammeln, die ihre Plattformen nutzen, und dass sie diese Daten dann an Werbetreibende weiterverkaufen.
Deshalb ist ihr Ziel gar nicht, dass Menschen auf andere Websites gehen, sondern dass sie so lange wie nur möglich auf ihren Plattformen bleiben.
Das heißt: Facebook, Instagram und so weiter wollen überhaupt gar nicht, dass du einen Post erstellst, wo du auf deinen Newsletter verweist, und wo Menschen dann auf einen Link klicken sollen und dann eben auf eine andere Website gehen und sich irgendwo anders für irgendwas anmelden.
Denn das würde für die Plattformen ja bedeuten, dass sie weniger Daten sammeln können und dadurch weniger Geld verdienen würden.
Und deshalb spielen sie Posts mit Links gar nicht mehr so aus wie zu Beginn, alles, was so vor 2018 war.
Das heißt, die Vorstellung, Menschen auf unsere Website zu leiten und sie zum Anmelden zu unserem Newsletter zu bewegen, indem wir etwas auf Social Media posten, ist für die meisten Selbstständigen fernab jeglicher Realität. So knallhart muss man es sagen.
Es mag für größere Social-Media-Accounts funktionieren in dem Sinn, als dass sie natürlich extrem viele Menschen erreichen und selbst wenn der Post dann prozentual nur wenige Menschen erreichen und nur sehr schlecht von Facebook z.B. ausgespielt wird, macht das in absoluten Zahlen dann trotzdem noch ein Ergebnis, wo man sagt:
Okay, ein paar Leute habe ich erreicht. Ein paar Leute haben sich angemeldet.
Aber wie gesagt, für die durchschnittliche Selbstständige mit den durchschnittlichen Followern werden es einfach viel zu schlechte Ergebnisse sein.
Und deshalb kann man mit Social Media organisch nur in den seltensten Fällen heutzutage neue Newsletter-Abonnent*innen bekommen.
Nun, ist das entscheidende Wort, du ahnst es vielleicht, hier natürlich „organisch“.
„Organisch“ heißt, dass ich kein Geld dafür zahle, dass Facebook oder Instagram mein Zeugs ausspielt. Und das funktioniert, wie gesagt, nicht mehr.
Ich kann natürlich auch Facebook und Instagram dafür bezahlen, dass sie meinen Aufruf für eine Newsletter-Anmeldung ausspielen, und Werbeanzeigen schalten. Ich kann mein Freebie oder ein anderes kostenloses Angebot zum Beispiel bewerben.
Und ja, das funktioniert nach wie vor gut.
Das ist meiner Erfahrung nach und von dem, was ich bei meinen Kundinnen mitbekomme, immer noch die schnellste, kurzfristigste und effektivste Möglichkeit, neue Newsletter-Abonnent*innen zu bekommen.
Ich hab sogar damals, als ich aufgehört habe, auf Instagram und Facebook zu posten, eine Zeit lang weiterhin Ads geschaltet, einfach weil es eben so gut funktioniert hat.
Aber das Ding ist, man macht sich mit dieser Strategie extrem abhängig von Facebook und Instagram.
Und wenn das die einzige Strategie ist, um Newsletter-Anmeldungen zu bekommen und das Werbekonto dann aus irgendeinem Grund auf einmal nicht mehr funktioniert, dann hat man ein Problem.
Und bei mir war es ganz genau so:
Mein Werbekonto hat einfach von einem Tag auf den anderen nicht mehr funktioniert.
Ich hab wochenlang versucht, es selbst wieder zum Laufen zu bringen, ich hab mich an den Facebook-Support gewendet, ich hab einige Facebook-Ads-Expertinnen beauftragt, mal der Sache auf den Grund zu gehen.
Doch niemand konnte mir weiterhelfen. Und der Facebook-Support wollte mir einfach nicht weiterhelfen.
Aber es gibt auch noch eine anderen Punkt, den man bedenken sollte:
Werbung auf Social Media funktioniert nur dann gut, wenn du genau weißt, was du da tust.
Und bis du weißt, was du tust, kann es ein bisschen dauern. Du musst Zielgruppen testen, du musst Grafiken testen, du musst Texte testen.
Das ist nicht so, dass du eine Anzeige schaltest und schwupps, hast du 100 neue Menschen bei dir auf dem Newsletter. Werbeanzeigen zu schalten ist zu Beginn ganz schön viel Arbeit.
Eine Abkürzung kann es sein, jemanden zu beauftragen, der oder die sich damit auskennt. Doch das kostet wiederum Geld, zusätzlich zum Budget, das du für die Ads ausgeben würdest.
Und meine Erfahrung ist, dass sich das maximal Unternehmen und fortgeschrittenere Unternehmer*innen leisten können, aber nicht unbedingt Leute, die gerade erst starten, oder, ich sag mal, so die durchschnittlichen Selbstständigen, die eben durchschnittlich viel verdienen.
Wenn du also denkst, dass du unbedingt Social Media brauchst, um neue Newsletter-Anmeldungen zu bekommen, solltest du dir aus meiner Sicht unbedingt diese Fragen stellen, nämlich:
Wie realistisch ist es überhaupt, dass du Werbeanzeigen auf Social Media schaltest?
Hast du Lust, dich in das Thema einzuarbeiten?
Hast du das Budget, um Lehrgeld zu zahlen?
Hast du das Budget, um jemanden damit zu beauftragen?
Ich glaube, es ist wichtig, da ganz, ganz ehrlich zu sich zu sein, und nicht einfach nur zu denken „Ohne Social Media geht es nicht, ich muss das jetzt machen“, sondern genau zu überlegen, was soziale Medien da im Einzelfall eigentlich konkret bringen.
Drei Tipps, um Newsletter-Abonnent*innen ohne Social Media zu bekommen
So, und nachdem wir das geklärt haben, möchte ich darüber sprechen, wie wir auch ohne Social Media Menschen für unseren Newsletter gewinnen können.
Und mein Ansatz ist:
Wie bei einer guten Geldanlage sollten wir auch beim Thema Newsletter diversifizieren.
Das heißt, wir legen nicht alle Eier in einen Korb, sondern stellen uns breit auf.
Wir wollen also nicht in die Situation kommen, zwar jetzt nicht mehr auf Social Media zu sein, aber uns dann halt von einer anderen Plattform abhängig zu machen.
Das wäre ja genauso doof.
Deshalb gibt es von mir jetzt auch nicht DAS Geheimrezept, um Newsletter-Anmeldungen zu bekommen. Denn ich möchte nicht, dass du alles stehen und liegen lässt, um nur noch EINE EINZIGE Sache zu tun.
Das kann aus meiner Sicht immer zum Problem werden, wenn man immer nur auf EINE EINZIGE Sache setzt.
Und deshalb möchte ich dir stattdessen drei ganz konkrete Tipps geben, wie es funktionieren könnte.
Das erste ist so ein Basis-Tipp, sag ich mal. Wenn du schon fortgeschritten bist, wirst du es bestimmt schon umgesetzt haben.
Aber ich sehe es immer noch häufig bei Einsteigern, deshalb muss ich das jetzt noch mal explizit erwähnen.
Und zwar ist der erste Schritt immer, eine separate Anmeldeseite für den Newsletter zu haben.
Ich sehe immer wieder Websites, wo es zum Beispiel auf der Startseite nur einen Abschnitt gibt, in dem auf den Newsletter verwiesen wird.
Oder dass im Footer so eine Anmeldemaske ist.
Und das ist an sich auch nicht falsch, aber das hat eben den Nachteil, dass ich eine Anmeldemaske nirgendwo sonst verlinken kann.
Ich kann also nicht in einem Blogartikel zum Beispiel schreiben „Hier meldest du dich zum Newsletter an“ und dann die Anmeldeseite verlinken. Sondern das ist mit lediglich einer Anmeldemaske immer so ein bisschen schwieriger mit der Kommunikation.
Und eine Anmeldemaske kann man natürlich auch nicht in der Navigationsleiste zum Beispiel einbinden.
Und aus meiner Sicht sollte aber alles, was wichtig ist, immer in die Navigationsleiste der Website. Denn das ist einfach das, was am schnellsten ins Auge fällt, wenn jemand frisch auf deiner Website ist.
Hinzu kommt natürlich auch, dass ich auf einer Anmeldeseite viel mehr über den Newsletter erzählen kann.
Ich kann schreiben, was Menschen im Newsletter erwartet, wie oft er versendet wird oder auch mit welchem Tool der Newsletter versendet wird.
Und diese Art von Infos helfen Menschen dabei, eine informierte Entscheidung für oder gegen den Newsletter zu treffen.
Und damit erhöht sich aus meiner Sicht eben auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich wirklich auch die richtigen Menschen für den Newsletter anmelden.
Wenn du also ohne Social Media Newsletter-Anmeldungen gewinnen willst, kannst du dich deshalb als erstes fragen:
Hast du eine separate Anmeldeseite für den Newsletter?
Hast du auf der Anmeldeseite alle wichtigen Infos gegeben, die Menschen brauchen, um eine informierte Entscheidung für den Newsletter zu treffen?
Und natürlich auch: Hast du diese Anmeldeseite in der Navigationsleiste und an sämtlichen anderen wichtigen Stellen verlinkt?
Ja, eine Newsletter-Anmeldeseite ist die Basis, aber wir können und sollten natürlich auch ein paar Schritte weitergehen.
Und ich möchte dir jetzt sowohl eine langfristige als auch eine kurzfristige Strategie vorstellen, um Newsletter-Abonnent*innen zu gewinnen.
Und die langfristige Strategie ist für mich Suchmaschinenoptimierung, also SEO.
Denn es ist so:
Wenn Menschen ein bestimmtes Problem haben und nach bestimmten Phrasen googeln, suchen sie nach einer Lösung.
Und diese Lösungen können sowohl kostenfreie Blogartikel oder Podcastfolgen sein als auch kostenpflichtige Produkte und Programme, aber natürlich auch: ein Newsletter.
Das heißt jetzt nicht, dass wir unsere Newsletter-Anmeldeseite mit Keywords optimieren müssen, sondern vielmehr, dass wir Inhalte wie zum Beispiel Blogartikel haben, die für Suchmaschinen optimiert sind, und wo der Newsletter dann der nächste logische Schritt wäre.
Also ganz konkret sucht dann zum Beispiel jemand nach, keine Ahnung, „Tipps fürs Hundetraining“ oder so.
Sie gibt diese Phrase in eine Suchmaschine ein und stößt so auf den Blog einer Hundetrainerin.
Sie liest sich ein paar Blogartikel durch und findet gut, was sie liest.
Und weil sie sich eben so sehr für das Thema interessiert, denkt sie:
„Ah, so ein Newsletter wäre natürlich auch ganz praktisch, dann würde ich automatisch Tipps in meinen Posteingang bekommen.“ Und dann meldet sie sich eben für den Newsletter an.
Dass das so funktioniert, das braucht Zeit. SEO braucht Zeit.
Deshalb habe ich am Anfang ja auch gesagt, dass das eine eher langfristige Strategie ist.
Du kannst dich also aus meiner Sicht fragen:
Wird meine Website in Suchmaschinen gefunden?
Könnte ich einen Blog starten?
Und natürlich: Wenn ich schon einen Blog habe: Könnte ich ein paar Artikel für Suchmaschinen schreiben?
Das alles hilft nicht nur ganz allgemein bei der Onlinesichtbarkeit, sondern natürlich auch dabei, neue Menschen für den Newsletter zu gewinnen.
Wir müssen bei der SEO-Strategie natürlich gucken, wie sich das ganze Thema in der Zukunft entwickeln wird. Du hast vielleicht schon gehört, dass Google da Änderungen plant.
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer, einzuschätzen, was genau das bedeuten wird für Suchmaschinenoptimierung.
Es wird mit Sicherheit wichtig werden, die besten Texte zu schreiben, die wir zu einem Thema schreiben können. Aber wie das nun genau aussehen wird, steht mehr oder weniger noch in den Sternen.
Aber SEO ist ja auch nur eine Strategie von mehreren. Und wie schon gesagt, ist es sinnvoll, nicht nur auf eine Strategie zu setzen, sondern mehrere Strategien zu nutzen.
Und das bringt mich zu der kurzfristigen Möglichkeit, von der ich dir erzählen wollte.
Und die kurzfristige Möglichkeit, ohne Social Media neue Newsletter-Anmeldungen zu bekommen, sind für mich Gastbeiträge oder Pressearbeit.
Das klingt jetzt nach etwas, was nur für große Unternehmen mit einer eigenen Presseabteilung relevant ist, aber das ist überhaupt nicht der Fall.
Denn auch Selbstständige, selbst wenn sie gerade erst starten, können von Anfang an auf Gastauftritte setzen.
Und darunter verstehe ich Gastartikel in anderen Blogs, Interviews in anderen Blogs, Interviews in Podcasts oder auch einen Vortrag in einem Onlineprogramm.
Gastauftritte haben im Grunde drei große Vorteile.
Vorteil Nummer 1 ist: Sie sind nachhaltig.
Das bedeutet: Wenn du zum Beispiel in einem Podcast interviewt wirst, bleibt das Interview ja erst einmal bestehen.
Da wird ein Monat vergehen und vielleicht ein halbes Jahr und länger und Menschen werden vermutlich immer noch auf deine Website kommen und damit deinen Newsletter entdecken.
Das heißt, du machst dir einmal Mühe mit einem Interview und erntest im Grunde für die nächste Zeit die Früchte. Diese Früchte werden – je nach Größe des Podcasts natürlich – mal kleiner oder größer ausfallen. Aber meine Beobachtung ist:
Selbst der kleinste Podcast bringt einem immer noch regelmäßig Menschen auf die Website und ist damit definitiv eine gute Investition.
Vorteil Nummer 2 an dieser Strategie ist: Gastauftritte sind kostenlos.
Und das ist ein großer Unterschied zu Ads zum Beispiel. Da zahlen wir ja immer eine stolze Summe, damit unsere Themen sichtbar werden.
Gastbeiträge und Interviews kosten aber keinen Cent.
Und Vorteil Nummer 3, ich hab es schon erwähnt:
Gastbeiträge können auch kurzfristig wirken.
Das heißt: An dem Tag, an dem ein Interview mit uns erscheint, können wir auch schon mal eine zweistellige oder dreistellige Zahl an neuen Newsletteranmeldungen bekommen.
Natürlich abhängig davon, wie groß das Medium ist, in dem wir interviewt werden, und ob wir dort wirklich die richtigen Menschen für uns erreichen oder nicht.
Ich bin immer wieder überrascht, wie wenige Selbstständige Gastauftritte überhaupt auf dem Schirm haben. Und wenn sie sie auf dem Schirm haben, wie wenige sich trauen, da auch wirklich aktiv zu werden und Leute selbst anzusprechen und ihr Thema zu pitchen.
Deshalb kannst du dir folgende Fragen stellen:
Wen kenne ich, der oder die einen eigenen Podcast, Blog oder ein Onlineprogramm hat, wo ich über mein Thema reden könnte?
Was liest und hört meine Zielgruppe? Durch welche Onlinemagazine oder Podcasts könnte ich sie erreichen?
Und: Kann ich mir eine Liste von zehn Podcasts, Blogs oder Magazinen erstellen, denen ich mein Thema pitchen könnte?
Auch wenn natürlich nicht jeder, den du fragst, ja sagen wird:
Es lohnt sich auf jeden Fall, da eine Gewohnheit daraus zu machen und ein- oder zweimal im Monat das Recherchieren und Pitchen in den Kalender zu schreiben.
Je öfter du übst und je mehr Kontakte du knüpfst, desto einfacher wird es.
Shownotes
Marketing für leise Menschen und Sichtbarkeitsmut – Interview mit Sonja Mahr
In dieser Podcastfolge habe ich Sonja Mahr zu Gast. Sonja berät Selbstständige und Onlineunternehmer*innen dabei, sichtbar zu werden, ohne zum Marktschreier werden zu müssen. Wir werden heute über Marketing für leise Menschen sprechen, über gute Websites und übers Bloggen.
In dieser Podcastfolge habe ich Sonja Mahr zu Gast.
Sonja berät Selbstständige und Onlineunternehmer*innen dabei, ohne Marktgeschrei online sichtbar zu werden.
Wir werden heute über Marketing für leise Menschen sprechen, über gute Websites und übers Bloggen.
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Ist Marketing auch für leise Menschen möglich?
[Alex] Ja, hallo Sonja. Viele Selbstständige wollen ja online sichtbar werden, ganz, ganz dringend, aber sie sind einfach keine Rampensäue, sage ich jetzt mal. Was würdest du diesen Menschen sagen? Ist Marketing auch für leise Menschen möglich? Und wenn ja, wie?
[Sonja] Ja, hallo Alex. Schön, dass wir über dieses Thema sprechen können. Ja, natürlich ist Marketing auch für leisere Menschen möglich.
Das ist nicht exklusiv lauteren Menschen oder lauteren Techniken oder Vorgehensweisen vorbehalten. Es ist auch möglich im Sinne von, ich fühle mich wohl damit, weil viele leisere Menschen sagen, ja, okay, Marketing kann ich wahrscheinlich machen, aber nur mit Augen zu und durch, dann mache ich halt, was man so machen muss.
Also diese Formulierung höre ich total häufig. Und falls jemand zuhört, der sich das denkt, Marketing ist irgendwie „Bauchziehen und keine Lust, aber ich muss ja“. Nein, man kann es auch anders, auf eine angenehmere, auf eine ruhigere Art und Weise machen, auf jeden Fall.
Ich finde immer ganz hilfreich, sich mal vor Augen zu führen, was ist denn Marketing überhaupt oder was bezwecken wir denn mit Marketing? Wer darf in Anführungsstrichen Marketing machen, wenn du ein Angebot hast, das in irgendeiner Art und Weise Menschen weiterhilft, weil es Probleme löst, weil es bei Bedürfnissen weiterhilft, was auch immer, dann darfst du natürlich Marketing für dieses Angebot machen. Du darfst darauf aufmerksam machen.
Es gibt keine Dezibel-Grenze, die man erreichen muss oder irgendwas, um die Legitimation zu haben, Marketing zu machen. Also ja, um ganz kurz zu antworten, ja, natürlich.
Sorry, ich bin schon voll drin.
[Alex] Was ich ja auch ganz wichtig finde, ist irgendwie, und vielleicht ist das schon ein bisschen so angeklungen, ist, dass ja auch irgendwie alles Marketing ist.
Also Marketing ist ja nicht nur dieses laute „Ich stelle mich jetzt irgendwohin auf Instagram und sage, kauf das, kauf das, kauf das“, sondern auch, wenn ich zu einer Freundin sage „Ich biete das und das an“, ist das ja im Grunde auch Marketing, oder? Also immer, wenn ich darüber spreche, was ich mache, mache ich eigentlich Marketing.
[Sonja] Absolut, ja.
Und ich finde, wenn man das so sieht oder sehen kann, nimmt das auch eine ganze Portion Druck raus.
Marketing verbinden wirklich viele Leute mit diesem, ich sag mal, letzten Akt des Verkaufens. Jemand klickt den Buchen-Button, jemand sagt, ja, ich nehme das Angebot an.
Aber Marketing ist, wie du sagst, alles davor auch. Und das ist auch total wichtig, gerade in unserer heutigen Zeit.
Vielleicht merken es unsere Zuhörer*innen ja auch. Die Leute sind kritischer, sie hinterfragen mehr, sie brauchen vielleicht auch länger, bis sie etwas kaufen. Sprich, wir brauchen viele Kontaktpunkte, viele Möglichkeiten, miteinander uns auszutauschen oder dass die Leute etwas von uns sehen, zum Beispiel Blogartikel, Newsletter und so weiter, bis eine Vertrauensbasis entsteht.
Und das ist nicht nur dieses reine, hey, hier bin ich aus der Versenkung aufgetaucht, bitte kaufen, sondern es ist auch, ich erzähle, dass ich ein neues Angebot plane. Ich sage im Bekanntenkreis, wenn jemand sagt, was arbeitest du eigentlich nicht, ja, du, ganz schwer zu erklären, sondern ich habe da eine Antwort parat. All das gehört dazu, ja.
Das CALM-Marketing-Prinzip
[Alex] Du selbst hast dich ja sogar darauf spezialisiert, leise Menschen beim Marketing zu unterstützen. Worauf kommt das da für dich an? Du hast ja sogar ein bestimmtes Prinzip dafür entwickelt, richtig?
[Sonja] Richtig. Ja, genau. Ich habe ein Prinzip entwickelt, das CALM-Marketing-Prinzip.
Also für diejenigen, vielleicht versteht man es nicht so gut, C-A-L-M, Ruhe, nur die Buchstaben haben besser gepasst.
Ich habe das tatsächlich entwickelt, einfach auch als Gegengewicht zu diesem, bam, hier, nutz meine Geheimformel und du bist reich über Nacht und dieses ganze Laute, was so auf uns einprasselt. Und weil ich einfach auch sehe, dass extrem viele leisere Menschen unterrepräsentiert sind mit ihrem Business.
Die machen meistens richtig gute Arbeit, aber werden nicht gesehen, weil sie keinen Marketingweg für sich finden. Und soll ich dir die einzelnen Bausteine mal kurz aufschließen?
[Alex] Ja, voll gerne.
[Sonja] Genau, es ist eigentlich keine Zauberei. Also auch wenn es ein Prinzip ist, es dient eher so der Verdeutlichung, was es braucht, um wirklich Marketing machen zu können, um wirklich so eine stabile Sichtbarkeit aufzubauen.
Also das C steht für Content. Ohne Content ist es gerade online super schwer, sichtbar zu werden. Also wir brauchen irgendeine Art von Content. Leiser Marketing zu betreiben, heißt also nicht, gar nichts zu sagen, sondern einen Content zu finden, der eben zu uns passt.
Das können Blogartikel sein, das können Podcast-Gespräche sein, wie wir das gerade führen, was auch immer. Also irgendeine Art von Inhalt brauchen wir, die stellvertretend für uns online stehen und uns repräsentieren, weil wir ja nicht 24-7 online sind. Wir haben ja auch noch was anderes vor im Leben.
Dazu gehört die Website. Das finde ich eine ganz wichtige Basis an Content und eben einen Marketing-Kanal, zum Beispiel der Blog. Das ist ja was, was wir beide auch nutzen oder eben der Podcast. Das nutzen wir ja auch beide.
Ja, dann das A steht für Authentizität. Super strapaziertes Wort, aber für viele Leute einfach sehr wichtig.
Wenn Leute das Gefühl haben, Selbstständige insbesondere, das Gefühl haben, Marketing ist wie so eine Maske aufsetzen. Da setze ich meine Marketingmaske auf, bin mal kurz nicht ich, sage, was gesagt werden muss und danach kann ich mich entspannen. Das kann man machen, ist aber furchtbar anstrengend. Und Marketing ist ein Spiel auf lange Zeit.
Das ist nicht mit einem Fingerschnips erledigt, sondern das brauchen wir kontinuierlich.
Und vielen Menschen ist wichtig, dass sie eben auch authentisch rüberkommen, dass sie sich wie sie selber fühlen können, dass sie nicht irgendwie fake sein müssen oder eine Superhelden-Story erfinden müssen, wenn sie halt keine haben.
Und deswegen integriere ich das direkt in die Zusammenarbeit mit meinen Kundinnen, dass wir eben auch schauen, ja, was macht dich denn aus? Ja, was sind denn deine Werte zum Beispiel? Was sind denn deine Ansichten auf dein Thema? Weil nur weil wir ein Thema mit anderen Menschen teilen, heißt das ja nicht, dass wir es genauso angehen und bedienen.
Ja, das L, die Langfristigkeit, ist so ein bisschen der Spielverderber vielleicht, weil bei Langfristigkeit ganz viele selbstständig aufstehen und sagen, oh nee, ich habe gehofft, jetzt geht es mal schneller. Aber wie gesagt, Marketing ist ein begleitendes Instrument. Das brauchen wir einfach während unseres Businesses mal intensiver, vielleicht mal weniger intensiv. Aber es ist wie mit so einer Pflanze, die gießt du ja auch, damit sie weiter wachsen kann. Also so ein bisschen Pflege braucht das Marketing.
Und Langfristigkeit, ich finde ganz wichtig, dass man sich da bewusst macht, Langfristigkeit ist gar kein Nachteil. Der Nachteil ist meistens, dass wir Wege verfolgen, die für uns furchtbar anstrengend sind. Wenn du beispielsweise eine Taktik hörst im Sinne von, mach jeden Tag ein Live-Video für 100 Tage.
Das bringt enorm viel Sichtbarkeit. Also könnte ich wetten, dass du danach mehr Sichtbarkeit hast als vorher. Aber wie schwer fällt dir das und wie sehr passt es zu dir?
Und schaffst du das wirklich, diese 100 Tage durchzuhalten? Und was kommt eigentlich nach den 100 Tagen? Der große Einbruch oder hältst du deine Sichtbarkeit noch irgendwie aufrecht? Also ich finde wichtig, dass wir uns von Anfang an Gedanken machen, wie kann ein Marketing aussehen, das langfristig für mich funktioniert, das ich durchhalten, aber ohne, dass es sehr unangenehm sein muss, kann, wo ich wirklich sage, okay, regelmäßig einen Blogartikel schreiben, das könnte was für mich sein, das kann ich mir wirklich auch auf Dauer vorstellen.
Und vielleicht, wo wir hier in deinem Podcast sind, noch einen Punkt zu der Langfristigkeit, was auch die Haltbarkeit oder die Sichtbarkeit der Inhalte selbst angeht.
Den meisten ist es wahrscheinlich nicht neu, dass Inhalte unterschiedlich lang sichtbar sind. Also, dass wenn wir zum Beispiel auf Instagram posten, dass nach ein, zwei, drei Tagen schon viel, viel weniger Menschen erreicht als direkt am Anfang.
Bei einem Blogartikel ist es anders. Den sieht am Anfang in der Regel kein Mensch. Es steigt dann aber an und dann wird die Sichtbarkeit auf lange Sicht stabil.
Sich das nochmal bewusst zu machen, was sind langfristig wirksame Wege, die ich nutzen kann, finde ich sehr, sehr wichtig.
Was tun, wenn der Sichtbarkeitsmut fehlt?
Und dann kommen wir zum letzten Punkt, das M. Das ist der Mut und den habe ich bewusst integriert, weil für mich der Mut zur Sichtbarkeit so ein bisschen ein Tabuthema immer noch ist. Also ich sehe das schon immer häufiger inzwischen, aber ganz langsam nur.
Und was ich viel häufiger sehe, ist dieses Go for it, du musst es nur wollen, spreng deine Komfortzone. Wenn du es willst, dann machst du das, dieses Gepushe die ganze Zeit.
Ich finde nicht, dass wir uns die ganze Zeit pushen müssen. Natürlich braucht es Mut. Es braucht Mut, unsere Blogartikel zu veröffentlichen. Es braucht auch Mut zu sagen, okay, ich nehme so eine Einladung an, ich gehe in so einen Podcast und spreche da über mein Thema oder was auch immer. Und es ist normal, dass es Mut braucht.
Ja, das sind so die vier Prinzipien, die eben dann helfen, ein ruhiges, aber zuverlässiges Marketing zu betreiben.
[Alex] Gerade nochmal, was den Mut angeht. Also wenn ich jetzt zum Beispiel an meine Schulzeit denke, da fand ich ja jedes Referat vor 20 Menschen voll gruselig. Und wenn wir jetzt überlegen, dass wir jetzt irgendwie, weiß ich nicht, 1.000, 2.000 Follower irgendwo haben oder eine E-Mail-Liste von 1.000 Leuten oder ein Webinar halten vor 500 Leuten und dass es so selbstverständlich passieren muss, als wäre das gar nichts, das finde ich immer leicht befremdlich, weil wenn wir uns das vorstellen, wie das in der Realität wäre, vor so vielen Menschen zu sprechen, das wäre ganz schön gruselig. Also finde ich das irgendwie total wichtig, dass wir diesen Mut betonen, weil den haben ja nicht alle. Es fällt ja vielen Menschen schwer.
[Sonja] Ja, absolut. Ich finde, das ist ein super Punkt, den du da ergänzt, weil ganz viele so die Ansicht haben, wenn du es nicht siehst, dann ist es nicht da.
Also wenn du nicht den Raum mit tausend Leuten vor dir hast, dann brauchst du ja keine Angst haben. Aber natürlich sind da trotzdem Ohren, die dir zuhören, oder Augen, die dich sehen. Und natürlich darf das auch Mut kosten, sich da hinzustellen und zu sagen, das bin ich mit meinem Thema. Das hat man vielleicht noch nie gemacht. Vielleicht ist man einfach nicht der Typ Bühnenmensch, der das gegeben hat. Ja, völlig legitim.
[Alex] Und war das bei dir auch so, als du dich selbstständig gemacht hast, dass du da diesen Mut, dass der dir vielleicht gefehlt hat, dass du da irgendwie Schwierigkeiten hattest, rauszugehen mit deinem Thema?
[Sonja] Ja, total. Also ich habe mich ja ganz lange versteckt als Umsetzerin für meine Kundinnen. Ich bin ja in die Selbstständigkeit gestartet als freiberufliche Texterin und da war ich auch immer gut damit beschäftigt, halt meinen Kundinnen zu helfen, sichtbarer zu werden und musste dann selber gar nicht so wirklich in die Sichtbarkeit gehen.
Was mir halt geholfen hat, trotzdem Sichtbarkeit aufzubauen, war das Schreiben, also das Bloggen.
Hat dann eh ganz gut gepasst, weil ist ja auch mein Job, und ich habe dann angefangen zu bloggen und darüber eben Sichtbarkeit für mein Thema und auch für mein Business bekommen. Und dann konnte ich mich nach und nach an die anderen Sachen, wobei ich sagen muss, man muss auch nicht alles machen.
Also wenn man nicht Videos drehen will, muss man auch nicht unbedingt. Dann habe ich mich so herangetastet.
Aber ich weiß noch, als ich damals auf Instagram war, meine erste Instagram-Story, das war ja so ein aufgenommenes 10-Sekunden-Snippet. Also auch nicht live oder so. Ich saß da wirklich mit zitternden Knien. Was sage ich denn jetzt in diese Kamera? Und das hat mich sehr viel Mut gekostet.
Und ganz viele Dinge haben mich immer wieder Mut gekostet und kosten das heute auch immer noch. Also von daher, falls jemand denkt, oh, die reden da so selbstbewusst, ja, das tun wir, weil wir den Mut vielleicht aufgebracht haben an irgendeiner Stelle vorher.
[Alex] Ich finde es aber auch so persönlich gar nicht so leicht zu unterscheiden, weil wenn ich irgendwas von Bedeutung machen will, dann muss ich mich ja auch oft trauen. Aber gleichzeitig, wenn ich zu oft außerhalb meiner Komfortzone agiere und nie so eine Entspannung in mein Arbeitsleben reinbringe, dann macht mich das ja auch langfristig krank. Und erschöpft, also wie unterscheidest du das für dich, wo es sich vielleicht lohnt, mutig zu sein und wo du sagst, es passt nicht zu mir als Mensch? Finde ich eine ganz schwere Frage.
[Sonja] Ja, ich glaube, das ist auch eine mehrdimensionale Frage. Also das eine ist dieses, wie oft kann ich Mut aufbringen? Ich sehe das auch so, dass wir jetzt nicht unbedingt unsere Komfortzone dauernd springend verlassen müssen und nur noch außerhalb leben müssen.
Es gibt ja auch gute Dinge daran. Es gibt Entspannung. Wir brauchen Anspannung und Entspannung im Wechsel, weil, wie du sagst, ich glaube auch, dass wir ansonsten krank werden oder uns einfach das Leben sehr, sehr schwer machen.
Also das ist eins, dass ich versuche, darauf zu hören, ja, wie geht es mir denn gerade? Bin ich in einer Phase, wo ich wirklich so outgoing bin oder brauche ich gerade mehr die Arbeit im Rückzug, die Arbeit im Stillen?
Also ganz einfach ausgedrückt im Arbeitsalltag zum Beispiel: Ich habe nicht jeden Tag Calls beispielsweise, auch wenn es jetzt nicht ein direktes Nach-Außen-Gehen ist. Aber als introvertierter Mensch brauche ich Tage, an denen keiner was von mir will. Indem ich einfach hier arbeite und schreibe und meinen Content erstelle. Und dann kann ich auch wieder Calls im einfachsten Sinne, Interviews, Gastauftritte und so weiter haben. Also ich versuche das für mich gut zu verteilen, wobei meine Verteilung natürlich nicht für jeden passen muss. Das muss man, glaube ich, für sich rausfinden, was so wirklich die Balance ist, die man braucht. Und zu deiner Frage, ob es sich lohnt oder nicht.
Ja, oft weiß man es halt auch erst hinterher. Ich glaube, du hast mal den Vergleich gebracht mit dem Samen, den man sät. Also wenn man irgendwo hingeht, das ist wie ein kleiner Samen, den man sät und mal gucken, ob eine Pflanze draus wird oder nicht. Also ich entscheide nicht rein aus, lohnt sich das aus, sagen wir mal, Reichweitensicht, sondern es muss so ein Gesamtpaket sein. Sind es Menschen, mit denen ich mich gerne austauschen möchte? Passt das Business zu meinem Business und zu meiner Haltung? Also ich gehe zum Beispiel nicht gerne dann zu Veranstaltungen, wo ich sage, eigentlich stehe ich gar nicht hinter der Message, dann sage ich das lieber ab. Also ich glaube, das muss beides so dazu gehören.
[Alex] Nun gibt es ja auch Selbstständige und Online-Unternehmer*innen, die fühlen sich nicht nur so unwohl, sondern sie haben sogar richtig Angst, rauszugehen, Angst vor der Sichtbarkeit.
Und bevor wir jetzt gleich auf deinen Sichtbarkeitsmut kommen, was glaubst du denn zunächst, was sind die Gründe für diese Angst?
[Sonja] Also ich glaube, im Einzelfall sind die natürlich sehr unterschiedlich. Kann man jetzt nicht sagen, Angst vor Sichtbarkeit, das ist X.
Aber es gibt schon Ängste, die ich immer wieder mal höre. Also die häufigsten sind, würde ich sagen, die Angst vor Ablehnung. Was, wenn das, was ich da rausgebe an Content, nicht bei jedem gut ankommt? Die Angst davor, nicht gut genug zu sein. Also, dass man irgendwas vergessen haben könnte in seinen Inhalten.
Wir haben vorhin, vielleicht darf ich das hier reinbringen, im Vorgespräch kurz darüber gesprochen, dass ich ganz oft das Gefühl habe nach Interviews, ah Mensch, den einen wichtigen Punkt, den wollte ich noch ergänzen. Und da haben wir über den Mut des Unvollständigen, ich weiß leider nicht mehr den Wortlaut, gesprochen.
Diese Angst ist ganz präsent bei vielen Selbstständigen, dieses, ist das denn gut genug, habe ich an alles gedacht, was, wenn andere Expertinnen das, was ich da mache, sehen und die wüssten es besser. Super präsente Angst.
Die Angst davor, was andere sagen könnten. Ich glaube, die korreliert ganz eng mit dieser Angst vor Ablehnung. Das ist auch sehr präsent. Was sagen denn die Nachbarn, wenn ich da plötzlich bei so einem Online-Kongress bin? Oder wenn ich hier anfange, über mein Thema zu bloggen? Dann lesen die vielleicht noch mit. Und das ist, glaube ich, auch eine sehr präsente Angst.
Lass mich mal nachdenken, was noch oft gesagt wird als Angst.
Ach, eine häufige Angst ist noch die Angst zu nerven. Das ist vielleicht sogar mit der Angst vor Ablehnung die häufigste Angst.
Ich kann ja nicht die ganze Zeit rausgehen mit meinen Inhalten. Das nervt doch total. Ich kann ja nicht ständig über mein Angebot sprechen.
Das ist auch super präsent. Und vielleicht noch einen Satz zu dieser Angst vor Ablehnung. Das ist übrigens auch was, was ich beobachte, warum viele Menschen am Anfang erstmal Social Media bevorzugen in ihrem Marketing, weil dieses Like so ein Gefühl von Bestätigung gibt, so ein Gefühl von, ja, du darfst das, du machst das gut.
Und wenn wir bloggen, gibt es eher seltener Kommentare und wenn wir andere Dinge machen, kommt vielleicht erst mal gar nichts zurück. Und es ist aber eine trügerische Bestätigung, weil letztlich müssen wir uns immer bewusst machen, was haben wir zu sagen, wem wollen wir das sagen. Dass wir mit der ganzen Welt sprechen, ist ja sowieso nie der Fall. Ja, aber da sind wir schon in Richtung, was kann man denn tun.
[Alex] Ja genau, aber lass uns doch drüber sprechen. Also was kann man jetzt gegen diese Angst tun? Und vielleicht noch eine Frage, ich weiß nicht, ob du die beantworten kannst oder willst. Wo siehst du da für dich auch die Grenze zur psychologischen Beratung zum Beispiel? Weil … ich könnte mir vorstellen, klar gibt es so viele Ängste, da kann man vielleicht mit ein paar guten Worten und ein bisschen Übung diese Ängste auch überwinden, aber gibt es nicht vielleicht auch eine Grenze, wo ich sage, da steckt vielleicht auch wirklich was Ernsthaftes dahinter und eigentlich als Marketingcoachin oder Beraterin kann ich da eigentlich gar nicht so richtig ran. Hast du diese Erfahrung schon mal gemacht?
[Sonja] Also die Erfahrung gemacht, nicht direkt würde ich sagen, aber es gibt schon so Themen, wo ich mich in der Verantwortung sehe, darauf hinzuweisen, dass ich natürlich keine Therapeutin bin.
Also das gehört einfach zum verantwortungsvollen Umgang dazu, wenn wir das Wort Angst in den Mund nehmen und irgendwie ein Gegengewicht setzen wollen.
Also da geht es jetzt wirklich nicht um Themen wie, vielleicht ein Beispiel, was mal aufgekommen ist, ich weiß nicht, ob es exakt dieser Fall war, aber so in die Richtung höre ich das immer wieder mal.
Ich habe Angst davor zu schreiben, weil ich früher in meiner Kindheit dann ganz stark gemobbt wurde oder weil ich traumatische Erlebnisse hatte oder ähnliches.
Natürlich kann ich dann nicht sagen, du zünd dir eine Kerze an, dann klappt das Schreiben besser. Das ist ja absolut unverantwortlich und das mache ich dann auch nicht.
Also es geht wirklich darum, Menschen weiterzuhelfen, die sagen, ja, ich kann mir das vorstellen, aber mir fehlt so der letzte Mut, das zu veröffentlichen. Ich weiche immer wieder zurück und die vor allem auch sagen, ich mache es mir so unnötig schwer und verlangsame halt auch meine Effekte, die ich mir durch das Marketing erhoffe, weil ich für jeden Blogartikel sechs Wochen grüble, ob ich den jetzt online stellen kann. Also es geht natürlich nicht um tiefsitzende Traumata oder ähnliches, da sind sie bei Therapeutinnen deutlich besser aufgehoben.
[Alex] Okay, und was können wir jetzt aber mit den Menschen, denen dieses letzte bisschen Mut fehlt, dann machen? Also was für Tipps gibst du ihnen? Wie arbeitest du mit ihnen zusammen?
[Sonja] Ja, also es können ganz unterschiedliche Dinge sein. Ich gebe einfach mal so ein paar Dinge mit, die aus meiner Erfahrung schon geholfen haben.
Also das eine, was ich bei fast jedem wichtig finde und was auch sehr häufig hilft, ist, sich den Wert der eigenen Arbeit bewusst zu machen. Weil diese Gefühle von, ich nerve oder ich kann ja nicht schon wieder über mein Angebot sprechen oder was, wenn ich dafür abgelehnt werde, die kommen manchmal daher, dass wir selbst nicht so richtig überzeugt sind davon, dass wir etwas Gutes anbieten.
Dass wir also sogar am Angebot schon zweifeln, nicht nur an der Kommunikation, dass es dieses Angebot gibt. Also sich einmal bewusst machen, warum ist dieses Angebot, was ich hier habe, wertvoll?
Gibt es vielleicht Menschen, die schon einmal eine gute Erfahrung mit meiner Arbeit gemacht haben? Kann ich mir das ins Bewusstsein rufen, was diesen Menschen weitergeholfen hat? Also dieses, ich habe da etwas Gutes, das drückt dieses Ganze, ich nerve damit schon mal ein ganzes Stück runter, macht es ein ganzes Stück leiser. Das hilft sehr, sehr vielen Menschen, wobei natürlich dann die nächste Hürde kommen kann. Man sagt, mein Angebot ist gar nicht gut genug.
Kann sein, dass es sich dann wieder weiterdreht. Aber wenn man merkt, ich will gar nicht drüber sprechen, schau mal, was ist denn das, was du anbietest? Was ist denn das Gute daran? Was sagen denn andere Leute darüber, dass sie damit endlich sich getraut haben, etwas zu machen, oder dass sie da endlich ein Thema verstanden haben oder was auch immer. Also so ein bisschen aus unserer eigenen Wahrnehmung rausgehen und mal schauen, wo hat das denn schon mal was Gutes bewirkt und könnte es das vielleicht auch nochmal tun?
Also ganz viele Möglichkeiten, was man noch tun kann, je nachdem, wo halt so die Angst sitzt.
Was super simpel klingt, aber tatsächlich für viele sehr erleichternd ist, ist sich bewusst zu machen, dass wir gerade online ja auch jederzeit alles ändern können. Also dieses, oh, ich kann meinen Blogartikel noch nicht online stellen, weil der Anspruch ist ja dann gleich, einen riesengroßen, mega Fachartikel, das Standardwerk online quasi zu erschaffen.
Und was, wenn den anderen Expert*innen sehen und sagen, da hat sie aber Punkt so und so vergessen, der ist doch super wichtig.
Ja, da können wir den einfach erweitern. Wir können jetzt fünf Punkte veröffentlichen zu einer bestimmten Sache und später sind es neun, weil uns noch vier eingefallen sind.
Klingt super simpel, ist aber echt ein Unterschied zu zum Beispiel so einem Buch. Du hast ja gerade ein ganz tolles Buch veröffentlicht.
Ich kann mir vorstellen, dass es da ein bisschen kniffliger ist, zu sagen, jetzt ist wirklich alles drin. Online tun wir uns da doch recht leicht. Den Blog können wir überarbeiten und können da jederzeit noch was ergänzen.
Und was ich ansonsten noch hilfreich finde, ist, sich die Angst im Speziellen mal anzugucken und so einen Perspektivwechsel zu machen.
Also die Angst, abgelehnt zu werden. Das ist häufig eine, die entsteht, weil man eben nicht alle gleichermaßen ansprechen kann. Aber im Marketing haben wir ja auch eine Zielgruppe. Wir haben eine bestimmte Gruppe an Menschen, die wir ansprechen. Und aus der Angst, irgendjemanden abzulehnen oder von dem nicht so gemocht zu werden für dieses Thema, könnten wir auch die Freude machen, die Richtigen zu erreichen.
Wir könnten für uns angucken, ja okay, für den einen ist es nichts, das ist aber bewusst so, damit der andere erkennt, ach, das ist für mich. Und so kann man das mit den meisten dieser Ängste, über die wir gerade gesprochen haben, machen.
[Alex] Superwichtige Punkte. Was ich vielleicht noch ergänzen kann, ist, was mir immer sehr hilft, ist die Frage nach der Verantwortung.
Also was ist meine Verantwortung überhaupt?
Meine Verantwortung ist es, Texte zu schreiben, hinter denen ich stehe, so nach bestem Wissen und Gewissen. Aber meine Verantwortung ist nicht, dass Menschen für sich organisieren, wem sie folgen und von was sie hören und was sie abonnieren und welche Newsletter sie lesen.
Das ist einfach nicht mein Bier. So. Und deswegen lasse ich die Verantwortung bei denen und denke, okay, wenn jemand das nicht braucht, was ich sage, dann ist es ja seine Verantwortung zu sagen, okay, ich melde mich wieder vom Newsletter ab oder ich lese diesen Blog nicht mehr und was auch immer.
Also ich habe tatsächlich auch einige Reaktionen, die sind nicht sehr freundlich, aber trotzdem versuche ich dann immer, diese Verantwortung bei den anderen Menschen zu lassen und zu sagen, das ist einfach nicht mein Zeug, damit muss ich mich nicht beschäftigen.
[Sonja] Super wichtiger Punkt. Ja, danke, dass du es ergänzt.
Ich muss da gleich an eine Rückmeldung denken, die ich mal auf einen Newsletter bekommen habe. Ich gendere ja in meinen Newslettern. Also ich sage dann zum Beispiel Kund*innen oder schreibe das dementsprechend.
Und da hat sich jemand abgemeldet mit einer wirklich ganz erbosten Rückmeldung. Das würde die Sprache komplett verhunzen. Man versteht überhaupt nicht mehr, was ich sagen möchte. Und sie ist nicht bereit, sich vorschreiben zu lassen, wie sie zu sprechen hat.
Das habe ich ja gar nicht getan zum einen und zum anderen trifft das, glaube ich, ganz gut das, was du meinst mit dieser Verantwortung.
Wir geben etwas raus und die Leute entscheiden, ist es generell was für mich oder nicht? Ist es jetzt gerade was für mich oder nicht?
Und was auch helfen kann, ist, die Dinge nicht persönlich zu nehmen. Also es ist schwer, weil wir ja auch als Solo-Selbstständige, wir stehen mit unserem Gesicht, mit unserem Namen für dieses Business. Wir sind jetzt nicht ein kleines Rädchen in einem Riesenunternehmen, sondern wir sind das gewissermaßen ja auch. Aber gewissermaßen auch nicht.
Wir sind auch ein Mensch losgelöst von diesem Business. Und eine Rückmeldung in Form von, ich melde mich ab, die heißt ja nicht, du bist doof, sondern mich interessiert das vielleicht gerade nicht. Ich habe gerade eine andere Priorität. Oh, ich habe so viele Newsletter oder was auch immer.
Das nicht persönlich zu nehmen, wenn man das schafft, das kann das Leben enorm leicht machen.
Weil ich tatsächlich viele Kundinnen erlebe, die sagen, ich traue mich gar nicht, ein Newsletter zu schicken, weil ich schon weiß, dann melden sich wieder so und so viele ab und dann schrumpft meine Liste.
Und ja, aber das ändert ja nichts dran. Wenn jemand nichts von dir lesen möchte, dann hilft es auch nicht, wenn du ihm nichts schreibst, er will ja trotzdem nichts von dir lesen.
Sich darauf zu fokussieren, die Richtigen zu erreichen und das als Service zu sehen, mit denen zu sprechen, die zu erinnern, hey, ich habe hier was im Angebot, ich habe hier was veröffentlicht, was für dich hilfreich sein könnte, das kann sehr weiterhelfen, ja.
Wie kann Marketing für leisere Menschen aussehen?
[Alex] Nun lass uns doch mal ein bisschen konkreter werden, was das Marketing für leisere Menschen angeht.
Für dich, du hast es, glaube ich, schon ein paar Mal erwähnt, spielen Texte eine entscheidende Rolle. Und da sind wir natürlich als erstes bei der Website. Und meine erste Frage dazu ist, es heißt ja immer, dass wir uns in den Website-Texten persönlich und authentisch zeigen sollen. Das ist ja auch das A in deinem Prinzip.
[Sonja] Ja, richtig.
[Alex] Also ich glaube, mir geht es so und ich glaube, vielen anderen leiseren Menschen geht es auch so, dass sie sich zwar persönlich zeigen wollen, aber eben auch gewisse Grenzen wahren wollen und nicht ihr ganzes Privatleben ausplaudern wollen.
Das war auch einer der Gründe, warum ich dann von Instagram zum Beispiel weg bin. Also wie gelingt da dieser Mix, dieser Spagat, also dieser Widerspruch auch irgendwie? Einerseits persönlich zeigen in meinen Texten und andererseits die Grenzen zu wahren.
[Sonja] Ja, ich glaube, das Wesentliche ist, eine Unterscheidung zu treffen zwischen persönlich und privat, weil wir haben keine Pflicht, irgendeinen Seelenstriptease auf unserer Über-Mich-Seite hinzulegen.
Wir müssen nicht unser Privatestes, unser Innerstes nach außen tragen. Das geht ja auch einfach niemandem was an, wenn wir da in einem Business-Kontext unterwegs sind. Das können wir in einem anderen Kontext dann regeln. Wir können trotzdem aber eine Nahbarkeit erzeugen und das ist ja was, was auf der Website, insbesondere auf der Über-Mich-Seite schon auch wichtig ist.
Wenn Menschen starten mit ihrer eigenen Website, dann ist so eine Über-Mich-Seite oftmals sehr professionell in Anführungsstrichen oder das, was man für professionell hält.
Also die ist sehr glatt, die ist sehr formell, die ist sehr rein aufs Thema bezogen, aber in einer Online-Welt, die auch immer voller wird und in der das Angebot auch nicht alleinstehend ist, sondern viele Menschen ein Angebot haben, brauchen wir ja irgendeine Art von Unterscheidbarkeit. Und die geht meistens dann nicht mehr so sehr über das Thema alleine. Ist auch gut, wenn wir nicht alleine ein Thema bedienen, heißt, das Thema wird auch nachgefragt, sondern auch über uns persönlich.
Und ich finde auch, setzt eure Grenzen, wo ihr sie setzen möchtet. Ich habe zum Beispiel eine Grenze, dass man weiß, dass ich Kinder habe, aber sonst weiß man da eigentlich nichts. Es gibt keine Fotos von diesen Kindern.
Ich sage nicht, wer ihre Freundinnen sind oder was die jetzt gerade in der Schule machen oder so. Also, das ist zum Beispiel eine Grenze, die ich gesetzt habe.
Welche Möglichkeiten haben wir trotzdem, Persönlichkeit rüberzubringen? Wir können darüber sprechen, was uns bewegt, was wir an unserem Thema besonders wissens- oder beachtenswert finden.
Wir können eine bestimmte Spezialisierung wählen, auch die zeigt Persönlichkeit. Wenn ich sage, ich möchte Marketing ohne Marktgeschrei, dann sagt das auch etwas über mich als Person aus.
Wir können über unsere Werte sprechen. Ich empfehle zum Beispiel meinen Kundinnen immer mal einen Blogartikel über die eigenen Werte und was die fürs Business bedeuten zu schreiben.
Ist super persönlich, muss aber gar nicht privat sein, denn wenn ich zum Beispiel sage, ein wichtiger Wert von mir ist Ehrlichkeit und das bedeutet, dass ich dir sage, Marketing braucht Zeit und eben nicht irgendwas verkaufe und hoffe, ach, du bezahlst das und dann merkst du hinterher, dass es Zeit braucht. Nein, wenn ich Ehrlichkeit als Wert habe, fülle ich das so mit Leben. Und das sagt auch was über mich als Person aus, ohne dass ich erzählt habe, was es heute zum Mittagessen gab oder so.
[Alex] Das ist wirklich ein guter Punkt. Und ich glaube auch, dass gerade diese Werte, dass die sich auch in unseren Handlungen dann auch fortsetzen sollten.
Also so ein Blogartikel ist dann zwar schon gut, aber wir werden ja auch persönlich, indem wir mit Menschen genauso umgehen in unseren Gesprächen zum Beispiel oder wenn wir mit Menschen schreiben.
Also ich glaube, wenn es so stimmig ist, wie wir uns nach außen geben, wenn das, was wir sagen, und das, was wir tun, wenn das im Einklang ist, dann glaube ich, ist es auch super, um sich persönlich und authentisch zu zeigen, wenn es da keinen Widerspruch gibt.
[Sonja] Auf jeden Fall. Ich glaube, das ist sowieso generell wichtig, weil wenn wir irgendein, ich sag mal, aufgesetztes Marketing betreiben, weil wir denken, das müssten wir, irgendwann bricht dieses Kartenhaus ja zusammen, weil es irgendwo an unsere Integrität geht oder an irgendwas und es nicht mehr stimmig wird.
Also von daher ist es ganz klug von Anfang an, ich sag mal, sich auch so zu präsentieren und auch kontinuierlich durchzusetzen.
Es wird aber leichter, wenn man eben einfach so ist, weil es dann ein stimmiges Gesamtbild gibt.
[Alex] Gerade Verkaufen fällt ja auch leiseren Menschen oft schwer, und du hilfst ja auch dabei, ohne Marktgeschrei sichtbar zu werden. Ich glaube, das ist das, was viele auch mit Verkaufen verbinden, also dass wir uns irgendwo hinstellen und sagen, kauf das, kauf das, hier bin ich und so, und so ist es ja für dich nicht. Wie können denn jetzt leisere Menschen über ihre Angebote sprechen, ohne sich Marktgeschrei und sowas zu bedienen? Hast du da einige Tipps?
[Sonja] Ja, sehr gerne. Also zunächst möchte ich kurz ergänzen, dass ich jetzt Marktschreier per se auch nicht schlechtreden möchte. Wenn jemand so voll aus sich heraus einfach so ein Typ ist, der sagt, here I am, look at me und meine Ansichten und so, okay, dann soll er das machen.
Was vielen Menschen dabei schwerfällt, ist dieses, ich dauerbeschalle die ganze Zeit und ich hoffe, dass irgendjemand darauf anspringt und reagiert. Und was helfen kann, ist einfach das Prinzip umzukehren, weg von einem, ich haue so viel an Message raus, bis jemand reagiert, hin zu einem, ich biete etwas Interessantes an, wonach die Leute sowieso suchen.
Also das ist ja das ganze Prinzip von Content-Marketing, wo wir ja unterwegs sind. Wir erschaffen Inhalte, die für Leute interessant und relevant sind, damit sie zu uns finden und nicht damit wir ihnen nachrennen müssen. Das ist das Grundprinzip, was ich empfehle.
Das macht es schon deutlich ruhiger, deutlich entspannter. Aber es braucht natürlich auch eine gewisse Zeit, bis eine Reaktion kommt, weil wir erstmal auf die Leute warten, die danach gerade suchen. Nicht jeder sucht zu jedem Zeitpunkt genau das, was wir haben und so weiter. Also es braucht einen längeren Atem und es braucht auch Inhalte, die an verschiedenen Stationen ansetzen.
Also wenn wir zum Beispiel über die Kundenreise sprechen, die Menschen eben durchlaufen, bis sie bei uns kaufen, dann kann die sehr kurz sein. Im Fall des Marktschreiers, ich laufe da entlang, der brüllt mich an, ich kaufe, Kundenreise abgeschlossen.
Sie kann aber auch ein bisschen länger sein und das ist bei Content-Marketing, das es ruhiger angeht, in der Regel der Fall.
Jemand sucht zum Thema, wie schreibe ich eine Über-mich-Seite, kommt in meinen Blog, liest es, findet es hilfreich, geht wieder weg. Nichts passiert gefühlt, kommt nochmal zurück, weil der Blog hilfreich war oder hat sich in den Newsletter eingetragen und liest dann von mir, ach, da gibt es einen Kurs, mit dem du deine Website-Texte schreiben kannst. Und dann kauft er möglicherweise im zweiten, im dritten, im vierten, im zwanzigsten Schritt.
Diese Schritte werden tatsächlich im Moment auch immer mehr. Wir hatten vorhin ja schon mal darüber gesprochen, dass Menschen kritischer sind und länger Zeit brauchen. Und ich glaube, gewissermaßen liegt da auch ein großer Teil von verbrannter Erde vor im Onlinebusiness, dass einfach online so extrem viel, vielleicht nicht immer qualitativ Hochwertiges, verkauft wurde, dass die Leute einfach doppelt und dreifach hinterfragen, ist das denn jetzt wirklich vertrauenswürdig?
Aber das ist so das Prinzip. Erschaffe Inhalte, die relevant sind für die Menschen, die du erreichen möchtest. Denk an die verschiedenen Stufen der Kundenreise. Das Erste ist, dass sie dich erstmal bemerken müssen, dass sie irgendeine Form von Aufmerksamkeit für ein Thema haben, was du hast.
Es geht meistens dann über solche inhaltlichen Dinge, Fragen, die sich die Leute stellen. Dann gehört dazu, Vertrauen aufzubauen. Da haben wir über Persönlichkeit vorhin gesprochen.
Es gehört dazu, die Kaufbedenken der Menschen abzubauen und im besten Falle ohne, wenn du es willst, dann kaufst du wirklich, sondern auf empathische Art und Weise, indem wir Argumente zum Beispiel haben, inhaltliche Argumente.
Und dann geht es letztlich ums Verkaufen und das ist das, wo wir eigentlich gerade herkamen. Klar, wir dürfen auch direkt über unser Angebot sprechen. Wir dürfen auch direkt sagen, das biete ich gerade an und nicht immer verklausuliert, weil sonst wird es ja auch gar nicht verstanden. Aber wenn wir so einen Prozess aufbauen, dann können wir sehr gut und sehr angenehm verkaufen.
[Alex] Was ist so deine Erfahrung nach eine Plattform oder generell Marketingstrategien, mit denen leisere Menschen zurechtkommen?
Ich meine, klar, alle sind individuell, aber hast du so Erfahrungen, wo du sagen könntest, zum Beispiel ein Blog oder so, das ist das, was vielen liegt, die ein bisschen zurückhaltender sind? Gibt es da noch andere vielleicht?
[Sonja] Ja, ich bin natürlich jetzt nicht unvoreingenommen, weil ich finde Blogs einfach großartig. Und ich mache tatsächlich auch die Erfahrung, dass das vielen Leuten leichter fällt, zumindest dann, wenn Sie die Angst ablegen, dass ihre Texte nicht gut genug sind.
Das ist so eine Hürde, die man haben kann, aber es ist sehr niedrigschwellig. Es fällt leiseren Menschen oft leichter, weil sie da keine Bühnenpräsenz brauchen. Sie müssen nicht im Video erscheinen, sondern sie haben auch Zeit, diese Texte zu schreiben, wie es beispielsweise in einem Blog ist.
Das kann auch Social Media sein, also da kann man ja auch schreiben, wobei man da sagen muss, je nachdem, wie der Trend gerade ist, werden die einen oder anderen Formate ein bisschen besser gepusht und rein mit Text ist es vielleicht manchmal schwierig.
Es kann natürlich auch sprechen sein, wenn man sagt, ich mag nur nicht, wenn mir jemand zusieht, aber zuhören ist okay, dann kann es zum Beispiel auch ein Podcast sein oder bloggen heißt ja nicht nur, dass man für sich bloggt, sondern man kann auch Gastartikel bei anderen Blogs platzieren und so eine Art Kooperation haben.
Du bloggst bei jemand anderem, der eine ähnliche Zielgruppe hat, derjenige bloggt vielleicht mal bei dir oder Podcast-Interviews, da geht es ja genauso. Gibt schon viele verschiedene Möglichkeiten.
Ich glaube, gerade bei leiseren Menschen ist das Wichtige, mich gucken nicht so viele sofort an und ich muss nicht so on point präsent sein, sondern ich kann mich da auch rantasten.
[Alex] Also es geht auch darum, und das ist ja auch das, was ich dann im Buch so, wo ich drauf rumreite, dass wir quasi auch die eigenen Stärken verstehen und wissen, was können wir denn richtig gut, wo fühlen wir uns wohl.
Ich meine, klar ist es so, dass wir auch bei dem, was wir gut können, auch immer lernen können und es ist uns oft nicht leicht fällt, das zu machen, aber langfristig laugt uns das vielleicht nicht so aus.
Und ich habe so die Beobachtung gemacht, dass gerade so leisere Menschen auch gerne eher schreibend so im Hintergrund tätig sind. Also, genau, Blog, Website, Newsletter vielleicht könnten da die richtigen Striche bringen.
[Sonja] Ja, Newsletter. Genau. Ja, vergessen.
[Alex] Du hast ja auch ein Newsletter?
[Sonja] Ich habe auch ein Newsletter. Genau. Ich wollte noch irgendwas ergänzen dazu. Sekunde, vielleicht habe ich es gleich wieder.
Ach ja, man kann diesen Content aber ja auch verbinden. Also wenn du sagst, unsere Stärken bewusst werden, finde ich super wichtig und wenn wir merken, ja, mir fällt es im ersten Moment leichter, darüber zu schreiben, dann kann ich schreiben und kann aus diesem Blogartikel beispielsweise ja auch noch anderen Content machen, wenn ich eben verschiedene Kanäle, Formate bedienen möchte.
Und ich habe es auch manchmal, dass Leute denken, ja, mein Text ist nicht gut genug oder irgendwelche Erwartungshaltungen an einen guten Text, was ich ganz häufig höre, ist zum Beispiel, Bloggen geht ja nicht unter tausend Wörtern.
Geht schon, also es gibt da jetzt keine Blogpolizei, die kommt und sagt, da fehlen jetzt drei Wörter, das können wir nicht online stellen. Aber dass sie sich dann ausbremsen, weil sie an die Struktur eines Artikels so große Bedingungen quasi geknüpft haben und ihnen fällt es leichter zu sprechen, dann können die auch erst mal was aufsprechen. Man kann sich auch einen Blogartikel diktieren und trotzdem als Blog veröffentlichen.
Also ich glaube, man muss so ein bisschen rausfinden, was liegt mir, was senkt die Hürde, dass ich wirklich rausgehe, weil das ist einfach so elementar wichtig, dass etwas online geht von unseren Inhalten, so weit herunter, dass ich mich regelmäßig traue, Und dann finde ich tatsächlich, es ist jetzt kein Riesengeheimnis, aber die Praxis hilft auch enorm.
Also, man wird einfach besser, wenn man öfter schreibt und wenn man das etabliert als Routine. Und der erste Blogartikel ist schwieriger als der zwanzigste.
Marketing muss realistisch sein
[Alex] Und ich finde auch noch, was hilft, ist eine Portion Realismus.
Also klar kann ich …, du hattest dieses Beispiel, 100 Tage lang einmal live gehen oder so. Das ist für mich komplett unrealistisch.
Also ich wüsste wahrscheinlich schon, dass ich nach dem dritten Tag keine Kraft mehr dazu hätte. Insofern einfach zu fragen, was kann ich auch über eine längere Zeit realistisch durchhalten?
Also zum Beispiel ein, zwei Blogartikel im Monat ist für die meisten, würde ich sagen, sehr realistisch.
Ja, also vielleicht gibt es Leute, die sagen, ich kann auch viermal oder fünfmal im Monat bloggen, aber so ein, zwei im Monat, das halte ich persönlich jetzt schon wie lange, ich weiß nicht, acht, neun Jahre durch. Es ist also wirklich ein gutes Tempo und ich glaube, dieser Realismus ist auch voll wichtig.
Ist das ein bisschen unsexy, ja, aber wir müssen Marketing ja uns nicht nur schön in der Theorie denken, sondern ja auch letzten Endes machen.
Und ja, deswegen bin ich großer Fan davon, realistisch auch zu denken.
[Sonja] Absolut, ja. Und vielleicht auch noch so ein bisschen Regelmäßigkeit. Das ist auch sowas, was mit ganz vielen Hürden verbunden ist, bedeutet nicht exakt immer Montagmorgen geht ein Blogartikel online. Du kannst es auch für dich definieren. Du kannst zum Beispiel sagen, ich mache zwei Blogartikel im Monat und der eine kommt mal Montag, der andere kommt Mittwoch oder in dem einen Monat war es dann doch nur einer, im nächsten waren es drei. Aufs gesamte Jahr gesehen war es dann doch wieder das, was ich vorhatte.
Also da nicht ganz so streng mit sich zu sein, aber schon auch ein Fundament zu legen, das man eben auch durchziehen kann.
[Alex] Ja, ich nenne das immer Freiheit in meiner Struktur. Also ich habe eine Struktur, wo ich immer weiß, das und das.
Aber dazwischen bewege ich mich frei. Und wie du sagst, wenn es mal diesen Monat nichts wird, dann mache ich es halt nächsten Monat doppelt oder so. Also genau.
Was ich auch oft beobachte, ist dieser Gedanke, ach, es gibt schon so viele Blogs zu meinem Thema. Lohnt es sich da überhaupt für mich, noch einen anderen Blog zu starten? Wie siehst du das?
[Sonja] Ja, ich glaube, das gehört so zu den Top-Ten-Sätzen. Das gibt doch schon so viel. Und es ist ja tatsächlich so. Also, wenn wir jetzt unseren Themenbereich einfach mal googeln oder das Thema, über das wir schreiben wollen, und da sind da ein paar Millionen Treffer, naja, ermutigend ist es erstmal nicht.
Aber was helfen kann, ist zum einen die Erkenntnis, wenn ein Thema schon bespielt wird, dann ist es auch ein wichtiges Thema.
Also wir brauchen gar nicht so sehr die Einzigartigkeit in unseren Inhalten.
Wir brauchen natürlich Unterscheidbarkeit, aber jetzt auf das reine Thema bezogen, brauchen wir keine Weltsensation, ein nie dagewesenes Thema, weil möglicherweise sucht dann auch gar keiner danach. Das ist das eine. Also ja, natürlich, wenn es schon Inhalte gibt, dann heißt es nur, dass es da auch Interesse, dass es da auch einen Markt gibt. Und das andere, was ich aber tatsächlich wichtig finde, je voller es wird, das ist auch wichtig, aber was ich wichtig finde beim Umsetzen dann.
Je mehr Artikel schon da sind, umso wichtiger wird, dass unsere gut sind.
Also, dass wir auch ihnen etwas reingeben, was für uns wichtig ist. Dass wir ihnen eine persönliche Note geben. Dass wir uns vielleicht nicht nur als Infotankstelle sehen, sondern auch als Mensch, der da eine Meinung dazu hat. Das geht auch bei fachlichen Artikeln.
Aber auf jeden Fall bloggen, wenn es ein Thema gibt, Weil es gibt ja auch nicht nur einen Kunden oder eine Kundin und einen Anbieter, sondern es gibt extrem viele potenzielle Kundinnen in einem Bereich.
Vielleicht haben die noch nicht die richtige Person gefunden, auch wenn es schon Inhalte gibt. Vielleicht wärst du die richtige Person für die. Also von daher bitte nicht aufhalten lassen davon.
[Alex] Bei mir ist es auch so, wenn ich mich für ein Thema interessiere, dann kann ich auch nicht genug von diesem Thema kriegen. Also dann sage ich nicht, oh, ein weiterer Blog über weiß ich nicht was. Nee, das ist jetzt zu viel, sondern denke, oh ja, noch mehr dazu. Also ich freue mich ja, oder bei Büchern ist es ja auch so, wenn ich einen bestimmten Typ von Roman gerne lese, dann denke ich ja nicht bei der neuen Autorin, oh ne, die lese ich jetzt nicht, ich habe schon drei andere. Also dann denke ich, ja, noch mehr, noch mehr, ja. Also ich glaube, wenn man ein Thema mag, dann will man ja mehr dazu lesen und hören.
Und insofern ist das eigentlich ein gutes Zeichen, finde ich.
[Sonja] Ja, total. Das ist ein richtig cooler Aspekt. Den nehme ich mir mit, wenn ich darf.
Wie wird KI das Marketing verändern?
[Alex] Sehr gerne.
[Sonja] Genau, und man weiß ja nicht, wer dann die richtige Person am Ende ist für eine Zusammenarbeit, aber genau, es gibt nicht nur eine Info, sondern man darf auch mehrere annehmen.
[Alex] Du hast jetzt auch schon einen anderen wichtigen Punkt angesprochen, und zwar das Thema Qualität. Und da würde ich jetzt mal nahtlos überleiten zum Thema KI, weil ich denke mal, dass KI so ein bisschen auch Online-Texte und Online-Marketing verändert hat, so in den letzten Monaten und letzten Jahr. Was ist da so deine Beobachtung und was ist da deine Position? Wie empfindest du das Bloggen und was wird für die Zukunft wichtig sein aus deiner Sicht?
[Sonja] Ja, also ich glaube, das verändert sogar ganz schön viel, auch wenn es vielleicht noch nicht bei jedem in der Praxis so angekommen ist.
Ich glaube, es gibt Chancen und es gibt auch Dinge, die wir uns einfach jetzt bewusster machen dürfen. Also eine Chance zum Beispiel ist, dass wenn wir KI nutzen, wir leichter Texte erstellen können, wenn uns das bisher vielleicht schwer gefallen ist.
Also wenn wir uns zum Beispiel schwer damit tun, uns genau in die Zielgruppe einzudenken. Ich meine, direkter Kontakt ist aus meiner Sicht immer noch der beste und der echteste, aber auch da kann zum Beispiel die KI helfen, unsere Recherchen zu vervollständigen, uns vielleicht bei der Struktur zu helfen, das, was ich vorhin ja als Hindernis angesehen habe, was viele Leute ausbremst, ja, wie genau wird denn das und wie lang soll das werden und wo mache ich eine Überschrift? Da kann so ein Tool schon mal helfen und uns so einen Startpunkt geben.
Was, glaube ich, immer wichtiger wird, ist aber auch, durch diese Tools entsteht jetzt extrem viel Content. Also diese Masse an Inhalten, die wird noch unübersichtlicher und umso wichtiger ist es, dass unsere Texte eben trotzdem auf eine Art und Weise herausstechen. Ich glaube, ein wichtiger Punkt gerade beim Thema Bloggen wird sein, dass wir nicht nur Information brauchen, sondern Information plus X. Also Information plus eine persönliche Haltung dazu. Information plus einen Punkt, den wir ganz persönlich ergänzen oder den wir besonders wichtig finden, der nicht überall schon steht und dann so zusammengesetzt wird aus bestehenden Informationen.
Dass wir uns auch als, wenn wir jetzt Solo-Selbstständige sind, auch als Personenmarke, heißt nicht, dass wir alles teilen müssen, aber dass wir so als greifbare Personen präsent werden.
Das ist etwas, was die KI für mich noch vielleicht auch nicht so ersetzen kann, dass wir eben Menschen sind, dass wir die Fähigkeit haben zu empfinden, dass wir die Fähigkeit haben, Empathie zu äußern. Also tatsächlich spürbare Empathie und nicht aus Inhalten zusammengesetzte theoretische Empathie.
Ich glaube, das wird ganz wichtig, dass wir uns wirklich bewusst machen, es geht nicht darum, dass ich den hundertsten Artikel dazu schreibe, welche Bestandteile kann eine Website haben, sondern dass ich da diesen Plus-X-Faktor noch reinbringe.
[Alex] Und Plus-X, also finde ich ganz toll, ist Meinung, Haltung. Es kann aber auch so etwas sein wie ein eigener Schreibstil, finde ich, oder Humor zum Beispiel.
Also KI kann, finde ich, Humor gar nicht. Und also irgendwie vom Schreiben sich auch abheben, von dem, wie alle anderen schreiben.
Das finde ich persönlich auch ganz gut, wenn ich andere Texte lese, wo ich denke, okay, hier höre ich jemanden in seiner oder in ihrer Stimme sprechen. Das mag ich persönlich sehr.
[Sonja] Das stimmt. Das kann tatsächlich ein wichtiger Faktor sein. Ich muss jetzt an eine Kundin denken, die neulich zu mir meinte, als wir uns getroffen haben, ich habe den Newsletter gelesen und es ist, als würdest du vor mir sitzen, weil er eben nach dir klingt.
Und das stärkt natürlich auch diese vertraute Basis. Also ob wir mit KI jemals so best friend mäßig oder irgendwie eine emotionale Bindung haben werden, stelle ich mal in Frage. Aber ja, ich glaube, da liegen ganz große Chancen, dass wir das unserem Content uns auch zu eigen machen und uns auch trauen, ihm unsere Färbung, unsere Nuancen reinzugeben.
[Alex] Ja, Sonja, jetzt haben wir eine Menge besprochen über das Thema Sichtbarkeitsmut und Texte. Und eine letzte Frage:
Bei dir steht in deinem Prinzip das L für Langfristigkeit. Und wie bleiben wir bei langfristigen Strategien am Ball? Was könnte da helfen? Wie können wir nicht gleich nach drei Blogartikeln aufgeben?
[Sonja] Ja, da greife ich doch mal auf die Meinung einer Expertin, die ich sehr schätze, die mit dem Realismus. Realistisch sein. Und ich weiß, es ist manchmal schwierig, also gerade wenn man Laie ist im Thema Marketing, wenn man ein Business hat, das nicht Marketing ist, sondern Marketing halt für sein Business nutzen möchte, dann prasselt extrem viel auf einen ein und auch leider immer noch extrem viele falsche oder sehr hochgegriffene Versprechen.
Und natürlich möchte man die gerne glauben, aber realistisch sein, im Bereich Bloggen zum Beispiel, nicht zu erwarten, dass ein Blogartikel, den ich heute online stelle, mir morgen Sichtbarkeit bringt, ist, glaube ich, das Allerwichtigste. Weil wenn wir von Anfang an wissen, wir lassen uns auf eine längere Reise ein, dann fällt es auch leichter, die Reise bis zum Ende, wo ist das Ende, aber weiter durchzuhalten, als wenn wir denken, ja, das ist ein Zwei-Stunden-Trip und dann bin ich ja quasi fertig.
Was ansonsten helfen kann, ist, sich Routinen zu schaffen, die eben auch zu dir persönlich passen. Das kann bedeuten, dass du dir eine Schreibatmosphäre schaffst, die du angenehm empfindest. Das dem Schreiben so ein bisschen den Schrecken nimmt, dieses, uh, jetzt muss ich was Produktives für meinen Blog oder für meinen Newsletter machen, sondern dass du es irgendwie schaffst, das zu verbinden mit einem, ah, jetzt habe ich mal Gelegenheit, das rauszulassen, was ich zu dem Thema sagen wollte, kann bedeuten, dass du dir einen Raum irgendwie besonders ausstattest, kann aber auch bedeuten, dass du eine Zeit wählst, die für dich hilfreich ist, dass du eine produktive Zeit wählst und nicht abends, wenn du komplett fertig bist vom Tag, das noch irgendwie reinschieben möchtest.
Sowieso das eigene Marketing – ja, zur Priorität ist immer schwierig. Wir haben ja schon so viele Prioritäten – aber auch ernst zu nehmen, sage ich mal. Marketing ist was, was bei vielen Leuten so unter, wenn ich noch Zeit habe, dann mache ich das noch. Und in der Realität bleibt dann ganz selten noch Zeit, weil sich doch wieder 20 Aufgaben reingeschoben haben. Also so wie wir vielleicht einen Call mit einem Kunden in den Terminkalender eintragen, uns auch unsere Marketingzeit in den Kalender eintragen, wenn wir damit gut arbeiten können. Was auch helfen kann, ist, sich Unterstützung suchen.
Also es gibt ja ganz viele Angebote. Du hast ja Schreibbegleitungen, die du anbietest. Ich habe meinen Content-Club, den ich anbiete.
Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wo man Menschen finden kann, die vielleicht ein Coworking mit einem arbeiten oder die auch an ihrem Marketing arbeiten.
Wenn man merkt, oh, dieses allein im stillen Kämmerlein vor mich hinwurschteln, das ist nicht so wirklich hilfreich für mich, dann kann auch sowas helfen.
[Alex] Ist wie beim Sport. Manche gehen alleine joggen, andere brauchen eine Laufgruppe.
[Sonja] Genau.
[Alex] Sonja, vielen, vielen Dank, dass du heute hier warst und uns über dein Thema … so schön mitgenommen hast und erzählt hast. Und ja, vielen Dank.
[Sonja] Ich danke dir für die Einladung und wünsche euch allen ganz viel Freude und Erfolg beim Umsetzen eures Marketings.
Shownotes
7 häufige Gründe für Angst vor Sichtbarkeit
Endgegner Über-mich-Seite? Interview mit Margot Maric
In dieser Podcastfolge habe ich die Marketingberaterin und Storytelling-Expertin Margot Maric zu Gast. Ich habe sie in meinem Buch „No Social Media!“ zu Über-mich-Seiten interviewt. Und genau darüber werden auch noch mal in dieser Podcastfolge sprechen, über den Endgegner Über-mich-Seite.
In dieser Podcastfolge habe ich die Marketingberaterin und Storytelling-Expertin Margot Maric zu Gast. Ich habe sie in meinem Buch „No Social Media!“ zu Über-mich-Seiten interviewt. Und genau darüber werden auch noch mal in dieser Podcastfolge sprechen, über den Endgegner Über-mich-Seite.
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Warum ist die Über-mich-Seiten die beliebteste Seite einer Website?
[Alex] Ja, hallo Margot. Wenn ich mir die Zahlen angucke auf meiner Website, dann gehört meine Über-mich-Seite zu den beliebtesten Seiten überhaupt auf meiner Website. Damit bin ich doch nicht alleine, oder?
[Margot] Nee, zumindest ist es bei mir genauso. Das stimmt.
[Alex] Das ist schon mal gut.
[Margot] Aber wenn wir nochmal überlegen, wie wir auf Webseiten unterwegs sind, wundert mich das auch gar nicht, dass es bei dir und bei mir so ist.
[Alex] Ja, nämlich, wie sind wir unterwegs?
[Margot] Also ich würde sagen, wir suchen erstmal nach einem Thema und nach der Lösung für ein Problem, die wir haben wollen. Wenn wir vielleicht ganz viele finden, wollen wir so ein Gefühl dafür bekommen, wer steckt denn eigentlich dahinter? Wie tickt die Person? Kann sie uns vielleicht helfen?
[Alex] Ja, warum haben denn Menschen so ein Faible für Über-mich-Seiten? Was macht so ihren Reiz für dich aus? Warum lesen wir die so gerne?
[Margot] Ja, also das ist das, was ich gerade schon gesagt habe, glaube ich, dass wir gerade in der Online-Welt, die sehr manchmal hochpoliert, ein bisschen gefaket oder auch sehr anonym wirken kann, nach Beweisen oder kleinen Hinweisen suchen, die uns helfen würde, Vertrauen aufzubauen.
Und zum anderen vielleicht auch, weil, glaube ich, auch im Zeitalter der Digitalisierung und des KI und so weiter vielleicht die Sehnsucht nach Menschlichkeit auch immer größer wird und wir das schon schön finden, wenn wir zum Beispiel wissen: Andere strugglen auch, bei denen läuft es auch mal nicht glatt oder die hatten vielleicht auch mal ein ähnliches Problem, das wir selbst auch haben, das die gelöst haben, dass wir wirklich die Sehnsucht haben, uns mit Menschen zu verbinden und dafür ist die Über-Mich-Seite sehr gut geeignet.
[Alex] Wobei, wenn ich so überlege, als ich mich selbstständig gemacht habe, da war es 2015, 2016, da habe ich auch schon Über-Mich-Seiten gerne gelesen, also auch schon vor KI. Vielleicht ist es ja auch so ein, weiß ich nicht, zutiefst menschliches Bedürfnis, da zu gucken, wer ist da, ist da eine Verbindung möglich? Also vielleicht ist das so ein, ja, vielleicht zeichnet uns das als Menschen aus, dass wir uns dafür so interessieren, glaubst du nicht?
[Margot] Absolut. Doch, das glaube ich auch. Ich mache ja auch Storytelling und da finde ich, gerade wenn wir auf der Über-mich-Seite auch mit einer Geschichte daherkommen, das wird mir auch sehr oft zurückgespiegelt, dass das Menschen einfach verbindet. Da hast du recht.
[Alex] Ja, da werden wir gleich nochmal darauf zu sprechen kommen. Vorneweg vielleicht, welchen Zweck erfüllt so eine Über-Mich-Seite überhaupt? Also warum ist sie so wichtig aus einer Marketing-Perspektive, aus einer strategischen Perspektive?
[Margot] Die ist tatsächlich, finde ich, oft der erste Schritt, wenn wir in eine Kundenreise in die Beziehungsphase reingehen. Also wenn jemand nach einem Thema sucht, wird er vermutlich nicht auf unserer Über-mich-Seite landen, sondern meistens auf der Startseite und manchmal vielleicht auch auf der Angebotsseite.
Dann aber, wenn er denkt, also hört sich schon ganz gut an, aber ich will irgendwie ein Gefühl haben, also nicht nur die Fakten, aha, so könnte die Zusammenarbeit aussehen oder so könnte das Produkt aussehen, Gruppenprogramm, Onlinekurs, was auch immer das ist. Und ja, und dann ist das oft der erste Schritt, finde ich, in die Beziehungsphase, dass die Leute danach suchen, zu erfahren, welche Haltung hat die Person, welche Geschichte hat die Person und auch, hat sie wirklich auch die Kompetenz und die Expertise, mir zu helfen bei dem, was ich gerade suche.
Warum fällt es vielen Selbstständigen so schwer, ihre Über-mich-Seite zu schreiben?
[Alex] Und das ist auch eigentlich ganz cool, weil ich muss ja gar nicht so, also aus Leserinnen-Sicht, ich muss ja dann gar nicht Kontakt aufnehmen, sondern es ist quasi alles schon da und ich kann das alles lesen und ich als Website-Betreiberin kann mir quasi vorher überlegen, was könnten denn das für Themen sein, die Menschen interessieren.
Meine Beobachtung ist, wie du schon gesagt hast, dass eben super viele Menschen gerne Über-mich-Seiten lesen, es ihnen aber sehr, sehr schwer fällt, eine eigene über mich Seite zu schreiben. Und damit wären wir so beim Thema dieser Podcast-Episode, weil es geht ja um den Endgegner Über-mich-Seite.
Also ich kenne das auch von meinen Kundinnen, dass sie mir sagen, ja, jetzt habe ich schon das und das und das und das geschrieben, aber die Über-mich-Seite, die ist noch da, die heben sie so bis zum Schluss auf, da schlawenzeln sie so drumherum. Woran liegt es deiner Meinung nach, dass es so vielen Menschen so schwerfällt, eine eigene Über-mich-Seite zu texten?
[Margot] Also in meinen Mentorings zu Website-Texten greife ich da als erstes an, bei der Über-mich-Seite. Also die schreibe ich tatsächlich mit meinen Kundinnen als allererstes, weil ich oft auch das Gefühl habe, ich will jetzt gar nicht sagen, das Schwierigste machen wir am Anfang, aber das ist schon so oft die Basis- und die Fundamentarbeit.
Warum das so schwer ist, ist, glaube ich, weil all unsere inneren Geschichten dann wach werden. Also prinzipiell geht es ja darum, auf der Über-mich-Seite die Persönlichkeit zu zeigen und auch die Expertise zu zeigen. Und ich finde, in beiden Bereichen gibt es oft, ich will jetzt gar nicht sagen Blockaden, aber Widerstände. Zum Thema Expertise ist es oft sowas wie: Kann ich denn so dick auftragen oder kann ich denn schreiben, ich kann das und das wirklich machen, weil eben wir uns so zeigen, wie wir sind und das jetzt fernab der Angebote oder irgendwelche anderen Geschichten, wo wir dann einfach drüber sprechen, ich bin gut und ich glaube, ich kann dir helfen.
Da kann auch so ein Imposter-Syndrom auch wach werden in einem.
Und bei den persönlichen Geschichten ist das oft auch so ein Grad der Verletzlichkeit, mit der ich wirklich nach außen gehen möchte und der ist bei allen Menschen auch verschieden und ja, da ist das oft einfach ein Weg, in sich hineinzuspüren, was ist das, wo sind meine Grenzen, was möchte ich teilen, was möchte ich nicht teilen, was ist mir zu viel, was mache ich gerne und das kann sich auch verändern.
[Alex] Kennst du das auch von dir, als du deine eigene Über-mich-Seite geschrieben hast?
[Margot] Ja, das kenne ich total. Und spannend finde ich auch den Weg meiner Über-mich-Seite. Denn ganz klar, vor vier Jahren, als ich mich selbstständig gemacht habe, ja, da würde ich lügen, wenn ich sagen würde, ich war da mega selbstbewusst und habe total selbstsicher erzählt, dass ich allen helfen kann.
Weil ganz klar, da konnte ich nicht sagen, ich begleite meine Kundinnen bei …, weil ich habe es nicht gemacht, ich habe ja gerade erst gestartet und da hatte ich auf jeden Fall Themen und zum Thema Persönliches zeigen habe ich zwar, ich habe zwar eine ehrliche Story geteilt, die auch bis heute auf meiner Website ist, Aber ich habe die Hintergründe, die auch sehr viel persönlicher waren, wo ich mich verletzlicher gezeigt hätte, die habe ich damals nicht teilen können. Da war ich noch gar nicht soweit.
Und die habe ich tatsächlich letztes Jahr komplett überarbeitet und zeige mich da viel, viel ehrlicher und erzähle da zum Beispiel von meinem Burnout, wo ich vor vier Jahren gar nicht in der Lage war, darüber zu sprechen und schon mal gar nicht auf einer Website zu veröffentlichen.
[Alex] Das finde ich auch nochmal voll den wichtigen Hinweis, also dass sich eine Über-mich-Seite auch so entwickeln darf, weil zum Beispiel meine Über-mich-Seite, die ist ja jetzt fast acht Jahre alt oder so, also seit ich selbstständig bin und ich weiß nicht, wie oft ich sie schon überarbeitet habe, 57 Mal vielleicht, keine Ahnung.
Also wenn man das erste Mal was veröffentlicht, dann ist es vielleicht halt einfach mal ein veröffentlichter Text und man kann ja dann weiter daran arbeiten, richtig? Also das ist ja nicht fertig in dem Sinne, sondern ich kann ja alle paar Monate, alle paar Wochen drauf zurückkommen und gucken, passt es noch, ist es stimmig oder kann ich das vielleicht hier anders machen? Siehst du das dann auch so?
[Margot] Absolut. Und ich finde, das nimmt auch nochmal die Angst, die Seite oder insgesamt die Texte so perfekt zu schreiben. Jetzt sind sie online und genau das, das ist unsere Website, unsere Über-mich-Seite. Wir können da, wenn wir Lust haben, jeden Tag dran. Auch selbst, wenn wir mal einen Mutausbruch haben und etwas veröffentlichen und denken uns zwei Tage später, oh Gott, was mache ich, wenn die Nachbarin das liest, dann kann ich es immer noch runternehmen. Also da passiert nicht so viel.
Wie können wir achtsam mit Widerständen und Blockaden umgehen?
[Alex] Okay, also wenn wir uns bewusst machen, wir müssen keine perfekten Texte schreiben, sie dürfen auch wachsen mit uns. Was können wir denn noch tun, um achtsam mit diesen Blockaden umzugehen?
[Margot] Also wenn sich für eine Person das Veröffentlichen auf der Über-mich-Seite zum Beispiel sehr offiziell anhört und es ihr auch wirklich nicht hilft, wenn ich sage, morgen könntest du es auch verändern, weil die denken, oh Gott, aber das ist jetzt online, das können jetzt alle lesen, könnte sie zum Beispiel auch in kleinen Schritten und in anderen Set-ups versuchen, wie sich das anfühlt, etwas zu teilen.
Also das habe ich auch gemacht und nicht nur in Bezug auf die Inhalte der Über-mich-Seite, sondern mit allem. Also meine Pitches waren am Anfang, also was ich mache, wenn ich gefragt wurde, was ich mache, das habe ich so gefühlt jede dritte Woche verändert und habe dann manchmal mir gedacht, oh Gott, na irgendwie, das bin ich gar nicht oder wie könnte ich das anders formulieren, weil das, ja, das zeichnet keiner auf, das sieht keiner, das kann man nicht screenshotten, das hat man vielleicht auf einem Netzwerktreffen gesagt oder bei einer Kundin gesagt und kann auch oft danach auch erst reinfühlen, ist das so, wie ich rüberkommen möchte? Sind das die Worte, die ich wählen möchte? Und das kann man auch auf der Über-mich-Seite machen, auch zum Beispiel mit den Geschichten, die man erzählt. Das wäre zum Beispiel eine Sache, die mir jetzt gerade einfällt, die helfen würde, sich stufenweise dem anzunähern, dass wir dann so sichtbar werden, wie wir uns auch wirklich damit wohlfühlen.
[Alex] Also du meinst, wenn ich jetzt eine Idee habe für eine Geschichte für die Über-mich-Seite, dass ich die vielleicht erst mal, keine Ahnung, einer potenziellen Kundin erzähle oder in einem anderen Rahmen teile und quasi schon so ein bisschen die Fühler ausstrecke. Was passiert denn, wenn ich diese Geschichte teile? Wie reagieren Menschen darauf? Meinst du das so?
[Margot] Ja, absolut. Also das kann ich auch sagen, das habe ich mit den Burnout-Hintergründen meiner Geschichte auch gemacht, dass die nicht auf meiner Website war, aber dass ich dann, wenn ich irgendwo in einem Workshop war, also das fiel mir irgendwie viel, viel leichter und das war vielleicht in einem kleineren Rahmen, dass ich das geteilt habe und dann einfach gesehen habe, wie geht es mir damit und habe auch gesehen, ach krass, jetzt kann ich viel besser dazu stehen als damals zum Beispiel vor vier Jahren. Und ich habe mich dem so ein bisschen angenähert und letztes Jahr dachte ich mir, das kann ich locker so hinschreiben. Und das ist ein Grad der Verletzlichkeit, mit dem kann ich sehr gut leben. Also das fühlt sich authentisch und auch gut an.
Was muss unbedingt in eine Über-mich-Seite rein?
[Alex] Cool, also wir können in die Geschichten quasi auch reinwachsen, wenn wir uns noch nicht trauen, sie gleich zu teilen. Das ist ein sehr guter Tipp. Wenn wir uns jetzt das Schreiben der Über-mich-Seite angucken, was muss da unbedingt rein, inhaltlich?
[Margot] Also prinzipiell von den Inhalten würde ich eben sagen, die Expertise, also dass die Person, die die liest, möglichst das Vertrauen in unsere Expertise, in unsere Professionalität bekommt.
Und auf der anderen Seite auch die Persönlichkeit, dass die Leserinnen und Leser das Gefühl bekommen, mit wem habe ich es da überhaupt zu tun. Also das von den groben Bereichen.
Ich natürlich als Storytelling-Mentorin finde sehr, sehr gerne oder auch unbedingt eine Geschichte, weil wir uns einfach Geschichten besser merken können, weil wir da auch nochmal das Gefühl vielleicht verstärken können, was wir zu der Person haben.
Und was ich tatsächlich auch sehr, sehr wichtig finde und oft auch sehe, dass das manchmal vergessen wird, weil die Über-mich-Seite „Über mich“ heißt, neigen manche dazu, wirklich von Anfang bis Ende zu schreiben, ich bin die und die, ich habe das und das gemacht, das und das ist mir passiert.
Und was ich da wirklich super wichtig finde, dass wir nochmal den Bezug zum Leser und zu der Leserin herstellen und immer überlegen, bei allem, was wir teilen, ist es relevant? Ist es relevant für denjenigen, der meine Seite besucht und der diesen Text gerade liest?
[Alex] Und gibt es etwas, von dem du sagen würdest, das sollte auf keinen Fall auf eine Über-mich-Seite?
[Margot] Ja, da gibt es Empfehlungen, die ich immer wieder gerne teile, in Bezug tatsächlich auf Achtsamkeit vielen Gruppen gegenüber.
Also zum einen würde ich sagen, wir sollten nicht Sachen teilen, darüber haben wir gerade schon gesprochen, die wir eigentlich nicht teilen wollen. Also wir sollten nie etwas teilen, nur weil wir von jeder Seite hören, wir sollten authentisch sein, wir sollten Geschichten teilen. Sondern wir sollten da schon achtsam mit uns auch umgehen und schon für uns abklären und hineinspüren, kann ich dazu stehen? Und ich muss nicht zu allem stehen.
Was ich oft auch schon gesehen habe, oder oft ist vielleicht übertrieben, was ich manchmal schon gesehen habe auch, dass Geschichten geteilt wurden, wo der „Bösewicht“ der Geschichte so ein bisschen durch den Dreck gezogen wurde. Das bleibt eigentlich auch jedem überlassen, wie detailreich natürlich er eine Geschichte auf einer Über-mich-Seite teilt.
Ich vertrete aber die Meinung oder ermutige meistens dazu, dass wir den Bösewicht ruhig da rauslassen können. So klassischerweise ist das der ehemalige Chef und manchmal auch die Eltern.
Und ich finde, wir brauchen für eine gute Geschichte nicht den Bösewicht. Und ich finde, wir könnten da vielleicht so ein bisschen leichtsinnig über Grenzen anderer latschen. Und ich finde, das brauchen wir nicht für einen guten Über-mich-Seiten-Text.
Und dann eben auch, wie gesagt, Irrelevantes. Manche denken, ach, das ist „Über mich“, dann packe ich jetzt mal den Lebenslauf dazu. Da würde ich auch sagen, also wo ich mein Abi gemacht habe, ist jetzt vielleicht jetzt momentan nicht für die Leute, die auf meine Website kommen, super relevant. Und da würde ich immer mich fragen, ist das jetzt relevant für die anderen?
[Alex] Viele fragen sich ja auch, wie lang so eine Über-mich-Seite werden soll. Was gibst du da immer für Empfehlungen? Weil ich nenne immer keine konkrete Wortzahl, weil das geht gar nicht in meine Augen, oder?
[Margot] Nee, finde ich auch nicht. Ich glaube, meine Über-mich-Seite ist auch so lang, aber da hat sich bisher noch keiner drüber beschwert. Und ich finde, ja, ich nenne auch keine Wortzahl.
Wie schreibe ich authentisch auf meiner Über-mich-Seite?
[Alex] Idealerweise soll so eine Über-Mich-Seite ja auch zeigen, was wir können, aber eben auch, wer wir sind und wie wir ticken. Und wie gelingt jetzt dieser Mix? Also aus einerseits Professionalität, du hast schon gesagt, wir sollten die Expertise zeigen auf einer Über-Mich-Seite, aber eben auch unsere Persönlichkeit. Also, dass wir nicht nur ein weiterer Coach sind, sondern dass uns ja auch was Bestimmtes auszeichnet. Und ich könnte mir vorstellen, dass es ganz vielen Leuten auch sehr schwerfällt, weil es geht da ja auch zum Beispiel um die Sprache. Also, wie rede ich so, dass es nicht so geschwollen klingt und dass ich nicht so viel Fachsprache verwende und Schachtelsätze und so weiter. Was sind da so deine Tipps?
[Margot] Den allgemeingültigen Tipp, den man überall hört, schreibe, wie du sprichst, den finde ich nach wie vor gut. Das ist natürlich nochmal eine Frage, mit wem, aber so wie ich mit meinem Kunden spreche, so darf ruhig meine Website auch sein, finde ich.
Und ich empfehle eigentlich auch immer, die Sachen so runterzuschreiben, wie die einem kommen und dann vielleicht nochmal kritisch nochmal durchzugehen und sich zu fragen, würde ich das zum Beispiel in einem Gespräch, in einem Coaching oder wo drin auch immer einem Kunden gegenüber genauso ausdrücken, würde ich das so machen?
[Alex] Ich glaube, das finde ich auch voll wichtig. Also dass man schreibt und sich nicht von irgendwelchen Mindfucks abhalten lässt zu schreiben. Aber dass man dann eben auch noch mal in die Distanz geht, den Text liegen lässt und sich auch noch mal fragt: Okay, würde ich dass denn wirklich so sagen? Würde ich das denn wirklich so schreiben? Also ich glaube, mit dieser Korrekturrunde und vielleicht noch einer zweiten oder dritten Korrekturrunde kann man auch ganz viel rausholen auf so einem Über-mich-Seiten-Text.
Wie können wir uns denn persönlich zeigen auf einer Über-mich-Seite? Was wären da so typische Möglichkeiten in deinen Augen?
[Margot] Also ein guter Einstieg überhaupt in dieses, was kann ich Persönliches von mir teilen? Also wenn jemand wirklich da eine Blockade hat und vielleicht auch nochmal mit dieser inneren Geschichte kommt, das gehört nicht ins Business und was soll ich denn da schreiben, das interessiert doch niemand oder ja, das ist hier irgendwie irrelevant. Und da empfehle ich auch gerne die Arbeit mit den Werten, weil das oft so ein seichter Einstieg ist, meiner Meinung nach.
Dass irgendwie, wenn man vielleicht nochmal schaut, was sind meine wichtigsten Werte? Da gibt es online auch schöne Tests, die man da machen kann, wo man intuitiv entscheidet, was mir wirklich wichtig ist in meinem Leben. Und da nochmal schaut, wie zeigt sich das vielleicht in meinem Leben oder wie zeigt sich das in meinem Business, warum unterscheide ich mich da von den anderen, ist das oft eine kleine Hürde nochmal in diese authentische und persönliche Sichtbarkeit.
Ansonsten, finde ich, ist natürlich die Geschichte, wenn wir die gut schreiben und auch die schön mit ein paar Details versehen, auch etwas, was einfach einzigartig ist, weil die Geschichte, die gibt es definitiv nicht noch ein anderes Mal ganz genau so, wie sie uns passiert ist oder wie wir sie erlebt haben.
Und was natürlich auch schön ist, sind diese Fun Facts oder Guilty Pleasures, also einfach auch so eine Auflistung.
Also ich finde, bevor einer mit nichts von diesen Sachen rausgehen möchte, ist das etwas, was meistens sehr unverfänglich ist. Dass ich sage, ich weiß nicht, dass ich nur Zartbitter-Schokolade esse oder eigentlich lieber im Garten abhänge als im Café oder was auch immer. Das sind tatsächlich auch Sachen, wo man sagen würde, so ein Shishi gehört das wirklich da drauf. Aber mich sprechen öfter Leute auf die Sachen an, also diese ganzen kleinen Random Facts, die ich da aufgelistet habe.
[Alex] Wobei ich finde, dass man auch manche Sachen so schon sehr häufig hört bei diesen Random Facts. Also ich bin da auch schuldig, weil ich bin natürlich dann auch gerne am Meer und sowas, also diese klassischen Dinge, die man so verrät. Also ja, ich glaube, da will ich auch nochmal bei mir ran, dass ich da nicht allzu klischeehafte Dinge auspacke auf dieser Seite.
[Margot] Manchmal, wenn ich mit Kunden zusammenarbeite und die mir so eine Liste von 20 Sachen machen, dann, ich lese gerne, fliegt da raus. Also ich versuche da schon ein paar so Sachen stehen zu lassen, die ein bisschen außergewöhnlicher sind. Ja.
Wie finde ich eine gute Geschichte für meine Über-mich-Seite?
[Alex] Du hast jetzt schon ganz, ganz oft den Punkt Geschichte oder Story angesprochen und darüber würde ich jetzt gerne ein bisschen mehr reden.
Wie finde ich so eine Geschichte? Also was macht eine gute Geschichte aus? Und wenn ich jetzt denke, bei meinem Leben passiert doch gar nichts, da ist keine spannende Geschichte, was mache ich da?
[Margot] Also gerade die Geschichte für die Über-mich-Seite finde ich so in der Findungsphase relativ einfach, weil dafür können wir uns eine einzige Frage stellen und dort können mehrere Antworten natürlich aufploppen. Und die Frage ist, wann hast du zum ersten Mal darüber nachgedacht, dass du das machst, was du gerade jetzt machst oder dass du dich selbstständig machst?
Und das muss jetzt nicht ein Moment sein, der alles verändert hat. Da dürfen quasi mehrere Momente sein und aus denen dürfen wir uns einen herauspicken und den näher beschreiben. Ich sage ja immer gerne mit so einer Lupe drangehen und vielleicht ein paar Details dazu aufschreiben, dass man sich einfach vorstellt, von dieser Situation könnte man ein Foto machen.
Dann ist es meistens eine gute Geschichte. Und das muss wirklich gar nicht lang sein. Das kann ein kleiner Absatz sein. aber etwas, wo andere sich das einfach vorstellen können, wo sie einfach mitfühlen können und denken, ach krass, ja, ich sehe dich da. Ich sehe dich da, wie du das gemacht hast und dir das wie Schuppen vor Augen gefallen ist und du dann zum ersten Mal dachtest, hm, was wäre denn, wenn ich das und das mache?
Oder in einer Situation, wo du sagst, und in diesem Moment habe ich entschieden, ich werde das und das machen. Also das ist eigentlich die Entstehungsgeschichte, die Brandgeschichte, die auf die Über-mich-Seite gehört.
[Alex] Und welche Geschichte teilst du?
[Margot] Ja, da ich jetzt quasi auch die Burnout-Hintergründe geteilt habe, ist die auch ein bisschen länger geworden. An sich ist das die Geschichte, ich habe ja zwölf Jahre im Konzern gearbeitet, darüber spreche ich auch auf meiner Über-mich-Seite, weil das natürlich auch was mit meiner Expertise im Marketing zu tun hat.
Es geht in der Geschichte aber eben darum, dass ich mich in den zwölf Jahren extrem verstellt habe und oft mit meinem Hosenanzug quasi wie in eine Rolle geschlüpft bin, die nicht so wirklich viel damit zu tun hatte, wie ich eigentlich war.
Und zwar waren das eben Geschichten, wo ich dachte, in so einem Konzern muss ich taff sein, nicht wirklich viel darüber erzählen, dass ich Mutter bin, sondern immer beweisen, dass ich sehr ehrgeizig bin, dass ich das ernst meine, dass ich super selbstbewusst bin, keine Zweifel habe, keine Unsicherheiten habe. Und dann eben mit der Geburt von meinem ersten Sohn ganz schön unter die Räder geraten bin, auch gesundheitlich, weil ich diese Fassade eben nicht mehr aufrechterhalten konnte.
Und dann schreibe ich eben auch, was wahr war, dass ich um sechs Uhr auf der Autobahn immer saß, um die Staus zu umgehen, danach mit dem Mittagessen auf dem Beifahrersitz zurückgeheizt bin, um den Kleinen wieder rechtzeitig abzuholen. Also ich habe mich da einfach total zerrissen zwischen diesen beiden Welten und bin dann eben auch krank geworden und war ein paar Monate auch nicht auf der Arbeit. Und dann war ich schwanger mit meinem zweiten Sohn und habe mich so langsam einfach gefragt, was wäre, wenn ich da nicht zurückkehre.
Allerdings war ich da in einer kompletten Leere und hatte absolut keine Ahnung, was ich sonst noch machen könnte. Ich habe auch schon befürchtet, dass, wenn ich einfach nur den Konzern wechsle, dass ich dann das Gleiche quasi in einer anderen Farbe bekomme.
Und ja, die Hauptgeschichte, meine Hauptstory ist eben die, dass ich noch in dieser Leere und in dieser Ahnungslosigkeit, was könnte es überhaupt sein, hier durch meinen Kiez gelaufen bin mit dem Kleinen. Wie das so ist, wenn man Mama ist von einem kleinen Baby und das Baby will im Bett nicht schlafen, dann rennt man durch die Gegend mit dem Kinderwagen.
Und hatte irgendwie bis eine Selbstständigkeit, Karriere gar nicht im Kopf, sondern war einfach so, ich bin in Turnschuhen, Jeans, ungeschminkt, mit Baby im Kinderwagen und habe dann Selbstständige getroffen, zum Beispiel in einem Coworking-Space, wo ich früher immer war, wo ich einfach nur Kaffee trinken wollte oder bei meinem Nachbar oder im Nachbarshaus wurde mal ein Teeladen aufgemacht und ich kam dann eben ins Gespräch mit Selbstständigen, und die fragten mich, ob ich den Marketing unterstützen will.
Und ich konnte das, also für mich war das komplett neu, diese Vorstellung, dass die ganz offensichtlich sehen, dass ich Mutter von einem Baby bin, also was im Konzern immer eher ein Manko war als ein Plus, dass sie mich so sehen ohne meinen Hosenanzug, quasi ohne mein Kostüm der Professionalität und trotzdem das Vertrauen haben, ich könnte irgendwas im Marketing machen, was die in ihrer Selbstständigkeit unterstützen würde.
Und das ist, ja, da habe ich mir echt gedacht, was wäre, wenn es ausreichen würde, dass ich so bin wie ich, mich nicht mehr verstecke, nicht mehr komische Kostüme anziehe, nicht mehr so tue, als wären meine Kinder nicht da, sondern ja, ganz so bin, wie ich bin. Und so ist die Idee geboren. Und genau das, auch in meinem Fall, waren es mehrere Momente, die dazu geführt haben. Aber das ist das, was ich teile, weil das so sehr sinnbildlich dafür ist, wie ich überhaupt dazu kam, mich selbstständig zu machen.
[Alex] Und wie reagieren Menschen auf diese Geschichte?
[Margot] Ja, da gibt es tatsächlich sehr viel Resonanz. Ich spreche auch auf meiner Über-mich-Seite darüber, dass ich hochsensibel bin und introvertiert. Das sind auch oft Eigenschaften, wo viele sich wiederfinden, die auch zu mir kommen und sagen, ich bin auch hochsensibel. Also sie wissen, auch mit dem Burnout ist das auch so, dass einige entweder ganz sanft an einem Burnout vorbeigeschlittert sind oder selbst einen hatten und deswegen resoniert das sehr mit denen. Also da sind sehr oft Verknüpfungspunkte und bei mir zeigt sich das natürlich auch in der Art und Weise, wie ich mein Marketing betreibe und wie ich auch andere dabei begleite, weil ich das mega auf dem Schirm habe.
Ich habe durch diese Erfahrung, ja, ist es einfach so, dass ich sehr darauf aufpassen muss und auch möchte, im Gleichgewicht zu bleiben. Und sie wissen, die werden von mir nicht hören, was, du bist erst um fünf Uhr aufgestanden, wieso stehst du nicht früher auf? Nur wenn du es richtig willst, wird das irgendwie klappen, sondern ich bin eine, die sagt, hey, du bist müde, wie wäre es denn, wenn du eine Woche Pause machst? Und das ist vielleicht nicht so wichtig, übernimm das einfach mal von einem anderen Text, da ist jetzt kein Platz hier für Perfektion. Also das ist schon etwas, was für sie sehr, sehr relevant ist, weil ich sie einfach verstehe, weil sie wissen, dass ich sie verstehe, weil ich das erlebt habe.
Wann ist es Zeit, die Über-mich-Seite mal wieder zu überarbeiten
[Alex] Ich musste auch gerade an Brené Brown denken, die gesagt hat, dass wir eigentlich bei anderen Menschen immer die Verletzlichkeit suchen und uns von denen auch so anziehen. Aber wir selbst trauen uns eben nicht, uns verletzlich zu zeigen, was dann ja auch wieder auf der Über-mich-Seite sich zeigt, weil man sehr häufig eben so Schwierigkeiten hat, seine Geschichte zu teilen.
Ja, jetzt vielleicht noch die allerletzte Frage. Wann weiß ich denn, dass mal wieder Zeit ist, meine Über-mich-Seite zu überarbeiten? Gibt es so Hinweise darauf?
[Margot] Ja, ich glaube, die liest man wahrscheinlich selber gar nicht so wahnsinnig oft, aber wenn man schon mal wieder auf dieser Seite ist und sich denkt, oh Gott, das bin eigentlich gar nicht mehr ich, wenn man so ein bisschen rausgewachsen ist.
Ich hatte zum Beispiel am Anfang auf der ersten Über-mich-Seite auch so einen Spruch: Wenn ich das kann, dann kannst du es auch.
Habe ich wahrscheinlich irgendwo gesehen, fand ich damals sehr ermutigend. Das würde ich jetzt aber nicht mehr sagen, weil ich zum Beispiel auch gelernt habe, dass jeder irgendwie einen anderen Alltag hat, andere Privilegien hat, aber auch manchmal andere Präferenzen.
Da wusste ich auch, dass ich das damals geschrieben habe, ist es irgendwie okay, aber das passt gar nicht mehr zu dem, was ich vertrete und zu meiner Haltung, was wir machen können, aber auch was wir nicht machen können.
Oder eben, wie wir auch besprochen haben, wenn der Mut manchmal größer geworden ist und wir uns trauen, unsere Haltung für etwas, aber vielleicht auch gegen etwas viel stärker draußen zu vertreten, dann ist das so ein Zeitpunkt, wo wir uns vielleicht sagen können, jetzt dürfen die Texte das auch zeigen, was sich in meinem Inneren auch verändert hat, was sich da gewandelt hat.
[Alex] Ja, Margot, vielen, vielen Dank, dass du heute da warst und über die Über-mich-Seite gesprochen hast. Ich hoffe, dass der Endgegner-Über-mich-Seite so ein bisschen kleiner geworden ist mit deinen Tipps. Vielen, vielen Dank.
[Margot] Ich danke dir, liebe Alex.
Shownotes
10 Fragen an jemanden, die all ihre Social-Media-Kanäle gelöscht hat (ja, an mich 😁)
Ich habe vor fast vier Jahren mit Instagram meinen ersten Social-Media-Kanal verlassen und nach und nach alle meine Kanäle gelöscht. Und dazu habe ich natürlich in den letzten Jahren viele Fragen bekommen. Und in dieser Podcastfolge beantworte ich zehn davon.
Ich habe vor fast vier Jahren mit Instagram meinen ersten Social-Media-Kanal verlassen und nach und nach alle meine Kanäle gelöscht. Und dazu habe ich natürlich in den letzten Jahren viele Fragen bekommen.
Und in dieser Podcastfolge beantworte ich zehn davon.
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Ja, ich will in dieser Folge zehn Fragen beantworten, die ich zu meinem Social-Media-Ausstieg bekommen habe in der letzten Zeit.
#1 Vermisst du was ohne Social Media?
Nun, mir ist durchaus bewusst, dass ein Social-Media-Ausstieg mit Nachteilen kommt.
Und in meinem Buch „No Social Media!“ gehe ich auch ganz detailliert auf die Nachteile ein, die mit einem Social-Media-Ausstieg verbunden sind.
Allerdings wiegen für mich persönlich diese Nachteile nicht so schwer.
Ich sag jetzt nicht, dass es zwingend bei allen so sein muss. Es ist bei mir aber so.
Das mag damit zu tun haben, dass ich introvertiert bin und mir nichts aus vielen Followern und vielen Likes mache.
Woran ich früher echt Spaß hatte, waren diese Meme-Accounts mit lustigen Memes. Über die konnte ich mich früher stundenlang kaputt lachen.
Aber abgesehen davon vermisse ich tatsächlich nichts, seit ich nicht mehr auf Social Media bin.
In meiner Arbeit rede und schreibe ich natürlich immer noch über soziale Medien, aber in meinem Privatleben denke ich, ehrlich gesagt, gar nicht mehr so viel über Social Media nach, sondern lese viel, mache Sport, mache Musik, guck mir Filme und Serien an, lerne eine neue Sprache. Und dann ist der Tag auch schon vorbei.
Und ich wüsste jetzt auch gar nicht, wo da soziale Medien auch noch reinpassen sollten, wenn ich ehrlich bin.
Das waren früher bei mir ja zwei Stunden jeden Tag und die habe ich irgendwie auch gar nicht mehr. Bzw. ich würde sie auch gar nicht hergeben wollen.
Deshalb: Nein, ich vermisse tatsächlich nichts.
Wobei ich vielleicht noch dazu sagen sollte, dass ich da eine Ausnahme bei YouTube mache, weil das für mich eher eine Video-Suchmaschine ist.
Ich weiß, es ist immer so die Frage: Ist YouTube Social Media oder eine Suchmaschine. Ich bin eher Team Suchmaschine. Und ich nutze nach wie vor YouTube privat für Klavier-Tutorials zum Beispiel, für Yoga-Übungen oder Rezepte.
Auf mich hatte YouTube noch nie negative Auswirkungen so wie Instagram zum Beispiel. Deshalb ja, sehe ich da auch keine Notwendigkeit, etwas zu verändern.
#2 Kriegst du überhaupt noch mit, was in der Welt passiert?
Ja, das tue ich auf jeden Fall.
Ich hab mich ja nicht vom Internet und von Menschen verabschiedet, sondern nur von sozialen Medien.
Ich lebe ja auch nicht ohne Internetanschluss irgendwo auf einer einsamen Insel ohne Menschen, sondern ich hab natürlich auch weiterhin online und offline mit anderen Menschen zu tun.
Und deshalb weiß ich natürlich auch ohne Social Media, was um mich herum passiert, aber das Informieren erfolgt jetzt viel, viel aktiver und zielgerichteter, würde ich sagen – und nicht weil ich einen Post in meinem Feed angezeigt bekomme, so zufällig.
Es gibt ein paar Nachrichtenseiten, Zeitungen und (Online-)Magazine, die ich regelmäßig lese, und so bleibe ich auf dem Laufenden.
Deshalb: Ja, ich kriege definitiv immer noch mit, was in der Welt so geschieht.
Ich würde sogar sagen, ich bin noch etwas politischer und interessierter geworden, was gerade so passiert in der Welt.
Soziale Medien zu verlassen, hatte also definitiv nicht den Effekt, dass ich zu einem egoistischen Menschen wurde, dem alles andere egal ist.
Also hoffe ich natürlich. Aber ja.
#3 Bist du manchmal einsam ohne Social Media?
Ich persönlich: nein.
Wobei ich sagen muss, das hängt mit Sicherheit auch mit der Persönlichkeit zusammen.
Wie gesagt: Ich bin einfach total introvertiert, ich hab nicht das Bedürfnis, unzählige Kontakte zu pflegen. Ich muss nicht ständig mit Menschen chatten und connected sein.
Ich habe lieber weniger persönliche Kontakte, die dafür tiefer gehen. Also Gespräche oder Treffen oder auch längere E-Mails im beruflichen Kontext jetzt.
Und ich bin auch sehr gerne für mich, muss ich sagen, und mit meinen Gedanken und hab gerne auch mal ein Tag Ruhe ohne andere Menschen. Oder zwei Tage.
Und deshalb fühle ich mich jetzt nicht einsamer dadurch, dass ich Social Media verlassen habe.
Ich kann mir aber vorstellen, dass es für Menschen, die extrovertiert sind, da vielleicht anders sein könnte.
Also wenn jemand seine ganze Energie aus Kontakten zu anderen Menschen zieht, wird vielleicht / vermutlich etwas fehlen, wenn soziale Medien wegfallen.
Das weiß ich nicht.
Bei mir war es, wie gesagt, nicht der Fall.
#4 Wie reagieren andere Menschen, wenn du ihnen erzählst, dass du keine sozialen Medien nutzt?
Also im Privaten ist mein Social-Media-Ausstieg tatsächlich nie ein großes Drama gewesen.
Ich mein, klar, reden wir mal darüber, und ich kriege auch manchmal Fragen dazu, aber es ist kein alles dominierendes Thema.
Niemand stört sich daran oder findet mich doof deswegen. Wir haben einfach meist andere Dinge, mit denen wir beschäftigt sind und über die wir sprechen. Deshalb ist das überhaupt keine große Veränderung im Privatleben gewesen.
Im beruflichen Kontext interessiert es andere Selbstständige schon, wie das so ist mit dem Marketing und der Akquise und so weiter.
Vielen Selbstständigen, mit denen ich rede, geht es mit sozialen Medien ähnlich, wie es mir damals ging, bevor ich meine Kanäle gelöscht habe.
Deshalb können sie meinen Entschluss meistens auch gut verstehen, auch wenn sich die meisten nicht trauen, also diesen Schritt dann selbst zu gehen.
Richtig negatives Feedback habe ich aber tatsächlich noch nie bekommen. Ich kann jetzt natürlich nicht sagen, ob es daran liegt, dass andere Menschen keine negativen Gedanken dazu haben oder ob sie es mir einfach nicht direkt ins Gesicht sagen. Keine Ahnung.
Aber letzten Endes glaube ich auch: Jeder Mensch ist mit seinem eigenen Kram beschäftigt.
Und ob eine gewisse andere Person jetzt auf Instagram ist oder nicht, das wird für die meisten Menschen gar keine so große Rolle in ihrem Leben spielen. Und erst recht werden sie sich da nicht einmischen oder sich negativ dazu äußern. Warum sollten sie?
Also ich glaube:
Die Welt dreht sich eben nicht um uns und unsere Entscheidungen. Es klingt jetzt vielleicht ein bisschen hart, aber: Es ist für andere Menschen meist egal, ob wir unseren Kaffee auf Instagram posten.
Ihre Gedanken drehen sich da nicht ständig drum. Und deshalb haben wir da eben auch absolute Freiheit in meinen Augen, uns da selbst individuell zu entscheiden.
#5 Verbietest du deinen Kindern, soziale Medien zu nutzen?
Also ich verbiete grundsätzlich niemandem etwas.
Und erst recht nicht meinen Kindern.
Und es wäre für mich auch absolut okay, wenn sie die Dinge anders sehen würden als ich.
Ich will jetzt natürlich keine Debatte über Erziehung führen, aber: Meine Kinder dürfen jederzeit ihre Interessen verfolgen und auch soziale Medien nutzen, wenn sie denn wollen würden.
Aber sie wollen eben nicht. Ich weiß auch nicht so genau, woran das liegt.
Sie gucken sich ab und an mal YouTube-Videos an so wie ich auch, aber das sind dann auch eher Tutorials, wie man ein bestimmtes Stück auf Klavier spielt oder so.
Das mag in Zukunft vielleicht anders werden, wer weiß. Aber im Moment ist es überhaupt kein Thema. Also sie sind jetzt 12 und 16 und sie haben immer noch kein Interesse an Instagram und Co.
In unserer Familie spielen diese Plattformen einfach keine große Rolle. Ich nutze sie nicht, mein Mann nutzt sie nicht, wir schießen keine Selfies von unserer Familie, die wir ständig irgendwo posten, und deshalb haben vielleicht auch meine Kinder da völlig andere Interessen entwickelt. Keine Ahnung.
#6 Bist du nicht neugierig, was deine Kolleginnen auf Instagram machen?
Ja klar, bin ich manchmal neugierig.😊
Ich glaube, es ist auch nur menschlich, neugierig zu sein und sich für andere Menschen und das, was sie machen, zu interessieren.
Ich versuche diese Neugierde dann aber gut einzuordnen. Ich frage mich dann:
Ist die Quelle dieser Neugierde ein Wunsch nach Verbindung? Dann schreibe ich diese Person eben an und frage, ob sie Zeit hat, sich mal wieder auszutauschen. Oder irgendwas anderes.
Ist die Quelle für diese Neugierde aber Selbstzweifel und dieser, ja, fast schon selbstdestruktive Wunsch nach Bestätigung, dass ich nicht gut genug bin?
Dann weiß ich, dass mir soziale Medien da sowieso nicht gut tun würde, und dann lenke ich meinen Fokus auf andere Themen, so ganz bewusst und ganz gezielt.
#7 Fühlst du dich glücklicher ohne Social Media?
„Glück“ ist natürlich ein sehr großes Wort. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die Gleichung „Social-Media-frei = Glück“ in jedem Fall immer stimmt.
Aber es ist schön, Vergleicheritis, FOMO und so weiter bis zum Minimum reduziert zu haben.
Also natürlich zweifel auch ich nach wie vor an manchen Tagen an dem, was ich tue. Aber es ist deutlich weniger geworden.
Und dass ich weniger Zeit für Dinge aufwenden muss, die ich nicht mag (so wie Selfies machen, Reels drehen oder Grafiken erstellen), und dass ich dafür mehr Zeit für die Dinge habe, die ich mag (also Schreiben, Lesen, Musik usw.), das trägt natürlich auch enorm dazu bei, dass ich mich zufriedener fühle.
Deswegen: Ja, ich würde sagen, meine Zufriedenheit ist auf jeden Fall gestiegen und meiner mentalen Gesundheit hat es sehr gut getan, vor allem Instagram zu verlassen.
Und das ist dann alles in allem schon ein Glücksfaktor, muss ich sagen.
#8 Ist dir nicht manchmal langweilig ohne Social Media?
Zunächst einmal ist Langeweile kein so furchtbar schlimmes Konzept für mich.
Ich finde es gut, auch mal Phasen ohne Reize von außen zu haben und sich vielleicht mal für ein paar Minuten zu fragen:
Und was mache ich jetzt? Was stell ich mit der Zeit an?
Es macht mir keine große Angst, diesen Raum, ja diesen Leerlauf zu haben und mal zu spüren und mich zu fragen, wie ich denn diesen Leerlauf füllen will, anstatt mir automatisch das Smartphone zu schnappen und Insta zu öffnen.
Doch es ist jetzt nicht so, dass ich überhaupt keine Unterhaltung mehr habe in meinem Leben, nur weil ich nicht mehr auf Social Media bin.
Es ist natürlich sehr individuell, aber ich fühle mich auch ohne Social Media sehr gut unterhalten, durch andere Menschen, durch Lesen, Schreiben, Musik, Filme und Serien.
Also es ist jetzt nicht so, dass ich abends sitze und denke:
Was fange ich jetzt mit meinem Abend ohne Instagram an? Ich bin verloren.
Ich habe nach wie vor mehr Bücher auf meiner Leseliste, als ich jemals lesen könnte. Und nach wie vor mehr Serien bei Netflix auf der Watchlist, als ich jemals gucken könnte.
Insofern: Alles gut.
#9 Kriegst du überhaupt noch neue Ideen und Inspiration ohne Social Media?
Ja, dieser Aspekt, muss ich sagen, hat mich mit am meisten überrascht. Ich habe früher immer gedacht, dass ich unbedingt Instagram und Co. brauche, um Inspiration zu bekommen.
Aber bei mir war es so:
All die Tipps, Tricks, Hacks, Videos, Motivationszitate und Inspirationszitate und Erfolgsgeschichten auf Social Media, sie haben mich rückblickend betrachtet mehr gelähmt als wirklich inspiriert.
Ich habe für mich herausgefunden, dass ich viel weniger Inspiration brauche, als ich immer dachte.
Ein guter Gedanke – und ich bin für die nächsten Tage oder Wochen beschäftigt.
Und diese guten Gedanken gibt es eigentlich überall: in Gesprächen mit anderen Menschen, in Büchern, in Filmen, auf Reisen … Hunde können inspirieren, Kinder können inspirieren, Natur kann inspirieren. Wir können in eine Ausstellung gehen. Oder auf ein Konzert.
Wir brauchen nicht zwingend soziale Medien für neue Ideen und Kreativität.
#10 Gehst du irgendwann zu Social Media zurück?
Also im Moment kann ich es mir nur sehr, sehr schwer vorstellen, wieder zurückzugehen. Aber wer weiß, was in einigen Jahren ist. Ich kann jetzt natürlich nichts zu 100% ausschließen.
Wenn sich zum Beispiel soziale Medien in ihrer Funktionsweise und ihren Strukturen fundamental ändern würden, würde ich ihnen vielleicht nochmal eine Chance geben. Doch dafür müssten es wirklich große Veränderungen sein.
Und danach sieht es zur Zeit überhaupt nicht aus.
Ich finde, die Enshittification von Social Media schreitet mit großen Schritten voran und ja, wenn ich mir angucke, wohin sich soziale Medien gerade entwickeln, fühle ich mich in meiner Entscheidung eher bestätigt, muss ich sagen, und habe so gar nicht das Bedürfnis, zu Insta und Co. zurückzugehen.
Shownotes
„Die Website ist erst der 4. Schritt“ – Interview mit Bettina Bergmann
In dieser Podcastfolge habe ich Bettina Bergmann zu Gast. Bettina unterstützt Coaches dabei, ihre Stärken zu entdecken und Marketing zu betreiben, das zu ihnen passt. Und in dieser Folge sprechen wir über Websites und was Selbstständige brauchen, um eine Website zu erstellen, die die richtigen Menschen erreicht.
In dieser Podcastfolge habe ich Bettina Bergmann zu Gast. Bettina unterstützt Coaches dabei, ihre Stärken zu entdecken und Marketing zu betreiben, das zu ihnen passt.
Und in dieser Folge sprechen wir über Websites und was Selbstständige brauchen, um eine richtig gute Website zu erstellen, die die richtigen Menschen erreicht.
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Erstellen Selbstständige zu früh Websites?
[Alex] Hallo Bettina. Wir wollen heute zusammen über Websites reden und über die Arbeit, die vor der Erstellung der eigenen Website kommt. Denn du sagst, die Website ist erst Schritt Nummer vier.
Und bevor wir jetzt auf die Schritte eins bis drei im Einzelnen eingehen, vielleicht erst mal die Frage, würdest du also sagen, dass viele Selbstständige und Unternehmer*innen zu früh ihre Websites erstellen?
[Bettina] Ja, das ist meine Erfahrung. Und ich glaube, das hat damit zu tun, dass einfach die Motivation riesengroß ist, einzusteigen und anzufangen.
Und ich erlebe das ja besonders mit Coaches, weil ich mit denen am meisten zusammenarbeite. Und da ist das oft ganz so, die machen, Coaches machen eine Weiterbildung, die ist auch sehr umfangreich, da ist man anderthalb Jahre beschäftigt und dann kommt so die Idee, was mache ich jetzt mit all dem, was ich gelernt habe?
Und bei der Frage nach Marketing ist sofort der erste Gedanke, ich brauche eine Website.
Und dieser Gedanke ist ja auch richtig und natürlich braucht man eine Website, aber man kann nur eine gute Website schreiben, wenn eben vorher schon bestimmte Dinge geklärt sind.
Und das Problem, warum das zu früh ist, liegt meiner Auffassung nach auch an der Perspektive. Wenn ich aus einem Thema heraus, also bei Coaches ist es ja oft dann wirklich die Weiterbildung, wenn ich aus einem Thema heraus mich selbstständig mache, dann bin ich ja ganz auf mich selber fokussiert und habe das Gefühl, ich will das, was ich jetzt gerade alles gelernt habe, erfahren habe, wie auch immer, nach draußen bringen. Und da braucht es den Perspektivwechsel.
Den Perspektivwechsel hin auf die Klientin oder auf die Kundin, die ja dann die Website liest. Wenn ich selber so ambitioniert bin, begeistert bin von dem, was ich dann als Coach beispielsweise rausbringen möchte, dann denke ich viel zu viel an mich.
Und deswegen findet man auch öfter Webseiten, wo dann lang und breit steht, was ist mein Coaching-Verständnis und wer bin ich als Coach und ich bin systemisch orientiert und dann habe ich noch eine hypnotherapeutische Zusatzausbildung.
Das ist alles total spannend und auch wichtig, aber nicht als Hauptaussage auf einer Website, wo ja Menschen hinkommen, die irgendwie ein Problem haben und das gelöst haben wollen.
Und deswegen ist für mich so das Schlagwort am Anfang eigentlich: von der Coaching-Kompetenz zur Website-Kompetenz.
Also wirklich von dem, was ich eigentlich habe oder wenn du jetzt sprichst, auch von anderen Selbstständigen, anderen Unternehmer*innen, also letztlich von dem eigenen Thema und der eigenen Begeisterung fürs eigene Thema, den Perspektivwechsel erstmal machen auf das:
Was wollen eigentlich die Menschen, die ich gerne reinholen möchte auf meine Website?
Und deswegen ist das zu früh, weil die Probleme und die Themen und die Wünsche derjenigen, die dann mal klicken sollen, nicht genug im Blick sind.
Die wichtige Basis: Wer bin ich?
[Alex] Das heißt, wir müssen so den Schwenk machen von uns und unserem Thema zu dem, was die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, eigentlich interessiert und was ihre Probleme sind.
Und lass uns doch mal dann gleich über den allerersten Schritt sprechen. Also du sagst, Website kommt erst viel später. Was kommt denn zuerst? Also was ist so die wichtige Basis, damit ich überhaupt eine Website texten kann?
[Bettina] Also wenn wir als Einzelunternehmerinnen unterwegs sind, als Solopreneure, als Coaches sind ja auch letztlich oft Einzelunternehmerinnen, dann ist einfach die Person, und wenn ich eine Dienstleistung anbiete vor allen Dingen auch, dann steht einfach ganz klar die Person im Vordergrund.
Und das ist auch etwas, was oft nicht genug, finde ich, berücksichtigt wird. Dieses: Wer bin ich eigentlich in meinem Business?
Und das, finde ich, ist die ganz, ganz zentrale Frage.
Ich habe jetzt irgendwann für mich entwickelt, ich musste mich ja auch mit der Frage beschäftigen, wer bin ich eigentlich in meinem Business und was biete ich an? Und ich habe für mich so den Begriff gefunden, ich bin Persönlichkeitsschürferin.
Weil, ich finde, es gehört so an den Anfang zu schürfen nach dem Gold der Persönlichkeit, nach den Stärken, die man hat, nach all dem, was einen ausmacht, um daraus dann wirklich auch das Besondere zu entwickeln, womit man sich dann am Markt unter den 100.000 anderen, die da noch so rumlaufen, dann auch wirklich unterscheidet.
Also einmal, wer bin ich? Das ist sozusagen die allererste Frage, weil daraus das Fundament wird. Und dann natürlich die zweite Frage, mit wem möchte ich denn am liebsten arbeiten?
[Alex] Kann ich vielleicht mal kurz dazwischenfragen zu dieser ersten Frage, weil mich interessiert, finde ich das denn wirklich über Nachdenken heraus, wer ich bin? Also muss ich nicht auch ein bisschen in Kontakt schon mit Menschen kommen und schon ein bisschen nach draußen gehen, um für mich klarzubekommen, wer ich bin und was ich anbieten will?
[Bettina] Ich glaube, die Frage, wer ich bin, die kann ich auch erst mal mit der Innenschau wirklich beantworten.
Weil viele Menschen, mit denen ich so Kontakt habe und mit denen ich zusammenarbeite, die machen ja diesen Schritt in die Selbstständigkeit nicht gleich nach dem Abi oder nach dem Schulabschluss, sondern das ist für viele ja oft ein zweiter Berufsweg oder vielleicht eine noch spätere Umentscheidung für einen neuen Berufsweg.
Und wenn Menschen schon ein paar Lebensjahrzehnte hinter sich haben, dann habe ich ganz viel Erfahrung gemacht. Und ich habe aus meinen Lebenserfahrungen Erkenntnisse gewonnen.
Und ich rege dann auch immer gern dazu an, dass man sagt, so guck mal auf die Geschichten in deinem Leben, wo du besonders traurig warst, wo du besonders enttäuscht warst oder wo du besonders fröhlich warst. Was ist da passiert? Was war da? Was hat dich beeindruckt? Damit man daraus dann auch ableiten kann, was ist sozusagen auch dann vielleicht der goldene Faden durch dein Leben? Wo passieren Dinge immer mal wieder oder vielleicht sogar auf ähnliche Art und Weise? Und so rauszufinden, wie ticke ich eigentlich, was macht mich eigentlich aus? Und aus dem dann die Verbindung herzustellen, auch wiederum zu den Zielkunden. Das ist natürlich dann auch ein ganz entscheidender Schritt.
[Alex] Und der zweite Schritt ist, mit wem möchte ich zusammenarbeiten?
[Bettina] Ja, also der zweite Gedanke im Grunde auch noch von dem gesamten ersten Schritt, wenn wir den ersten Schritt mal so auch bündeln als Positionierungsarbeit, dann ist es: Wer bin ich, mit wem möchte ich arbeiten und zu welchem Thema?
Also diese drei Faktoren, die fasse ich da gerne zusammen und auch bei der Frage, mit wem möchte ich arbeiten, da erlebe ich auch oft, wenn es jetzt um Coaches geht und um Dienstleistungen, die ich anbiete, dass Menschen dann sagen, ach, ich kann doch mit allen und ich bin Generalist. Und ich will mich da eigentlich gar nicht einschränken.
Das ist meiner Ansicht nach auch nicht ganz klug, weil ich, das habe ich auch bei mir erfahren, wir sind nicht im Umgang mit allen Menschen gleich gut. Es gibt Menschen, da schwingt es sofort und da gehen wir in Höchstform über. Und das rauszufinden, genauso wie ich für mich selber rausfinden darf, wo sind denn meine emotionalen Besonderheiten und wie bin ich eigentlich gestrickt, so ist das auch günstig, das fürs Gegenüber zu überlegen, denn dann performst du wirklich optimal und dann kannst du auch beste Leistung bringen und kriegst später auch mal einfach gute Testimonials, einfach weil du gut warst.
Vom Branding zum individuellen Angebot
[Alex] Okay, Positionierung. Check. Was kommt danach?
[Bettina] Danach kommt, dass das, was man da rausgefunden hat, zu gießen in eine individuelle, originelle Sichtbarkeit, also sprich Branding.
Ich bin nicht im Bereich Grafik zu Hause, deswegen ist das nicht so mein Thema, jetzt zu sagen, welche Schriftart und welche Layouts und welche Farben passen günstig. Da gibt es auch Profis dafür.
Wenn ich darüber nachdenke, dann ist es mehr auch so diese Gesamthaltung, die ich nach außen zeige, die sich letztlich auch im Branding, also in der Marke zeigt.
Welche Werte vertrete ich? Du bist ja zum Beispiel auch im Moment damit unterwegs, zu sagen, ich kann meine Selbstständigkeit hier wuppen ohne Social Media. Das ist mein Thema. Und so etwas zu finden, welche Haltung habe ich bezogen auf mein Thema und damit dann rauszugehen und das dann natürlich auch noch in ein passendes Layout zu bringen.
Aber letztlich auch dieses, was so zwischen den Zeilen ist, spürbar zu machen. Wofür stehe ich? Also da so als Marke dann zu erscheinen, dass man auch weiß, bin ich ein eher analytisch strukturierter Mensch und biete damit meine Sachen an oder bin ich der temperamentvolle Draufgänger?
Also das rauszukristallisieren, was ist das Besondere in der Wirkung letztlich auch, im Sein und dann in der Wirkung.
[Alex] Ich kann mir vorstellen, dass das auch gar nicht so einfach ist. Wie mache ich das? Also wie bestimme ich das, was mir wichtig ist, meine Werte, wie ich nach außen auftreten will? Wie schaffe ich das gerade am Anfang?
[Bettina] Durch sehr viel Analyse, was bisher schon auch mal erfolgreich war. Ich komme ja aus irgendwelchen anderen Jobs oft, zu gucken: Was habe ich da eigentlich immer gut hingekriegt, wofür habe ich gute Rückmeldungen gekriegt?
Ich finde es auch ganz wichtig, einfach oder auch die Umgebung nochmal darauf hin zu befragen, wie erlebt ihr mich eigentlich? Was bin ich so für jemand? Wie komme ich bei euch an?
Also und das auch in der privaten Umgebung vielleicht auch mal zu tun, aber auch in der Business-Umgebung, wenn man Menschen ein bisschen besser kennt, da einfach mal zu fragen, was fällt euch auf? Wie bin ich? Also die Rückmeldung einzuholen und dadurch so eine Analysegrundlage zu kriegen, für das, wie man schon immer mal war und was immer schon mal gut gelungen ist.
Lebendiges Schreiben: Tipps und Tricks
[Alex] Jetzt wo du das so sagst, ich glaube, ich habe zum Beispiel vorher auch voll irgendwie verdrängt, dass ich gerne schreiben möchte und war halt dann über Jahre auf Social Media präsent.
Und hätte ich mich da mal gefragt, sag mal, was kannst du denn eigentlich und was ist dir wichtig, dann hätte ich das vielleicht auch irgendwie mir sparen können.
Deswegen: Ich finde, das hört sich absolut sinnvoll an.
[Bettina] Es kostet manchmal ein bisschen Mut, dann vielleicht auch solche Entscheidungen zu treffen. Denn so wie du gerade das beschrieben hast, es wird einem ja auch suggeriert, dass man bestimmte Dinge so tun muss, wenn man mit der Selbstständigkeit startet.
Und da sich dann bewusst anders zu positionieren, das kostet auch Mut.
Und den Mut, den kriege ich aber auch dadurch, dass ich mir selber immer wieder auch ein Stück weit klar mache, was ich gut kann, was meine Stärken sind und dass ich damit auch nur überzeugen kann.
Ich bin fest davon überzeugt, ich kann nur dann richtig gut performen, wenn ich da bei dem ansetze, was meine Stärken sind und wo ich wirklich dann zu Hause bin, wo ich mich wohlfühle und auch was mir Freude macht.
Das richtige Angebot erstellen
[Alex] Und was kommt nach dem Branding? Also Positionierung haben wir, Branding, was ist dann der nächste Schritt?
[Bettina] Das Dritte ist das Angebot. Dann etwas zu stricken aus diesen Überlegungen, wer bin ich, wer ist meine Zielgruppe, was ist mein Thema, das sozusagen zu bündeln in ein gutes Angebot.
Und wenn ich da nochmal wieder bei den Coaches zum Beispiel ansetze:
Ein Coaching ist kein Angebot.
Und viele Coaches zum Beispiel, die starten damit, dass sie auch auf der Webseite ganz schnell mal stehen haben, haben Einzelstunde 90 Euro oder irgend so was.
Oder du kommst jetzt und hast ein Problem mit deinem inneren Kind und deinen Glaubenssätzen und sonst was und Einzelstunde 90 Euro.
Da sage ich ganz schnell und ganz oft, das funktioniert so überhaupt nicht. Erstens weiß das auch jeder Coach, es braucht einen Prozess, wenn man überhaupt größere Themen angeht. Und, oder ich fange nochmal andersrum an. Es gibt eigentlich zwei Argumente, warum das kein gutes Angebot ist.
Ein bisschen Selbstschutz und Marketingthema, nämlich dann muss ich ja nach jeder Coachingstunde gegebenenfalls Neuakquise machen und das ist auf Dauer sehr anstrengend, wenn ich mir nur die Einzelstunden von Menschen zusammensuche.
Und das Zweite, das finde ich jetzt speziell für Coaches auch besonders relevant, ich übernehme ja Verantwortung für einen Prozess und bis Veränderung passiert, das dauert.
Unser Gehirn braucht mindestens mal drei Monate, bis irgendwelche neuen Bahnen gelegt sind. Da gibt es inzwischen auch wunderbare neurologische Untersuchungen dazu.
Und vor dem Hintergrund habe ich auch bei meinen normalen Coaching-Angeboten früher immer gesagt, ich biete ein Drei-Monats-Paket an.
Dann kann ich begleiten, dann kann ich zwischendurch Feedback einholen, dann können Dinge ausprobiert und wieder gemeinsam reflektiert werden. Und für Coaches, die jetzt starten und auch überlegen, so wie kriege ich eigentlich meine Miete finanziert, ist natürlich auch da die Antwort oder das Argument, es ist einfach dann leichter, weil man nicht so oft sich um neue Klienten kümmern muss.
Also das hat, finde ich, zwei Facetten, die dafür sprechen, ein Angebot so zu organisieren, dass es eben längerfristige Zusammenarbeit ermöglicht. Und was für mich auch noch dazu gehört, ist, dass dann in dieses Angebot auch ein bisschen was fließt von dem, was mich als Persönlichkeit ausmacht und was bei mir das Besondere ist.
Also biete ich zum Beispiel einen besonderen Service an oder habe ich eine ganz spezielle Methode, mit der ich an einem Thema arbeite. Also auch das kann dann das Angebot so rahmen, dass ich dann auch ich mit mir, meiner Dienstleistung und meinem Angebot mich dann eben deutlich unterscheide von den anderen Mitbewerbern und auf die Weise dann eben auch irgendwann sichtbar und gebucht werde.
[Alex] Ich habe mir gerade auch gedacht, so dieses Vorgehen, dass ich quasi meine Positionierung klarkriege, dann mein Branding, mein Angebot, das führt ja auch zu so einer Klarheit.
Und das ist dann sicherlich auch viel, viel einfacher, mit so einer Klarheit auch Website-Texte später zu schreiben, als wenn ich diese Klarheit noch gar nicht habe und, ja, einfach mal so drauf losschreibe oder mir einfach irgendwie WordPress hole und dann denke, jetzt muss ich irgendwie loslegen. Also das scheint mir ein Weg zu sein, der für ganz viel Klarheit sorgt. Und ich habe einen Blogartikel von dir gelesen. Eine gute Website ist wie ein gutes Coaching. Was meinst du damit?
[Alex] Ich habe den Hintergedanken gehabt, dass beim Coaching oder das Coaching ja dann erfolgreich ist, wenn ich als Coach gut kommuniziere.
Also, wenn ich schon damit anfange, für eine gute Atmosphäre zu sorgen, angenommen, ich arbeite jetzt in Präsenz, ich habe einen schönen Raum, ich habe den nett gestaltet, ich habe vielleicht sogar einen Tee gekocht, ich habe mit einem Duft für eine angenehme Situation gesorgt und so weiter und so fort.
Und das ist im Grunde etwas, was ich auf einer Webseite auch machen darf, indem ich sie so gestalte, dass der Besucher oder die Besucherin der Website dann sofort denkt: Oh, hier fühle ich mich jetzt richtig gut aufgehoben.
Also beispielsweise, indem der erste Aufmacher schon so ist, dass da ein sehr sympathisches Bild von der Coachin oder dem Coach erscheint, zusätzlich mit einem Text, der mich auch sofort anspricht, der mich abholt, wo ich auch sofort erkennen kann, hier bin ich vielleicht auch richtig mit meinem Thema und mit meiner Frage.
Dann ist das dieses freundliche Begrüßen wie sonst der freundliche Handschlag an der Tür und „Kommen Sie mal rein“ und „Bitte setzen Sie sich hin und fühlen sich wohl“.
Und gleichzeitig meine ich auch mit diesem „Gute Website ist wie gutes Coaching“, das meine ich bezogen auf Kommunikation.
Ich lese oft Website-Texte, die sind sehr ich-bezogen. Also ich habe jetzt die Weiterbildung gemacht und ich habe 20 Jahre Führungserfahrung und deswegen kenne ich mich gut aus mit Problemen bei Führungskräften und ich richte mich jetzt auch an Führungskräfte und ich bin, weiß ich nicht, ich habe die und die Weiterbildungen gemacht und ansonsten vielleicht noch ein paar Fun Facts.
Da ist ganz viel Ich und im Coaching würden wir ja auch nicht als Coaches die ganze Zeit von uns hier erzählen, dann hätten wir keinen Klienten. Deswegen auch mein Gedanke, mach das auf der Website mal genauso. Sprich die Leute an. Tu so, als würden sie dir erzählen und reagiere darauf, indem du so quasi aktiv zuhörst. Oder ja, stell kluge Fragen.
Sei auch vielleicht ein bisschen empathisch, indem du auf konkrete Lebenssituationen eingehst, die du antizipierst oder Berufssituationen.
Und die werden dann sehr konkret oder die sollten auch sehr konkret sein, damit sich jemand sofort da auch dann wiederfindet. Und eben auch nicht so, es wacht keiner nachts auf und sagt, ich muss mal meine Blockaden lösen, sondern das müssten dann richtig Alltags-, Berufs-, Lebensbeispiele sein, wo man sofort sagt, jo, das Problem kenne ich, das habe ich auch.
Und ja, und letztlich bis hin zur Körpersprache, die man ja sieht, wenn man im Coaching direkt miteinander arbeitet, man ist nach vorne geneigt, man hat Augenkontakt, man ist miteinander in gutem Kontakt, kann ich auf einer Website auch machen, indem ich letztlich auch da dafür sorge, dass Text und Bild gut zusammenpassen, dass die Farbwelt so ist, dass sie mich anspricht.
Also all das, was gutes Coaching ausmacht, kann ich im Grunde übertragen auf Konstruktion von Website. Mit dem Ziel, dass ich vertrauenswürdig wirke und dass die Menschen, die zu mir kommen, eben zu mir auch Vertrauen bekommen.
[Alex] Das ist ja auch deshalb, glaube ich, so eine gute Idee, weil ich dann ja auch einfach inhaltlich stimmig auftrete, also sowohl in meinen Coachings als auch nach außen, dass ich für die Menschen, wenn ich dann zusammenarbeite, auch einfach so ein einheitliches Rundumerlebnis quasi schaffe.
Weil wenn ich dann auf meiner Website zum Beispiel ganz andere Dinge mache als im Gespräch, dann wirkt das, glaube ich, auch widersprüchlich vielleicht sogar.
[Bettina] Ja, und genau dafür ist ja auch das dann wichtig, was ich vorhin angesprochen habe, dass ich bei mir anfange und überlege, wer bin ich denn und was will ich von mir zeigen? Dann wirkt das so.
Mir hat neulich eine Kundin gesagt, das fand ich total interessant, so bei einem Kennenlerngespräch, ich habe dann so gefragt, gibt es denn noch irgendwelche Fragen und möchtest du noch irgendwas wissen? Und dann sagte die, ach nö, das stand ja schon alles so auf deiner Website und das habe ich auch alles gut verstanden und du wirkst jetzt genauso wie auf deiner Website. Und da dachte ich, oh, das ist ein tolles Feedback.
Wenn ich da wahrnehmen konnte, das passt offenbar zusammen, was ich über mich schreibe und wie die mich dann im Gespräch erleben. Und sowas versuche ich dann auch weiterzugeben. Das, finde ich, ist das Zentrale, dass da keine Brüche sind.
[Alex] Eine Herausforderung ist häufig, dass wir ja verständlicherweise natürlich den Wunsch haben, professionell aufzutreten mit unserer Website, dann halt aber Website-Texte schreiben, die auch entsprechend kompliziert klingen, also Schachtelsätze, viel Fachsprache und so weiter. Wie können wir uns deiner Erfahrung nach diese Fachsprache abtrainieren als Coaches und ein bisschen alltagssprachlicher schreiben? Hast du da ein paar Tipps?
[Bettina] Ja, ich würde mit einem ganz pragmatischen Tipp starten und zwar, bevor ich ans Schreiben gehe, hat mir das oft geholfen, dass ich Dinge gesprochen habe.
Also ich gehe häufiger auch jetzt noch mit meinem Handy durch die Gegend und erzähle das, was ich schreiben möchte, weil ich im Erzählen einen anderen Stil habe.
Und wenn ich diesen Stil ein bisschen übernehme fürs Schreiben, dann bin ich schon gleich um mindestens 50 Prozent lebendiger, als wenn ich das Ganze sozusagen schon, wenn ich nur mit dem Schreiben starte.
Denn Menschen auch, die es nicht gewöhnt sind, so adressatenorientiert und lebendig zu schreiben, die haben häufig auch das Gefühl einfach, sie müssten jetzt, wie du eben sagst, einfach so, um professionell zu sein, müssen sie kluge Sätze schreiben und die sind dann auch noch lang, aber sowas will ja kein Mensch lesen.
Und ich habe selber mal irgendwann Germanistik studiert, aber davon kann ich fast nichts brauchen für das, was jetzt für Websitetexte relevant ist.
Also einmal dieses eher schreiben, wie man spricht, und das auch ein bisschen üben dadurch, dass man einfach das gesprochene Wort mal aufnimmt. Und wenn du auch nach weiteren Tipps fragst, ganz konkret mehr kurze Sätze schreiben.
Kurze und lange auch eher mischen. Auf jeden Fall darauf achten, dass Sätze nicht zu lange Nebensätze haben und zu verschachtelt sind. Das liest sich auch nicht günstig im Internet, einfach weil wir auch gewohnt sind, wir lesen ja auch oft quer und wir überspringen, wir scannen Texte.
Und da braucht es auch so Eyecatcher zwischendurch, wo bleibe ich hängen, also auch viel mehr Zwischenüberschriften zum Beispiel formulieren, damit auch die Schnellleser eine Orientierung haben und wissen, wo sie wieder andocken können.
Was könnte ich sonst noch sagen? Also überhaupt lebendiges Schreiben, in dem man zum Beispiel auch versucht, sehr konkret zu sein, auch mal sinnliche Eindrücke einzubauen. Was sehe ich? Was höre ich? Was nehme ich wahr?
Also viel weniger abstrakt, auch mehr Verben als Nomen zu verwenden, weil das einfach lebendiger ist. Diese ganzen Wörter auf -heit und -keit und -ung sind auch nicht besonders tauglich und gut lesbar.
Und dann finde ich noch so als Grundsatz-Tipp wichtig, dass man versucht, seinen eigenen Stil zu finden.
Wenn du anfängst zu schreiben, dann geht es ja manchen vielleicht, vielleicht ist es dir auch mal irgendwann so gegangen, dass du dir Vorbilder suchst. Ich habe auch am Anfang mir mal da durchaus Vorlagen auch georganisiert, wie schreibe ich gute E-Mails, bis ich gemerkt habe, dann habe ich das auch am Anfang so gemacht, wie mir da empfohlen wurde und jetzt mit Abstand gucke ich da nochmal drauf und denke, so würde ich heute nie wieder schreiben, weil es nicht meins ist.
Also ich finde es auch noch ganz wichtig, ein bisschen rauszufinden, was passt denn da zu mir und was ist mein Stil, denn auch das gehört dann irgendwann zur Marke, dass ich so schreibe, wie es zu mir passt.
Über-mich-Seiten: Geschichten erzählen
[Alex] Das finde ich voll den wichtigen Tipp und ich glaube, dass man das auch nur schafft, indem man eben super, super viel übt, also viel, viel schreibt, sich nochmal durchliest mit ein bisschen Distanz, was habe ich da geschrieben, und vielleicht geht es dann einem so, wie es dir ging, dass man merkt, oh, das ist nicht so sehr, klingt nicht so sehr nach mir. Also üben, schreiben, nochmal durchlesen. Ich glaube, das ist so das Beste, was wir machen können.
Vielleicht können wir nochmal ein paar Worte sagen zur Über-mich-Seite. Weil so meine Erfahrung ist, also ich habe jetzt nicht nur Coaches bei mir unter Kundinnen, aber eigentlich tun sich fast alle mit Über-mich-Seiten schwer.
Sie schieben sie immer bis zum Schluss auf und dann ist es meistens so ein Kampf. Hast du so ein paar Tipps, wie es leichter gehen könnte mit der Über-mich-Seite?
[Bettina] Ich würde, bevor ich anfange zu schreiben, bei der Über-mich-Seite auch nochmal darüber nachdenken, das habe ich vorhin schon mal in einem anderen Zusammenhang gesagt, aber hier wird es nochmal relevant:
Was sind die entscheidenden Geschichten und Situationen in meinem Leben?
Ich habe zum Beispiel immer, ich habe dann beim Nachdenken bei meiner Über-mich-Seite gemerkt, dass ich immer wieder mal auch gegen Stimmen von außen gehandelt habe in meinem Leben. Als ich Studierende war, da wollte ich unbedingt nach Südamerika und da kam von außen, oh, das ist viel zu gefährlich, willst du das wirklich machen und da wirst du ausgeraubt, da kriegst du Durchfall und, und, und. Ich habe es gemacht.
Und wenn ich es nicht gemacht hätte, hätte ich die tollsten Erlebnisse nicht erfahren und die ich jetzt noch nach Jahrzehnten einfach ganz lebendig im Kopf habe. Oder so andere Stimmen von außen. Ich habe mich mal beworben auf eine Beförderungsstelle und dann kam jemand, oh, das traust du dir wirklich zu? Willst du das echt machen?
Und ich habe es getan. Ich habe es dann erfolgreich gemacht. Und dann daran habe ich so gemerkt, okay, offenbar ist das ein Element von mir und meinem Leben, was sich so durchzieht, dass ich Stimmen von außen kriege, die mir vielleicht irgendwas nicht zutrauen, wo ich aber dann sage oder nochmal reflektiere, möchtest du es trotzdem? Ja, und dann habe ich es gemacht.
Und dieses ist zum Beispiel dann so ein roter Faden durch mein Leben und so etwas zum Beispiel kann man dann auf eine Über-mich-Seite einbauen und du kannst dann eben auch überlegen, was hat das zum Beispiel dann mit deiner Zielgruppe zu tun.
Also, bleiben wir mal bei dem Thema und du bist als Coach selbstständig für jemanden oder willst dich selbstständig machen und dich kümmern um Menschen, die einfach auch so eine Unterstützung brauchen, Mut, Entscheidungen zu treffen und Ähnliches, dann kannst du zeigen:
Ich habe das so und so gemacht, ich habe das so und so gemeistert, ich bin da vielleicht schon einen Schritt weiter als du. Wenn das jetzt dein Thema ist, dann bist du offenbar bei mir ganz gut aufgehoben.
Also Über-mich-Seiten schreiben oder auch wenn man jetzt an andere Berufsbereiche denkt, ist aber der Grundgedanke, glaube ich, ein ähnlicher, nämlich zu überlegen: Was ist so mein besonderes Erleben gewesen in verschiedenen Situationen? Was habe ich für Erkenntnisse gewonnen? Und was haben die jetzt vielleicht zu tun mit meiner Arbeit und auch mit meinen zukünftigen Kunden?
Die Rolle von SEO im Marketing
[Alex] Vielleicht können wir abschließend auch nochmal über die Rolle der Website in deinem Marketing sprechen.
Du hast mir im Vorgespräch zum Beispiel verraten, dass Suchmaschinenoptimierung, also SEO, eine wichtige Rolle in deinem eigenen Marketing spielt und dass du, weil du eben für immer mehr Begriffe weit oben in den Suchergebnissen auftauchst, auch deine Werbeanzeigen auf Social Media reduzieren konntest. Erzähl doch mal, was dir SEO genau für Resultate bringt.
[Bettina] Das macht mir inzwischen richtig Spaß, Blogartikel zu schreiben, die ich mit Keywords optimiere und damit eben sozusagen bei Google öfter gefunden werde.
Das Resultat ist, ich fange mal ganz hinten an, ich bin jetzt inzwischen mit mehreren für mich relevanten Keywords, also bei mir ist das als Coach selbstständig machen, Coaching-Business aufbauen, Positionierung-Coaching, ranke ich bei Google zum Teil unter den ersten zehn, mit einigen auf Platz fünf.
Ich habe auch einzelne Artikel, da bin ich auf Platz 1 sogar und das bringt mir den Vorteil, dass ich dann Menschen, dass Menschen, die genau diese Begriffe suchen, bei mir landen.
Ich habe meinen Blog auf meiner Website und so sind die dann, sie lesen dann meinen Blog und dann verbinde ich das ja damit, dass ich da auch auf meinen Fünf-Tage-Kurs hinweise, den man kostenlos bekommen kann, oder auf meinen Newsletter hinweise und dann kann man sich da eintragen.
Und so bekomme ich dann eben die E-Mail-Adressen und dann anschließend, wenn jemand in meiner E-Mail-Liste ist, kriegt er wöchentlich einen Newsletter mit allen möglichen Infos und Tipps für den Start in die Selbstständigkeit als Coachin, wofür ich ja stehe.
Das heißt, SEO bringt mir Menschen auf meine Website und das letztlich dann ohne Kosten, nämlich ohne, ich habe vorher nur Zeit investiert, aber sie kommen ohne Kosten von Werbeanzeigen.
Und ich habe das eine Zeit lang anders gemacht. Ich war eine Weile auch bei Instagram und habe es auch versucht. Ich bin auch bei Facebook immer noch, aber nicht aktiv und habe dann mit Meta-Ads das probiert.
Ich habe dann natürlich auch Leute gekriegt in meine Liste. Ich habe aber nicht, da sind dann aber auch Menschen bei, die nicht gezielt nur das suchen, was ich letztlich anbiete.
Und ich finde, es ist auch immer eine Frage von Zahlen. Nicht für jedes Business braucht man horrende große Zahlen. Manchmal reicht es schon, wenn sich ein, zwei, drei melden und von denen bucht dann einer.
Also es ist, finde ich, eben nicht eine Frage von Menge, nur wenn man seinen eigenen Erfolg definiert. Und ich kann ganz klar sagen, also SEO, optimiertes Arbeiten, hat mir den Erfolg gebracht, dass Leute über Google mich finden und bei mir auf der E-Mail-Liste landen und dann auch irgendwann buchen.
Und das macht echt Spaß, wenn man so sieht, auch wie da so im Laufe der Jahre die Sichtbarkeit steigt. Ich habe bei, vor einem Jahr hatte ich eine Sichtbarkeit von, oder sagen wir mal eine Klickrate bei Google von um die 300 pro Seite, jetzt bin ich bei knapp 1000 pro Monat. Und das eben durch die Artikel, die ich regelmäßig optimiere.
[Alex] Es gibt ja auch einen großen Unterschied, finde ich, ob ich quasi auf Social Media unterwegs bin und da kommt eine Anzeige und stört mich quasi in dem, was ich gerade mache, oder ob ich aktiv nach einem Begriff suche und ja quasi bereit bin, die Lösung zu sehen und dann auf einen Blogartikel stoße.
Also ich glaube, was du gerade gesagt hast, manchmal reichen dann irgendwie ein, zwei, drei Leute, aber dadurch, dass es halt einfach relevantere Menschen sind, bringt es dann auch häufig viel mehr als die Masse auf Social Media.
[Bettina] Ja, das denke ich auch. Ich hatte neulich gerade ein Erlebnis, da hat sich jemand auf meine Liste eingetragen und nach zwei Wochen um ein Gespräch gebeten. Und daraus ist eine Kundin geworden. Wo ich auch denke, wow, das ist irgendwie irre. Andere, die habe ich drei Jahre auf meiner Liste, die haben die antworten nur ab und zu mal, was ja auch schön ist, sie freuen sich an meinen Newslettern.
Dann, also das ist auch einfach ein wichtiger Punkt für einen selber, das rauszufinden, was funktioniert für mich, was mache ich gerne und was funktioniert letztlich. Und das braucht natürlich auch einfach ein bisschen Zeit und ein bisschen Ausprobieren.
Geduld und Ausdauer bei SEO
[Alex] Du hast jetzt schon gerade erzählt, dass es jetzt bei dir ungefähr ein Jahr gedauert hat, wenn ich das richtig verstehe, dass es so von 300 Klicks auf 1000 Klicks angewachsen ist pro Monat.
Jetzt ist es halt so, dass SEO nun mal dauert. Also es geht nicht über Nacht. Und was hast du denn jetzt zum Beispiel in der Zwischenzeit gemacht? Also wenn man mit SEO startet, dann braucht man einfach Geduld. Was rätst du da deinen Kundinnen oder wie ist das bei dir gewesen?
[Bettina] Also die Geduld braucht man auf jeden Fall. Zielt deine Frage jetzt darauf ab, wie finanziere ich mir dann überhaupt den Einstieg in die Selbstständigkeit?
[Alex] Oder was sind so alternative Marketingstrategien? Also was mache ich quasi, um das zu überbrücken, bis SEO fruchtet? Also hast du dann vielleicht doch Social Media genutzt oder hast du über Kontakte Kundinnen gewonnen? Wie war das bei dir?
[Bettina] Ja, also ich speziell habe mich ja vor fünf Jahren nebenberuflich selbstständig gemacht und hatte dadurch erstmal sozusagen zwei Standbeine, was mich persönlich sehr entlastet hat. Und ich erlebe das auch bei vielen, die starten, dass die erstmal noch ein Teil in ihrem Hauptjob bleiben und dann wirklich erstmal Stunden reduzieren und sich die Zeit nehmen für den Aufbau. Das halte ich auch für eine kluge Strategie.
Ansonsten gibt es ja immer auch noch die alternativen und auch tradierten Möglichkeiten, bei irgendwelchen Messen aufzutreten, versuchen, einen Vortrag irgendwo zu halten, in einem ganz kleineren Rahmen, wenn man regional zum Beispiel auch was anbietet.
Da habe ich ja vielfältige Möglichkeiten, mich auch bekannt zu machen oder schlicht mal, wenn es wirklich regional ist, auch mit der regionalen Zeitungen Kontakt aufzunehmen. Also Marketing-Strategien auch jenseits von online, finde ich, dürfen wir nicht vergessen, weil das letztlich ja auch genauso funktionale Dinge sind. Und je nachdem, was ich für eine Zielgruppe habe, kann das auch erstmal genauso funktionieren.
Und Social Media hast du noch angesprochen. Ich bin zum Beispiel aktiv bei LinkedIn. Das war der Kanal, den ich von Anfang an auch regelmäßig bespielt habe. Und da zum Beispiel ist es ja auch leicht möglich, sein Netzwerk auszuweiten und auch direkten Kontakt aufzunehmen. Das war für mich eine Alternative am Anfang.
Umgang mit abstrakten Themen in SEO
[Alex] Gerade bei Coaches beobachte ich, dass sie ja häufig so abstrakte Themen und Fragestellungen abdecken. Also du zum Beispiel früher Resilienz oder Perfektionismus ablegen oder, oder. Und wenn wir das jetzt so aus SEO-Sicht betrachten und das wäre so jetzt meine letzte Frage, wie können Coaches mit so abstrakten Themen und vielleicht auch umkämpften SEO-Keywords SEO betreiben? Wie funktioniert das?
[Bettina] In dem Zusammenhang ist es hilfreich, nach Begriffs- oder Formulierungsvarianten zu suchen.
Es gibt ja Tools, wo man recherchieren kann, welche Keywords wie oft gesucht werden und wie umkämpft diese Begriffe sind. Und wenn ich da zum Beispiel rein Perfektionismus reingebe oder nur das Wort Resilienz, dann kriege ich da Tausende von Suchvolumen, gleichzeitig aber auch einen hohen Wert von Schwierigkeit, diesen Begriff, bei diesem Begriff überhaupt zu ranken irgendwann mal.
Und da empfiehlt es sich, und so habe ich das auch gemacht, einfach zu gucken, was sind denn so verwandte Formulierungen, die in eine ähnliche Richtung gehen, wo ich dann aber leichter die Möglichkeit habe zu ranken, also nicht nur ein Wort, sondern Perfektionismus ablegen oder mit Stress gut umgehen oder Stressfaktoren oder Resilienz aufbauen, innere Stärke entwickeln.
Also, dass man so Wortkombinationen hat. Und wenn man damit so ein bisschen ausprobiert in den Tools, wo man das checken kann, dann kommt man auch auf Begriffe, die thematisch ganz nah an dem sind, was man eigentlich sagen will, die aber trotzdem noch gut zu ranken sind und wo man dann noch Chancen hat, hochzukommen.
[Alex] Also Recherche ist entscheidend.
[Bettina] Ja.
[Alex] Bettina, ich danke dir vielmals, dass du heute hier warst und über dein Thema gesprochen hast.
[Bettina] Sehr gerne.
Shownotes
Schlaue Pressearbeit für Selbstständige: Interview mit Marike Frick von Wasjournalistenwollen
In dieser Podcastfolge habe ich Marike Frick zu Gast. Marike ist ausgebildete Journalistin und sie zeigt Selbstständigen und Unternehmer*innen, wie sie ihre Pressearbeit selbst machen können. Genau zu diesem Thema habe ich sie schon in meinem Buch „No Social Media!“ interviewt. Und jetzt möchte ich mit ihr auch noch mal in meinem Podcast darüber sprechen.
In dieser Podcastfolge habe ich Marike Frick zu Gast. Marike ist ausgebildete Journalistin und sie zeigt Selbstständigen und Unternehmer*innen, wie sie ihre Pressearbeit selbst machen können.
Genau zu diesem Thema habe ich sie schon in meinem Buch „No Social Media!“ interviewt. Und jetzt möchte ich mit ihr auch noch mal in meinem Podcast darüber sprechen.
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Warum es nicht sinnvoll ist, Pressemitteilungen zu verschicken
[Alex] Hallo Marike. Wenn Menschen an Pressearbeit denken, denken viele immer noch an Pressemitteilungen, also dieses klassische Massen-E-Mails an möglichst viele Redaktionen versenden. Warum ist das von gestern?
[Marike] Das ist vielleicht sogar von vorgestern. Also es ist einfach einer Realität geschuldet, in der sich viele Journalisten befinden.
Journalisten bekommen so viele E-Mails jeden Tag. Ich habe mal so eine Umfrage gemacht, da haben die meisten gesagt, es sind so 80 bis 150 E-Mails jeden Tag. Die kann natürlich kein Mensch öffnen, die kann kein Mensch lesen, die kann kein Mensch beantworten.
Deshalb ist so das Üblichste in den Redaktionen, dass Journalisten morgens in ihren Posteingang reingehen und einfach löschen, löschen, löschen, löschen, löschen und nur noch das stehen lassen, wo sie denken, das könnte mich vielleicht interessieren.
Und nun ist es so, dass in den letzten Jahren die Redaktionen eher kleiner geworden sind, also weniger Redakteure müssen mehr Themen bearbeiten. Und dann heißt das natürlich nochmal, dass die E-Mail-Flut zunimmt.
Das heißt nochmal, dass mehr Informationen auf den einzelnen Journalisten oder die einzelnen Redakteurin einströmen. Und wer sich das nicht bewusst macht und weiter Pressemitteilungen verschickt, kann das natürlich gerne tun, aber es wird halt herzlich wenig bringen, weil sie wahrscheinlich nicht gelesen wird.
[Alex] Also das heißt, wenn ich sowas schreibe wie „Pressemitteilung: Wir haben ein neues Produkt“, dann kann ich es auch gleich sein lassen? Dann bringt das gar nichts?
[Marike] Aus meiner Sicht ja. Es sei denn, du bist irgendwie BMW und bringst ein neues Auto raus, dann werden sich natürlich die Autoredakteure trotzdem noch dafür interessieren. Aber die meisten von uns sind das ja nicht. Und da bringt es einfach nichts, so eine klassische Pressemitteilungen zu verschicken, wie sich vielleicht große Unternehmen mit großen Namen versenden.
[Alex] Und was können dann Selbstständige, Einzelunternehmer*innen und Kleinunternehmen vielleicht stattdessen tun? Wie fallen sie auf?
[Marike] Also sie sollten sich überlegen: Wie kann ich dem Journalisten etwas schicken, das den Löschreflex eben nicht auslöst? Also wie kann ich schon in meiner Betreffzeile klar machen, hier wartet was auf dich in dieser E-Mail, das es lohnt, gelesen zu werden. Und in der Regel sind Journalisten immer auf der Suche nach Geschichten von echten Menschen.
Und sie sind auf der Suche nach Experten, die ihnen etwas erklären können, die etwas einordnen können.
Und das sind auch die zwei Richtungen, in die wir unsere Kunden schicken.
Das heißt, wir überlegen immer, bringst du vielleicht eine Gründungsgeschichte mit, die interessant sein könnte? Warum machst du das, was du machst? Hast du einen Auslöser dafür, was du gegründet hast? Oder gibt es irgendwas Ungewöhnliches in deinem Leben, was du erzählen kannst und was irgendwie mit deinem Business-Thema zu tun hat? Oder wir überlegen, hast du Expertenwissen, das du anbieten kannst, idealerweise, weil es gerade super gut passt?
Ich gebe dir mal ein Beispiel, das ich vor kurzem gesehen habe auf Spiegel Online. Das fand ich ganz überraschend und eindrücklich.
Es hat ja so unheimlich lange gedauert, ehe das Bayern-Team, wir sind beim Fußball, ehe Bayern einen neuen Trainer gefunden hat. Niemand wollte den Job machen, alle haben irgendwie abgesagt. Und dann hat sich endlich einer bereit erklärt.
Und dann hat Spiegel Online Karriere-Coaches interviewt zur Frage: Wie trete ich einen Job an, den keiner haben wollte? Wie mache ich das souverän? Und da konnten diese Karriere-Coaches mit ihrem Expertenwissen glänzen.
Es hatte aber so einen Bezug zur Allgemeinheit. Also alle kennen Bayern, alle haben es mitbekommen mit der Trainersuche. Auch diejenigen, die sich vielleicht gar nicht so für Karrierefragen bisher interessiert haben, haben das vielleicht gelesen und haben diese Coaches kennengelernt.
Und das ist so ein bisschen die Magie, wenn man es schafft, zu einem Thema, über das viele Menschen sprechen, etwas anzubieten, nämlich: Ich kenne mich damit aus. Ich weiß, wie das ist, wenn man einen Job antritt, den niemand haben wollte. Dann wird man plötzlich für die Journalisten interessant und die sagen: Oh cool, den interviewe ich jetzt mal. Den hätte ich sonst nie angerufen, aber das finde ich jetzt spannend.
[Alex] Das heißt, wenn ich feststelle, dass jetzt irgendwie so ein aktueller Anlass da ist, dann kann ich mit diesem aktuellen Anlass einfach Journalisten kontaktieren und denen schreiben: Hey, ich kann was dazu sagen! Oder wie läuft das dann ab?
[Marike] Genau, das ist eine Möglichkeit. Also entweder ich habe was zu sagen zu einem aktuellen Anlass oder ich habe was zu sagen zu einem Phänomen, das viele Menschen kennen.
Also sagen wir mal, dein Thema sind Depressionen und es gibt natürlich in Deutschland immer wieder Erhebungen, wie viele Menschen sind von Depressionen betroffen. Kann es sein, dass eine neue Studie rauskommt und in der Studie kommt raus, Depressionen nehmen zu oder Depressionsdiagnosen nehmen zu.
Das ist auch ein guter Aufhänger zu sagen: Hey, lasst uns mal über das Thema Depressionen sprechen. Wie gehe ich eigentlich um mit Menschen, die von Depressionen betroffen sind? Also Wissen zu großen gesellschaftlichen Phänomenen, Wissen zu Dingen, die gerade da draußen passieren. Kann ich das erklären? Kann ich das einordnen? Kann ich da irgendwie Tipps dazu geben? Oder eben, ich habe eine Geschichte zu erzählen. Also vielleicht, ich bin selbst von Depressionen betroffen und kann dazu was sagen.
Das sind so verschiedene Ansätze. Und ja, dann schreibt man einfach einen Journalisten oder eine Redakteurin an und sagt: Hey, ich habe dazu was zu erzählen, zu sagen.
Man sollte natürlich schon ein bisschen anklingen, was man zu sagen hat, damit man nicht auch einfach so einen Zweizeiler schreibt.
Aber im Zweifel eben keine Pressemitteilung und keinen langen Text über die neue Coaching-Methode oder die neue Dienstleistung oder was auch immer, sondern: Was habe ich zu sagen, was können Leser, Zuhörer, Zuschauer von mir lernen?
Journalisten kontaktieren ohne zu nerven
[Alex] Ich kann mir vorstellen, dass trotzdem noch einige da Hemmschwellen haben, Journalisten so zu kontaktieren. Wie kann ich sie denn kontaktieren, ohne sie zu nerven? Gibt es denn so Dinge, die man beachten kann?
[Marike] Ich glaube, nerven wird man nur, wenn man irgendwie alle zwei Tage ein richtig dämliches Thema da hinschickt, das überhaupt nichts mit diesem Journalisten zu tun hat. Wenn sich Journalisten wirklich aufregen würden über E-Mails, die nur so lauwarm interessant für sie sind, dann würden sie sich den ganzen Tag ärgern. Das heißt, die sind nicht so schnell genervt.
Man macht wirklich nichts falsch, wenn man sich alle paar Wochen mal bei denen meldet und sagt: Hey, ich habe wieder was für dich.
Das ist eine Hürde, die viele im Kopf haben. So, ich will ja nicht aufdringlich sein, ich will ja nicht nerven, aber stell dir einfach vor, du bekommst jeden Tag diese 100 E-Mails. Du wirst übermorgen schon gar nicht mehr wissen, dass dir da vorgestern jemand geschrieben hat. Du wirst dich nicht an den Namen erinnern. Deswegen nervt man viel seltener, als man denkt.
Man nervt am ehesten noch, wenn man wirklich thematisch voll am Journalisten vorbeigeht. Weil, also wenn sich jemand mit Reisethemen beschäftigt und ich stelle mein neues Produkt vor, dann wird die Journalistin vielleicht irgendwann sagen „Meine Güte, hat der es immer noch nicht begriffen!“ und dann vielleicht genervt sein.
Also man sollte schon versuchen, den richtigen Journalisten zu erreichen, die Redakteurin zu erreichen, die sich mit dem Thema beschäftigt, sagen wir zum Beispiel Karriere oder psychische Gesundheit, dass man wirklich versucht, denjenigen rauszubekommen in einer Redaktion, der sich mit dem groben Themengebiet tagtäglich beschäftigt.
Denn die Journalisten, die Redaktionen sind so aufgeteilt, also gerade größere Redaktionen wie Spiegel Online zum Beispiel. Da macht der eine Wirtschaftsthemen, der andere macht Karrierethemen, der nächste macht Reisethemen, die nächste macht Nachhaltigkeitsthemen und da ist es wichtig, den richtigen rauszufinden, damit eben nicht sofort gelöscht wird.
Weil, wenn ich mich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftige und du schickst mir ein Karrierethema, dann drücke ich sofort auf Löschen und leite das auch nicht unbedingt weiter. Dafür habe ich gar nicht die Zeit.
[Alex] Das heißt, Recherche ist eigentlich essentiell. Also daran steht und fällt, dass man dann auch wirklich Interesse wecken kann mit seinem Thema.
[Marike] Ja, das ist ganz eindeutig so. Ich sage immer, die Zeit, die andere für das Schreiben von Pressemitteilungen verwenden, die muss man bei uns in die Recherche stecken. Denn ich kann auch nicht dir eine Adressliste mit 100 Kontakten geben, dürfte ich auch gar nicht, aber wenn ich es machen würde, dann würde dir das wenig bringen, weil du brauchst halt die Journalisten, die zu deinem Thema passen.
Und diese Recherchezeit einmal einzuplanen ist gut, wenn man sie dann einmal hat, wenn man sich einmal seine 20, 30 Kontakte recherchiert hat, dann hat man sie auch und kann sie immer wieder hervorholen und kann die Leute immer wieder kontaktieren.
[Alex] Macht das eigentlich einen Unterschied, was ich genau mache? Also ob ich jetzt Beraterin bin, einen Online-Shop habe oder jetzt in meinem Fall ein Buch geschrieben habe, geht es immer um die Story, um die Geschichte oder gibt es da so einen fundamentalen Unterschied?
[Marike] Wir sind bei allen Kunden immer gut damit gefahren, nach diesen zwei Elementen zu suchen, Geschichten und Expertenwissen. Die einen bringen mehr Geschichten mit, die anderen mehr Expertenwissen.
Wir hatten zum Beispiel eine Teilnehmerin im Kurs, die hat Schmuck selbst hergestellt und die ist dafür in die Natur gegangen, hat Blüten gesammelt und hat aus diesen Blüten dann Schmuckstücke gemacht, individuelle Schmuckstücke. Und dann macht sie das auch immer noch. Und die hat sehr viel über ihre persönliche Geschichte gehen können.
Also die bringt jetzt nicht anderen bei, wie man Schmuck selbst herstellt. Da ist das Expertenwissen so ein bisschen begrenzt, sondern sie ist sehr darüber gegangen, dass sie das als Hobby gemacht hat.
Ich glaube, sie ist so ein Island-Fan und hat dann davon erzählt, wie sie auf Island die Idee dafür hatte, und mittlerweile hat sie ihren Job gekündigt und macht nur noch das. Und das sind unheimlich schöne Bilder, wie sie in der Natur ist, die Blumen sammelt und ihren Schmuck herstellt und das haben wir dann immer noch mit betont, dass das ja schönes Bildmaterial geben könnte und das gefällt vielen Magazinen. Deswegen hat sie es in viele Magazine geschafft.
Und bei anderen fahren wir eher über die Schiene, dass wir das Know-how anbieten, weil die sagen, ich habe jetzt keine spannende Geschichte mitgebracht, aber ich weiß, wie man meinetwegen den neuen Job richtig antritt.
Also es ist wirklich egal, ob Produkt oder Dienstleister oder Coach, es sind immer diese zwei Fragen, die wir stellen: Welche Geschichte bringst du mit und welches Expertenwissen bringst du mit?
Wie finde ich relevante und interessante Geschichten für die Presse?
[Alex] Kann ich denn irgendwie abschätzen, ob die Geschichten, die ich habe oder das Expertenwissen auch wirklich relevant und interessant ist? Gibt es da so Kriterien?
[Marike] Es wird umso interessanter, je mehr Menschen davon betroffen sind. Beispiel Depression betrifft sehr, sehr viele Menschen in Deutschland.
Relevant wird es dadurch, dass gerade darüber gesprochen wird. Siehe Bayern Trainer.
Also wenn diese Kriterien zutreffen, wird es einfach nochmal in der Dringlichkeit interessanter für den Journalisten. Ein Journalist kann das ganze Jahr theoretisch über Depressionen schreiben, aber wenn jetzt gerade eine Schauspielerin gesagt hat, übrigens, ich bin auch von Depressionen betroffen, und das ist eine Neuheit und viele reden darüber, wird es interessanter.
Wenn es den Tag „Aktionstag gegen Depressionen“ gibt, der irgendwie in einem Monat ansteht, wird das Thema interessanter. Also, so ein paar Faktoren können sein, Aktualität, also es passiert gerade was oder ist gerade was passiert, Relevanz, viele Menschen sind davon betroffen, Emotionalität, also es ist irgendwie eine Geschichte, die zu Herzen geht, vielleicht auch Überraschung oder eine ungewöhnliche Geschichte. Also jemand hat etwas sehr Ungewöhnliches geschafft.
Wir hatten einen Teilnehmer, der ist mit einer Titanstange im Rücken den Iron Man gelaufen. Also die Titanstange hat er schon sehr lange im Rücken, aber wir haben es natürlich zusammengestaucht auf: Mann mit Titanstange läuft den Iron Man.
Das war eine Geschichte, damit war er in mehreren Zeitungen, damit war er im Fernsehen und er ist Coach und Personal Trainer und er konnte das dann gut mit seinem Business zusammenbringen und darüber sprechen, wie es ist, wenn man mit über 50 das Gefühl hat, man möchte mehr aus seinem Leben machen und er hat das auch gemacht. Er konnte das immer gut verknüpfen.
Also eine ungewöhnliche Geschichte kann auch so etwas sein, wo der Journalist denkt, okay, jetzt wird das Thema gerade noch interessanter für mich.
Was bringt Pressearbeit?
[Alex] Du hast jetzt schon von deinen Kund*innen gesprochen. Was kann denn so passieren, wenn man es quasi schafft und in der Presse auftaucht? Welche Auswirkungen kann das auf das Business haben?
[Marike] Ja, es hat sehr unterschiedliche Auswirkungen. Also ich habe von der Schmuckherstellerin erzählt, die hatte nach einem Fernsehbeitrag, ich glaube, sie war in der ARD, hatte sie wirklich das Phänomen, dass ihr Online-Shop kurzzeitig stillgelegt war, weil so viele auf ihre Website wollten.
Andere nutzen die Presseerfolge eher dafür, dass sie sagen, ich will unbedingt, dass auf meiner Website steht „Bekannt aus“ und dann sollen da große Namen stehen, weil das für meine Klientel, die ich ansprechen will, wichtig ist und relevant ist und weil ich dann als höherpreisiger Coach weniger Argumente habe von wegen, das ist mir zu teuer. Und die sind gar nicht so darauf aus, dass sie jetzt ihre Webseiten, Traffic auf ihre Website bringen wollen.
Anderen ist genau das wichtig und die arbeiten dann daran, dass sie auf möglichst viele Online-Seiten kommen, die dann auch auf ihre Website verlinken. Also, wir gucken immer genau, was ist eigentlich dein Ziel? Möchtest du mit großen Namen glänzen? Möchtest du Traffic auf deine Seite bekommen? Möchtest du genau deine Zielgruppe erreichen, zum Beispiel, indem du in Fachmagazinen erscheinst, weil du weißt, deine Branche liest diese Fachmagazine?
Das sind alles Dinge, die passieren können. Also, dass sie dann mehr Kundenanfragen haben von genau den richtigen, dass sie weniger Preise diskutieren müssen, dass sie mehr Traffic auf ihrer Seite haben. Aber es ist sehr, sehr unterschiedlich.
Das ist nicht so wie bei Ads, wo du sagst, ich schalte eine Anzeige, schmeiß vorne Summe X rein und hinterher kann ich mit so und so vielen Leads rechnen. Das ist eine klare Zielsetzung. Und Pressearbeit funktioniert oft indirekter.
Also die Menschen machen das auch oft über Jahre hinweg, weil sie einfach über Jahre hinweg diese Präsenz haben wollen in der Presse und immer wieder wahrgenommen werden wollen als Experte für oder Expertin für.
Wir hatten eine Teilnehmerin, die betreibt eine Plattform für nachhaltige Unterkünfte in Deutschland. Und die sagt, Anzeigen haben bei ihr gar nicht funktioniert, Social Media funktioniert bei ihr so lala, aber Pressearbeit funktioniert super und deswegen sorgt sie wirklich seit Jahren dafür, dass sie immer wieder in großen Magazinen erscheint, weil ihr Thema auch sehr hübsch aussieht, sehr schön. Also diese nachhaltigen Unterkünfte, die werden dann auch gezeigt und das ist eine schöne Optik für so Magazine, damit kommt sie gut an. Und das ist so der Motor in ihrem Business.
Wann ist ein guter Zeitpunkt für Pressearbeit?
[Alex] Gibt es eigentlich auch so den Punkt, wo du sagen würdest, da macht man zu früh Pressearbeit? Also braucht man denn irgendetwas? Muss man bereit sein für Pressearbeit? Also lohnt es sich schon für Einsteiger*innen oder meinst du, das kann man eigentlich zu jedem Zeitpunkt machen?
[Marike] Das kommt ein bisschen darauf an. Wir hatten zum Beispiel eine Einsteigerin, die hat das ganz am Anfang gemacht und für die war das auch super gut. Die hat sich damit gleich so einen gewissen Ruf erarbeitet. Die hat aber was mitgebracht. Die war nämlich ausgebildete Psychologin zu einem bestimmten Schwerpunkt und mit dem Schwerpunkt war sie dann auch in der Presse.
Wenn jetzt aber gerade jemand irgendwie ganz neu …, weiß ich nicht, die Coaching-Ausbildung gemacht hat und im vorherigen Leben was ganz anderes, dann ist es schon wieder ein bisschen schwieriger, denjenigen dann wirklich in die Presse zu bringen.
Wir gucken uns die Leute mal ganz genau an und gucken auch, hat das Thema überhaupt Pressepotenzial? Und wir schätzen das dann so ein bisschen, also bei jedem sehr individuell ein.
Bringt derjenige schon Expertise mit aus einem früheren Leben? Oder macht derjenige das schon mehrere Jahre? Oder ist da eine emotionale Geschichte dabei, die auf jeden Fall funktionieren wird.
Wir lehnen auch viele ab, erstmal für unser Programm, bei denen wir wirklich sagen, das ist noch zu früh. Fang erstmal an, dein Angebot wirklich auszuarbeiten. Mach deine Website erstmal fertig. Gewinn erstmal erste Erfahrung, weil sonst wirst du bei Journalisten eher wenig Chancen haben. Also es gibt schon Fälle, wo wir sagen, das ist zu früh.
Die Bedeutung einer professionellen Website für die Pressearbeit
[Alex] Warum spielt denn die Website jetzt zum Beispiel so eine große Rolle bei der Pressearbeit?
[Marike] Weil die Journalisten … das Erste, was sie machen werden, ist, sie googeln dich.
Also wenn sie dein Thema vage interessant finden, dann werden sie dich zuerst googeln, sie werden auf deine Website gehen und wenn du dann so ein, so einen semiprofessionellen Eindruck machst, dann sagt die Journalistin vielleicht eher, okay, sieht nicht so ganz seriös aus. Oder: Da gibt es andere, die wirken kompetenter.
Deswegen gehen wir auch als allererstes an die Website ran mit unseren Kunden. Wir gucken uns als allererstes die Website an, damit die wirklich einen guten Eindruck macht. Und was wir auch immer wichtig finden:
Hat derjenige einen Schwerpunkt und kommt der schon auf der Seite rüber?
Weil es gibt so viele Coaches da draußen. Und wenn auf deiner Website nur steht „Komm in deine Kraft und verbessere dein Potenzial“, dann bist du halt so wie alle anderen Coaches auch.
Wenn da aber steht „Ich helfe Frauen in Männerbranchen, wahrgenommen zu werden, in ihrer Kraft wahrgenommen zu werden“, dann hast du einen Schwerpunkt, dann hast du ein Thema und damit wirst du für Journalisten interessanter.
[Alex] Wenn wir jetzt die zwei Schlüsselseiten einer Website nehmen, also zum Beispiel die Startseite, die Über-mich-Seite, worauf kommt es da an deiner Meinung nach, so aus der Pressearbeit-Sicht?
[Marike] Also ich würde immer auf die Startseite gehen als Journalistin.
Und als nächstes würde ich wahrscheinlich, wenn da eine Presseseite ist, auf die Presseseite gehen und sonst auf die Über-mich-Seite gehen, weil ich wissen möchte, wer ist der Mensch, den ich da interviewen würde.
Also letztendlich sprechen wir da ja einfach nur Menschen an, wenn wir einen Redakteur oder eine Redakteurin kontaktieren. Die funktionieren ja genau wie andere Menschen auch.
Die entscheiden auch manchmal nach, ist mir derjenige eigentlich sympathisch? Oder wirkt es wie jemand, der drei Sätze gerade aussagen kann?
Wenn ich für einen Radiosender arbeite oder für einen Fernsehsender arbeite, würde ich außerdem suchen, ob es Videos von der Person gibt. Dessen sollte man sich auch bewusst sein, dass sie dann halt auch in Google gucken, YouTube, was auch immer, hat derjenige Videos, wenn das ein Medium ist, wo das wichtig ist.
Wichtigkeit einer Presseseite für Selbstständige
[Alex] Du hast jetzt die Presseseite angesprochen. Ist es auch schon wirklich so für Selbstständige wichtig, so eine Presseseite anzulegen, selbst wenn man noch nie in der Presse war?
[Marike] Es fällt für mich in die Kategorie very nice to have.
Also wenn man Pressearbeit ernst nehmen möchte, würde ich das auf jeden Fall empfehlen, weil man dann auf der Presseseite auch schon zeigen kann, worüber könnte man denn sprechen.
Das Zweite ist, dass es für Kunden natürlich auch, bei Kunden auch was machen kann, wenn sie sehen, aha, da ist jemand, der hat eine Presseseite und der war auch schon mehrfach in den Medien, das macht nochmal was her.
Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sagen würde, würde, du brauchst unbedingt eine Presseseite. Vorher musst du gar nicht anfangen mit Pressearbeit, weil im Zweifelsfall ist deine Startseite gut, ist deine Über-Mich-Seite gut und dann ist das für den Journalisten auch okay.
Konkrete Formulierungen für mehr Relevanz
[Alex] Du hast schon die Formulierung angesprochen, irgendwie, „Ich helfe dir dabei, in deine Kraft zu kommen oder dein Potenzial zu entfalten“. Warum ist das denn so ein Problem? Also was stimmt nicht mit diesen Formulierungen? Weil ich glaube, die nutzen ja schon sehr viele Menschen auf ihrer Website.
[Marike] Es ist einfach wahnsinnig unkonkret. Was heißt denn „Komm in deine Kraft?“ Für wen ist das hier was? Also sind das jetzt Frauen in Männerbranchen zum Beispiel? Oder sind das Mütter in der Elternzeit? Oder was auch immer. Wen sprichst du denn an? Für wen bist du denn Experte oder Expertin?
Wenn ich das nicht weiß, werde ich dich auch nicht anrufen. Es ist wahnsinnig groß und unkonkret. Und es steht auf tausenden andere Seiten auch. Warum sollte ich jetzt gerade dich anrufen als Journalistin? Warum sollte ich dich befragen? Was macht dich besonders? Wenn man solche Formulierungen benutzt, kommt das halt überhaupt nicht rüber.
[Alex] Kann ich das dann irgendwie üben, über solche Formulierungen dann drüber hinaus zu gehen?
[Marike] Du kannst dir überlegen, wem hilfst du denn mit welchem Ergebnis? An wen richtest du dich? Und wie drückt sich das aus, in seine Kraft zu kommen? Wie drückt sich das aus, sein Potenzial zu entfalten? Also, weiß ich nicht, kannst du versuchen, konkrete Beschreibungen zu finden, die diese Menschen wirklich sagen würden?
Denn niemand liegt nachts um elf wach und sagt: „Ich wünschte, ich würde in meine Kraft kommen.“
Die sagen: Ich bin jeden Morgen müde, wenn ich aufstehe. Ich schleppe mich durch den Tag. Und obwohl ich früh schlafen gehe, bin ich trotzdem nicht ausgeruht. Ich bin einfach nur noch wie so ein Roboter, der durch den Alltag geht.
Also sowas sagen die Menschen ja. Ich schleppe mich durch den Tag und so weiter.
Solche Formulierungen machen nicht nur mit Journalisten viel mehr, sondern auch mit potenziellen Kunden viel mehr. Und deswegen ist es immer, wenn wir uns an die Website machen mit unseren Kunden, dann sagen wir zwar, wir machen das jetzt für die Presse, aber es hat halt auch immer den Effekt, dass potenzielle Kunden sich viel mehr angesprochen fühlen.
Also was kannst du tun, um das zu üben? Versuch dich in den Kopf eines Menschen hineinzuversetzen, der dein Kunde werden könnte und überleg dir, was denkt der abends beim Einschlafen?
Mensch, ich wünschte …, würde ich doch nur mal … Und dann sind das die Vokabeln, die dann in dem Moment hervortreten. Das sind die Vokabeln, die du auch für deine Website nutzen kannst.
[Alex] Das heißt, aus Journalistensicht muss man gar nicht so total professionell klingen, sondern kann auch alltagssprachliche Begriffe verwenden oder sollte sogar.
[Marike] Ja, weil immer wenn wir denken, es muss ja professionell klingen, dann kommen wir in so eine Sprache, die unheimlich gehoben ist und unheimlich verkopft ist.
Und wir müssen uns auch nochmal klar machen, in welchen Situationen Journalisten sind. Die haben einen wahnsinnig vollen Alltag. Ich habe vorhin gesagt, die Redaktionen werden kleiner. Das heißt, die müssen immer mehr Dinge bewältigen. Die Kommunikationskanäle für Journalisten nehmen total zu. Früher haben die einfach nur Pressemitteilung reinbekommen und noch den Ticker, den News-Ticker.
Mittlerweile ist es ja Telefon, dann Chat mit irgendwie Leuten, die im Homeoffice sitzen in der Redaktion. Die kriegen E-Mails, die kriegen Nachrichten über Social Media, die werden zugeballert.
Wie viel Aufmerksamkeit hat so ein Mensch? Was für eine Aufmerksamkeitsspanne hat so ein Mensch? Die ist sehr, sehr kurz.
Und wenn du mir dann mit Fachbegriffen kommst und mit verkopfter Sprache, dann brauche ich da echt lange, um das zu verstehen. Und es rauscht auch an mir vorbei. „Komm in deine Kraft“ rauscht an mir total vorbei. Deswegen hilft es, Alltagssprache zu benutzen, weil die immer viel schneller im Gehirn ankommt. Bei gestressten Journalisten genauso wie bei gestressten potenziellen Kunden.
Alternative Wege in die Presse zu kommen
[Alex] Eine letzte Frage. Gibt es denn Orte, die wir vielleicht nicht auf dem Schirm haben, dass wir dort in die Presse kommen können? Also du hast zum Beispiel schon so Fach- und Branchenverzeichnisse angesprochen, weil wenn man an Pressearbeit denkt, würde man vielleicht nur an, weiß ich nicht, Zeitung, Fernsehen denken. Was gibt es da noch?
[Marike] Wir haben mittlerweile das viel, viel größer gefasst.
Also wir fragen ja immer, was ist dein Ziel? Und manchmal sind Fachmagazine ein richtig gutes Ziel. Und bei anderen sagen wir, vielleicht willst du auch mal Podcasts in den Blick nehmen oder vielleicht möchtest du mal größere Blogs in den Blick nehmen.
Also es gibt zum Beispiel einen Blog, der ist sehr, sehr groß. Der heißt Stadt, Land, Mama. Der erreicht wirklich sehr, sehr viele Menschen, vor allem Frauen. Und da haben schon viele unserer Teilnehmer einen Gastbeitrag geschrieben und haben damit eine gute Reichweite aufbauen können.
Das darf man nicht vergessen. Es gibt ja nicht nur irgendwie Spiegel, Stern und Zeit, sondern es gibt ja viele, viele Webseiten, Online-Medien. Die Frauenzeitschriften haben zum großen Teil eigene Online-Redaktionen und die können manchmal sogar noch besser funktionieren, weil so ein Artikel, der auf, sage ich jetzt mal, Brigitte.de erschienen ist, natürlich dauerhaft online ist, während, wenn er in der Brigitte im Magazin erscheint, nur 14 Tage am Kiosk liegt.
Das kann also durchaus attraktiv sein, sich wirklich auf die Online-Medien zu stürzen. Und wie gesagt, wir nehmen auch Podcasts und große Blogs in den Blick, weil das ja genauso relevant sein kann.
[Alex] Ja, Marike, vielen, vielen Dank, dass du heute zu Gast warst und über schlaue Pressearbeit gesprochen hast. Vielen Dank.
[Marike] Danke für die Einladung.
Shownotes

Themenwünsche?
Wenn dir ein wichtiges Thema im Podcast fehlt, sag mir gerne Bescheid. Ich freu ich mich auf deine Nachricht.