Warum ist digitale Barrierefreiheit auch für Selbstständige wichtig, Nina Jameson?
In dieser Podcastfolge habe ich Nina Jameson von „Gehirngerecht Digital“ zu Gast. Ich habe sie bereits in meinem gerade erschienen Buch „Don’t be evil: Wie gutes Marketing gelingt“ zu digitaler Barrierefreiheit interviewt. Und weil ich das für so ein wichtiges Thema halte, habe ich sie auch noch mal in den Podcast eingeladen.
Im Interview sprechen wir darüber, warum digitale Barrierefreiheit auch für Selbstständige wichtig ist, die nicht vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das Ende Juni ja in Kraft tritt, betroffen sind. Und wir reden über typische Barrieren auf Websites und wir sie beseitigen können.
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Digitale Barrierefreiheit verstehen
[Alex]Ja, hallo Nina, was genau bedeutet eigentlich digitale Barrierefreiheit? Hast du vielleicht ein griffiges Beispiel, das direkt klar macht, was es eigentlich ist, worum es da geht?
[Nina]Digitale Barrierefreiheit, da kommt es natürlich immer darauf an, wen man fragt. Grundsätzlich, worum geht es überhaupt? Es geht darum, dass jeder Teilhabe am digitalen Leben haben kann.
Prinzipiell ist es so, dass wenn Software entwickelt wird, dass man sich vor allem auf die Bedienbarkeiten konzentriert, die man eben selber hat oder die vor allem im Team vorhanden sind. Und das heißt dann Bedienung mit der Maus oder mit der Tastatur, vielleicht auch per Touch, wenn du Webseiten entwickelst.
Aber jetzt Nutzungsweisen, wie es zum Beispiel eine blinde Person mit der Webseite interagiert oder eine Person, die vielleicht keine Hände hat, die dann Sprachsteuerung verwendet. Sowas wird in der Regel eher weniger berücksichtigt.
Und in der digitalen Barrierefreiheit versuchen wir, alle Nutzungsstrategien unter einen Hut zu bekommen und Webseiten so zu programmieren, dass eben jeder bedienen kann, egal wie er oder sie eben Webseiten bedienen möchte.
[Alex]Und warum sollten sich Solo-Selbstständige auch mit diesem Thema beschäftigen? Warum ist das für sie relevant?
[Nina]Weil es einfach viel damit zu tun hat, qualitativ hochwertige Webseiten zu entwickeln, würde ich sagen.
Jetzt aus einer fachlichen Perspektive betrachtet, ist das tatsächlich eine recht große Wissenslücke, die wir in den Fachbereichen haben. Es ist tatsächlich egal, ob man sich Designentwicklung oder die Redaktion anschaut.
An sich ist, barrierefreie Inhalte zu erstellen, gar nicht so anders als einfach gute Inhalte zu erstellen. Es sind nur viele Dinge, die man halt wirklich nicht macht, wenn man Inhalte barrierefrei erstellt.
Wenn wir uns beispielsweise die Entwicklung rauspicken würden, wenn ich eine Webseite selber programmieren würde, dann würde ich dafür HTML benutzen.
Das ist eine Sprache, mit der ich beschreiben kann, wie meine Webseite denn aufgebaut sein soll. Und indem ich einfach die Sprache richtig verwende und wirklich in der Anwendung korrekt nutze, entstehen dann auf der Seite meines Gegenübers sehr viel weniger Barrieren. Und das sind genau diese Wissenslücken, die oft im Handwerk auftauchen, die am Ende dann dafür sorgen, dass eine Webseite nicht barrierefrei ist.
Und da gibt es dann auch, finde ich, oft eine falsche Wahrnehmung davon, dass Barrierefreiheit gar nicht heißt, viel extra zu machen, sondern wenige Dinge einfach richtig zu tun, die dann beim Gegenüber nicht aufschlagen und als Barriere enden, sozusagen.
Relevanz der digitalen Barrierefreiheit für Solo-Selbstständige
[Alex]Wenn ich auch so mir angucke, wie ich selbst zum Thema Marketing gekommen bin, also man hat ja eigentlich immer nur gelernt, was effektiv ist, was funktioniert, aber selten, wie möglichst viele Menschen Zugang dazu finden.
Also begegnet dir das auch, dass man erstmal auch Menschen dahin bringen muss, sich überhaupt mit diesem Thema zu beschäftigen?
[Nina]Ja, absolut, weil wir in der Praxis einfach sehr wenig Berührungspunkte haben mit Menschen mit Behinderung.
Also wir sind ja wirklich weit davon, eine inklusive Gesellschaft zu sein und deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass wir da in der Umsetzung überhaupt keinen Blick dafür haben, was brauchen andere Menschen denn eigentlich?
Also ich habe zehn Jahre in der Individualentwicklung gearbeitet und habe tatsächlich in dieser ganzen Zeit nie mit jemandem zusammengearbeitet, der eine Behinderung hatte, und dementsprechend habe ich mir natürlich auch nie die Frage gestellt, was braucht eine Person überhaupt, um eine Webseite zu bedienen und gibt es überhaupt andere Möglichkeiten, das zu machen, als ich es tue?
Also schon alleine die Frage, warum sollte man sich das denn stellen? Und ich glaube, das ist so weit weg von vielen Realitäten, dass man davon alleine gar nicht drauf kommt. Deswegen insofern auf jeden Fall, man muss diese Welt aufmachen und einfach mal zeigen, was gibt es denn eigentlich da draußen noch und wie funktioniert das denn überhaupt?
Ist natürlich auch sehr spannend, das einmal zu sehen und zu erfahren, wie unterschiedlich die Strategien sind, Inhalte zu konsumieren.
[Alex]Und abgesehen von diesem Gedanken, dass wir ja alle oder möglichst viele Menschen, hoffe ich, eine inklusive Welt und Gesellschaft anstreben, kommt Ende Juni ja auch ein bestimmtes Gesetz oder tritt in Kraft. Kannst du da mal ein bisschen drüber erzählen?
Ich weiß, du bist keine Rechtsanwältin, aber was sagt das so grob und wer ist davon betroffen überhaupt?
[Nina]Sehr gerne. Genau, das ist das Barrierefreiheitstärkungsgesetz, das Ende Juni in Kraft tritt.
Und es betrifft vor allem die Privatwirtschaft und da den B2C-Bereich, also überall dort, wo an Endkund*innen verkauft wird, müssen in Zukunft Inhalte barrierefrei sein.
Also große Online-Shops sind zum Beispiel davon betroffen, größere Friseurketten, wo man online einen Termin buchen kann, wenn Restaurantketten, die eine Größe erreicht haben, Online-Reservierungstools verwenden, sowas muss dann barrierefrei gemacht werden in Zukunft.
Und Grund dafür ist ganz einfach der, dass die Privatschwirtschaft und tatsächlich jetzt auch in der Vergangenheit der öffentliche Bereich, die fangen nicht von alleine an, Inhalte barrierefrei zu machen. Da hat man die Leute ein bisschen reinzwingen müssen.
Und ich muss auch ganz ehrlich sagen, ich finde es auch ganz gut so, weil Barrierefreiheit ist für mich so das perfekte Beispiel dafür. Ohne das Wirksamwerden des Gesetzgebers hätte sich hier nichts getan. Und dann bemerken auch alleine dadurch, dass jetzt klar wird, okay, das Gesetz kommt, jeder muss in Barrierefreiheit investieren, die Leute würden es nicht machen, wenn sie nicht müssten.
Und durch diesen Zwang machen sich aber auch viele jetzt erstmal in der Welt auf und kommen dann auch in das Thema rein und ändern dann schon auch ihre Einstellung dazu und finden es dann auch wichtig. Also ich kann gut verstehen auch immer, wenn man sagt, Zwang ist vielleicht nicht oft das beste Mittel der Wahl. In diesem Fall ist es aber viel, auch jemanden erstmal wirklich damit konfrontieren und vertraut machen mit dem Thema und viele finden dadurch einen sehr guten Zugang. zu dem Bereich.
[Alex]Und Solo-Selbstständige sind da erstmal außen vor meistens, wenn ich das richtig verstehe.
[Nina]Genau, also es kommt immer drauf an, also letzten Endes muss man sich natürlich dann von dem Anwalt oder von der Anwältin eine Einschätzung geben lassen, wer jetzt unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fällt oder nicht.
Prinzipiell gibt es aber Ausnahmen für Unternehmen. Bezieht sich auf die Regelung für Kleinstunternehmen, also Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter und weniger als 2 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen, die müssen nicht barrierefrei werden.
Also es hat vor allem den Grund, dass wenn man sich jetzt überlegen würde, wir haben irgendwie einen kleinen Online-Shop, den haben wir letztes Jahr in Auftrag gegeben, wir verdienen damit im Jahr 500 Euro, dann müssen wir keine 20.000 Euro ausgeben, um den Shop neu machen zu lassen. Also der Gesetzgeber will nicht, dass Leute pleite gehen deswegen.
Aber es gibt außerhalb von der Regelung, jetzt hat es keine pauschale Ausnahme, wo man sagen kann, okay, die Leute müssen das nicht machen. Aber das wäre eben etwas, wenn man sagt, okay, man ist recht klein, dann wäre man nicht direkt davon betroffen.
Oder aber auch zum Beispiel, wenn man ein spezielles Feature hat, das so erstmal gar nicht barrierefrei zu machen ist, dann könnte man da auch Ausnahmen für sich in Anspruch nehmen. Zum Beispiel, wenn man sich jetzt da sowas wie Google Maps anschauen würde, so diese Drag-and-Drop-Funktionalität, die Google Maps normalerweise hat, das ist nicht zu bedienen mit jemandem, der halt diese Drag-Funktionalität nicht machen kann. Das wären dann auch Ausnahmen, auf die man sich berufen kann, aber die müssen immer im Einzelfall untersucht werden am Ende.
SEO und Barrierefreiheit
[Alex]Und trotzdem ist es ja für Solo-Selbstständige wichtig oder kann es ja sinnvoll sein, sich mit digitaler Barrierefreiheit zu beschäftigen. Ein Grund ist ja zum Beispiel das Thema SEO. Kannst du da vielleicht den Zusammenhang herstellen, warum das auch für die Auffindbarkeit oder die Rankings gut sein kann?
[Nina]Ja, total. Also eine barrierefreie Webseite ist am Ende eine sehr technisch saubere Webseite. Viele Menschen mit Behinderung verwenden assistive Technologie.
Wenn sie mit Webseiten interagieren. Das kann Software sein, das kann aber auch Hardware sein. Am Ende läuft es aber immer darauf hinaus, dass irgendwer versucht, unsere Webseite oder unsere Posts auf Social Media oder unsere PDF-Dokumente auszulesen.
Und wenn wir sie barrierefrei machen, dann machen wir sie eigentlich technisch besonders gut lesbar. Und eine Suchmaschine ist am Ende nichts anderes als eine Art Technologie, die unseren Content verstehen will. Deswegen sind barrierefreie Webseiten absolute SEO-Rennmaschinen. Da geht es tatsächlich Hand in Hand, würde ich sagen.
[Alex]Und es ist ja nicht nur die Technik, das ist ja auch wahrscheinlich die Sprache. Also wenn ich eine eher einfachere Sprache verwende, ist es ja auch irgendwie für alle gut, wenn ich verstanden werde.
[Nina]Ja, absolut. Das ist ganz spannend, weil da haben wir ja dann auch einen Unterschied zwischen den Anforderungen in der Privatwirtschaft, in dem öffentlichen Bereich.
Der öffentliche Bereich, der muss Inhalte in Leichter Sprache vorhalten. Das ist etwas, für die Privatwirtschaft kommt es nicht. Da ist irgendwo festgehalten, dass Inhalte in Einfacher Sprache dargeboten werden sollen.
Jetzt ist aber sehr schwer zu sagen, was bedeutet Einfache Sprache genau. Das ist sehr schwer messbar, vor allem, wenn man dann sowieso eigentlich in der Experten-Domäne unterwegs ist. Da muss man mal gucken, okay, was kann das jetzt hier genau heißen.
Da haben die Privatwirtschaft und Unternehmen auf jeden Fall weniger zu tun. Und man tut sich am Ende aber immer einen Gefallen damit, wenn man einfacher kommuniziert. Das merken wir auch in unserer Sprache, dass wir mehr Leute erreichen, wenn wir einfach Dinge erklären.
Typische Barrieren auf Webseiten
[Alex]Was sind denn jetzt so deiner Erfahrungen nach typische Barrieren auf Websites von Solo-Selbstständigen? Also ich denke jetzt nicht an so große Unternehmen, sondern, keine Ahnung, an die Grafikdesignerin, die über ihr Angebot informiert und dann vielleicht ein Portfolio hat und ein Kontaktformular und einen Podcast vielleicht. Also was kannst du da sagen? Was ist so typisch?
[Nina]Es ist ganz spannend, weil es sind tatsächlich meistens immer dieselben und da ist ganz egal, ob man sich eine große Webseite anschaut oder eine kleine. Und so die wirklich diese kleinen, einfachen Dinge, die man immer findet, sind, dass Bilder keine Alternativtexte haben.
Also es gibt natürlich viele verschiedene Arten von Bildern. Wenn wir jetzt vorstellen, wir haben eine Webseite und da steht unser Portfolio drauf und wir stellen irgendwelche Arbeiten von uns vor, dann ist es natürlich toll, wenn wir die Bilder so beschreiben, dass die auch von jemandem wahrgenommen werden können, der vielleicht Bilder nicht sieht. Und sowas sind Fehler, die finden wir auch sehr oft auf Webseiten.
Kontrastprobleme. Es gibt Anforderungen, die ganz klar spezifizieren, wie stark soll sich Text von Hintergrund abheben, damit man das gut lesen kann. Sowas ist öfter ein Thema.
Tastaturbedienbarkeit ist oft ein Problem. Das heißt, wenn ich auf eine Webseite gehe, dann möchte ich in der Lage sein, überhaupt nicht die Maus nutzen zu müssen, sondern nur mit meiner Tastatur mich entlang der Webseite zu bewegen.
Dafür verwendet man in der Regel die Tab-Taste. Die Tab-Taste ist die Taste überhalb der dauerhaften Hochstelltaste und damit kann ich quasi von Element zu Element springen. Und eine barrierefreie Webseite würde das im Endeffekt hergeben, dass ich auch immer bestimmen kann, wo befinde ich mich gerade. Sowas funktioniert oft nicht.
Und das Spannende ist aber auch gerade bei Solo-Selbstständigen, die wahrscheinlich dann ihre Webseite eher nicht selber programmieren, sondern dann auf CMS-Systeme zurückgreifen, wie jetzt WordPress oder Joomla oder Typo3 oder vielleicht andere Tools, dass ganz oft die Tools schon so problematisch sind, dass man damit gar keine barrierefreie Webseite bauen kann, weil die Struktur, die ausgespuckt wird von den Tools, einfach nicht sauber ist.
Und damit kann man, wenn es blöd läuft, sich schon generell sehr viel verbauen. Deswegen immer Augen auf bei der Tooling-Wahl. Da kann es dann sehr schwer werden.
CMS und Barrierefreiheit
[Alex]Ja, das wäre tatsächlich auch meine nächste Frage aus rein egoistischen Motiven. Ich bin nämlich bei Squarespace und habe mich jetzt auch vor einiger Zeit informiert, wie die das denn halten mit Barrierefreiheit.
Und die sagen so viel wie: Ja, jeder ist dafür selbst verantwortlich. Also die gewähren da nicht irgendwie Zugang zu irgendwelchen Codes.
Genau, also muss man sich dann im Grunde fragen: Will ich da noch sein, wenn ich digitale Barrierefreiheit umsetzen und angehen will? Muss ich dann unter Umständen tatsächlich das CMS wechseln?
[Nina]Ja, also das kommt immer ein bisschen an. Also prinzipiell, wir verfahren da so. Wenn wir evaluieren wollen, ob ein Tool barrierefreie Ergebnisse erzeugt, das Erste, was ich immer mache, ist, ich gehe auf die Webseite und versuche auf der Webseite eine Aussage dazu zu finden.
Tools oder Unternehmen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, die schreiben immer auf ihrer Webseite, weil es gerade aktuell ein absoluter USP ist, leider. Aber es ist schon ein Alleinstellungsmerkmal, wenn sich jemand mit dem Thema beschäftigt hat.
Und wenn ich nichts auf der Webseite finde, dann kann ich meistens schon davon ausgehen, dass das Unternehmen noch keine Zeit investiert hat.
Und das ist ein sehr langfristiger Prozess, dann für die auch barrierefrei zu werden. Was ich dann aber als nächstes mache, ist, ich schreibe auf jeden Fall den Support an und frage nach, ob es da schon eine Aussage dazu gibt. Und bis wann man denn damit rechnen kann, dass die Anforderungen umgesetzt werden.
Ganz wichtig, wenn man diese Anfragen macht, ist, dass man immer genau konkretisiert, was man denn wissen möchte. Und da ist dann ganz wichtig, auf die Standards abzuklopfen. In Europa der gängige Standard, der für uns alle maßgeblich ist, ist die EN 301549.
Das ist eine europäische Norm, die gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die hält quasi wirklich fest, was muss meine Webseite erfüllen, damit sie als digital barrierefrei gilt. Das ist auch ein Standard, da sollten wir uns alle dran halten, dann machen wir es uns einfach einfacher untereinander zu wissen, von was wir überhaupt reden und natürlich auch dann am anderen Ende kann die Person mit einer Behinderung dann wissen, kann ich die Webseite nutzen, wenn sie konform ist oder vielleicht eben nicht, weil manche Anforderungen vielleicht gar nicht durch die EN gedeckelt sind, das kann natürlich genauso sein.
Und so schreibe ich dann eben immer die Anbieter an, frage, wie schaut es denn aus, seid ihr konform mit den Anforderungen der EN, kann ich mit eurem Tool eine Webseite bauen oder PDFs erstellen, die konform sind mit den Anforderungen und wenn dann zurückkommt: Was ist das genau? Dann weiß man schon. Dann weiß man schon genau.
Und man sollte sich überlegen, ob man nicht wechseln kann. Das Gute ist, es gibt inzwischen schon einige Anbieter, die haben verstanden, dass man da einfach Zeit investieren muss. Es kommt, man kann sich dagegen wehren, aber am Ende ist es unvermeidbar und es ist auch gut und richtig so. Und man wird jemanden finden, aber klar, der Schmerz beim Wechsel, der ist auf jeden Fall da.
Empfehlungen für barrierefreie Tools
[Alex]Hast du denn andersrum Tipps für zum Beispiel WordPress-Themes oder Page-Builder, die barrierefrei sind oder mit denen es zumindest sehr gut möglich ist, eine barrierefreie Website zu erstellen?
[Nina]Also wir bauen sehr viele Webseiten mit WordPress und wir benutzen Bricks.
Bricks ist ein Theme, aber das ist kommerziell und da muss man Zahlen für.
Ich weiß, dass die Basis von WordPress gut barrierefrei ist. Also wenn man sich da ein Theme raussucht, das gut performt, dann läuft man damit eigentlich ganz gut. Ich meine, Avada soll ganz gut sein, aber das müsste ich nochmal crosschecken. Das weiß ich tatsächlich gerade nicht ad hoc.
Dadurch, dass wir schon recht viel probiert haben und immer wieder beim Bricks-Builder gelandet sind, kann ich auf jeden Fall sagen, dass es nicht so einfach ist.
Elementor geht aktuell nicht barrierefrei. Das ist wahrscheinlich vielen ein Begriff. Divi Builder leider auch nicht. Womit ich gute Erfahrungen gemacht habe, ist die Greyd.Suite. Auch aus einem Unternehmen in der Nähe von München. Die orientieren sich auch an dem Blog-Editor von WordPress. Damit kann man auch sehr gute barrierefreie Webseiten bauen, die in der Umsetzung aber auch sehr leicht und oberflächlich sind. Also auch da braucht man nicht unbedingt ein tiefergehendes technisches Wissen, um zu guten Ergebnissen zu kommen.
Und das finde ich eigentlich auch immer dann ganz gut. Also es ist halt immer die Frage, wo man einsteigen will. Bricks jetzt zum Beispiel ist sehr entwicklernah und da sollte man schon HTML-Kenntnisse haben, um die Seite gut umsetzen zu können. Das ist immer die Frage, wo du einsteigen möchtest.
[Alex]Und was können dann Selbstständige machen, die wirklich sehr geringe Programmier-Skills haben?
[Nina]Da würde ich mir mal Greyd.Suite anschauen.
Die haben auch einige Tutorials auf ihrer Seite, wo man sich mal ganz gut orientieren kann. Ich glaube, generell das Problem ist, dass viele Tools jetzt als sehr lange erfolgreich ein doch recht großes Handwerk sehr einfach dargestellt haben.
Und gerade bei Themen wie Barrierefreiheit, wo es eben extrem wichtig ist, technisch korrekt zu sein, da funktioniert das dann irgendwann nicht mehr.
Und da ist, finde ich, die Frage, dass man sich einfach selber ein bisschen einordnen können muss und sich überlegen muss, möchte ich professionell Webseitenentwicklung anbieten? Dann würde ich sagen, sollte man sich einfach die Themen anschauen und das lernen, weil das kann man, das ist nicht kompliziert, es ist einfach nur viel zu wissen, aber diesen Schritt muss man dann tun.
Oder aber man sagt halt, okay, ich kaufe mir ein Tool ein, das es für mich übernimmt, das wäre zum Beispiel die Greyd.Suite, die, meine ich, ist auch kostenpflichtig. Damit kann man aber auch recht gut einfach Sachen machen, weil einfach das Basis-Set an Komponenten relativ barrierefrei ist, damit kommt man dann gut zurande oder aber man sollte das abgeben oder aber man konzentriert sich halt auf die Bereiche, wo man sagt, so kriegen wir halt Kunden, denen das nicht wichtig ist, ist halt die Frage, wo man da sich selber bewegen will.
Ich glaube aber, wenn man wirklich barrierefreie Inhalte entwickeln möchte, dann führt da kein Weg dran vorbei, sich einfach mit den Anforderungen vertraut zu machen. Wie gesagt, die wirken am Anfang extrem abschreckend, weil es einfach auch so wahnsinnig viel ist. Aber es ist wirklich nicht so kompliziert, wie es am Anfang klingt. Das ist einfach nur super viel.
Medien und Barrierefreiheit
[Alex]Was ist denn jetzt, wenn ich auf der Website zum Beispiel Videos oder Podcast-Folgen einbinde? Was kann ich da beachten? Weil das ist ja auch etwas, was vermutlich unabhängig von meinem CMS funktioniert, worauf ich da achten kann.
[Nina]Ja genau, das ist ein sehr guter Punkt. Und ich habe mir das inzwischen so gemerkt, dass ich mir immer weiß, wenn ich ein Medium hochlade, dann brauche ich immer eine alternative Art, wie man diese Dinge wahrnehmen kann.
Bei einem Podcast zum Beispiel, Podcast ist ja in erster Linie ein Audioformat, das kann man mit einem Transkript versehen als Alternative. Transkript wäre quasi ein Text, der einfach genau festhält, was wird gesprochen. Wenn es mehr als zwei Sprecher*innen in dem Podcast sind, dann ist es auch immer gut, wenn man den Namen davor schreibt, damit einfach nachvollzogen werden kann, wer hat das gesagt. Das wäre eine super Alternative für einen Podcast.
Bei einem Video schaut das ein bisschen anders aus. Bei einem Video, das ist immer ein bisschen komplexer, was man da machen würde, wäre zum einen Untertitel und aber auch eine Audiodeskription, wenn man eine braucht.
Untertitel ist quasi die Verschriftlichung von dem, was wir sprechen. Wenn jetzt im Hintergrund irgendwas Spannendes passiert wäre, über das wir nicht geredet hätten, dann zum Beispiel eine Explosion, dann würde man das auch in einem Untertitel verschriftlichen. Und dann gibt es noch die Audiodeskription. Die Audiodeskription ist dafür da, Dinge zu beschreiben, die nicht besprochen werden, die aber wichtig sind für das Verständnis.
Zum Beispiel, wenn wir jetzt in einem Filmsetting wären und wir unterhalten uns im Vordergrund und im Hintergrund raubt jemand eine Bank aus und das wird aber nicht erwähnt, wäre das eine Information, die müsste man der Person mitgeben, die diese Inhalte nicht sehen kann, damit sie den Film noch verstehen kann. Und da entsteht dann tatsächlich in der Redaktion ein bisschen mehr Aufwand, weil so eine Audioskription, die erstellt sich eben nicht nebenbei.
Technisch gibt es auch mehrere Möglichkeiten, wie man das umsetzen kann. Manche Videoplayer haben die Funktionalität, dass man die Audiodeskription genauso wie den Untertitel als separate Datei hochladen kann und dann kann der Player das eben vorlesen, aber dafür braucht man auch den richtigen Player. Und das ist dann auch wieder nicht so einfach, ein CMS-Tool zu finden, das diese Art von Player anbietet, dass du den eben einbinden kannst, der dann diese Funktionalität einfach abrufen kann. Also das ist tatsächlich auch noch nicht die Norm. Da kann ich aber den AblePlayer empfehlen. Da gibt es auch ein Plugin, das man in WordPress installieren kann und der hat all diese Funktionalitäten drauf.
[Alex]Ich habe auch vor einem Jahr, glaube ich, – oder vielleicht sogar länger – angefangen, Transkripte für meine Podcast-Folgen einzubinden auf der Website und war überrascht, wie viele Menschen das gut fanden, die auch gar nicht digitale Barrierefreiheit gebraucht hätten, aber die gesagt haben, ich lese viel lieber, als dass ich höre.
Und ich musste da so ein bisschen an euren Spruch denken. Ich glaube, ich habe ihn irgendwo auf der Website gelesen. Ich weiß gar nicht, 20 Prozent brauchen digitale Barrierefreiheit oder korrigiere mich in den Prozenten. Dann ein großer Prozentsatz, für die ist es leichter, aber für 100 Prozent ist es quasi sehr nützlich, das umzusetzen.
[Nina]Ja, da bin ich voll bei, das ist dieses 10, 20, 30.
[Alex]Okay.
[Nina]Ich meine, ich glaube, die Zahl, die weiß tatsächlich gar nicht, wie das statistisch abgeleitet wird. Ich glaube, diese 10 Prozent, wo man sagt, die brauchen digitale Barrierefreiheit, das wird so ein bisschen grob abgeleitet aus der Schwerbehindertenquote, die wir in Deutschland haben.
Aber es ist genauso, wie du sagst. Also ich bin jetzt auch nicht auf Untertitel zum Beispiel angewiesen, aber jedes Mal, wenn ich Videos gucke, ich mache mir die Untertitel an, weil dann bin ich laut oder irgendwas passiert und ich weiß, da kann ich den Ton nicht gut mitschneiden. Und mir hilft es extrem dabei, einen Film einfach zu schauen.
Also ich finde es einfach angenehm. Und genauso ist es mit dem Transkript auch, wenn du sagst, du hast irgendwas Wichtiges gehört, es ist wesentlich einfacher, sich das Transkript dann durchzuscannen und zu gucken, welche Stelle war besonders interessant für dich, dann musst du es dir nur noch mal anhören.
Also es ist tatsächlich, wenn man für die Extremfälle gestaltet, dann erreicht man damit eigentlich eine wesentlich größere Bandbreite, als man im ersten Moment meint.
Langfristige Vorteile der Barrierefreiheit
[Alex]Das ist ein toller Gedenke, finde ich, Weil eigentlich denkt man sich, das kostet zu viel Zeit und vielleicht auch Geld und Energie. Aber letzten Endes ist es ja eine ganz wichtige langfristige Investition, dass ich eigentlich mehr Menschen erreiche.
Eigentlich sollte das doch ein gutes Argument für viele Selbstständige sein, das auch zu tun.
[Nina]Ja, ich glaube, jetzt aktuell sieht man wahrscheinlich einfach nur die Mehrkosten zum großen Teil, die halt dadurch entstehen und dass es wahrscheinlich für den einen oder die andere auch sehr schwer ist, das dann beim Kunden anzubringen, dass es eben Sinn macht und das dann wieder zu vergeltlichen, weil am Ende muss ich es ja auch finanziell wieder reinvestieren.
Und ich glaube, da die Geduld zu haben, zu warten und zu sehen, wie gut funktioniert es, viel besser kommt es an, das ist natürlich mit sehr viel Unsicherheit verbunden. Und ich glaube, da tun sich die meisten noch schwer.
Deswegen ist es schön, dass es jetzt eben für den großen Bereich dieses Gesetz gibt, wo man dann auch diese ganzen Studien erheben kann. Also auch gerade zum Beispiel im Bereich Onlineshops, wenn man sagt, wir haben die Chance, eine sehr viel größere Zielgruppe anzusprechen.
Wenn wir jetzt halt bei diesen 10 Prozent bleiben, wo wir sagen, die kommen aktuell nicht auf unsere Inhalte drauf, dann sind es ja 10 Prozent ungenütztes Potenzial, das wir eigentlich haben. Und da wird es spannend, dann die ersten Studien zu sehen, die wirklich belegen, dass ein barrierefreier Onlineshop oder eine barrierefreie Webseite eine sehr viel höhere Conversion Rate hat als jetzt eine nicht barrierefreie Variante. Aber da kenne ich aktuell noch keine Studie leider dazu.
Website-Tests und Barrierefreiheit
[Alex]Und wenn ich jetzt das Thema angehen möchte, wie fange ich denn an? Wie teste ich zum Beispiel meine Website? Ist die barrierefrei – vermutlich nicht, aber wie finde ich heraus, was daran nicht barrierefrei ist?
[Nina]Da gibt es mehrere Wege, würde ich sagen, wie man sich dem Thema nähern kann. Was ich einen guten Einstieg finde, ist das Thema automatisiertes Testing. Man kann seine Webseite automatisiert auf Barrieren prüfen lassen. Automatisierte Tests finden jetzt nicht besonders viel, aber immerhin circa 20 bis 30 Prozent aller Probleme, die in Bezug auf Barrierefreiheit auftreten können.
Das heißt, es ist nicht nichts. Man sollte sich aber da auf jeden Fall nicht drauf ausruhen. Und was dieser Test dir rausgeben würde, ist dann quasi einfach eine Liste von Punkten, wo er sagt, da solltest du nochmal gucken und die kann man ganz gut nehmen, um sich am Ende in das Thema einzuarbeiten.
Letzten Endes führt leider kein Weg dran vorbei, sich mit den Anforderungen der Standards zu beschäftigen und da haben wir auf der einen Seite eben diese europäische Norm, diese EN 301549 und dann haben wir aber auch noch die WCAG, das sind die Web Content Accessibility Guidelines. Das ist der internationale Standard, wenn es um digitale Barrierefreiheit geht. Den gibt es schon sehr, sehr lange und da wird quasi auch festgehalten, was denn eine Webseite leisten können muss oder was Inhalte leisten können müssen, damit man sagen darf, sie sind barrierefrei nach WCAG AA zum Beispiel.
Und als wir angefangen haben, uns mit der digitalen Barrierefreiheit zu beschäftigen, das Thema hat uns total gehooked sofort. Aber wir haben für uns gemerkt, dass es einfach wahnsinnig trocken ist. Es ist halt wirklich so ein technisches Standarddokument.
Und was wir deswegen versucht haben, ist ein bisschen grafischer und ein bisschen mehr mit Spaß an das Thema ranzugehen. Und wir haben auf unserer Webseite die WCAG-Kriterien A und AA runtergebrochen, versucht sie ein bisschen kurz zusammenzupacken, um einfach einen Beschreiben darin, einen Überblick zu geben, was muss ich denn machen?
Und so könnte man sich dann auch einarbeiten in die verschiedenen Anforderungen. Was noch geht, und das ist dann ein sehr ausgedehner Weg, wäre, sich verschiedene Prüfprozesse anzuschauen, wie man anwenden kann. Aber das wird dann auch sehr schnell sehr technisch. Und da ist die Frage, möchte man sich auf diesem Pfad bewegen? Man sagt, man ist soweit interessiert, dass man sich diese Anforderungen anschauen möchte.
[Alex]Okay, der erste Punkt ist dann quasi Wissen einsammeln, sich informieren. Und ich kann da auch eure Website wirklich empfehlen, weil es auch sehr, sehr klar und gut verständlich aufbereitet ist. Ich verlinke die auch gerne nochmal in den Show Notes. Hast du vielleicht für diese automatisierte Testverfahren auch noch einen Tool-Tipp, was ich nutzen könnte?
[Nina]Ja, absolut. Mein Lieblingstool, wenn ich automatisierte Tests laufen lasse, ist Axe DevTools. Das ist ein Plugin. Das kann man installieren in seinem Browser und das taucht dann in der Entwicklerkonsole auf. Wem die Entwicklerkonsole nichts sagt, dafür gibt es auf YouTube-Videos, die zeigen einem, wie man das aufmachen kann, wie man das nutzen kann.
Also wenn man das ein, zwei Mal gesehen hat, dann ist das recht einfach. Für Leute, die es gerne weniger technisch mögen, könnte man zum Beispiel Wave nutzen. Wave ist eine Webseite, die kann man einfach aufrufen, da kann ich gerne den Link teilen im Nachgang, und da kopiert man einfach die URL seiner Webseite rein und dann werden auch so Basiskriterien abgeprüft und damit kann man auch seine Webseite auf Barrierefreiheit dann einfach abchecken und schauen, was der so rausschmeißt.
[Alex]Aber brauche ich am Ende doch immer eine Person, die sich damit auskennt, die meine Website dann irgendwie abschließend prüft, wenn du sagst, diese Tools erkennen vielleicht 20, 30 Prozent?
[Nina]Ja, es gibt einfach viele Themen, die können Stand heute noch nicht automatisiert getestet werden.
Möglicherweise ist es ein paar Jahren anders, aber wir wollen natürlich nicht so lange warten, bis KI dann mal in der Lage ist, gute Webseiten zu bauen. Deswegen führt da kein Weg dran vorbei. Das sind zum Beispiel Themen wie Textalternativen für Bilder.
Also was automatisiert geprüft werden kann, ist, wenn ich ein Bild habe, dann kann ja festgestellt werden, dass es ein Bild ist, weil es im Code speziell markiert wird als Bild. Und dann kann auch geprüft werden, hat dieses Bild eine Alternative?
Was aber nicht automatisiert geprüft werden kann, ist, ist der Text, den ich reingeschrieben habe, ausreichend? Ist das Schmarrn? Sollte da nachgebessert werden? Steht da was drin, was da nicht drinstehen darf? Gibt es vielleicht eine Alternative anbei und das Bild braucht gar keine?
Und diese weiterführenden Denkmechanismen, die gerade Menschen machen müssen, die sind aktuell einfach noch nicht durch die automatisierten Tests abgedeckt. Mein Stand ist tatsächlich, dass kein oder kaum ein Kriterium vollautomatisiert abgetestet werden muss, deswegen muss man eigentlich auch nochmal komplett manuell durch die Prüfkriterien durchgehen.
Wenn wir ein Audit machen auf Barrierefreiheit, dann nutzen wir die Tests meistens ergänzend, um zu gucken, haben wir was vergessen. Dafür eignet sich das. Oder aber auch für erste Einschätzungen. Hat sich eine Person schon mit Barrierefreiheit beschäftigt oder nicht?
Wenn ich unter Druck wäre, meine Sachen barrierefrei zu machen, ich würde mit den automatisierten Tests anfangen, weil das das Schnellste ist, was andere finden werden bei mir. Also wenn es auch zu Klagewellen kommt später, diese Tools werden genutzt werden, um die Webseiten vorzuanalysieren, weil es einfach keine Zeit kostet, das laufen zu lassen. Deswegen ist das ein guter Einstiegspunkt auch in die Thematik.
Kleine Schritte zur Barrierefreiheit
[Alex]Gibt es eigentlich so low-hanging digitale Barrierefreiheits-Fruits? Also Kleinigkeiten, die ich vielleicht heute machen könnte, wo ich sage, so ein Minischrittchen gehe ich dann ein Stückchen in Richtung digitale Barrierefreiheit.
Also wirklich so banale Dinge, die ich vielleicht gar nicht auf dem Schirm habe.
[Nina]Für mich war das die Benamung von Links. Passiert ganz oft, dass, wenn wir, wir schreiben irgendwie ein Textdokument oder Texte für eine Webseite und dann schreiben wir, das Kochrezept für Apfelkuchen findest du hier und wir setzen den Link auf „hier“.
Passiert ganz oft. Das ist problematisch für Leute, die nicht visuell navigieren, weil die bekommen dann von ihrer Technologie eine Liste ausgegeben an Links und die bekommen dann quasi in ihrer Liste „hier mehr lesen“, „mehr dazu“ und die haben den visuellen Kontext nicht, den wir haben, wenn wir sehend auf die Seite gehen.
Deswegen sind sprechende Link-Namen eines der besten Dinge, die man machen kann. Also statt einen schlechten Namen zu nehmen, wie „hier“ oder „mehr lesen“ oder die Teilseite immer auf den Text setzen, der wirklich sagt, um was es geht. Das finde ich, ist eine sehr gute Möglichkeit.
Überschriften zu verwenden und seinen Text gut zu strukturieren. Das sind wirklich so die Basics, wie man sie halt kennt, aber das unterscheidet einen barrierefreien Text oder eine barrierefreie Webseite von einer nicht barrierefreien Webseite.
Das ist wirklich die Dokumentenstruktur und aber auch dann sowas wie Farbkontraste. Das ist etwas, da schaut jemand drauf, der ein bisschen Ahnung hat und dem fällt sofort auf: nicht barrierefrei oder barrierefrei. Und da kann man eigentlich recht schnell ganz viel Gutes erzeugen. Oder aber auch Alttexte. Das ist immer ein Thema.
Fördermöglichkeiten für Selbstständige
[Alex]Du hast ja schon vorhin angesprochen, dass es ja auch eine Budgetfrage ist, gerade für Soloselbstständige, da jetzt vielleicht ganz professionell ranzugehen.
Weißt du eigentlich, ob es Fördermöglichkeiten gibt, also auf Landes- oder Bundesebene für kleine Unternehmen, für Selbstständige, die vielleicht sich weiterbilden wollen oder die Website gestalten lassen wollen? Gibt es sowas?
[Nina]Also ich kenne zwei. Ich weiß, dass Aktion Mensch fördert die Barrierefrei-Werdung von Webseiten von Vereinen. Da kann man so einen Mikrokredit beantragen. Das muss dann von dem Verein oder von der Organisation gestellt werden. Da werden bis zu 5.000 Euro gefördert.
Also wenn man da einen Kunden oder eine Kundin hat, die man damit unterstützen kann, dann ist das eine ganz gute Möglichkeit. Und aber auch für Solo-Selbstständige gibt es die sogenannte Kompass-Förderung.
Mit der kann man sich auch seine Fortbildungen bezuschussen lassen, genau. Und für die haben wir zum Beispiel auch so ein Ausbildungspaket. Da machen wir Schulungen zum Thema Design, Entwicklung, Content, Umsetzung von barrierefreien Webseiten mit WordPress und das Testen.
Also wirklich so ein Komplettpaket, wo man alle Stationen abklappert, die man in Bezug auf Barrierefreiheit braucht. So was könnte man sich durchaus fördern lassen. Wer Interesse hat, der kann sich dann gerne auch mal melden, da haben wir bei uns was vorliegen. Und ansonsten wüsste ich tatsächlich nicht, was es noch so gibt dazu.
Erster Schritt in Richtung digitale Barrierefreiheit
[Alex]Aber da sind ja schon mal zwei Stellen, wo ich anfangen kann.
Gut, was wäre denn abschließend so, vielleicht auch nochmal zusammenfassend, dein Tipp für Selbstständige für den allerersten Schritt in Richtung digitaler Barrierefreiheit? Was können sie, womit fangen die an?
[Nina]Kann ich das zum Blogartikel weiterleiten?
[Alex]Sehr gerne. Aber sag vielleicht kurz das Thema des Blogartikels.
[Nina]Also wo fängt man an? Das finde ich ganz spannend, weil die Frage hören wir öfter und die Leute wollen sie immer nicht hören.
Das Beste, was man machen kann, ist sich anzuschauen, wie benutzen Menschen mit Behinderung Webseiten. Weil sobald man einmal verstanden hat, wie benutzen Menschen das überhaupt, diese ganze Anforderungskataloge machen auf einmal so viel Sinn, weil man versteht, warum man manche Dinge nicht tun soll.
Schaut euch ein Video an, wie eine blinde Person einen Screenreader benutzt. Schaut euch an, wie das funktioniert.
Dann versteht man auch, warum man Links sinnvoll benamen muss oder warum man keine sensorischen Merkmale verwenden soll alleine. Also genau das ist ja wie mit der Linkbezeichnung. Wenn ich sage, ich drücke den gelben Button oben links, dann muss die Person in der Lage sein, gelb zu erkennen und sie muss halt wissen, wo oben links ist. Eine Person, die nicht visuell navigiert, die kann diesen Punkt nicht finden. Und das erklärt sich von alleine, wenn wir einmal verstanden haben, was brauchen denn die Leute.
Deswegen ist tatsächlich die Bewusstseinsschaffung der erste Schritt, den man wirklich braucht, wenn man nachhaltig gute Webseiten oder gute Inhalte machen will, die wirklich barrierefrei lesbar sind.
Und wenn wir das gemacht haben, dann kann man die Anforderungen durchgehen.
Wer es gerne im Comic-Stil mag und lustig mag, den lade ich sehr gerne zu uns auf die Webseite drauf ein. Dann geht es an die WCAG-Kriterien, die kann man sich selber anlernen. Wir haben sehr viel zu Barrierefreiheit auf unserem Blog.
Wir haben natürlich auch Workshops zu den Kursen, also wenn man es lieber gebündelt haben möchte, dann kann man sich da auch schulen lassen. Da sind wir auch nicht der einzige Anbieter. Da gibt es recht viele auf dem Markt, da findet man dann jemanden, den man sich aussuchen kann oder aber man kann natürlich auch auf die Inhalte der W3C gehen. Die schreiben sehr viel, auch im englischsprachigen Bereich zum Thema digitale Barrierefreiheit ist auch eine sehr gute Quelle. Kann man sich also auch alles selber anlernen, aber der Weg in die Fachlichkeit, der muss dann auf jeden Fall nachkommen.
[Alex]Dankeschön. Das war ein sehr aufschlussreiches Gespräch. Und ich hoffe, wir haben einige Menschen für das Thema digitale Barrierefreiheit begeistern können. Vielen Dank, Nina, dass du da warst.
[Nina]Danke dir.
Shownotes
Blogartikel: Mit digitaler Barrierefreiheit anfangen
WAVE Web Accessibility Evaluation