Buch als machbares und zeitlich begrenztes Projekt – Interview mit Melanie Eschle
In diesem Podcastinterview habe ich Melanie Eschle zu Gast. Melanie unterstützt Expert*innen dabei, ihr eigenes Buch zu schreiben. Und im Interview wird sie uns verraten, wie wir das Buch als ein machbares Projekt planen.
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[Alex]Ja, hallo Melanie. Ich habe mal gelesen, dass rund die Hälfte der Deutschen ein Buch schreiben will, aber nur sehr wenige von ihnen machen das dann auch tatsächlich. Woran liegt das deiner Meinung nach? Also ist es mangelndes Selbstvertrauen, ist es Prokrastination oder etwas anderes?
[Melanie]Ja, die Zahl kenne ich auch und ich finde es total schade, dass das so wenig Leute machen.
Aus meiner Erfahrung, der erste Grund, den ich immer genannt bekomme von Menschen, die ein Buch schreiben müssen oder wollen beziehungsweise, ist, dass sie keine Zeit haben. Der Wunsch ist da, aber die Zeit fehlt. Und dementsprechend wäre das wahrscheinlich dann so das Thema Prokrastination.
Allerdings bin ich da immer ein bisschen skeptisch, denn ich bin überzeugt, dass Prokrastination eigentlich immer nur ein Symptom ist, aber nicht die Ursache. Denn ich gehe ins Verschieben, wenn ich nicht weiß, was ich zu tun habe oder mir unsicher bin oder mir der Fokus fehlt.
Und dementsprechend lasse ich die Ausrede ungerne gelten und gehe dann immer nochmal einen Schritt tiefer rein und sage, dass diese Prokrastination eigentlich ein Ende finden kann, wenn du genau wüsstest, warum du ein Buch schreiben möchtest, was du damit anfangen willst.
Und dann gehen wir von einer ganz anderen Situation aus. Wenn das Ziel klar ist, dann kann man nämlich eigentlich auch die dahinführenden Schritte viel besser planen.
[Alex]Das bedeutet, all diese Prokrastinationstipps können wir uns eigentlich sparen oder Tipps, wie man Prokrastination überwindet. Also das ist einfach dann die falsche Ebene, auf der wir dann ansetzen, richtig?
[Melanie]Ich würde sagen, ja. Also das ist ja ähnlich wie bei der Aussage, ich möchte mehr Sport treiben oder ich möchte meine Ernährung verbessern.
Das ist auch so schwammig, aber wenn man ein konkretes Ziel hat und sich sagt, ich möchte keine Ahnung, mehr Sport treiben, weil mir mein Rücken wehtut und ich gesünder leben will, dann hat man ein ganz anderes Ziel vor Augen. Und deshalb ist diese Konkretisierung eines Ziels beim Buchschreiben für mich auch immer der erste Step, den ich mit meinen Kunden und Kundinnen bespreche, weil ich dahinter komme, warum willst du es?
Buchschreiben als Projekt
[Alex]Du hast schon so ein bisschen die Richtung eingeschlagen. Also dein Ansatz ist ja, dass du das Buchschreiben als ein machbares und zeitlich begrenztes Projekt siehst. Was genau meinst du damit? Kannst du das ein bisschen erläutern?
[Melanie]Ja, mir ist es wichtig, dieses Thema Buch so ein bisschen aus dem Elfenbeinturm zu holen und diese intellektuelle Aura wegzupusten.
Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht, das war 2020, da habe ich mein erstes Buch geschrieben und hatte da aufgrund der Umstände nur sechs Wochen Zeit, es abzuliefern. Da hieß es ganz oder gar nicht, es war ein ganz brandaktuelles Thema. Wir waren da im Sommer alle noch so halbwegs im Lockdown und das Buch handelte von digitalen Events und der Verlag ist darauf angesprungen und hat gesagt, spannend, aber damit ihr noch in die Herbstrutsche kommt, brauchen wir es in sechs Wochen.
Und mit dem Druck im Nacken habe ich einfach angefangen, dieses Projekt zu planen mit Anfang, Mitte, Ende, weil das Ende stand ja fest. Und habe mir da kleine Arbeitsaufträge gemacht, die ich Stück für Stück abgearbeitet habe.
Und nach sechs Wochen stand das Buch. Das würde ich jetzt nicht unbedingt meinen Kundinnen empfehlen. Das geht auch schöner, so ein Buch zu schreiben. Aber die Techniken und Vorgehensweisen, die ich mir da zum ersten Mal herangeschafft habe, die waren total nützlich, um es einfach machbar zu machen. Und das möchte ich weitergeben, indem ich den Elefanten sozusagen in kleine Häppchen zerstückele, damit man ihn leichter essen kann sozusagen.
Techniken und Vorgehensweisen beim Buchschreiben
[Alex]Sechs Wochen, das ist schon krass sportlich.
[Melanie]Das war hart. Ich meine, das war jetzt auch kein Kompendium. Es war so ein kleiner Praxisratgeber. Aber schön war es nicht.
Letzten Endes war es aber total sinnvoll, um einfach da mit Scheuklappen durchzugehen und sich diese Häppchen selber zu machen und das wirklich als Projekt zu sehen, zu planen, die einzelnen Meilensteine abzuarbeiten. Und dann hatte ich hier überall zum Beispiel meine Post-its hängen, wie viele Seiten ich pro Tag dann schreiben musste. Und die habe ich dann abgerissen und konnte dann sehen, wie es vorwärts ging.
Und diese Motivation und diese grundlegende Vorgehensweise, die finde ich total nützlich, um es halt einfach machbar zu machen und nicht dieses diffuse, ich sitze an meinem Schreibtisch Monate, Jahre lang, trinke Rotwein, sitze in müffelnden Klamotten und komme trotzdem nicht vorwärts. Und habe keine sozialen Kontakte.
[Alex]Das ist ja so das Bild von den Menschen, die schreiben, so ein bisschen vorherrscht. Dieses Genie, dann ist es so inspiriert und dann schreibt das alles nieder und so.
Und genau, trinkt Rotwein oder schläft bis zwei Uhr nachmittags oder sowas. Aber das ist bei mir auch nicht so, wie ich schreibe. Und deswegen bin ich total gespannt, wie du das Ganze machst.
Und ja, wenn du willst, kannst du das ein bisschen erzählen. Also wenn ich mich quasi entscheide, jetzt ein Buch zu schreiben, sehe ich erst mal diesen Wust an Aufgaben. Du hast gesagt, ich sehe so einen großen Elefanten.
Und die Frage ist jetzt, wie bringe ich da Ordnung rein? Also was sind einzelne Schritte, die ich unternehmen kann, um das Buchschreiben dann in ein realisierbares Projekt zu verwandeln?
[Melanie]Genau. Und ich glaube, was man als allererstes sich bewusst machen darf, ist, dass Buchschreiben ganz viel Vorabplanung ist. Und diese Angst vor dem Schreiben, wenn ich noch nie so einen großen Text produziert habe, die kann man vielleicht ein bisschen reduzieren, wenn man sich bewusst macht, wie viel Planung vorausgeht. Und dass das Schreiben, ich weiß nicht, du kannst das vielleicht auch sagen, wie es bei dir war, aber ich würde sagen, das aktuelle Schreiben sind vielleicht 50 Prozent von so einem Buchprojekt und ein riesengroßer Teil ist Planung und dann kommt nochmal ein großer Teil Überarbeiten dazu.
Also vor diesem Schreiben braucht man gar nicht so große Angst haben, finde ich. Erst recht nicht, wenn man weiß, welche Schritte und welche Entscheidungen vor dem Schreiben getroffen werden sollten.
Und den einen hatten wir ja schon, das Ziel, also warum willst du das Buch überhaupt haben? Da gibt es ja unterschiedliche Ziele.
Viele meiner Kundinnen wollen sich halt als Expertin positionieren oder die eigene Sichtbarkeit erhöhen oder das Buch als langlebiges Marketing-Tool verwenden.
Was ich mir vorstellen könnte, was zum Beispiel auch dein Ziel war, weil das ja deine ganze Theorie, deine ganze Maxime ist, so langlebige Texte zu produzieren, die langfristig weiterverwendet werden können.
Ich hatte aber auch schon eine Kundin, die mit ganz vielen Ideen kam. Das war eine Frau, die mehrfache Behinderungen hatte und ihre Erlebnisse aufschreiben wollte. Und wir dann irgendwann drauf gekommen sind, nein, eigentlich will sie Role Model werden, um dieses Thema weiter in die Sichtbarkeit zu bringen.
Und mit dem Ziel im Herzen schreibt es sich natürlich ganz anders und man geht die Schritte ganz anders.
Und dann geht es natürlich weiter, dann kommen auch so unangenehme Dinge, wo die meisten nicht so große Lust zu haben, wie Zielgruppenanalyse.
[Alex]Gehört ja in jedes Exposé im Grunde rein.
[Melanie]Genau, gehört in jedes Exposé und ich höre dann ganz häufig, ja, das weiß ich, ich habe ja meine Kunden und Kundinnen, kenn ich, das geht schnell.
Und dann geht es am Ende doch gar nicht so schnell, wenn man sich da wirklich mal ernsthaft mit beschäftigt.
Und das sind dann so Schritte, da ist es ganz schön, wenn man jemanden hat, der einen doch dazu bringt, da nochmal ernsthaft drüber nachzudenken.
Und naja, und dann geht es natürlich weiter in die Themenfindung und in die Gliederung, in die Struktur.
Und so arbeite ich mich dann immer vom großen Ziel immer in die kleineren Schritte und sorge dafür, dass jede Entscheidung, die getroffen wurde, wieder den Weg klarer macht für die nächste Entscheidung.
Planung ist alles
[Alex]Du hast schon am Anfang gerade das Thema Länge angesprochen, also dass dieser Planungsprozess auch dauern darf, und du hast gesagt, Schreiben ist so 50 Prozent und ich kann das voll bestätigen. Also ich glaube, bei mir ist das Schreiben sogar noch ein bisschen geringer gewesen.
Also das Buch hat ungefähr ein Jahr gedauert und ich würde sagen, ein Drittel davon war Schreiben, ein Drittel davon war Planung und ein Drittel war Überarbeiten. Und gerade das Planen, das hat einfach so vieles erleichtert dann im Schreibprozess.
Also ich glaube, man ist geneigt, das zu überspringen und zu denken, ach komm, also vor allem, wenn man vielleicht in Richtung Self-Publishing geht, sieht doch keiner, braucht doch keiner, weiß doch keiner so. Aber ich war total erstaunt, wie lange wir an der Gliederung gefeilt haben im Verlag. Und dass man da so krass profitiert davon, einfach weil ich zu keiner Zeit gedacht habe, okay, und was schreibe ich jetzt eigentlich? Ich wusste es und musste einfach nur in meine Gliederung gucken und habe dann einfach geschrieben.
Also ich wollte es nur noch mal unterstreichen, dass dieser Planungsprozess wirklich dauern kann, je nachdem, wie umfangreich das Buch natürlich wird und vielleicht auch je nachdem, ob ich das das erste Mal mache oder vielleicht schon geübter bin.
Aber gerade fürs erste Mal, glaube ich, würde ich da wirklich Wochen, wenn ich gar zwei, drei Monate, wenn ich das nebenbei so mache, einplanen.
Oder wie siehst du das? Welcher Zeitraum schwebt dir da so vor?
[Melanie]Naja, es kommt halt immer darauf an, wie viel Zeit du hast, um die da zu investieren.
Wenn du sagst, okay, ich mache die nächsten drei Monate nichts anderes, dann kann es natürlich schnell gehen. Aber das tut ja niemand von uns. Also wir schreiben die Bücher dann ja alle neben dem normalen Alltagswahnsinn. Und von daher ist das schon sehr realistisch, was du da gesagt hast.
Ich habe ein Programm, das geht über sechs Wochen, was ich mit meinen Kundinnen mache. Und da gehen wir in die Themen rein.
Aber grundsätzlich, wie man überhaupt rangeht an eine Gliederung. Also der Schritt davor ist dann die Zielgruppe. Und wenn du weißt, wer deine Zielgruppe ist, dann kannst du natürlich auch viel leichter in die Gliederung gehen, weil du weißt, okay, für wen schreibe ich konkret? Ich habe eine Persona erstellt. Ich schreibe jetzt für Susanne Schmidt. Und die hat die und die Probleme. Und anhand dessen kannst du dann deine Gliederung viel leichter erstellen.
Wenn du die Gliederung hast, dann gehst du halt nochmal tiefer rein und überlegst dir, was sind da die Inhalte. Dann schreiben wir das auch in die Gliederung schon in Stichworten rein und überprüfen immer wieder, löst das ein Problem? Möchte Susanne das wissen oder sind das nur extra Informationen? Und so verfeinert sich das Ganze immer, dass es natürlich eine möglichst kleinschrittige Anleitung dann am Ende für dich ist, die du dann im besten Fall nur noch runterschreiben kannst.
[Alex]Ich habe vom Verlag damals den Tipp bekommen, den fand ich total hilfreich, und zwar mir so eine Reader's Journey vorzustellen. Also es gibt ja die Customer Journey, die kennen vielleicht die Leute, die Marketing machen. Aber so eine Reader's Journey finde ich auch super hilfreich, also sich vorzustellen, die Leserin oder der Leser legt eben so eine Reise zurück, steht dann einen gewissen Punkt und dann will sie irgendwo hin. Und welche Station braucht sie dann, um da hinzukommen? Und anhand von dieser Frage konnte ich da viel besser die Gliederung erstellen, weil ich wusste, okay, diese Punkte muss ich Schritt für Schritt behandeln. Das war dann so ein logischer, stringenter Aufbau, also aus meiner Sicht. Und dann war quasi meine Aufgabe, das dann mit den Themen zu füllen. Also vielleicht für jemanden, der sich das vorstellen will, so metaphorisch, finde ich, hilft das, sich das jetzt so eine Reise vorzustellen, die die Leserin oder der Leser dann macht.
[Melanie]Passt dann für dein Buch. Aber es gibt ja auch andere Bücher, die nicht so stringent aufgebaut sind, dass du sie von Deckel zu Deckel liest, sondern da kannst du hin und her springen und dir deine Informationen rausholen.
Also ich hatte da zum Beispiel eine Kundin, die hat zum Thema Online-Präsenz ein Buch geschrieben. Und da ging es dann auch um verschiedene Bereiche. Und das musstest du nicht von vorne bis hinten lesen, sondern du konntest hin und her springen, was für dich gerade relevant ist. Und dann musst du aber natürlich in der Gliederung da vielleicht nicht so sehr auf diese Reader-Journey eingehen, sondern in der Gestaltung des Buches eher darauf achten, dass man sich zurechtfindet.
Techniken und Vorgehensweisen beim Schreiben
[Alex]Hast du denn bestimmte ... Tools, Programme, Techniken, wie du in so eine Planung rangehst? Oder kann man das jetzt, blöd gesagt, auch auf Papier machen mit einem Stift?
[Melanie]Du kannst alles mit einem Stift auf Papier machen.
[Alex]Oder hast du so eine bestimmte Struktur, so eine Herangehensweise, wie du das systematisch machst?
[Melanie]Also von den Themen her, die wir halt eben schon am Wickel hatten: Ziel, Zielgruppe, Thema, Gliederung. Und dann mache ich auch sehr gerne noch die Struktur einzelner Kapitel, Weil, wie gesagt, einzelne Häppchen, die man gut abarbeiten kann, ich liebe es, wenn Kapitel gleich aufgebaut sind und meine Kundinnen dann wissen, okay, hier starte ich mit einem Storytelling-Teil, da kommt eine Statistik, da kommt dann mein Tipp und am Ende kommt der Kasten mit den Lifehacks oder whatever. Also da gibt es ja tausend verschiedene Strukturen, die man argumentativ anwenden kann.
Und für jedes Thema gibt es gute Methoden aus der Schreibberatung, die man da anwenden kann, um sich seinem Ziel zu nähern. Ich gucke dann immer, was meine Kundinnen so für Typen sind, ob die da sehr strukturiert rangehen oder ob die auch mal einen kreativeren Ansatz brauchen.
Ein Beispiel: Zielgruppe ist ja bei den meisten nicht so super beliebt, das Thema, sich da nochmal eingehend mit zu beschäftigen. Da kann man eine Persona erstellen mit Deckbriefen.
Was ich aber zum Beispiel auch total gerne mache, ist, dass ich einen Leserbrief aus der Zukunft schreiben lasse. Wenn das Buch zum Beispiel schon rausgekommen ist und du hast einen richtigen Superfan, der dir schreibt und sagt, das Buch war mega, hat mir total geholfen und sich dann rückwärts da reindenkt, wieso ist der so begeistert.
Dann hast du einen kreativen Ansatz, der deinen inneren Zensor sozusagen auch ein bisschen austrickst und kommst so über Umwege an die Informationen, an die du rankommen willst. Weil gerade dieser innere Zensor ist ja häufig ein schlechter Ratgeber beim Buchschreiben. Da kommen ganz oft Zweifel auf und ich versuche dann immer so Techniken zu benutzen, wo man diese Stimme im Kopf ein bisschen umgehen kann, indem man kreativere Übungen dazu macht.
[Alex]Es gibt ja immer so verschiedene Herangehensweisen, wie man mit dieser inneren Stimme umgehen kann. Also das heißt, du versuchst, die ein bisschen auszuschalten oder mit ihr zu sprechen oder die zu überlisten? Oder was ist da deine Herangehensweise?
[Melanie]Ja, ich glaube, so ein bisschen überlisten. Ich glaube, ein bisschen überlisten, weil es geht ja bei mir häufig um Expertinnenbücher, um es fürs Marketing und die Sichtbarkeit zu benutzen. Und alle, die diese Bücher für sich schreiben, die sind Expertinnen. Also das ist ihr Job.
Und da kommen ganz oft dann so Zweifel auf wie, bin ich überhaupt gut genug, ein Buch zu schreiben? Weiß ich genug? Darf ich mir das überhaupt erlauben? Und da versuche ich dann immer reinzugrätschen und dafür zu sorgen, dass diese Stimme nicht so laut ist.
[Alex]Ich finde, gerade, wenn es so allgemeine Phrasen sind, wie: Bin ich gut genug, darf ich das oder darf ich mir die Zeit nehmen, ich schiebe das mittlerweile auch einfach zur Seite, weil ich weiß, das ist mir überhaupt nicht dienlich.
Also wenn die Stimme jetzt sagen würde, hey, Kapitel 9 ist aber irgendwie echt lang im Vergleich zu anderen Kapiteln, dann weiß ich, ah okay, da kann ich mir was Konkretes angucken, nämlich die Länge und kann nochmal gucken, vielleicht kann ich da irgendwas kürzen.
Aber all diese Sachen, die sind ja in der Regel gar nicht hilfreich, wenn mir jemand sagt, darfst du das überhaupt oder bist du überhaupt gut genug? Das ist meistens eine Diskussion, die ich nur verlieren kann mit meiner inneren Stimme.
Und deswegen schiebe ich das mittlerweile auch echt einfach konsequent zur Seite und denke mir so, jetzt nicht. Jetzt nicht, ich frage das gerade gar nicht. Also ich finde, wenn man so überlegt...
Ich finde, Kritik ist an sich ja gut. Ein Buch braucht ja auch kritische Stimmen und braucht ja auch Überarbeitung. Es ist ja auch so ein ganz großer Teil von einem Buch. Aber die Frage ist immer, auf welcher Ebene ist es? Also ist es auf so einer konkreten Ebene oder ist es eben auf so einer allgemeinen Ebene, die uns überhaupt gar nichts gibt?
[Melanie]Was ich auch total gerne mache, ist, wenn tatsächlich der Rohtext geschrieben wird und du dann, keine Ahnung, deine Gliederung hast und da hängen bleibst, weil dir noch Informationen fehlen oder du denkst, na, das ist doch nicht so ganz rund.
Und beim Rohtext geht es mir immer darum, dass Text auf Papier kommt und dass genau da dieser innere Zensor möglichst leise ist. Man kann ihn aber nicht immer ausschalten.
Und deshalb rate ich dann immer dazu, diese innere Stimme einfach mit einzubauen. Auf verschiedene Art und Weise kann man das dann direkt in den Text machen. Entweder du schreibst dir einen Kommentar, wo dann steht, die Passage ist noch doof, aber du schreibst sie trotzdem runter und guckst später dann drauf. Oder du machst dir Sonderzeichen an die Passage, irgendwie Sternchen oder Hashtagzeichen. Dann kannst du es hinterher wieder rausfiltern über die Suchfunktion und dir alle Stellen, an denen du noch gezweifelt hast, nochmal separat angucken.
Aber es bringt dich dann nicht aus dem Schreibfluss. Du bleibst nicht hängen an einem Satz, der irgendwie nicht schön formuliert ist oder der vielleicht noch, keine Ahnung, eine Statistik ist, die rauskopiert wurde und so nicht stehen bleiben kann.
Das wird einfach markiert, das wird wahrgenommen, als ist noch nicht perfekt und dann wird einfach weitergemacht.
Und im nächsten Schritt kann man sich diese ganzen Dinge dann wieder rausfiltern und nochmal separat drauf gucken. Aber man ist im Schreibfluss und man kommt auf jeden Fall weiter.
[Alex]Das finde ich auch. Also das Wichtigste ist einfach, eine erste Fassung zu schreiben. Und das ist so das Ziel. Das Ziel ist nicht, eine perfekte Fassung zu schreiben, sondern eine Fassung zu schreiben.
Und solange ich das nicht mache, gehe ich da auch nicht rein und korrigiere, sondern mache das dann hinterher.
Also finde ich ein ganz, ganz wichtiger Perspektivwechsel auch. Also dass ich das Schreiben und vom Überarbeiten einfach so konsequent trenne. Und wenn ich denke, ich habe da vielleicht Stimmen in mir, die sagen, aber das ist vielleicht doof oder so, wie du sagst, einfach nebendran zu notieren. Das finde ich eigentlich einen super Tipp.
Schreibtypen und ihre Merkmale
Jetzt haben wir schon so angefangen, über Schreiben zu reden. Ich wollte dich noch fragen, ich habe nämlich auf deiner Website gelesen, dass du verschiedene Schreibtypen voneinander unterscheidest.
Und das fand ich total interessant. Also, welche Schreibtypen gibt es denn oder kennst du? Und warum ist es so wichtig, seinen Schreibtyp zu kennen? Also, was für Vorteile hat das?
[Melanie]Also, es gibt das Feld der Schreibforschung tatsächlich. Und auch noch gar nicht so lange. Also das ist in den 60er-, 70er-Jahren, glaube ich, in Amerika aufgekommen als tatsächlich wissenschaftliches Feld und in den 80er Jahren dann erst nach Deutschland rübergekommen. Und mittlerweile gibt es so verschiedene Ansätze zu den skurrilsten Schreibtypen, also vom Redakteur zum Puzzler zum, was gab es da noch, das Eichhörnchen.
Also die verrücktesten Sachen, wie man schreibt, grundsätzlich basieren die aber alle auf zwei Schreibtypen, die ich für mich auch nutze, weil ich sie sehr nachvollziehbar finde.
Das ist zum einen der Strukturschaffer oder der Strukturschaffer. Ich versuche es zu gendern, aber das gelingt mir nicht immer. Und das sind so Personen, die einfach drauf losschreiben, die keinen langen Anlauf brauchen, denen es wichtig ist, ihre Gedanken zu Papier zu bringen und die Vorteile von denen sind, dass sie relativ wenig Angst vor dem Weißen Blatt haben und in kurzer Zeit ziemlich viel Text produzieren können.
[Melanie]Hat allerdings den Nachteil bei so großen Schreibprojekten, dass man vielleicht abschweift, die Zielgruppe nicht mehr im Blick hat, andere Themen noch reinnimmt und so ein bisschen die Struktur vernachlässigt.
Das funktioniert total gut bei kurzen Texten, bei langen wird es irgendwann schwierig. Demgegenüber stehen die Strukturfolger und das sind die Menschen, die sehr ausgiebig und sehr lange nachdenken, bevor sie überhaupt etwas zu Papier bringen.
Die haben eigentlich schon alles im Kopf und durchdekliniert, fangen mit der Gliederung an und schreiben dann sehr sorgfältig, Step by Step, das, was sie vorher geplant und recherchiert haben, runter.
Die haben den Vorteil, dass sie eine super Struktur meistens haben.
Der Nachteil ist, dass bei den Dingen, die im Schreibprozess aufkommen, meistens nicht so richtig gut da einfügen können, weil sie ja festgelegt haben ursprünglich, was der Inhalt sein soll.
Und die haben, wie gesagt, beide ihre Vor- und Nachteile. Das Wichtige bei der Kenntnis des eigenen Schreibtyps ist, dass du deine Stärken kennst und weißt, wie du mit deinen Schwächen umgehen kannst.
[Melanie]Bei großen Schreibprojekten erkennt man Strukturschaffer und Strukturfolger meist sehr schnell, denn die Strukturschaffer, die schreiben die Einleitung und den Schluss immer erst am Ende, weil sie am Anfang gar nicht wissen, was am Ende dabei rauskommt.
Und für die Strukturfolger ist das überhaupt kein Problem, weil sie wissen einfach vorher schon, wo sie hinwollen und die können das von vorne bis hinten runterschreiben.
Aber denen fehlt manchmal die Kreativität. Also die haben Schwierigkeiten, wenn sie während des Schreibens dann doch merken, dass ein Thema noch dazu muss oder abgeändert werden muss. Da sträubt es sich dann in denen und die haben dann Probleme, ihren Plan wieder umzuschmeißen.
[Alex]Gibt es denn so eine Verteilung? Also was ist dann der häufigere Schreibtyp?
[Melanie]Also ich wüsste jetzt keine prozentuale Verteilung. Ich weiß aber, dass man einen angeborenen Schreibtyp hat und dass man sich aber umtrainieren kann. Das heißt, wenn du vielleicht in einem wissenschaftlichen Kontext arbeitest, dass du dir dann selber antrainierst, dass du ein Strukturfolger wirst, weil das von dir erwartet wird, so wissenschaftlich zu arbeiten und du dann aber immer Probleme damit hast. Das ist so wie umtrainierte Linkshänder, so stelle ich mir das ein bisschen vor. Du kannst es, aber es fühlt sich nicht richtig gut an.
Schreibroutinen entwickeln
[Alex]Man kann ja eigentlich immer gute Gründe finden, nicht zu schreiben. Also: Ich habe andere Dinge zu tun. Oder: Mir ist gerade nicht danach. Aber das Geheimnis ist ja, sich trotzdem täglich oder zumindest regelmäßig hinzusetzen und zu schreiben.
Und wie geht das deiner Erfahrung nach? Also wie finden Autor*innen eine Schreibroutine? Welche Möglichkeiten gibt es da?
[Melanie]Planung. Planung ist mein A und O. Also es konkret machen, wie mit allen Dingen. Wie mit Joggen und mit Sport und mit gesunder Ernährung.
Ich empfehle es tatsächlich als konkreten Termin in den Kalender einzutragen, eine Schreibzeit.
Weil sonst rutscht es häufig weg, wenn es keine Priorität eingeräumt bekommt.
Und das Beste ist, dass du dir regelmäßig, wenn es nicht anders geht, Kurzzeit einplanst als irgendwie große Strecken am Stück.
Also lieber dreimal die Woche eine halbe Stunde als am Freitagmorgen zwei Stunden am Stück. Das halte ich für effektiver.
Und eine zweite Sache ist vielleicht noch, was ich auch merke, was mir sehr hilft, ist, dass ich mich zum Coworking tatsächlich verabrede.
Das fand ich, bevor ich es die ersten Male gemacht habe, als Vorstellung total bescheuert, muss ich sagen. Mich mit jemandem oder mit einer Gruppe zu verabreden per Zoom, eine Kamera anzustellen und dann redet keiner, sondern jeder arbeitet vor sich hin. Da dachte ich, was für ein Blödkram. Aber es sorgt halt für eine totale Verbindlichkeit und ich bin viel produktiver, wenn ich das tue.
Und das kann ich einfach auch empfehlen, sich zu verabreden und drüber zu sprechen. Das ist mein Ziel für heute und es dann durchzuziehen.
Wie ist es bei dir, schreibst du alleine? Du hast auch deine Gruppen, oder?
[Alex]Ja, ja, ich wollte gerade sagen. Also ich habe ja vor nicht allzu langer Zeit immer die Schreibcircles gemacht. Da war die Rückmeldung auch immer, es hilft zu wissen, da ist ein Termin und da kann ich auftauchen oder ich muss auftauchen. Ich habe immerhin Geld bezahlt und so.
Und diejenigen, die da wirklich aufgetaucht sind, die haben dann auch ihre Texte geschrieben. Ich muss sagen, ich bin nicht der Typ. Ich weiß nicht, warum. Wenn ich schreibe, sehe ich total verwahrlost aus und bin so ein [unverständlich] im Pyjama auf dem Sofa, so nach dem Motto. Also mich würde das, glaube ich, eher stören.
Aber ich glaube, da ist es auch einfach wichtig, vielleicht auch mal ein paar Dinge auszutesten und zu überlegen, was hilft mir. Weil es gibt, glaube ich, kein Geheimrezept, Sondern es gibt verschiedene Möglichkeiten und man muss die am Anfang testen, um dann festzustellen, was für einer besten funktioniert.
[Melanie]Total. Und vor allem auch deine Zeit rauszufinden. Kannst du früh gut schreiben, kannst du nachts gut schreiben, wenn alle im Bett sind und Ruhe herrscht.
Bei mir, mein Gehirn schaltet aus ab 18 Uhr. Ich stehe lieber zwei Stunden früher auf und habe dann meine Ruhe. Aber das geht natürlich nicht jedem so.
Und genau, das muss man einfach testen. Ich könnte auch nie im Leben in einen Café schreiben. Also ich habe da auch Kolleginnen, die das lieben, im Trubel zu schreiben. Das ist ein absolutes Nightmare für mich. Ich brauche Ruhe und kein Radio. Aber wie du schon sagst, also da muss man tatsächlich gucken, was für einen gut passt. Und ich plädiere ja auch dafür, sich so schön wie möglich zu machen und so ein bisschen zu ritualisieren.
Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass ich Schreiben einfach so gerne mag und möchte, dass alle anderen es auch gerne mögen und sich einen Tee kochen und ein schönes Notizbuch kaufen. Ich zelebriere das. Also ich mache es einfach so schön wie möglich.
[Alex]Was ich ziemlich spät für mich entdeckt habe, aber jetzt seit einigen Wochen, jetzt für das neue Buch, an dem ich schreibe, habe ich es endlich entdeckt und zwar Noise-Cancelling-Kopfhörer. Ich will nicht mehr ohne schreiben.
Ich finde das so toll, weil bei uns laufen ja ständig Kinder und Hunde rum. Und mit den Noise-Canceling-Kopfhörern, ich mache mir immer so Lo-Fi-Schreibmusik an. Die ganze Zeit. Finde ich ganz toll. Also ich bin da so richtig im Fokus drin. Und jetzt neulich habe ich irgendwie in einer Stunde fünf, sechs Seiten einfach nur damit geschrieben.
Und genau, aber das wechselt auch bei mir. Also ich merke, im Sommer schreibe ich zum Beispiel anders als im Winter.
Im Sommer, ich weiß nicht warum, doch ich weiß warum, weil wir leben im Altbau und haben keine Rollos, wir dürfen außen keine Rollos dran bringen und deswegen kommt bei uns all das Licht sehr früh rein und im Sommer bin ich echt schon um halb sechs einfach super wach, gehe mit dem Hund raus und sitze dann oft schon um halb sieben einfach am Schreibtisch und deswegen schreibe ich im Sommer immer vormittags und kriege bis zwölf eigentlich fast alles gebacken.
Und jetzt im Winter wird es erst um acht richtig hell gefühlt. Also mein Kopf ist da irgendwie noch gar nicht wach. Und ich merke, erst nachmittags komme ich so richtig in Fahrt.
Also auch das kann ja irgendwie eine Rolle spielen. Welche Jahreszeit haben wir gerade? Wie hell ist es draußen? Auch da kann man mal drauf achten, ob das einem weiterhilft, da so ein bisschen zu gucken.
Freewriting und kreative Techniken
[Melanie]Weißt du, was mir gerade noch für ein Gedanke kam? Also ich schreibe gerne und du schreibst auch gerne. Wenn ich jetzt Autorinnen habe, die so ein bisschen Bammel davor haben, einen größeren Text zu schreiben, empfehle ich auch immer, dass man sich tatsächlich mal das Freewriting zu Gemüte führt.
Und ich finde, das ist ein total schönes Tool. Geht im Grunde genommen so, dass du dir eine bestimmte Zeit setzt, zehn oder zwanzig Minuten, Stift in die Hand nimmst und losschreibst. Es gibt da fokussiertes Freewriting zu einem bestimmten Thema, muss aber gar nicht sein, sondern super ist, wenn man einfach losschreibt. Alle Dinge, die einem so einfallen vom Kopf in die Hand.
Die einzige Regel ist, dass man nicht aufhört mit dem Schreiben. Wenn dir nichts einfällt, schreibst du, mir fällt nichts ein, ich male jetzt Kringel und dein Gehirn kann gar nicht anders, um wieder neuen Output zu kreieren. Und das Schöne daran ist, dass es meiner Meinung nach so dieses Besondere vom Schreiben für Nicht-Autoren so ein bisschen runter reduziert, indem man es einfach häufig praktiziert. Ich produziere jetzt Text und das mache ich am besten jeden Tag oder jeden zweiten in einem Freewriting. Und dann ist dieses sich an den Rechner setzen und am eigenen Buch schreiben nicht mehr so eine besondere Situation. Weißt du?
Es wird so ein bisschen normaler, dass man schreibt und trickst auch wieder den Kopf ein bisschen aus, dass da jetzt keiner blockiert, weil jetzt der große Texterguss kommen muss, sondern nee, ich schreibe jetzt halt. Mache ich ja jeden Tag.
[Alex]Ich mache das ganz gern als Aufwärmübung vor dem Schreiben. Das habe ich in den Schreibcircle immer gemacht, dass wir so 10, 15 Minuten einfach erst mal so, ich habe das Braindump genannt, also dass wir so unseren Kopf entleert haben.
Und ich finde ja, man muss immer am Anfang schreiben und das ist meistens immer Müll und dann kommt man erst zu den guten Sachen.
Also hilft es da einfach, mit so einem Braindump zu starten. Und es gibt ja auch diese Morgenseiten, das ist ja auch so was Ähnliches von Julia Cameron. Also dass man das einfach morgens macht, da schwören auch viele drauf.
Also morgens muss ich erst mal mit dem Hund raus, aber vielleicht für diejenigen, die noch gemütlich im Bett sitzen bleiben können oder wollen, wäre das vielleicht auch eine Option.
Schreibblockaden und Lösungen
Wie kommt es dann deiner Erfahrung nach dazu, dass Menschen sagen, sie haben eine Schreibblockade? Also ich persönlich glaube nicht so an Schreibblockaden. Ich wäre da so eher so bei dir, dass du am Anfang gesagt hast, hey, wenn du prokrastinierst, dann fehlt oft Klarheit und Struktur.
Und ich glaube, wenn ich denke, ich kann nicht schreiben, meiner Erfahrung nach fehlt da auch sehr häufig Klarheit und Struktur.
Wie siehst du das? Also woran liegt es? Wie kann ich mit solchen Situationen umgehen?
[Melanie]Ich glaube auch nicht wirklich an Schreibblockaden, weil du kannst nicht schreiben, weil dir irgendetwas fehlt, damit du es kannst.
Und den Knoten zu lösen, das ist ja in der Schreibberatung ganz häufig der Knackpunkt.
Und wenn da jemand zu mir kommt, dann fehlt meistens Klarheit für etwas. Und das Problem ist meist überhaupt gar nicht so großartig, sondern man sieht es einfach nur nicht, weil man so sich reingewurstet hat und vielleicht auch ein bisschen in Panik verfällt, weil eine Deadline naht oder solche Dinge. Aber ich persönlich kenne keine großen Schreibblockaden, muss ich sagen. Und liebe es, die von anderen zu lösen, weil es meist nicht so schwierig ist, wie die Betroffenen dann denken. Es fehlt meist nur der Blick von außen.
[Alex]Was könnte denn so, kannst du vielleicht ein Beispiel geben? Also was könnte ein Grund sein für so eine Schreibblockade?
[Melanie]Zu viele Informationen habe ich häufig schon gehabt. Also ich hatte eine Beratung, da hat eine ehemalige Studentin super viele Interviews gesammelt für ihre Diplomarbeit und wollte das Ganze, weil das wirklich schönes Material war über die Lebensgeschichten von polnischen Gastarbeiterinnen.
Und die war so überfordert mit dieser Menge an Daten und wusste nicht, wie sie das Ganze jetzt in ein Buch verpacken sollte. Und da hat ein Blick von außen halt total geholfen, diese ganzen Lebensgeschichten einfach in eine Zeitleiste zu bringen.
Und mit diesem Blick von außen und mit dieser Idee, einfach einen Zeitstrahl zu erstellen, konnte sie sofort weiterarbeiten und hatte mega Lust, das anzugehen, weil das dieser kleine Schubs war, der sie wieder auf Spur gebracht hat, zum Beispiel.
Wie viel Zeit sollte man für ein Buch einplanen?
[Alex]Ich habe ja vorhin schon gesagt, ich habe so ein Jahr gebraucht für mein Buch. Was sind denn so deine Erfahrungswerte?
Also klar, im Verlag muss man tendenziell eher mehr Zeit einplanen. Self-Publishing habe ich selbst so unter Kontrolle. Wie ist es bei deinen Beratungen gewesen? Wie viel Zeit muss ich für ein Buch einplanen?
[Melanie]Da kann ich dir tatsächlich auch keinen konkreten Richtwert geben. Das kommt immer darauf an, wie viel Zeit du ins Schreiben und in die Planung steckst.
Ich habe einen Teil, der bei mir Projektplanung heißt. Und da rechnen wir runter, wie lange das Projekt, das individuelle Projekt dauert. Das hängt ein bisschen davon ab, wie viele Kapitel man plant, wie viele Seiten geplant sind und wie schnell du schreibst, wie viel Information du noch suchen musst, ob du Interviews führen musst, all diese Dinge.
Und dann ermitteln wir da einen Richtwert und setzen dann entweder, je nachdem, wenn du vom Verlag eine Deadline hast, musst du halt rückwärts rechnen und deine einzelnen Schreibzeiten dementsprechend planen. Oder andersrum, wenn du im Self-Publishing bist und weißt, okay, ich kann in der Woche dreimal zwei Stunden schreiben, ich rechne mal so grob, wie viele Seiten ich pro Session schaffe und dann rechnen wir es halt hoch und planen da Urlaube und anderweitige Zeiten, in denen nicht geschrieben werden kann, mit ein.
Also es ist tatsächlich so ein richtiger Projektplan mit, was sind die Hindernisse, was sind die Verhinderungszeiten, wie viel schaffe ich pro Session.
Das wird natürlich nicht so sklavisch durchgezogen, aber nur um den Autorinnen so einen Richtwert zu geben und eine Perspektive, wo sie darauf hinarbeiten, ist es mir wichtig, am besten an jedes Projekt ein Datum dran zu hängen.
Aber halt individuell wir arbeiten alle, wir schreiben die Bücher nebenbei. also außer wir sind hauptberuflich Ghost Writer, aber ja, ich finde es ist super individuell.
[Alex]Also mein persönlicher Endgegner ist der Mittelteil. Ich weiß nicht warum aber so am Anfang ist man ja total hyped und motiviert und so yay und am Ende ist es so oh geil, ich bin bald fertig, nachdem man halt vielleicht drei, vier Monate wie bescheuert da rumgeschrieben hat. Aber in der Mitte geht irgendwie gar nichts so bei mir. Und hast du da einen Tipp für? Also fehlt mir Motivation oder gibt es dann irgendwas, was ich machen könnte? Wie ist so deine Erfahrung?
[Melanie]Ich versuche immer, schon vor dem Schreiben konkrete Meilensteine festzulegen und die zu feiern und im besten Fall sogar schon festzulegen, wie sie gefeiert werden. Also es muss ja nichts Spektakuläres sein. Also wenn du die ersten zehn Seiten hast, keine Ahnung, gehst du spazieren oder wenn du die ersten 50 Seiten hast, bestellst du dir eine Pizza nach Hause und musst nicht kochen. Whatever, aber ... Einfach, dass man sich vorher schon bewusst Belohnungen einbaut für die Dinge, die man geschafft hat, weil du häufig, wenn du in diesem Schreibprozess drin bist, ja nicht so richtig zurückguckst, immer nur nach vorne guckst, was liegt alles nur vor dir. Und ich möchte einfach, dass man sich beim Schreiben die Zwischensteps gönnt und die Zwischensteps feiert. Und gerade in der Mitte, da könnte man sich schon mal mit was Größerem belohnen, finde ich.
[Alex]Ja, also wenn du Ideen hast, immer her damit.
[Melanie]Massagen, Cocktails, Kinofilme.
[Alex]Ich verstehe. Aber im Grunde sieht mein Alltag auch schon so aus.
[Melanie]Du musst dich schon jeden Tag belohnen.
[Alex]Genau, nee, ich gehe voll gerne ins Kino und gehe gerne zur Thai-Massage. Insofern ist es jetzt nichts Besonderes. Aber ich muss da, glaube ich, mal eine Schippe drauflegen.
[Melanie]Genau, du kannst eine Schippe drauflegen. Das lässt in meinem Privatleben dann tiefer blicken.
Abschließende Tipps fürs Schreiben
[Alex]Okay. Wir haben jetzt, glaube ich, eine Menge, Menge Tipps von dir gehört. Und abschließend würde ich gerne auch wissen, was sind deine drei besten Tipps für Menschen, die ihr allererstes Buch schreiben möchten? Die wissen noch gar nicht, wo starte ich, was ist wichtig, welche drei Dinge sollen sie wissen?
[Melanie]Ich glaube, das Wichtigste, wenn du wirklich ein Buch schreiben möchtest, ist, warte nicht auf irgendwen oder irgendwas.
Warte nicht darauf, dass du mehr Zeit hast, weil wir wissen, das wird nicht passieren.
Warte nicht auf einen Verlag, der dich annimmt, weil heutzutage bist du davon nicht abhängig.
Du kannst, wenn du wirklich ein Buch veröffentlicht willst, es selber machen. Oder warte nicht auf den Kuss der Muse oder irgendeine Eingebung. Der kommt auch sehr selten. Sondern fang es einfach an. Und nimm es in die eigene Hand, weil als selbstständige Unternehmer*innen sind wir es gewohnt, Entscheidungen für uns selber zu treffen. Und das ist beim Buch genau das Gleiche. Da braucht man keine Absolution von irgendwem oder irgendwas, sondern nimm es einfach selber in die Hand. Das ist, glaube ich, mein wichtigster Tipp.
Drei wolltest du haben, ne? Naja, ich bin ja Verfechterin von Buch als Projekt und würde als Tipp geben, plan dein Buch als Projekt. Es ist nicht nicht machbar. Andersrum gesagt, plan dein Buch als Projekt, es ist machbar.
Ja. Und als drittes, versuch es vielleicht nicht im ersten Wurf richtig zu machen, wo wir drüber gesprochen haben.
Es ist wichtig zu wissen, dass Schreiben ein Prozess ist, der aus ganz vielen Schritten besteht und viele denken, sie müssen sich hinsetzen und druckreif schreiben. Das ist es aber nicht. Also schreib es einfach runter. Es kommen noch ganz viele Schritte hintendran. Es muss nicht perfekt sein. Es muss einfach nur auf Papier sein und den Rest kriegt man immer noch hin.
Weil das macht den größten Druck aus, diese Seiten zu füllen. Da haben, glaube ich, die meisten Menschen Angst vor. Und wenn man sich einfach bewusst wird, dass das wirklich nur der erste Wurf ist und man da wahrscheinlich noch zwei- oder dreimal drüber geht und vielleicht auch noch andere Menschen drüber schrubben, dann erleichtert das total und macht es viel leichter, das runterzuschreiben.
[Alex]Ja, vielen Dank für das Gespräch. Das war total hilfreich, hoffe ich, für ganz viele Menschen, die jetzt zuhören.
Genau, wenn noch mehr Leute über dich Bescheid wissen, ich verlinke ja deine Links noch in die Shownotes und ansonsten hoffe ich, sehen wir uns bald mal wieder und bis bald.