Social-Media-frei

Der Podcast für Marketing ohne Likes, Reels & Selfies


Mock-up eines Smartphones mit dem Podcast ‚Social-Media-frei‘ von Alexandra Polunin – Folge: „Ein kritischer Blick auf Social-Media-Coaches“

Worum geht’s?  

In diesem Podcast nehme ich soziale Medien kritisch unter die Lupe und spreche darüber, wie Selbstständige online sichtbar werden können, ohne ständig ihr Frühstück auf Insta zu posten.

Es geht um „immergrüne“ Marketingstrategien und darum, wie Selbstständige entspannt und nachhaltig ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen.

Dauergeposte und Dauerhustle nicht nötig!

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Social-Media-Kritik Alexandra Polunin Social-Media-Kritik Alexandra Polunin

Was machen soziale Medien mit unserem Nervensystem, Theresa Ackermann?

In dieser Podcastfolge habe ich Theresa Ackermann zu Gast. Theresa begleitet Führungskräfte und Selbstständige auf ihrem Weg der bewussten Lebensführung und kennt sich demzufolge bestens mit sowohl chronischem Stress als auch innerer Ruhe aus. Im Interview sprechen wir darüber, wie soziale Medien auf das Nervensystem wirken und was Selbstständige tun können, um wieder zur Ruhe zu kommen.

In dieser Podcastfolge habe ich Theresa Ackermann zu Gast.

Theresa begleitet Führungskräfte und Selbstständige auf ihrem Weg der bewussten Lebensführung und kennt sich demzufolge bestens mit sowohl chronischem Stress als auch innerer Ruhe aus.

Im Interview sprechen wir darüber, wie soziale Medien auf das Nervensystem wirken und was Selbstständige tun können, um wieder zur Ruhe zu kommen.

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[Alex]Ja, hallo Theresa, starten wir ganz am Anfang. Was genau ist denn das Nervensystem und warum spielt es so eine große Rolle für unser Wohlbefinden?

Nervensystem und Wohlbefinden

[Theresa]Ja, wenn wir mal auf den Körper schauen, dann haben wir ja ganz viele Organe im Körper.

Wir haben einen Magen, der irgendwie unser Essen verdaut. Wir haben irgendwie eine Blase, die irgendwie Urin auch rausgibt und so weiter.

Und so hat am Ende jedes Organ, was wir im Körper haben, irgendeine Funktion. Und wenn wir jetzt mal auf das Nervensystem schauen, dann ist das sehr verbunden mit unserem Gehirn.

Und das Gehirn in Verbindung mit unserem Nervensystem hat die Funktion, unser Überleben zu sichern.

Also das ist die Hauptfunktion unseres Gehirns.

Also das heißt, die Funktion ist nicht sicherzustellen, dass wir irgendwie glücklich sind, dass wir ein zufriedenes Leben haben, dass wir ein erfülltes Leben haben, sondern wirklich erstmal, dass wir überleben.

Und jetzt ist ja die Frage, was genau ist jetzt das Nervensystem im Vergleich zum Gehirn?

Also die spielen extrem stark zusammen. Im Gehirn sind halt sehr, sehr viele kognitive Prozesse, die bewusst oder unbewusst sind.

Und gerade das Nervensystem ist viel dieser unbewusste Teil, der wirklich dann in den Körper hineingeht und über den wir oft auch irgendwie merken, also den, den wir oft irgendwie mitkriegen. Ah, jetzt werde ich nervös oder jetzt entsteht eine Spannung in mir oder ich kriege eine Angst. Und auf körperlicher Ebene kriegen wir das oft mit.

Und gleichzeitig sind wir es aber halt als Menschen oft sehr gewöhnt, das alles wegzudrücken und gar nicht so richtig hochkommen zu lassen.

Und gleichzeitig ist meine Erfahrung, wenn man das Nervensystem dann mal wieder etwas besser versteht, dass das eigentlich total viel Sinn macht und dass man total viel über sich selber lernen kann, wenn man sein eigenes Nervensystem versteht.

[Alex]Und was passiert denn jetzt zum Beispiel mit dem Nervensystem, wenn wir gestresst sind?

[Theresa]Also es gibt ganz verschiedene Zustände, was passieren kann, wenn wir gestresst sind. Also was das Nervensystem als allererstes macht, ist, dass es versucht, und ich bin jetzt mal ganz basisch unterwegs, das können wir sogar auch bei Tieren beobachten, als allererstes versucht es erstmal zu flüchten. Also zu gucken, kann ich irgendwie aus dieser Situation verschwinden?

Das sehen wir jetzt, wenn wir mal auf unser Leben schauen, vielleicht, wenn wir prokrastinieren, dass wir halt, anstatt dass wir die Aufgabe machen, die wirklich, wirklich wichtig wäre, dass wir irgendwie sagen, ach, ich schraube nochmal an meinem Design ein bisschen rum oder ich gehe putzen in der Küche lieber, anstatt dass ich arbeite. Das ist wie so eine Flucht. Also Flucht kann eine Sache sein.

Dann kann, wenn wir gestresst sind, auch ein Kampf sein, dass wir so das Gefühl haben, ich kämpfe jetzt. Das sind oft die Menschen, und ich finde, da darf man auch sehr genau aufpassen, wenn man selber jetzt selbstständig ist, dass man in welchem Nervensystemzustand die Menschen sind, mit denen man zusammenarbeitet.

Ich achte zum Beispiel sehr stark darauf, dass ich nicht mit Menschen zusammenarbeite, die in so einem Ding sind von, wenn ich das schaffe, dann schaffst du das auch und so weiter.

Also das ist für mich so ein typischer Kampfzustand von, hey, ich zieh's durch und lass uns eine Challenge draus machen und so weiter. Also das ist so ein Kampfzustand und da ist halt auch oft keine Sicherheit drunter.

Und was ich oft bei diesen Art von Menschen erlebe, die können mega erfolgreich sein von außen gesehen, also was wir so als Gesellschaft als Erfolg definieren, aber wenn wir sie dann wirklich fragen und wenn sie wirklich ganz ehrlich zu sich sind, sind sie aber trotzdem nicht richtig glücklich mit ihrem Leben und kommen immerhin dieses höher, schneller, weiter.

Und dann kann es halt irgendwann passieren, also von der Flucht in den Kampf, dann kann es irgendwann passieren, dass unser Nervensystem im Stress in so einen Freeze-Modus geht. In Freeze, das nennt man auch Erstarren, und da passiert es einfach, dass bei der Flucht und Kampf, was ich gerade hatte, ist ja eine starke Aktivierung im Körper. Also da ist ganz viel Sympathikus-Energie, wer das vielleicht schon mal gehört hat. Also eine Aktivierung im Körper. Und wenn wir jetzt in den Freeze kommen, da entsteht schon sowas von, eigentlich wird mir alles zu viel. Und da ist oft beides da.

Da ist sowohl eine Aktivierung im Körper noch von diesem Kampf, der auch immer noch in uns drin ist, aber gleichzeitig wird mir schon zu viel. Das zeigt sich oft daran, dass Menschen, die in dem Stresszustand sind, und den kenne ich persönlich sehr, sehr gut, also ich bin da immer gerne sehr transparent, von so Gedanken von, oh, ich muss heute das noch machen und ich muss noch das machen und diese To-do-Liste, die nie endet, wo man immer das Gefühl hat, oh, die wird immer nur noch länger.

Und oft sind das auch Menschen, die in diesem Freeze-Zustand hängen, die auch gerne zusätzlich noch dieses People-Pleasing in sich haben.

Das ist auch ganz typisch in dem Zustand, dass wir dann das Gefühl haben, wir müssen es allen anderen Menschen recht machen, wir müssen gucken, wenn der Kunde das noch von mir will, dann schicke ich dem jetzt auch das noch und so.

Also auch schwer, in dem Zustand fällt es uns dann schwerer, auch Grenzen zu setzen und so. Dann gibt es noch einen vierten Zustand, in dem wir im Stress geraten können. Und dann ist das dann irgendwann wirklich der Shutdown, wo das System komplett sagt, ich kann jetzt hier gerade gar nicht mehr. Und das ist im Extremfall wirklich der Burnout.

Und es gibt alle vier Zustände. Und was ich halt so spannend finde, meistens erkennt man sich halt in einem der Zustände wieder. Man kennt vielleicht alle. Und was mir da aber immer wichtig ist, ist, unser Nervensystem ist da, also es ist unsere Biologie und es geht nicht darum, dass wir da irgendwas falsch machen, sondern eher, dass wir es erkennen und dass wir halt mehr und mehr erkennen, okay, da bin ich drin und es gibt eine Möglichkeit, da wieder raus.

[Alex]Warum ist denn dieses Wissen jetzt vor allem für Selbstständige so spannend? Weil das ist ja schon jetzt recht biologisch. Und was hat das jetzt mit der Selbstständigkeit zu tun?

[Theresa]Also was ich jetzt bei mir beobachte, ich bin ja noch selber gar nicht so lange selbstständig. Ich bin seit September 2023 selbstständig, also jetzt über anderthalb Jahre. Und ich war halt immer so ein Mensch, da bin ich auch immer noch. Ich würde sagen, es ist noch nicht aus meiner Biologie komplett raus. Ich habe halt sehr stark funktioniert, einfach funktioniert.

Das heißt, ich habe eine Zeit lang nach dem Studium geguckt, dass ich halt immer irgendwie gute Noten habe, dass ich irgendwie gut durchs Leben komme. Dann habe ich nach dem Studium in der Unternehmensberatung gearbeitet. Dann habe ich nach der Unternehmensberatung lange für BMW gearbeitet und jetzt bin ich selbstständig. Und das Problem ist, dass wenn unser Nervensystem lange Jahre gewöhnt ist, in einem Zustand zu sein und ich war das in diesem Funktioniermodus, ich muss hier leisten und so weiter.

Ich tue mich schwer, Grenzen zu setzen. Dann ist es oft so, dass wir dann irgendwann so eine Erschöpfung auch in uns haben, wie bis hin zu Burnout.

Und gerade wenn wir uns selbstständig machen, ist es ja so, dass diese Sicherheit, die uns ein Job gibt wie eine Anstellung, wo wir ja eine größere Sicherheit haben. Wir wissen, dass jeden Monat wie viel Geld da auf unser Konto kommt. Also natürlich auch nicht 100 Prozent, aber es ist auf jeden Fall oftmals mehr Sicherheit da drin, als wenn wir selbstständig sind, wo wir vielleicht noch nicht so genau wissen. Das heißt, in einer Selbstständigkeit sind meiner Wahrnehmung nach wesentlich mehr Unsicherheiten als in einer Festanstellung.

Und immer wenn diese Unsicherheiten reinkicken und gerade sowas wie, ich weiß eigentlich nicht, wie viel Geld nächsten Monat auf meinem Konto ist, kann uns an Existenzängste bringen. Und gerade diese Existenzängste, in die wir dann reinkommen, da reagiert einfach extrem wieder das Nervensystem.

Und da finde ich es für Selbstständige mega, mega hilfreich, erstmal zu verstehen, in welchen Modus kippt denn mein Nervensystem unter Druck und Stress? Und wie kann ich vielleicht da auch mehr und mehr wieder rauskommen beziehungsweise vielleicht auch Themen in mir heilen, ich sage jetzt mal heilen oder integrieren, das mag ich eigentlich fast noch lieber das Wort, integrieren, sodass ich in Summe mehr innere Ruhe in mir spüre und mehr ein größeres Vertrauen in mein Leben.

Und ich glaube, gerade wir Selbstständigen kennen das, dass das eigentlich mega, mega wichtig ist, dass wir nicht dann nur aus unseren Überlebensstrategien unsere Selbstständigkeit aufbauen, weil dann kann es halt wirklich passieren, dass wir uns, also ich sage immer gerne, wenn ich das Nervensystemwissen nicht gehabt hätte, als ich mich selbstständig gemacht habe, dann hätte ich mir das nächste Hamsterrad selber aufgebaut.

[Alex]Ich gehe ja die Sachen ganz gern so systematisch an und da habe ich mich gerade gefragt, kann ich dann im Prinzip so jeden Aspekt der Selbstständigkeit auch daraufhin überprüfen? Also was macht das mit meinem Nervensystem?

Wenn ich zum Beispiel mir die Menschen angucke, mit denen ich zusammenarbeite, du hast es schon gerade erwähnt, was passiert dann eigentlich, wenn ich mit diesen Menschen interagiere, mit mir? Man könnte sich zum Beispiel auch das Marketing angucken und überlegen, wenn ich jetzt auf Instagram bin, was passiert denn eigentlich mit mir, mit meinem Nervensystem? Also würdest du auch sagen, dass man so die Selbstständigkeit daraufhin abklopfen könnte?

[Theresa]Absolut. Das ist genau das, was ich in meiner Selbstständigkeit genau mache. Also ich habe ja, du weißt es, ich habe ja Instagram komplett verlassen, weil ich einfach gemerkt habe, es sind mehrere Punkte. Einerseits habe ich gemerkt, dass es mir selber nicht wirklich gut tut, dass es mich stresst, dass es viel Kriechstrom zieht. Also diesen Kriechstrom, also ich nenne das Kriechstrom, das sind so diese Sachen, ich bin morgens wach geworden und habe irgendwie gedacht, oh scheiße, heute wolltest du noch eine Story online stellen und du musst heute irgendwie unbedingt daran denken, wenn du dich mit dem und dem triffst, dass du dann auch ein Foto für die Storys machst, weil ich habe das oft vergessen.

Und dann war ich zu Hause und dachte, ah, du hast wieder das Foto vergessen. Und dann habe ich halt immer so gemerkt, dass das immer so viel Gedanken in mir schon produziert hat, was ich da jetzt wieder in Instagram noch alles machen müsste.

Und ja, das hat mich irgendwie gestresst und mich hat auch dieses Vergleichen gestresst. Und was ich auch gemerkt habe, ist, dass ich war halt auch nicht immer, also war auch so ein bisschen formabhängig von mir, hat auch wieder was mit dem Nervensystemzustand zu tun.

Es gibt halt Nervensystemzustände, da war ich vielleicht auch selber anfälliger, drin hängen zu bleiben, zu scrollen, mich zu vergleichen. Ich sage mal, wenn es mir nicht so gut ging, dann war ich vielleicht auch länger auf Instagram und habe mich noch tiefer reingeholt ins Rabbit Hole von mir geht es nicht so gut. Und da habe ich halt irgendwann beschlossen, dass ich Instagram verlasse.

Und so mache ich das letzten Endes mit allen Themen, dass ich das wirklich abklopfe. Auch zum Thema Kunden, was du gerade gesagt hast. Also beim Thema Kunden: Wie reagiert mein Nervensystem auf bestimmte Kunden? Wo macht mein Nervensystem wirklich auf? Wo merke ich halt, wow, ich habe wirklich richtig Lust, mit denen zusammenzuarbeiten? Und wo merke ich aber auch, dass ich denke so, oh nee, da habe ich nicht so Lust drauf.

Also ich merke zum Beispiel immer, dass ich mega gerne mit Menschen auch zusammenarbeite, die in der Eigenverantwortung sind.

Deshalb liebe ich es halt auch, mit Selbstständigen zusammenzuarbeiten, weil die tendenziell wirklich auch in der Eigenverantwortung sind und nicht so in diesem, oh, hoffentlich kommt jemand, der mein Leben rettet, so von außen.

Und sowas klopfe ich da halt auch sehr genau ab und prüfe aber auch immer, was hat das Muster trotzdem auch mit mir zu tun? Weil ich natürlich schon auch immer jemand bin, ich bin tendenziell jemand, der selber gerne schnell wieder aufsteht und in die Eigenverantwortung geht und sagt, ach ja, komm, ich brauche auch niemand anders im Zweifel, also in so einen unabhängigen Anteil geht. Das heißt, ich schaue mir schon auch immer meine Schattenthemen selber dann an.

[Alex]Ich habe gerade nur gedacht, ich habe das, glaube ich, so ähnlich auch gemacht bei den Produkten, die ich anbiete. Also ich habe mir bei den Onlinekursen, die ich anbiete, zum Beispiel auch ganz klar überlegt, dass Schreiben mir voll gut tut und mich nicht stresst und deswegen basieren meine Kurse nur auf Text. Und du hast es ja ähnlich gemacht mit einem Kongress, den du jetzt gerade machst. Du hast die Beiträge nur als Audio zum Beispiel jetzt angeboten, richtig? Kannst du da mal ein bisschen drüber erzählen, was so deine Hintergedanken waren?

Druck durch Social Media

[Theresa]Ja, gerne. Also ich habe einen Kongress entwickelt, weil ich einfach merke, seitdem ich auf Social Media nicht mehr bin, dass wahnsinnig viele Selbstständige sagen, ach cool, Theresa, ich wusste gar nicht, dass das möglich ist.

Und die Alex ist auch Gast in dem Kongress. Und ich habe halt überlegt, als ich damals überlegt habe, ob ich das mache oder nicht, da habe ich immer gemerkt, dass mich eine Sache besonders stresst und das wäre, wenn ich wirklich so eine Live-Phase hätte.

Also so eine Live-Phase, wo ich sagen würde, heute siehst du irgendwie drei Videos und die kannst du nur heute sehen. Und ich habe gemerkt, dass ich überhaupt keine Lust gehabt hätte, da auch die ganzen E-Mails dazu zu schreiben, weil du musst ja dann jeden Tag wieder die ganzen E-Mails schreiben. Und nur heute siehst du das Video mit der Alex. Und wenn du es nicht heute schaust, dann musst du das Kongresspaket kaufen.

Und da habe ich halt gemerkt, ich will die Live-Phase eigentlich gar nicht, weil das macht was mit meinem Nervensystem, aber es macht ja auch was mit deinem Nervensystem, wenn ich sage, und nur heute, und Alex, heute musst du es noch schauen.

Das löst ja auch Druck aus. Deshalb habe ich zum Beispiel halt diese Live-Phase weggelassen. Und dann habe ich halt auch gesagt, was du gerade schon erwähnt hast.

Ich habe die Videos oder die Interviews nur als Audio produziert, weil ich empfinde, dass wir sind ja sowieso total überreizt. Und diese ganze Reizüberflutung macht ja auch was mit unserem Nervensystem.

Und ich spüre das auch total in mir, dass diese ganze Reizüberflutung viel macht. Und da gibt es tatsächlich ein Buch, ich weiß nicht genau, wie viele Studien da wirklich im Hintergrund sind, aber in dem Buch sagt ein Mann, dass ein Bauer im 18. Jahrhundert in seinem Leben so viel Reize zu verarbeiten hatte, also Informationen und Reize, wie wir heute an einem Tag verarbeiten.

Ich weiß nicht genau, ob das wirklich in den Studien belegt ist, aber ich kann es mir schon vorstellen. Also ein Bauer im 18. Jahrhundert, der war es vielleicht sogar Analphabet und konnte gar nicht lesen. Also was hatte der für Reize? Im Prinzip nur die Natur und seine Tiere und seine Felder und so.

Ich glaube zwar, dass der auch Reize gesehen hat, die wir heute gar nicht mehr wahrnehmen vom Wetter und so weiter.

Aber das finde ich mega, mega spannend. Aber deshalb habe ich halt überlegt, okay, ich hätte auch gerne ein Produkt, wo die Reize nicht so überfrachtend sind. Und deshalb habe ich die Interviews halt nur als Audio produziert. Weil dann kann man sie letzten Endes ja auch im Auto hören, beim Putzen hören und so weiter. Und deshalb habe ich die wirklich einfach nur als Audio produziert.

[Alex]Finde ich voll spannend und voll cool. Und wir können ja jetzt eigentlich weitergehen und wir haben es schon ein bisschen angedeutet, ein Element in der Selbstständigkeit ist das Marketing, ist zum Beispiel Social Media.

Und was passiert denn jetzt mit uns oder sagen wir mal aus Sicht des Nervensystems, wenn wir ständig auf Social Media präsent sind, wenn wir ständig da rumscrollen und liken und irgendwas checken, was macht diese Erreichbarkeit mit uns?

[Theresa]Also was da auch ganz wichtig ist, ist das Dopamin. Also im Gehirn wird ja Dopamin ausgeschüttet und das ist quasi so ein bisschen das Glücksspieler-Hormon, sagt man auch.

Und das wartet im Prinzip permanent immer noch wieder auf den nächsten Kick. Und die Herausforderung, deshalb hält es uns dann auch oft so schwer, wenn wir in Social Media sind, da rauszugehen, ist, dass das Nervensystem wirklich ein bisschen wie beim Glücksspieler, der halt an irgendeinem Glücksspielautomat steht und immer sagt, ein Spiel noch, im nächsten Spiel gewinne ich bestimmt, im nächsten Spiel gewinne ich bestimmt.

Und genau so ist es letzten Endes auch auf Instagram, Social Media, dass wir, ah komm, ein Post noch, ein Post noch und da kommt der Kick, da kommt der nächste Kick und so weiter. Und das passiert sehr, sehr, also das passiert im Gehirn mit dem Dopamin und wir werden da wirklich wie so ein bisschen Dopamin-abhängig, dass wir ständig diesen neuen Kick brauchen. Und deshalb fällt es uns halt auch so schwer, dann wirklich aus Social Media rauszugehen und auch den Absprung zu finden.

Also das mal einfach, warum macht uns das so süchtig?

Und das ist ja tatsächlich auch ein Grund, warum ich dann gesagt habe, ich verlasse Instagram, weil ich gesagt habe, ich bin Nervensystem-Coach. Ich will den Menschen zeigen, wie sie wieder mehr in die innere Ruhe kommen, wie sie mehr wieder bei sich ankommen. Und genau diese Tools verhindern das. Und ich will einfach nicht auf diesen Plattformen präsent sein.

Aber es passiert ja noch mehr, wenn wir auf Social Media sind. Also auf Social Media ist einerseits es mit dem Dopamin. Aber wir Menschen sind Säugetiere und das ist auch ein mega wichtiger Teil von der Nervensystemarbeit, sich das bewusst zu machen.

Und wir leben einfach in Gemeinschaften. Und wenn wir jetzt mal auf Säugetiere schauen, egal auf welches Säugetier. Wenn wir auf Hunde schauen, die leben in Rudeln. Wenn wir auf Zebras schauen, die leben in Herden oder Pferde oder so.

Aber selbst Delfine und Wale, da nennt man das Schulen. Und witzigerweise war ich im Winter in Indien, da habe ich sogar Flughunde beobachtet. Und da habe ich gedacht, sind das eigentlich auch Säugetiere? Da werde ich dann immer neugierig mit meinem Nervensystemwissen. Und dann, die hängen halt alle in einem Baum. Und dann dachte ich so, sind das Säugetiere? Und habe festgestellt, ja, es sind auch Säugetiere. Flughunde sind auch Säugetiere und die hängen auch alle in einem Baum, weil die halt auch einer Gemeinschaft leben.

Das heißt, wir sind das total gewöhnt, einfach als Säugetiere, dass für uns die Gemeinschaft extrem wichtig ist zum Überleben. Also da sind wir wieder bei dem, was ich am Anfang gesagt habe, das Gehirn sichert unser Überleben und die Gemeinschaft ist ein Teil, der wichtig ist, dass unser Überleben gesichert wird.

So und jetzt denkt man ja erstmal, okay toll, wir kommen auf Social Media, da sind ganz viele andere Menschen, ist ja super, die sichern alle unser Überleben vielleicht, aber unser Gehirn ist permanent auch extrem sensibilisiert darauf.

Wo gibt es Gefahr, dass ich aus der Gemeinschaft ausgestoßen werde? Weil früher, vielleicht in der Steinzeit, wenn wir da aus der Gemeinschaft ausgestoßen worden sind und auch heute ist es noch so bei Affen oder so in der freien Wildnis, dann war das eigentlich unser Todesurteil.

Wir brauchten die Gemeinschaft, um zu überleben. Und das ist halt immer noch so tief in uns, in unserem Nervensystem gespeichert, dass wir total sensibel darauf sind.

Das heißt, wenn wir jetzt auf Social Media sind und vielleicht irgendeine andere Selbstständige sehen, die viel mehr Follower hat oder die gerade irgendwie einen Reel hat, was total durch die Decke geht, dann kann es halt super schnell passieren, dass unser Nervensystem anfängt und so denkt so, oh Gott, oh Gott, ich bin nicht gut genug und alle anderen finden die andere besser und ich werde hier irgendwie, also wir haben vielleicht nicht dieses, wir werden aktiv ausgestoßen, aber wir werden halt irgendwie nicht so gesehen wie die andere. Und dann reagiert halt auch unser Nervensystem extrem.

Also das sind so die wesentlichen Sachen, die ich sehe, dass es einerseits uns süchtig macht und auf der anderen Seite halt diesen Ausstoß aus dieser Gemeinschaft, auf den wir sehr sensibel reagieren.

[Alex]Was ich auch sehr interessant finde, ist, man nimmt ja irgendwie so gemeinhin an, dass ältere Menschen vor allem auch sehr einsam sind, aber immer mehr Studien kommen gerade zu dem Schluss, dass die junge Gen Z eigentlich, also dass die Einsamkeitsgefühle da total durch die Decke gehen und voll steigen.

Also gerade die Generation, die halt sehr, sehr viel und intensiv Social Media nutzt, fühlt sich immer einsamer. Also ich finde, es muss einem auch so ein bisschen zu denken geben, woran das liegen könnte.

Es ist ja irgendwie verrückt, weil man ist da die ganze Zeit oberflächlich gesehen mit Menschen zusammen, aber so richtig gut scheint es dann einem nicht zu tun. Also man scheint nicht so richtig zu denken, dass man wirklich Teil einer Gemeinschaft ist, sondern wie du sagst, sich eher darum bemüht und einfach permanent Angst hat, da irgendwo ausgestoßen zu werden.

[Theresa]Ja, absolut. Und ich meine, die erleben das ja gerade in dieser jüngeren Gesellschaft teilweise noch extremer, finde ich. Also ich kriege das manchmal auch ein bisschen mit über andere Kinder, die in meinem Umfeld sind, dass halt manchmal auch Kinder ausgestoßen werden, also wenn sie zwölf sind oder so, aus irgendeinem Klassenchat.

Und da gibt es eigentlich einen Klassenchat und dann passiert irgendwas und dann wird er rausgeschmissen aus dem Klassenchat.

Und wenn die dann halt größer werden, die haben dieses Erlebnis einmal gehabt und dann ist die Angst und die Sensibilität, wenn sie dann zehn Jahre älter sind, immer noch da. Weil was halt unser Gehirn macht, das speichert ja auch alle Erfahrungen, die wir irgendwo mal gemacht haben, irgendwie ab.

Und alle Erfahrungen, die besonders bedrohlich für uns waren, speichert es besonders stark ab.

Also ich mache mal ein Beispiel, was ein Thema ist, was besonders bedrohlich bei mir mal war, was jetzt in eine ganz andere Richtung geht. Aber ich finde, es ist ein plakatives Beispiel. Mein Mann und ich, wir waren mal irgendwann joggen und wir sind von einem Reh angegriffen worden.

[Alex]Angegriffen? Oh Gott.

[Theresa]Angegriffen worden. Und es war so, natürlich, erst mal da, da kam dieses Reh und dann denkt man sich so, ach wie schön, ein Bambi und so.

Und plötzlich fing der an und griff uns an und wir wussten gar nicht warum, weil man denkt ja eigentlich, Rehe müssten flüchten. Und jetzt, wenn ich im Wald bin und ein Reh sehe, dann ist mein Nervensystem sofort so, oh, schauen wir mal.

Also ich reagiere überhaupt nicht mehr mit, oh, wie schön, ein Bambi. Das war halt meine, die kleine Theresa, die früher Bambi vielleicht mal geschaut hat, hat früher so reagiert und da hat es nur ein Erlebnis geben müssen, dass sich was in mir verändert hat, weil das war natürlich tatsächlich, wenn man jetzt mal schaut, die meisten Situationen heutzutage sind ja gar nicht wirklich bedrohlich für unser Überleben.

Das war jetzt vielleicht mal was, wo man sagen kann, das ging, weil es halt wirklich in Richtung körperlicher Angriff ging. Genau, und da braucht das Gehirn nicht viele Erlebnisse, um das abzuspeichern.

Und gerade bei dieser jüngeren Generation, weil ich kenne das noch von mir, eigentlich diese Jahre in dieser Pubertät, das sind doch eigentlich die extremsten, wo solche Sachen auch irgendwie passieren, von Ausschließen und so weiter.

Wenn wir dann älter werden, dann wird das irgendwie wieder anders, finde ich. Und wenn diese Erfahrungen halt auch aus dieser Pubertät einmal im Gehirn sind, dann ist man halt auch, wenn man älter wird, besonders sensibilisiert darauf.

[Alex]Und wenn ich mir jetzt zum Beispiel Social Media angucke, weil du jetzt meintest, Gefahr, Überleben, die Situationen sind nicht wirklich gefährlich, aber trotzdem kann es sein, dass unser Hirn da trotzdem diese Gefahr so wahrnimmt.

Also zum Beispiel, Benachrichtigungen sind ja in der Regel rot. Das ist ja irgendwie so der weltweite Code für Achtung, Gefahr. Warum haben die das gemacht? Vermutlich nicht einfach so aus Zufall, sondern weil die gezielt diese Reaktion auslösen wollten. Oder wenn ich jetzt eben meinen Ton anlasse, dann kommt natürlich auch immer ein akustisches Signal. Und akustisches Signal in der Stille ist dann auch erstmal, oh Achtung. Das heißt, das Design ist ja auch schon bei sozialen Medien so, dass wir eigentlich permanent in so einem Modus sind, dass es potenziell gefährlich sein könnte hier.

[Theresa]Ja, absolut. Und das ist halt das, was ich auch mega kritisch sehe, weil das ist auch, ich meine, dein Thema ist ja auch ethisches, wertebasiertes Marketing und gerade ganz viele Dinge im Marketing allgemein, aber auch auf Instagram oder Social Media läuft halt so, dass die Menschen eigentlich die Psyche verstanden haben.

Aber sie nutzen sie halt so, um uns zu manipulieren. Und man könnte ja auch eher es andersrum machen. Und das versuche ich tatsächlich in meinem Marketing umzusetzen.

Ich meine, ob es mir immer gelingt, weiß ich auch nicht. Aber eher im Sinne von, hey, ich helfe dir, dass du dich sicher fühlst. Ich helfe dir, dass du das Gefühl hast, du kannst aus dir selber heraus eine erwachsene Entscheidung treffen, wo wir uns vielleicht auf Augenhöhe begegnen.

Und nicht so dieses, hey, wenn du jetzt nicht buchst, dann bist du selber schuld und so weiter.

Damit manipuliere ich ja ins Krasseste hinein und trigger halt das Nervensystem voll an. Und das Problem ist ja, sobald unser Nervensystem mal einmal richtig angetriggert ist, umso mehr Verhaltensweisen geht unser Nervensystem zurück, die eher aus dem Unterbewusstsein sind und gar nicht mehr, die wir so bewusst steuern.

Das heißt, umso mehr Stress eigentlich in unserem Körper ist, umso mehr geht unser, man nennt das Neokortex, der bewusste Gehirnteil geht dann wie offline, weil unser Gehirn im Prinzip sagt, naja, so mit dem bewussten Verstand und so, der hat sich von der Evolution her viel später entwickelt. Die anderen Gehirnteile, die gibt es schon viel, viel, viel, viel länger.

Das heißt, die älteren Gehirnteile, die sichern schon viel länger das Überleben von dem Menschen. Also schalten wir mal lieber die neueren Gehirnteile ab. Die sind viel kürzer da. Wer weiß, ob die wirklich so gut sind. Das müssen wir nochmal von der Evolution her checken, so nach dem Motto.

Das heißt, die gehen wirklich offline. Und dann fällt es uns halt auch schwer, bewusste Entscheidungen zu treffen. Und dann kommen wir halt auch in diese Momente, wo wir vielleicht nicht aus Instagram mehr rauskommen, obwohl wir eigentlich merken, eigentlich wäre es besser, aber das ist das Unterbewusstsein, das uns immer wieder reinzieht.

Erfahrungen ohne Instagram

[Alex]Du selbst hast ja schon, du hast jetzt gerade schon ein paar Mal angedeutet, du selbst bist ja weg von Instagram.

Hast du bei dir eigentlich eine Veränderung festgestellt? Hat sich da irgendwas in deinem Nervensystem oder dein Gefühl und in deinem Stressempfinden verändert, seit du weg bist?

[Theresa]Total, wobei ich auch sagen muss, ich bin auf Instagram damals nur erst gegangen, als ich wusste, dass ich mich zu 100% selbstständig mache.

Das heißt, ich würde sagen, ich hatte mal eine Phase so, ich habe tatsächlich kürzlich mal überlegt, wann das eigentlich war, so 2017 oder so. Ich bin mir nicht ganz sicher, wann das war. Da war ich viel auf Facebook.

Also und da habe ich auch so diese Suchtverhaltensweisen mit Facebook gehabt, dass ich jeden Abend dann, was weiß ich, eine Stunde oder so in Facebook rumgescollt habe.

Und irgendwann ist mir das aber bewusst geworden und irgendwie habe ich es dann irgendwann geschafft, das loszulassen, so ganz genau. Also das ist auch manchmal spannend im Nervensystem, manchmal sind uns ja Dinge bewusst und wir schaffen es denen nicht bewusst zu verändern und trotzdem von einem Tag auf den anderen gibt es dann eine Veränderung.

So war das tatsächlich bei mir mit Facebook irgendwann auch. Also irgendwann habe ich einfach, habe ich die App gelöscht von meinem Handy.

Und dann hatte ich eine ganz lange Phase, wo ich eigentlich gar nicht mehr auf Social Media großartig war.

Und bin dann irgendwann wieder auf LinkedIn, weil alle gesagt haben, LinkedIn und so, du musst unbedingt auf LinkedIn sein.

Das fand ich eine Zeit lang auch mal ganz interessant. Und dann habe ich halt gedacht, dass ich mich selbstständig mache. Und das war halt erst im Februar 2023, dass ich dann auf Instagram meinen Account eröffnet habe.

Und am Anfang fand ich es auch ganz cool, weil ich schon auch viel verstanden habe, gelernt habe da über diese ganz vielen Formate mit, man kann da ja im Prinzip alles machen, von Audio über Video über Text über Slides über alles. Das heißt, ich fand es schon ganz cool, mich da einfach mal so ein bisschen auszuprobieren.

Aber was ich vor allem gemerkt habe, und das fand ich eigentlich interessant, weil so richtig kapiert, was es mit mir macht, habe ich eigentlich erst letztes Jahr im Mai, da war ich, da hatte ich eine Erkältung.

Und dann habe ich gedacht, okay, komm, Theresa, du bist Nervensystemcoach, du machst jetzt hier nicht weiter auf Instagram, also wenn du krank bist oder was heißt krank, aber eine Erkältung hast, sondern bist auch Vorbild.

Und dann habe ich gesagt, ich bin jetzt mal mindestens eine Woche nicht hier. Und in dieser Woche, wo ich nicht mehr da war, habe ich eigentlich erst so richtig gespürt, was es mit mir gemacht hat. Und das Spannende war in dieser Woche, weil ich war dann auch total konsequent. Ich habe nicht konsumiert, gar nichts. Und ich habe einfach gemerkt, wie entlastend das war, nicht mehr dieses Ding zu haben, ah ja, welche Storys und so, oder du wolltest ja noch diese Story und jetzt musst du noch wieder an die nächsten. Also irgendwie wusste ich auch, ich hätte sogar einen Post für diese Woche gehabt.

Aber ich habe den halt trotzdem nicht hochgeladen, weil ich halt gesagt habe, nee, ich bin jetzt krank. Und dann habe ich ja gewusst, ach ja, komm, jetzt hast du auch einen Post schon für nächste Woche, den verschiebst du ja jetzt einfach um eine Woche. Und auch das war total entlastend. Und dann habe ich irgendwie das so richtig beobachtet. Und ich würde sagen, jetzt wo ich so komplett raus bin, dass ich bin ja jetzt auch nicht auf LinkedIn mehr aktiv.

Also Instagram habe ich tatsächlich gelöscht. LinkedIn habe ich meinen Account noch, aber ich nutze ihn nur passiv.

Und da würde ich sagen, ich habe einfach viel mehr innere Ruhe einerseits, weil ich einfach nicht mehr diese ständigen Gedanken, ah, was könntest du jetzt noch wieder und so weiter machen und was ich aber auch wahrnehme, ist, dass ich einfach viel mehr bei mir bin.

Das liegt auch ein Stück weit an meinem typischen Nervensystemzustand. Mein Nervensystemzustand ist schon auch eher so dieses People Pleasing, das heißt, ich bin eher schon auch so vom Mensch her, dass ich dann, schaue, was machen die anderen und wenn die dann erzählen, dann muss es so machen, dann bin ich total anfällig von, oh scheiße, ich muss es auch so machen.

Vor allem, weil ich weiß ja auch, als Nerven …, oder ich bin ja jemand, ich habe jahrelang als Beraterin und Trainerin und Coach jetzt schon gearbeitet. Was ich aber nie gemacht habe, ist Marketing. Das heißt, für mich war das schon auch bewusst, ich muss Marketing lernen. So, und das Das heißt, ich habe da total oft auch meine eigene Autorität oder meine eigene Wahrheit überhaupt nicht hingehört, weil ich dachte, die anderen wissen es ja besser und da habe ich halt auch schon immer so ein Ding gehabt, also auch wieder meinen Nervensystemzustand von wenn jemand eine Autorität ist, dass mein Nervensystem in so einem Kollaps so, ah ja, okay, dann muss ich es ganz genau so machen, wenn ich auch von der Polizei mal, also das wäre super selten passiert, aber wenn ich mal von der Polizei angehalten werde, dann spürt man das ja total so, oh Gott, was habe ich jetzt falsch gemacht und was muss ich jetzt tun und oh Gott, oh Gott, oh Gott und so.

Und genau das passiert im Prinzip, also ich übertreibe jetzt, aber genau das passiert halt auch in mir, wenn so ein Marketing-Coach da steht, dass ich denke, oh Gott, oh Gott, ja, ich muss jetzt genau das machen, was derjenige sagt und dann verliere ich mich halt selber total. Und das merke ich halt dadurch, dass ich nicht mehr auf Instagram bin, dass ich viel mehr bei mir bin und nicht mehr so jedem Coach hinterher renne, der mir irgendwie wieder irgendwas erklärt, wie ich es jetzt wieder doch zu tun hätte. Und ich habe das Gefühl, dass ich dadurch viel mehr in meiner eigenen Kraft und Authentizität bin und das mich auch viel mehr erfüllt.

[Alex]Und wie sieht jetzt dein, ich sag mal, nervensystemfreundliches Marketing aus für dich persönlich? Welche Marketingstrategie nutzt du jetzt?

Also Kongress haben wir schon angesprochen. Ist das so ein Weg, den du gehst, also dass du mit anderen mehr zu tun hast, Dinge organisierst und so weiter?

[Theresa]Genau, also ich habe tatsächlich erstmal, also diesen Kongress ist sicherlich ein Thema, weil ich hatte die Idee, den Kongress zu machen und dann war mir aber natürlich auch klar, okay, wenn ich andere Interviewpartner habe und die auch Werbung für meinen Kongress machen, dass mir das auch in meiner Sichtbarkeit hilft. Also das war definitiv eine ganz klare Strategie.

Und vorher habe ich halt auch einen Podcast. Also ich habe einen Podcast letztes Jahr im Sommer rausgebracht und das war auch spannend. Ich habe lange darüber überlegt, mache ich einen Podcast, mache ich keinen. Aber bei dem ganzen, ich muss jetzt noch Instagram machen, habe ich überhaupt nicht gewusst, wann ich jetzt eigentlich auch noch mir Zeit nehme, meinen Podcast zu launchen.

Und in dem Moment, wo ich dann halt Instagram, nicht mehr auf Instagram war, war es plötzlich total easy. Und ich hatte kurze Zeit später meinen Podcast gelauncht, weil ich ja natürlich viel mehr Zeit hatte. Das heißt, ich mache einen Podcast, aber auch da, ich spüre in alles durch mein Nervensystem rein.

Weil Menschen, die zum Beispiel einen neuen Podcast launchen, da ist es ja oft so, dass die als erstes mal vier, fünf Folgen online bringen, direkt. Und ich habe immer gemerkt, wenn jemand, dem ich gefolgt bin, einen neuen Podcast gelauncht hat und ich habe irgendwie gesehen, ah, jetzt hat er einen Podcast gelauncht und gleich vier, fünf Folgen, was hat mein Nervensystem gemacht? Oh Gott, so viel. Wann soll ich denn das alles hören?

Und dann bin ich immer gleich wie so, also tatsächlich bin ich dann auch oft gar nicht dran geblieben. Wenn dann die erste richtige Folge kam, die so im normalen Zyklus war, hatte ich ja schon vier Folgen, die ich nicht gehört hatte.

Also hatte ich schon gar keine Lust, die fünfte jetzt zu hören, weil ich hatte ja gefühlt schon vier verpasst. Also da ist dann mein FOMO-Anteil irgendwie auch angesprungen.

Und deshalb habe ich ganz bewusst gesagt, nee, ich mache das nicht. Und ich weiß zwar aus Algorithmusgründen, dass das mehr Sinn macht, aber ich habe ganz klar gesagt, ich mache es nicht, weil ich merke einfach diesen Unterschied.

Das heißt, ich mache einen Podcast auch, der nur alle zwei Wochen rauskommt, nicht jede Woche, weil ich auch da spüre, dass ich oft habe, dass ich den Podcast von der Woche davor noch gar nicht von jemand anderem gehört habe. Und dann entsteht bei mir auch gleich so, oh Gott, die nächste Folge ist schon da, die letzte habe ich noch nicht mal gehört.

Also immer dieses Nervensystem in dieses Oh Gott, schon wieder und so. Da spüre ich sehr genau rein.

Genau, was ich dann habe, ist ein Newsletter, ganz klar. Diesen Kongress und ich bin da auch und will noch mehr aufbauen. Also ich arbeite auch in einem Trainernetzwerk, das heißt, ich gebe auch Trainings, da kann es auch immer mal wieder passieren, dass einfach Menschen mich in den Trainings erleben und vielleicht mal was anfragen, und dann plane ich schon auch noch mein SEO zu optimieren.

Aber auch da bin ich gerade und das ist auch nochmal etwas, was ich glaube ich auch erst die letzten Wochen so richtig kapiert habe nochmal in mir.

Für mich war es total hilfreich, erstmal den Podcast jetzt zu launchen. Das ist wirklich gut auch in mein Leben zu integrieren, bevor ich jetzt dann mit dem Blog dann irgendwann starte, das vielleicht gut in mein Leben integriere und nicht so alles gleichzeitig mache. Weil auch da, es ist ja erstmal alles neu wieder für uns.

Und alles, was neu ist, ist erstmal unsicher fürs Nervensystem. Das heißt, wenn wir zu viele neue Sachen gleichzeitig machen, kann das auch Stress auslösen im Nervensystem.

Und genau, das heißt, ich werde noch einen Blog machen. Ich überlege auch, dass ich Pressearbeit mache, also dass ich wirklich schaue, ob ich mit meiner Arbeit mehr in die Presse komme. Und ich überlege auch noch, dass ich mehr lokal mache.

Also gerade mit dem Nervensystem-Thema hätte ich total Lust, vielleicht auch gemeinnützig ein bis zwei Tage im Monat gemeinnützig zu arbeiten. Und vielleicht in Schulen zu gehen oder vielleicht, keine Ahnung, sowas wie eine Feuerwehr, die ja ständig irgendwie auch mit Menschen zu tun hat, die in einem extremen Nervensystemzuständen sind, dass die mehr Nervensystemwissen haben. Da hätte ich total Lust, so gemeinnützig auch mein Wissen zur Verfügung zu stellen.

Und ich denke halt, dass auch das einem helfen kann, sichtbarer zu werden, weil die Menschen dann ja auch von der Arbeit profitieren. Also ich habe noch viele Ideen, die ich noch nicht umgesetzt habe. Aber wie gesagt, Schritt für Schritt mein Nervensystem darf ich einen Schritt auch neu integrieren, bevor dann wieder das nächste kommt.

Glaubenssätze und Nervensystem

[Alex]Sehr gut. Viele Menschen und ich glaube, ich habe das auch so in Ansätzen und vielleicht kennst du das auch. Es gibt ja so bestimmte Glaubenssätze, die man hat, wie zum Beispiel, ohne Social Media bin ich unsichtbar und das hält dann einen davon ab, eigentlich nervensystemfreundliches Marketing umzusetzen.

Also vielleicht versteht man das so rational, aber trotzdem hat man noch diese Glaubenssätze, die einen davon abhalten und die auch einen vielleicht stressen. Hast du da vielleicht einen Tipp, wie man mit solchen stressigen Sätzen, die man dann so denkt oder glaubt zu wissen, umgehen kann?

[Theresa]Ja, also ich kenne das tatsächlich auch selber von mir. Ich hatte da eine Erkenntnis selber, als ich damals überlegt habe, mache ich jetzt, also ich war ja schon lange nicht auf Instagram und ich habe noch mega lange überlegt, lösche ich jetzt meinen Account oder nicht?

Und eigentlich wusste ich, ey, Theresa, du kannst ihn auch löschen. Aber irgendwie konnte ich es nicht löschen. Und was ich mir dann mal bewusst gemacht habe, ist, mein Nervensystem ist ja, und ich weiß, meins ist da wirklich sehr, sehr stark drauf sensibilisiert, so dieses, oh Gott, werde ich aus der Gruppe ausgestoßen. Und im Prinzip bedeutete ja, meinen Instagram-Account zu löschen, bedeutete ja an der Stelle, ich stoße mich jetzt selber aus der Gemeinschaft aus. Und als ich das erkannt habe, dass das eigentlich total krass ist, war es plötzlich total einfach.

Also da wäre letzten Endes wirklich mein Tipp oder manchmal zu überlegen, was ist eigentlich genau das Problem dahinter, warum fällt es mir denn eigentlich so schwer und ich habe halt diese Erkenntnis gehabt, dass es mir so schwer fällt, mich selber aus der Gemeinschaft auszustoßen.

Und was ich aber auch immer wichtig finde beim Nervensystem ist und was ich bei mir beobachte, oft ist uns was bewusst. Also wie jetzt das Beispiel eben mit Facebook. Mir war das lange bewusst mit Facebook. Oder ich hatte früher mal ein ganz anderes Thema, ist jetzt nichts mit Social Media. Ich habe mich früher mal eine Zeit lang jeden Tag auf die Waage gestellt und mir war das total bewusst, dass es überhaupt gar keinen Sinn macht, sich jeden Tag zu wiegen.

Und irgendwann gab es einen Punkt, wo ich meine Facebook-App gelöscht habe Und es gab den Punkt, wo ich meine Waage weggeschmissen habe und gesagt habe, ich wiege mich jetzt einfach gar nicht mehr.

Und das war nicht aus so einer radikalen Gegenbewegung, das kann ja auch passieren, sondern es war wirklich, weil ich gemerkt habe, ich brauche es jetzt nicht mehr.

Und manchmal ist es so, dass wir auf bewusster Ebene schon was klar haben und dass es einfach ein bisschen braucht, bis auch unser Körper, unser Nervensystem so weit ist, es loszulassen. Und da, den Tipp, den ich da habe, ist auch, sich gar nicht so stark selber dafür immer dann zu kritisieren, weil das ist ja das, was dann passiert.

Ich kriege mit, dass ich schon wieder auf Facebook hänge, dann kritisiere ich mich total dafür und dann lande ich noch tiefer da drin. Sondern einfach zu sagen, ja, jetzt ist es halt mal so. Jetzt ist es halt mal so und es einfach mal anzunehmen. Und ich glaube, da entsteht oft der Shift, wenn wir einfach mal sagen, jetzt ist es mal so und plötzlich ein paar Tage später oder vielleicht Wochen später können wir was verändern. Und dann ist es gar nicht bewusst, sondern einfach, weil wirklich das Nervensystem nachgezogen ist. Wie nachgezogen ist mit dem, was wir bewusst schon haben. Macht das Sinn?

[Alex]Das macht Sinn. Also ich verstehe das so, dass wir quasi auch ein bisschen ins Vertrauen gehen. Dass wir auch irgendwie wohlwollend uns selbst gegenüber sind. Und so vertrauen, dass wir schon so ein richtiges Timing haben.

Und ich glaube, mit so einem Vertrauen kann man ja auch eigentlich, also gewinnt man vielleicht auch so ein Stückchen Sicherheit. Und das ist ja das, worum es dem Nervensystem geht, wenn ich das richtig verstehe. Es geht immer darum, dass wir uns sicher fühlen. Und wenn ich anfange, mir zu vertrauen, meinem Timing zu vertrauen und zu denken, das ist schon alles okay, so wie es gerade läuft, dann ist es vielleicht einfacher, sich dann auch loszusagen. Was potenziell gefährlich ist, wird dann ein bisschen einfacher.

[Theresa]Genau. Und ich habe das eben am Anfang mal gesagt, aber das ist wirklich eine Grundhaltung für mich in der Nervensystemarbeit.

Weil es klingt ja immer so, als ob wir raus müssten aus den Zuständen. Aber das Wichtige ist eigentlich erstmal zu sagen, hey, es ist, wie es ist. Und es hat einen Grund, warum es so ist. Das ist ein Stück weit unsere Biologie. Und es geht gar nicht so sehr darum, dagegen zu kämpfen, sondern es eher zu erlauben, es zu akzeptieren, um dann halt mehr und mehr auch andere Möglichkeiten zu schaffen, aber gar nicht so in diesen inneren Widerstand und inneren Kampf zu gehen.

[Alex]Ja, ich kenne das auch tatsächlich, wenn ich irgendwie, weiß ich nicht, wütend bin oder traurig bin, dann hilft mir das einfach schon, das zu benennen, dass ich das so bin. Und dann ist es schon eine ganz große Erleichterung. Es geht gar nicht darum, das zu ändern oder jetzt irgendwas dagegen zu tun oder, keine Ahnung, sich abzulenken, sondern einfach nur zu benennen, wie ich mich fühle. Und dann, finde ich, ist schon so ganz viel Druck auch irgendwie da raus, aus diesem starken Gefühl manchmal. Genau.

[Theresa]Und das ist tatsächlich auch ein großer Teil in der Nervensystemarbeit, dass wir wieder lernen, unsere Gefühle und Emotionen auf Körperebene zu spüren und zu erlauben, weil das ist das, was einfach wahnsinnig viel Stress in unserem Körper auslöst.

Und gleichzeitig ist es aber gesellschaftlich so normal, meistens schwören wir uns das schon bei unseren Eltern ab, dass halt Gefühle und Bedürfnisse und alles weggedrückt wird und werden. Und da entsteht ganz viel Entspannung, wenn wir Gefühle wieder erlauben dürfen. Ja.

Schritte zu nervensystemfreundlichem Marketing

[Alex]Zum Abschluss vielleicht folgende Frage. Welche kleinen Schritte können denn jetzt Selbstständige gehen, die sagen, ich würde mir auch gern so ein Marketingsystem aufbauen, das nervensystemfreundlich ist?

Was würdest du sagen, könnten so die ersten ein, zwei Schritte vielleicht sein, die man in diese Richtung gehen könnte?

[Theresa]Also, ich würde erstmal aufschreiben, was mache ich denn aktuell eigentlich im Marketing, weil manchmal sind uns gewisse Dinge, die wir schon tun, ja gar nicht so bewusst, und dann halt wirklich mal in den Körper hineinzuspüren, was macht denn was eigentlich mit mir und das wirklich auch sehr gerne sehr genau.

Also es kann ja sein, wenn man jetzt Instagram, sag ich jetzt mal, noch nutzt, dass man auch mal schaut, okay, sind es die Storys, die mich stressen oder sind es die Reels, die mich stressen, oder sind es die Karussellposts, die ich eigentlich nicht so gerne mache, um dann halt mehr und mehr zu verstehen, an was habe ich denn eigentlich Freude und wo entsteht so eine Weite in mir?

Und ich würde das jetzt wirklich erstmal auf der Ebene machen, wenn du da reingehst, weil oft ist es ja so, dass wir trotzdem auch noch anfangen zu prokrastinieren, Dinge, die wir eigentlich gerne machen.

Das ist aber auf Nervensystemebene nochmal ein separates Thema, da will ich jetzt gar nicht so stark rein, sondern erstmal generell zu überlegen, was ist es denn, was mir da Freude macht?

Und dann halt, ja, auf eine Art auch zu gucken, wo kommen jetzt denn die Kunden aktuell auch her, weil das braucht man natürlich schon auch, um diese Sicherheit wieder zu spüren. Und dann, was ich immer hilfreich finde, ist gar nicht so diese definitive Entscheidung zu treffen von wegen, ich verlasse jetzt Instagram, sondern eher zu sagen, ja, jetzt probiere ich das mal aus, wie es denn ist.

Ich meine, ich habe damals wegen einer Erkältung eine Woche mal verzichtet. Vielleicht fängst du mit einer Woche an. Und auch da schau halt mal, was sich da sicher in deinem Nervensystem anfühlt.

Wenn du jetzt überlegst, ah ja, eigentlich habe ich keine Lust mehr auf Instagram, ich sag jetzt mal Instagram, und du überlegst, dass du das mal weglässt. Dann überleg mal, was fühlt sich sicher an? Ist es mal für eine Woche wegzulassen, für einen Tag wegzulassen? Vielleicht sagst du dir, nee, eigentlich hätte ich voll Bock auf drei Monate. Und dann folge auch da deinem inneren Gefühl und sehe es eher als Experiment.

Also ich habe in meiner Selbstständigkeit, liegt auch daran, dass ich mich mal extrem viel mit dem Thema positive Fehlerkultur beschäftigt habe, sehr stark so dieses Experimentieren.

Und oft ist es ja so, wir denken, dass wir wissen, wie es sich anfühlt, aber es fühlt sich am Ende doch irgendwie anders an.

Und dementsprechend viel mehr an Experimenten denken und sagen, okay, ich probiere das jetzt mal aus. Und da einfach, ja, so ein bisschen spielerisch dran zu gehen. Das ist das, was auch dem Nervensystem hilft, weil das Nervensystem macht oft zu, wenn wir sagen, so und jetzt für immer und immer musst du Instagram verlassen. Oh Gott. Aber wenn du sagst, okay, mal für einen Tag meinetwegen, dann, ach ja, das ist cool, einen Tag sofort, bin ich dabei.

[Alex]Ja, sehr schön. Das Spielerische, das nehme ich auf jeden Fall mit. Und Theresa, vielen, vielen Dank für das Gespräch. Es war mir eine Freude, dich hier zu haben.

[Theresa] Ja, sehr gerne.

Shownotes

Theresas Website

Theresas Blogartikel: „Digitaler Dauerstress – Wie Social Media dein Nervensystem belastet“

Theresas Podcastfolge über ihren Instagram-Ausstieg

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Buch „Don’t be evil“

Buch „No Social Media!“

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Social-Media-Kritik Alexandra Polunin Social-Media-Kritik Alexandra Polunin

Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Teil 1: Was ist ethisches Marketing?

In dieser Folge starte ich eine neue thematische Reihe im Podcast – und zwar rund um das Thema ethisches Marketing. Anlass dafür ist mein neues Buch „Don’t be evil – wie gutes Marketing gelingt“, das diesen Monat im Rheinwerk Verlag erscheint. In dieser Auftaktfolge erzähle ich dir, was ethisches Marketing genau ist, und gebe dir einen Ausblick auf die Themen, die dich in den nächsten Wochen erwarten.

Ich hatte mal wieder Lust auf eine thematische Reihe hier im Podcast.

Vielleicht weißt du, dass diesen Monat ein neues Buch von mir im Rheinwerk Verlag erscheinen wird. Das heißt „Don’t be evil – wie gutes Marketing gelingt“. Ich verlinke es dir auch noch mal in den Shownotes. Da kannst du es schon vorbestellen, wenn du magst.

Und ich werde dir sicherlich das Buch auch noch mal ausführlich im Podcast vorstellen. So viel sei aber vielleicht schon mal verraten:

Es geht im Buch um das Thema ethisches Marketing. Und ich habe darin Social Media zwar immer wieder erwähnt, aber es war jetzt nicht unbedingt mein Fokus im Buch.

Und ja, da dachte ich mir: Das kann ich doch auch im Podcast nachholen. Und deshalb habe ich mir ein paar Themen überlegt, über die ich in den nächsten Wochen hier sprechen möchte.

Und heute führe ich dich ein bisschen zum Thema hin und verrate dir, was ethisches Marketing genau ist und was ich mir für die nächsten Wochen in Zusammenhang mit Social Media so überlegt habe.

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Ja, Social Media und ethisches Marketing – wie passt das überhaupt zusammen?

Diese Frage will ich in den nächsten Wochen … ja … beantworten, hätte ich jetzt fast schon gesagt. Aber das Ding ist: Ich kann dir diese Frage eigentlich gar nicht beantworten. Ich will es auch gar nicht. Denn ich sehe mich nicht in der Position, darüber entscheiden zu können oder da endgültige Antworten zu finden.

Mein Ziel ist eher, Fragen zu stellen und dich zur Reflexion zu bringen. Und dann, wenn es gut läuft, dafür zu sorgen, dass du da deine eigenen Antworten findest.

Und zunächst einmal ist es, glaube ich, wichtig, sich einmal diesen Begriff ethisches Marketing anzugucken und zu definieren. Weil ich immer wieder feststelle, dass nicht allen Selbstständigen sofort klar ist, was genau damit gemeint ist.

Was ist also ethisches Marketing genau?

Ich selbst habe ja unter anderem Philosophie studiert und Ethik ist ein Teilbereich der Philosophie. Da geht es im Grunde darum, sich über das menschliche Handeln Gedanken zu machen. Und man sich da schon ziemlich viele Gedanken machen. Zum Beispiel:

Wie soll der Mensch handeln?

An welchen Werten soll er sich orientieren?

Und so weiter. 

Und natürlich kann man da nicht nur allgemein darüber nachdenken, sondern es auf alle möglichen Bereiche anwenden.

Also zum Beispiel ist Ethik ein wichtiger Bestandteil in der Medizin, im Recht. Aber es gibt auch Tierethik oder Umweltethik. Im Grunde geht es immer darum, menschliches Handeln zu reflektieren.

Also sich zu überlegen:

Ist es richtig, so zu handeln?

Was spricht dafür?

Was spricht dagegen?

Welche Konsequenzen hat dieses Handeln?

Und ethisches Marketing meint im Grunde nichts anderes. Denn wir können genau dieselben Fragen auch einfach auf den Medien- oder Marketingbereich übertragen:

Also zum Beispiel:

Ist es richtig, im Marketing FOMO, also Fear of missing out, auszulösen?

Was spricht vielleicht dafür?

Was spricht dagegen?

Welche Konsequenzen hat FOMO auf andere Menschen?

Und du siehst jetzt schon: Wenn man sich als Selbstständige oder Selbstständiger diese Fragen stellt, dann bettet man einzelne Marketingstrategien in einen größeren Zusammenhang ein.

Es geht im Marketing dann also nicht mehr nur darum, zu verkaufen oder Profit zu machen.

Sondern es geht immer auch darum, sich an bestimmten Prinzipien zu orientieren. 

Und welche Prinzipien das sind oder sein sollten, das kann ich dir auch nicht endgültig beantworten. Sondern das ist eine Frage, die gesellschaftlich ausgehandelt werden sollte.

Das bedeutet: Aus meiner Sicht sollten Selbstständige und Unternehmen nicht ausschließlich darüber sprechen, was Klicks und Conversion gibt, sondern auch immer wieder darüber, ob es überhaupt richtig ist, eine bestimmte Marketingstrategie zu verwenden, die Klicks oder Conversions bringt. 

Und wenn ich mir jetzt zum Beispiel andere Blogs oder Podcasts oder Newsletter angucke – dann begegne ich dem Thema jetzt nicht so wahnsinnig oft, muss ich sagen.

Also es geht immer wieder darum, was im Marketing funktioniert und Verkäufe bringt, aber nicht unbedingt darum, das mal zu reflektieren, was da eigentlich gemacht wird.

Natürlich ist mir klar, dass Selbstständige und Unternehmen wirtschaftliche Interessen haben. Und das ist auch völlig berechtigt, denn sie brauchen nun mal Geld zum Leben oder um ihre Mitarbeiter*innen zu bezahlen. Und auch ich hab natürlich als Selbstständige wirtschaftliche Interessen. Denn auch ich kann nicht von Luft und Liebe leben, sondern … ja … brauche ab und an auch mal eine Pizza und so.

Und ja, deshalb höre ich oft das Argument, dass ethisches Marketing ein Widerspruch ist: Also dass Marketing gar nicht ethisch sein kann, weil diejenigen, die Marketing machen, ja, was verkaufen wollen.

Und das sehe ich überhaupt nicht so:

Denn wenn ich zum Beispiel in eine Pizzeria gehe, um jetzt mal bei dem Beispiel Pizza zu bleiben, will ich ja wissen, welche Pizzen es in der Pizzaria gibt.

Denn wie sollte dann überhaupt wissen, was ich bestellen sollte, wenn ich nicht weiß, was es gibt? Ich will also über das Angebot informiert werden. Ich will einfach nur frei darüber entscheiden können, was ich letzen Endes wähle. Also ich will nicht, dass mir jemand sagt: Du musst jetzt die Pizza bestellen und keine andere, sonst verpasst du was und hat dein Leben keinen Sinn und dann bist du nicht erfolgreich und keine Ahnung, was.

Und deshalb ist natürlich völlig unproblematisch, wenn Pizzerien oder Cafés oder was auch immer transparent ihr Angebot mitteilen.

Und deshalb ist es aus meiner Sicht eben auch genauso unproblematisch, wenn Selbstständige oder Unternehmen mitteilen, was es bei ihnen gibt und wem sie wie helfen können. Und deshalb ist Marketing an sich nicht das Problem.

Sondern es geht wirklich darum, immer wieder innehalten und zu überlegen:

Was mache ich da eigentlich?

Was sage ich hier eigentlich?

Und welchen Folgen könte das für andere Menschen haben oder wir können das auch größer denken: für die Gesellschaft oder für die Umwelt?

So, das war eine ganz, ganz kleine Erklärung, was ethisches Marketing sein könnte. Also nicht eine Festlegung von irgendeiner Seite, was richtig oder was falsch ist. Sondern die Reflexion, ja die kontinuierliche Reflexion von Marketingstrategien, die wir verwenden.

Social Media und ethisches Marketing

Und jetzt könen wir den Bogen zu sozialen Medien schließen.

Denn wir können uns natürlich fragen:

Ist es richtig, Social Media zum Marketing zu nutzen?

Was spricht dafür?

Was spricht dagegen?

Welche Konsequenzen könnte Social-Media-Marketing auf andere Menschen haben oder auf die Gesellschaft?

Und wollen wir diese Konsequenzen überhaupt auslösen mit unserem Marketing?

Und da das eben so eine große Frage ist, habe ich mir gedacht, dass ich unbedingt eine größere Podcastreihe dazu erstellen möchte und dabei vier verschiedene Themen abdecken möchte.

Es gäbe wirklich unglaublich viel dazu zu sagen, deshalb ist das letzten Endes natürlich eine willkürliche Auswahl, die ich getroffen habe. 

Ich glaube, dass das eben mit die wichtigsten Themen sind, die Selbstständige auf dem Schirm haben sollten, wenn sie über ethisches Marketing und Social Media nachdenken.

Und das erste wichtige Thema ist der große Komplex Datenschutz und Mikrotargeting

Meine Erfahrung ist, dass die meisten Selbstständigen Datenschutz sehr unsexy und lästig finden, weil es den Aufwand im Marketing natürlich spürbar erhöht. Stichwort: DSGVO. Du kennst das alles.

Aber es ist eben wichtig, sich bewusst zu machen, dass Datenschutz ein Grundrecht ist. Und das ist zum Beispiel verankert in der Europäischen Grundrechtecharta und deshalb gilt es auch, das Recht unbedingt zu schützen.

Und auf Social Media ist es mit dem Datenschutz eben so eine Sache. Gerade wenn wir uns Mikrotargeting anschauen, also Social Media Ads. Und gerade bei Retargeting-Kampagnen werden Menschen regelrecht „verfolgt“, ohne dass ihnen wirklich klar ist, wie ihre Daten genutzt werden, oder vielleicht sogar, dass ihre Daten genutzt werden.

Ja, deshalb wird das erste Thema in der Podcastserie „Datenschutz und Mikrotargeting“ sein. Und wir werden uns angucken, was dafür spricht, was dagegen spricht und welche Folgen Mikrotargeting für Menschen und die Gesellschaft hat oder haben könnte.

Und dann kannst du dir selbst überlegen, ob du weiterhin Werbung auf Social Media schalten möchtest oder nicht.

Das zweite wichtige Thema aus meiner Sicht ist der ganze Komplex Algorithmen und Aufmerksamkeitsökonomie.

Denn du weißt, dass Inhalte auf Social Media nicht einfach nur chronologisch ausgespielt werden, sondern dass Algorithmen bestimmen, was Menschen auf Social Media sehen.

Und deshalb ist bei Content Creators, Selbstständigen, Unternehmen, Parteien und anderen Organisationen ein regelrechter Kampf um unsere Aufmerksamkeit entbrannt.

Und um in der Masse des Contents aufzufallen, verwenden sie immer öfter manipulierende Verkaufstechniken und erstellen emotionalisierende Inhalte. Zum Beispiel durch Storytelling wie zum Beispiel „Nur noch heute! Letzte Chance“ wird emotionaler Druck aufgebaut, damit Menschen möglichst schnell das Produkt kaufen.

Das ist aber meistens nicht im Sinne der Menschen, die auf Social Media erreicht werden sollen.

Und deshalb wollte ich auch unbedingt in diesem Bereich mir angucken, was dafür spricht, was dagegen spricht und welche Folgen diese Art von Marketing auf andere Menschen oder die Gesellschaft als Ganzes hat.

Der dritte Bereich, den ich abdecken möchte, ist die Überinszenierung auf Social Media. Warum Überiszenierung?

Na ja, Inszenierung ist an sich eher neutral, würde ich sagen.

  • Jede Person, die auf Social Media postet oder auf eine andere Art kommuniziert, inszeniert sich immer auch in gewisser Weise. Das heißt: Sie wählt bewusst, was sie zeigt und wie sie sich darstellt, welches Licht, welche Worte, welche Themen und so weiter. Auch ich mache das natürlich im Podcast oder auf meinen anderen Kanälen . Und du machst das sicherlich auch, wenn du Marketing machst, auf deinen Kanälen. Du legst Worte, Farben, Bilder und so weiter alles fest.

  • Inszenierung bedeutet also einfach: eine bewusste Darstellung. Es ist nicht automatisch gut oder schlecht – sondern ein Element von Kommunikation, gerade im Marketing.

Überinszenierung aber beschreibt für mich einen Kipppunkt:

  • Es wird nicht mehr nur etwas ausgewählt und präsentiert, sondern es wird übertrieben, verzerrt, beschönigt – oft bis zu einem Punkt, an dem die Darstellung kaum noch etwas mit der Realität zu tun hat.

Und deshalb sollten wir uns auch bei der Überinszenierung auf Social Media fragen: Was spricht dafür, was dagegen? Und welche Folgen hat das Ganze für andere Menschen?

Abschließen möchte ich die Reihe mit einer grundsätzlichen Überlegung. Denn die Frage ist ja auch: Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass es auf Social Media gerade so ist, wie es ist?

Sind es Individuen wie Selbstständige oder Influencer*innen, die eben bestimmte Strategien oder Taktiken dort aufrechterhalten? Oder sind es nicht vielmehr die Plattformbetreiber, die ein bestimmtes Geschäftsmodell verfolgen und bestimmte Praktiken auf Social Media notwendig machen?

Aktuelles Beispiel: Wenn auf Meta jetzt Faktenchecks abgeschafft werden – müssen Selbstständige dann unbedingt Social Media verlassen? Oder müssen sie sich schlecht fühlen, wenn sie auf Social Media bleiben? Oder ist ein zu hoher Anspruch an Individuen, weil sie ja gar nicht für die Systeme hinter sozialen Medien verantwortlich sind?

Das ist eine spannende Frage, finde ich, und das wird dann das Ende dieser Podcastreihe zu „Social Media und ethischem Marketing“ sein.

Ich hoffe, du hast jetzt genauso viel Lust auf diese Podcastreihe bekommen wie ich. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten loszulegen.

Shownotes

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Ein kritischer Blick auf Social-Media-Coaches

In dieser Podcastfolge geht es um ein Thema, das mir schon länger unter den Nägeln brennt: Social-Media-Coaches und warum sie einen großen Anteil daran haben, dass Selbstständige und Unternehmen glauben, unbedingt Social Media fürs Marketing zu brauchen.

In dieser Podcastfolge geht es um ein Thema, das mir schon länger unter den Nägeln brennt:

Social-Media-Coaches

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Ja, heute will ich eine Podcastfolge lang nur über Social-Media-Coaches reden.

Warum?

Weil sie aus meiner Sicht einen großen Anteil daran haben, dass Selbstständige und Unternehmen glauben, unbedingt Social Media fürs Marketing zu brauchen.

Du hast es bestimmt auch schon mal irgendwo gehört beziehungsweise gelesen:

  • Ein Instagram-Coach sagt, dass Selbstständige, die Instagram nicht nutzen, die Möglichkeit verpassen, neue Menschen zu erreichen. 

  • Eine TikTok-Beraterin betont, dass es für Unternehmen ohne TikTok heutzutage einfach nicht mehr geht. 

  • Ein Facebook-Ads-Berater kennt keine bessere Möglichkeit, die Reichweite zu vergrößern als mit Facebook-Ads.

  • Eine Influencerin schwört auf ihre große Social-Media-Community und betont immer wieder, dass ohne sie gar nichts mehr bei ihr geht.

Ich will dir in dieser Folge vier Gründe nennen, warum wir solche Aussagen immer mit einer guten Prise Vorsicht genießen sollten.

Ich rede hier übrigens nicht als Außenstehende. 

Ich selbst war mehrere Jahre lang als Pinterest-Beraterin tätig und weiß deshalb sehr genau, warum man als Social-Media-Beraterin bestimmte Aussagen von sich gibt. 

Wirtschaftliche Interessen

Und Grund Nummer #1 ist, dass wirtschaftliche Interessen dahinterstehen.

Instagram-Coaches sagen ja in der Regel nicht:

„Instagram ist toll. Nutzt alle Instagram. Googelt doch einfach mal nach Tipps, es gibt schon so viel Zeugs da draußen“.

Sie sagen ja:

„Instagram ist toll. Nutzt alle Instagram. Ach, und übrigens: Nächste Woche startet mein Instagram-Kurs. Melde dich jetzt an.“

Mir geht es jetzt nicht darum, wirtschaftliche Ambitionen in der Marketingberatung zu kritisieren. Die haben grundsätzlich ja alle Selbstständige und Unternehmen. Egal, ob sie als Marketingberaterin arbeiten oder als Yogalehrer. Und ich hab sie natürlich auch.

Mir geht es vielmehr darum, noch einmal explizit daran zu erinnern, dass Empfehlungen, bestimmte Social-Media-Kanäle zu nutzen oder gar Social Media im Allgemeinen zu nutzen, nicht im luftleeren Raum existieren, sondern sie sind eben in wirtschaftliche Interessen eingebunden. 

Natürlich betonen Coaches und Berater*innen die Vorteile einer Plattform, wenn sie dazu passende Produkte verkaufen. 

Und natürlich ist es für sie vorteilhafter, diese Plattformen dann als das Nonplusultra darzustellen als ein Eingeständnis, dass es theoretisch auch ohne ginge. 

Deshalb sind pauschale Empfehlungen und ein überschwängliches Lob einer Plattform immer mit einer guten Portion Vorsicht zu genießen. 

Sie sind keine Ratschläge von unabhängigen Stellen wie dem Verbraucherschutz oder einer „Stiftung Marketingtest“, wenn es sie denn gäbe, sondern von Menschen mit unternehmerischen Ambitionen.

Wir sind sehr schnell dabei, etwas als Fakt anzusehen. 

Doch Botschaften wie „Du brauchst unbedingt Instagram“ oder „Ohne Instagram geht heutzutage gar nichts mehr“ sind keine unumstößlichen Wahrheiten, sondern erst einmal:

Marketingbotschaften.

Die Berater*innen oder Agenturen verbreiten diese Thesen, um ihre Dienstleistungen oder Angebote zu verkaufen.

Nicht mehr und nicht weniger.

Content-Marketing

Grund Nummer #2 ist das Thema Content-Marketing.

Ich glaub, es ist wichtig, sich noch einmal bewusst zu machen, dass Social-Media-Coaches und -Berater*innen ja auch für ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen Content-Marketing betreiben.

Das bedeutet:

Sie identifizieren ein Problem, das Selbstständige haben, zum Beispiel:

„Ich erreiche zu wenige Menschen.“ 

„Ich bin online zu wenig sichtbar.“ 

„Ich verkaufe zu wenig.“ 

Und dann erstellen sie – passend zu dem Problem – Content, der dann ihren Ansatz – Social Media – als perfekte Lösung präsentiert: 

Instagram. 

TikTok. 

Facebook. 

Oder was auch immer.

Du kennst diese Posts, diese Reels und Storys und so weiter bestimmt auch:

  • „5 Gründe, warum dein Business Instagram braucht“

  • „Hast du das Gefühl, Instagram bringt nichts? Dann machst du diese Fehler!“

  • „Instagram funktioniert nur für Influencer*innen? Falsch!“

  • „Wie du in 30 Tagen eine loyale Community auf Instagram aufbaust“

  • „Wie Anna durch Instagram ihren Umsatz verdreifachte“

  • „Schreib mir dein größtes Instagram-Problem – ich helfe dir!“

Daneben gibt es noch Erfolgsgeschichten, Behind the Scenes – das volle Programm eben. 

Dieser Content läuft IMMER darauf hinaus, dass wir erkennen, dass Instagram oder eine andere Social-Media-Plattform die beste Marketingstrategie ever ist.

So ist eben Content-Marketing.

Instagram-Coaches sagen uns nicht: Hier ist mein Kurs – kauf ihn!

Nein, sie erzählen Geschichten.

Sie interviewen ehemalige Kund*innen.

Sie teilen Tipps, Tricks, Hacks, Strategien.

Nun will ich damit nicht sagen, dass das alles eine Lüge ist. Überhaupt nicht.

Ich glaube einfach nur:

Wir sollten die These, dass Instagram oder andere Social-Media-Kanäle das Nonplusultra für alle Selbstständigen und Nischen ist, immer eben auch als Teil des Content-Marketings von Social-Media-Coaches begreifen.

Und wir sollten uns fragen, ob diese allgemeinen, pauschalen Marketingbotschaften wirklich auch für uns funktionieren.

Ja, es kann sein, dass wir mit Instagram eine Plattform finden, die uns liegt, und dass wir dort Menschen finden, die sich für unsere Themen interessieren, und mit ganz viel Glück, dass auch die Algorithmen uns wohlgesinnt sind.

Das kann alles sein. 

Es kann aber eben genauso gut sein, dass wir uns Monate oder gar Jahre bemühen, aber keine Erfolge sehen.

Bei mir war das zum Beispiel so: Instagram hat mir rein gar nichts gebracht.

Und vielleicht ist es auch bei dir so. Das musst du für dich einschätzen.

Fehlende Komplexität

Was uns gleich zu Grund Nummer #3 bringt: Auf Social Media ist nur selten Raum für komplexe Botschaften da.

Lass mich raten: Dass du Social Media brauchst, hörst du vermutlich vor allem von jemandem, dem oder der du auf Social Media folgst.

Du liest ihre Posts.

Du schaust dir ihre Reels und Storys an.

Bist dabei, wenn sie live geht.

Diese Formate lassen aber leider meist nur sehr, sehr wenig Raum für komplexe Gedanken. Denn sie sind in der Regel ja zeitlich oder räumlich begrenzt.

Eine Caption darf maximal 2.200 Zeichen haben.

Eine einzelne Story maximal 15 Sekunden lang sein.

Wie soll auf so wenig Raum differenziert oder abgewogen werden?

Natürlich werden Social-Media-Coaches eher einfache, zugespitzte Aussagen wählen wie:

„5 Gründe, warum dein Business Instagram braucht“

Das lässt sich dann so schön in Slides darstellen. Oder wie auch immer darstellen.

Auch Algorithmen mögen kurze, prägnante Inhalte, die sich gut konsumieren lassen. Und natürlich erstellen Social-Media-Coaches die Inhalte, die Algorithmen wollen. Sonst wären sie ja keine erfolgreichen Social-Media-Coaches.

Da soziale Medien eben so sind, wie sie sind, neigen Menschen dazu, und Social-Media-Coaches sind da eben auch keine Ausnahme, vereinfachte, unterkomplexe Botschaften zu teilen und nicht allen Situationen und Szenarien gerecht zu werden.

Deshalb hören wir natürlich öfter:

„Du brauchst Social Media, wenn du selbstständig bist.“

Als:

„Es kommt darauf an.“

Fehlende Neutralität

Und schließlich Punkt Nummer #4: Social-Media-Coaches holen sich oft ihre Infos von den Plattformen selbst.

Bei mir war das zum Beispiel damals als Pinterest-Beraterin so:

Ich war in der Pinterest-Community.

Ich hab mit anderen Mitgliedern der Pinterest-Community Infos oft als erste erhalten. Und wir durften neue Funktionen oft als erste testen. Und wir wurden auf Pinterest-Events eingeladen. 

Und es ist ein bisschen peinlich, das im Nachhinein so zuzugeben, aber ich war auch ein bisschen stolz darauf.

Und natürlich habe ich die Infos, die ich da erhalten habe, auch gerne verbreitet. Nach dem Motto:

„Pssst … Hier ist eine brandneue Info, direkt von Pinterest.“

Wenn Pinterest gesagt hat: 

„Wir führen ein neues Format ein. Das wird super.“

Dann haben es die meisten eben auch genauso weitergeben:

„Pinterest führt ein neues Format ein. Das wird super.“

Ich weiß es natürlich nicht und kann meine Hand dafür nicht ins Feuer legen. Aber ich glaube eben, dass ich da nicht die Ausnahme war. Ich glaube, dass es ganz vielen Social-Media-Coaches ähnlich geht. 

Dass sie nur wenig Distanz zu den Plattformen haben, zu denen sie beraten. Sie sind überzeugt von diesen Plattformen. Das dürfen sie ja auch gerne sein. Sie dürfen da gerne all ihre Leidenschaft reinstecken. Nur leider leidet darunter eben manchmal auch die Kritik- und Reflexionsfähigkeit. 

Und das sollten wir einfach auf dem Schirm haben.

Wenn du dich also schon immer gefragt hast, warum auf Social Media immer behauptet wird, dass Selbstständige UNBEDINGT Social Media brauchen, hoffe ich, dass ich in dieser kurzen Podcastfolge für etwas Klarheit gesorgt habe:

  1. WEIL wirtschaftliche Interessen dahinter stehen und Social-Media-Coaches meistens ein Produkt haben, das sie mit dieser These verkaufen wollen.

  2. WEIL diese Botschaften im Rahmen von Content-Marketing verbreitet werden und Content-Marketing nun mal das Ziel hat, Inhalte so auszuwählen, dass wir das Produkt als Lösung für unser Problem begreifen.

  3. WEIL es drittens auf Social Media nur wenig Raum für Komplexität gibt und Social-Media-Coaches sehr häufig auf vereinfachte, unterkomplexe Botschaften zurückgreifen.

  4. und WEIL viertens Social-Media-Plattformen eine These in die Welt setzen und Social-Media-Coaches sie sehr häufig einfach unreflektiert weiterverbreiten.

Falls du gerade überlegst, ein Social-Media-Coaching oder eine Marketingberatung zu buchen, wollte ich dir mit dieser Folge nicht sagen: „Tue es nicht!“

Aber ich wollte dir in Erinnerung rufen, dass wir unbedingt unser Hirn mitnehmen und all diese Faktoren auf dem Schirm haben sollten.

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Social Media, zyklusbasiertes Arbeiten und die innere Taylor Swift – Interview mit Zyklusberaterin Mandy Jochmann

In dieser Podcastfolge habe ich Mandy Jochmann zu Gast. Mandy ist Zyklusberaterin und spricht mit mir über zyklusbasiertes Arbeiten, das für sie mehr bedeutet als die Arbeit an den verschiedenen Zyklusphasen auszurichten. Außerdem geht es um Social Media und warum es manchmal gut ist, die innere Taylor Swift zu channeln.

In dieser Podcastfolge habe ich Mandy Jochmann zu Gast. Mandy ist Zyklusberaterin und spricht mit mir über zyklusbasiertes Arbeiten, das für sie mehr bedeutet als die Arbeit an den verschiedenen Zyklusphasen auszurichten. Außerdem geht es um Social Media und warum es manchmal gut ist, die innere Taylor Swift zu channeln.

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Love-Hate-Beziehung zu Social Media

[Alex]Ja, hallo Mandy. Schön, dass du da bist. Ich freue mich sehr und ich wollte dich gerade schon im Vorgespräch fragen, wie ist eigentlich gerade deine eigene Beziehung zu Social Media?

Und du hast gesagt Love-Hate und da habe ich gesagt, halte den Gedanken, erzähl mir jetzt offiziell davon. Also du bist Zyklusberaterin selbst und was für eine Beziehung hast du denn zu sozialen Medien?

[Mandy]Ja, beste Frage ever. Also erstmal moin. Ja, Social Media und ich. Also es ist so, ich glaube, wir waren mal sehr deeply in love. Ich glaube, ich mache Social Media, seitdem es gefühlt Social Media gibt.

Ich habe schon 2007 meinen ersten Facebook-Account aufgesetzt, weiß noch, wie ich in das Büro meiner Uni gelaufen bin und gesagt habe, so, wir müssen jetzt Instagram machen und wir müssen Twitter machen. Und meine Schulleiterin damals meinte, ey, du bist echt early bird, early adopter.

Und ich war auf Instagram 2011 und ich habe es geliebt. Also auch wenn ich mir heute noch meinen alten Account angucke, wo man nicht sich fotografiert hat, sondern sein Essen, die Laubblätter, also das Leben da draußen.

Ich habe es so wirklich geliebt und inhaliert und hatte dann so eine Phase mit „Go Girl! Run!“, mit Deutschlands größten Laufblog für Frauen, wo ich es auch einfach noch geliebt habe. Und es ist einfach seit vier, fünf Jahren, vier Jahren ungefähr, fünf, ja, dass es echt so eine Love-Hate-Geschichte ist.

Ich weiß noch, ich glaube, ich habe 2022, als du mal ein Seminar gegeben hast, damals mit Carina Herrmann, wie man aus Social Media quasi loskommt, da habe ich da schon gesessen und gedacht, ja, eigentlich möchte ich davon loskommen, aber irgendwas hält mich immer noch da.

Also ich bin da, aber ich war jetzt, glaube ich, drei Monate fast gar nicht online. Also ich bin noch auf Instagram und LinkedIn und ich merke, dass es mir gerade auch schwerfällt, wieder reinzukommen und ich immer so warte auf den letzten Absprung quasi.

Aber dadurch, dass ich noch jetzt eine Zeit lang Kundinnen hatte, die auf Instagram unterwegs sind, also ich habe eine Zeit lang noch im Online-Marketing gearbeitet und zwei Kundinnen gehabt. Aber ich glaube, ich bin auf dem abspringenden Ast.

[Alex]Es ist ein Prozess.

Auf Social Media wegen Taylor Swift?

[Mandy]Ja, ich habe ihn mal kurz beschrieben, ja genau, aber ich, ich sehe immer noch ganz viele Vorteile, aber gleichzeitig ist es so, ich sehe ja einfach, wie viel Energie und Kraft es mir auch zieht.

Und manchmal glaube ich, der Hauptgrund, warum ich noch bei Instagram bin, ist Taylor Swift, dass ich mir quasi noch immer anschaue, wie die Eras-Tour in Amerika zu Ende geht und ich glaube, danach gehe ich dann auch richtig.

[Alex]Ein sehr nachvollziehbarer Grund. Ist es auch ein Taylor Swift-Pulli, ich wollte vorher nicht so... Sieht man jetzt leider nicht, ganz sehr schön.

[Mandy]Genau, ich bin heute im Taylor-Swift-Kuschelpulli-Look hier unterwegs.

[Alex]Vielleicht, Klammer auf, ich habe mir tatsächlich nie diesen Taylor-Swift-Hype verstanden. Und vor einem halben Jahr habe ich mir gedacht, das kann nicht sein. Ich bin immer für Musikhypes zu haben. Also ich war immer so ein riesiger Boygroup-Fan und alles. Und dann habe ich gedacht, ich bringe mir jetzt diesen Taylor-Swift-Hype bei und habe einfach einen Monat lang nur Taylor Swift gehört. Und jetzt bin ich auch drin. Also sehr schön. Ich mag es. Aber gut, das ist alles nicht unser Thema.

[Mandy]Ich habe gesagt, wir werden damit anfangen, hören wir nie wieder auf.

Zyklusbasiertes Arbeiten einfach erklärt

[Alex]Ja, genau. Wir wollen ja heute über die Verbindung reden von zyklusbasiertem Arbeiten und Menstruationszyklus und sozialen Medien.

Ein sehr, sehr spannendes Thema, finde ich. Und deswegen habe ich dich ein bisschen nach deinem eigenen Verhältnis zu sozialen Medien gefragt. Aber um jetzt mal zu diesem eigentlichen Thema zu kommen, kannst du vielleicht für diejenigen, die noch ganz am Anfang stehen bei diesem Thema zyklusbasiertes Arbeiten, kurz beschreiben, was das ist und auch vielleicht die vier Phasen kurz ansprechen, worum es da genau ging. Was ist so dein Grundgedanke dahinter?

[Alex]Das mache ich sehr, sehr gerne. Für mich ist die größte Herausforderung, kurz zu bleiben.

[Alex]Wir können auch länger machen. Daran soll es nicht scheitern.

[Mandy]Aber ja, zyklusorientiertes Arbeiten bedeutet im Endeffekt, dass... Also ich früher hätte ich so erklärt, ja, es bedeutet, dass du deine Arbeit nach deinen Zyklusphasen ausrichtest, dass du weißt, okay, welche Stärken hast du in welchen Zyklusphasen, aber ich habe da auch einen Prozess hinter mir und würde mittlerweile sagen, dass es darum geht, die eigenen Bedürfnisse bewusster wahrzunehmen, wirklich von Tag zu Tag, von Phase zu Phase und die im Alltag und in der Arbeit auch zu priorisieren und auch miteinander in Einklang zu bringen.

Also meine eigenen Bedürfnisse mit dem, was ist jetzt in der Arbeit zu tun, was steht irgendwie an und das ist ja auch nochmal ein Unterschied, ob ich selbstständig arbeite, ob ich im Team arbeite oder ob ich in einem Unternehmen auch arbeite oder angestellt und deswegen finde ich es so schön, dass es einfach wirklich um diese eigenen Bedürfnisse geht.

Und gerade als Mensch, der mit einer Gebärmutter geboren wurde, verändern die sich. Und das ist so mein größtes Aha-Erlebnis, was ich mit dem Zyklus hatte, dass ich eben nicht jeden Tag gleich bin, dass ich nicht jeden Tag gleich leistungsfähig bin.

Oder die krasse Energie, die ich gestern noch hatte, um meine To-dos wegzurocken, kann sein, dass ich die fünf Tage später eben nicht mehr habe. Und darum geht es eben im zyklusorientierten Arbeiten. Das wahrzunehmen, sich danach auszurichten.

Und als Menschen, die mit Gebärmutter geboren worden sind, haben wir einfach diesen wunderbarsten Vorteil, dass wir eben einen Zyklus haben, der sich in vier Phasen unterteilen lässt. Und ich stelle immer gerne noch mal voran, warum gibt es eigentlich diesen Zyklus? Also was ist das Ziel vom Zyklus? Und das ist, wenn wir es mal ganz einfach runterbrechen, neues Leben zu erschaffen. Und das kann auf biologischer Ebene sein, dass man vielleicht ein Kind bekommt.

Dass quasi ein neuer Mensch entsteht oder erschaffen wird. Aber, und das ist das Tolle, dass man auch raussuchen kann und dass unser Zyklus eben auch auf Metaebene da unterstützend sein kann, etwas Neues zu erschaffen.

Die vier Phasen des Zyklus

In unserem Fall zum Beispiel ein neues Projekt oder eine neue Idee voranzutreiben. Und das ist das, was ich so toll am Zyklus auch einfach finde.

Was ich schon gesagt habe, ist, und du ja auch, es gibt vier Phasen. Das wissen viele noch so aus dem Biounterricht und so ganz grob, aber dann hört es auch ganz oft auf.

Und ich muss auch sagen, ich habe das lange auch in die Ecke geschoben, ja, Schwangerschaft und kannte diese anderen Aspekte gar nicht, die der Zyklus mitbringt.

Diese vier Phasen erleben die meisten vor allem dann, wenn sie nicht hormonell verhüten, also wenn sie wirklich einen natürlichen Zyklus haben.

Und ich arbeite sehr viel auch mit dem Phasenmodell nach Dr. Miriam Stark, weil der eben auch eine psychologische Komponente hat.

Und wir im Zyklus viele Menschen einfach auch körperliche und mentale Blockaden erleben und die sich sehr oft auch auf psychologischer Ebene heilen lassen. Genau.

Wenn wir diese vier Phasen einmal im Schnelldurchlauf durchlaufen, ist es so, um es mal grob zu erklären, dass diese hormonellen Zustände, die wir auf biologischer Ebene erleben, die versetzen uns in unterschiedliche emotionale Verfassungen.

Also in jeder Phase erleben wir eine andere Verfassung und diese emotionalen Verfassungen, die wiederum bringen diese zyklischen Superkräfte, von denen man vielleicht schon mal gehört hat, mit sich und die wir wirklich, wenn wir sie auch kennen und gleichzeitig, was ich gerade schon sagte, gibt es Menschen, die eben da auch Blockaden erleben und da dürfen psychologische Themen gesehen werden.

Also unser Zyklus serviert uns das so ein bisschen wie auch dem Tablett und deswegen ist ganz oft, wenn man anfängt, auch mit Zyklus orientiert und arbeiten, kann es sein, dass man die erlebt und dass man sich diese Themen auch erstmal anschauen darf. Und das sind eben Dinge, wobei ich die Menschen unterstütze. Genau, also es gibt diese vier Phasen.

Das ist die Follikelphase, da findet auf biologischer Ebene die Eizellreifung statt. Und da wird vor allem ganz viel Östradiol produziert, was dazu führt, dass die Gebärmutterschleimhaut aufgebaut wird.

Und dazu auch führt, wenn wir schon bei Taylor Swift sind, ich benutze diese Beispiele sehr gerne, das ist so der Moment, wo Taylor Swift auf die Bühne oder andersrum nochmal, wo Taylor Swift sich quasi vorbereitet, und auch gerne, wo man selbst gerne im Außen ist, also sie macht sich ready für ihren großen Auftritt.

Und wir gerne im Außen sind, wo wir so eine Aufbruchs- und Aufschwungsstimmung nach der Periode erleben, so ein körperlicher Neubeginn und diese frische, junge Energie, das aktiviert in uns diesen jungen, archetypischen Anteil und der verfügt über die Superkräfte Lernen und Spielen.

Also das ist vor allem auch, wenn wir über die Arbeit sprechen, so die Phase, wo wir auch sehr kognitiv, sehr leistungsfähig sind, wo wir Multitasking machen können, wo Weiterbildungen super sind und wo wir auch sehr strukturiert wahrscheinlich unterwegs sind.

Und dann geht diese Phase über in die wunderbare Eisprungphase. Das ist Phase 2. Und das ist, wenn das Östradiol, was produziert wird durch die Eizellreifung, seinen höchsten Stand erreicht hat.

Und jetzt wird quasi so diese eine Eizelle, die da herangereift ist, also das ist ganz spannend, die reifen auch immer in Zehnergrüppchen, sodass wirklich auch die Crème de la Crème dann aussortiert wird. Weil die Crème de la Crème dann zum Sprung, zum Eisprung aussortiert wird. Und diese eine satteste Eizelle, die springt dann vom Eierstock rüber in den Arm der Gebärmutter.

Und das ist so der Moment, wo ich mir dann vorstelle, so jetzt, it's the opening, Taylor Swift kommt auf die Bühne und rockt halt die Stage.

[Alex]Oder ich bin Taylor Swift.

[Mandy]Genau, oder ich bin Taylor Swift. Ja, genau. Ich habe dann auch mal dieses, are you ready for it? Genau und diese Phase 2, so dieser Peak des Östradiols, das löst in uns den mütterlichen archetypischen Anteil aus und der verfügt über die Superkräfte, dass wir mühelos lieben und genießen können und dürfen.

Und das Schöne ist, dass es einmal dieses Lieben und Genießen auch anderen zugutekommen zu lassen, also im Job bedeutet das, es ist einfach der Zeitpunkt für Mutmomente, auch wenn man eher zum Beispiel introvertiert ist, empfehle ich auch immer meinen Klientinnen, leg dir da die Sachen hin, wo du so ein bisschen huu.

Das ist großartig fürs Netzwerken, um Vorträge zu halten, aber auch um diplomatische Gespräche zu führen und auch im Privaten dieses, ich liebe die ganze Welt, wirklich allen zukommen zu lassen.

Und gleichzeitig ist es die Einladung dazu, sich auch selbst dieses Lieben und Genießen zukommen zu lassen. Nicht immer nur alle anderen zu bemuttern, sondern auch sich selbst, gut um sich selbst zu sorgen. Das kann auf körperlicher oder mentaler Ebene der Fall sein.

Und dann gibt es die dritte Phase und das ist auch die längste Phase und die, wo ein Großteil der Menschen auch die meisten Herausforderungen erleben. Das ist die Lutealphase, die Phase 3. Und die unterteilt sich spannenderweise auch nochmal in zwei Teile. Der erste Teil ist der Teil, wo nach dem Eisprung die Follikelhülle zurückbleibt, in der die Eizelle herangereift ist. Und die wird jetzt zu einem Gelbkörper und produziert das Hormon Progesteron.

Also Östradiol sinkt jetzt wieder, was wir in der ersten Zyklushälfte hatten, und Progesteron tritt auf den Plan. Das ist der Moment, wo Taylor von der Bühne geht.

Und dieses Progesteron sorgt dafür, dass die Gebärmutterschleimhaut sich jetzt mit Blut anfüllen kann. Und gleichzeitig sorgt es auch dafür, dass wir so wirklich biologisch, und es ist absolut normal, so ein Rückzugsbedürfnis empfinden, dass wir uns quasi von diesem Außen, von dieser Stage, die Bühne, alles ist hell, dass sich alles so ein bisschen nach hinten zieht und dass wir es jetzt vielleicht ein bisschen ruhiger haben wollen.

Das ist so ein guter Zeitpunkt für Innenschau und gerade auch in der ersten Hälfte nennt man das auch immer progesterones Nestbauhormon. Das ist so die Zeit, in der man vielleicht eher Bock hat, so die Ablage aufzuräumen und auch so ein bisschen das kluge Köpfchen jetzt so ein bisschen ausschalten darf beziehungsweise im Flugmodus nebenbei rattern lassen darf.

Und es vielmehr darum geht, ja auch reinzukommen in unsere anderen Weisheitszentren. Das sind Herz, Bauch und Gebärmutter.

Und der zweite Teil auf biologischer Ebene ist dann nämlich so, dass nach zehn Tagen nach dem Eisprung bemerkt unser Körper, ob jetzt eine Befruchtung stattgefunden hat. Oder nicht. So, ob seine mühevollen Bemühungen, ob die gefruchtet haben, wir gehen jetzt mal davon aus, eine Befruchtung stattgefunden.

Und das bedeutet, dass der Progesteronspiegel jetzt auch wieder sinkt. Und dieser hormonelle Shift, also dieses Rückzugsbedürfnis und auch dieses, dass jetzt quasi auch das Progesteron wieder absinkt, das lässt uns magisch werden.

Also das ist dieser archetypische magische Anteil und der hat direkten Zugang zu unserer Intuition und unserer Kreativität, dass wir die in dieser Phase maximal ausleben, auch gerade zum Ende hin.

Das finde ich auch so für Kreativitätsprozesse unglaublich spannend. Und ganz oft kommt an der Stelle, werde ich dann gefragt, ja, aber habe ich sonst keinen Zugang zu meiner Intuition und meiner Kreativität? Natürlich hast du die, aber wir sind quasi hormonell gedopet, dass da uns dieser Zugang einfach, der ist dann direkt da.

Und im Job können wir das eben auch nutzen, was ich gerade sagte, so gerade am Anfang der Lutealphase ist halt geil für, bei mir ist immer Buchhaltung.

Also wirklich, seit ich mich zyklusorientiert arbeite, gebe ich meine Buchhaltung regelmäßig und ohne Pain ab. Aber es ist auch toll für schnelles, assoziatives Brainstormen, also auch alles Kopf mitrattern darf, das heißt auch mal aus dem Kopf rauszukommen beim Brainstorming und wie gesagt rein ins Herz, in den Bauch und da mal zu fühlen, okay, was kommt da?

Und das sind ganz oft ganz andere Ideen als vielleicht in der ersten Zyklushälfte. Und da auch gerade dieser Kreativität und Intuition einfach auch diesen Raum zu geben, sich ausleben zu dürfen. Und was ich schon sagte, da erleben halt viele Menschen auch PMS, das sogenannte prämenstruelle Syndrom.

Und auch wenn man das erlebt, dann darf man da auch auf psychologischer Ebene nochmal schauen, welche Themen können dahinterstehen. Und dann gehen wir rüber. Progesteron fällt wirklich in den Keller, Östradiol auch. Also wir erleben wirklich den hormonellen Tiefstand. Und wenn Progesteron wirklich den tiefsten Stand erreicht hat, dann ist das das Zeichen für die Gebärmutter-Schleimhaut. Let it go. Also sie löst sich, die Blutung setzt ein.

Und gleichzeitig, das finde ich auch immer so faszinierend, beginnt im anderen Eierstock schon wieder die Eizellreifung. Also da beginnt schon der nächste Zyklus. Und dieser hormonelle Tiefstand, den wir jetzt erleben, der lässt uns vor allem auf körperlicher Ebene sehr, sehr träge werden. Das kennen die meisten von uns. Und uns vielleicht auf eine gewisse Art auch alt fühlen. Also das ist der archetypische Anteil, ist eben der alte Anteil. Und das ist jetzt die Zeit, um uns mit diesen Superkräften mit der Weisheit der Inneren zu verbinden, aber auch, um Themen quasi loszulassen.

Es ist ganz schön, das ist so das, was gerade in Phase 3 am Ende hochgewirbelt wird. Das ist jetzt, wo wir plötzlich wieder den Durchblick haben. Also wenn wir am Ende von Phase 3 denken, oh Gott, es wird hier nie was mit meiner Selbstständigkeit, ist das wahrscheinlich dann so, ja komm, das läuft schon und alles ist gut. Das ist immer so ein typisches Beispiel auch für den Partner. Ist das wirklich der Richtige? Und dann in der Menstruation weißt du, es ist alles gut, guck mal, da kümmert sich vielleicht jetzt gerade gut um mich.

Und das Spannende ist, und das hat bei mir auch so einen riesen Change gebracht, die Menstruation nicht nur als eine Phase zu verstehen, in der wir nicht leistungsfähig sind, sondern mal zu hinterfragen, was heißt Leistungsfähigkeit?

Und ist Leistungsfähigkeit immer wie ein Duracell-Häschen durch die Gegend zu rennen und alle Aufgaben perfekt zu erledigen und immer on fire zu sein? Oder ist Leistungsfähigkeit auch dieses, sich in die Horizontale zu bringen, mal zu schauen, okay, welche Aufgaben sind jetzt wirklich wichtig und auch mal, ich will jetzt nicht sagen, Fünfe grade sein zu lassen, weil das ist es nicht, aber wirklich mal zur Ruhe zu kommen und dem Körper das zu geben, was er braucht. Und da enden wir wieder bei bedürfnisorientiertem Arbeiten.

Wenn ich wahrnehme, Alter, mein ganzer Körper braucht gerade diese Ruhe, wie kann ich sie ihm geben, auch in der Vereinbarkeit mit meinem Job, und sich dann bewusst zu machen, wie kann ich diese Phase auch nutzen.

Und das ist zum Beispiel, dass ich diese Phase ganz toll nutzen kann, um nochmal zurückzublicken auf vergangene Aufgaben und Projekte, weil ich jetzt so eine Metaperspektive habe, weil ich jetzt weder in die, ich bin draußen auf der Bühne und performe Richtung bin oder dieses Rückzugsbedürfnis und wieder auftanken.

Ich kann schon so ein bisschen in die Zukunft visionieren, wo soll es irgendwie hingehen? Also gerade so Business Development sind halt Themen, die da einfach total gut funktionieren. Vielleicht ist das eine Zeit, wenn ich im Team arbeite, wo ich delegieren darf, auch in der Familie. Da darf mal jemand anderes kochen und sich um den Einkauf kümmern, weil solche kleinen, kleinen Sachen interessieren mich in der Periode ganz oft nicht so. Also das ist vor allem auch gut, um einfach Dinge zu erledigen, die keine großen kognitiven Mühen brauchen. Und ich habe da einmal das Bild von dir, als du mal in meinem Podcast warst im Kopf.

Wie du mit deinem Kirschkernkissen auf dem Sofa liegst und die da gerade irgendwie dran sind. Genau, und auch hier erleben ja viele Menschen Herausforderungen, Schmerzen, Periodenbeschwerden.

Und auch da lohnt es sich hinzuschauen, okay, was kann auf psychologischer Ebene dahinterstehen? Aber ganz oft ist es auch diesen Bedürfnissen, die wir in diesen Phasen haben, Raum zu geben. Genau, und was ich schon gesagt habe, ist, während der Blutung beginnt sozusagen dann wieder ein neuer Zyklus und darf dann eben auch genutzt werden.

So, das war die Kurzform.

Verknüpfung von Zyklus und Marketing

[Alex]Ja, das waren jetzt natürlich auch sehr viele biologische Infos oder körperliche Infos. Und die Frage ist ja jetzt, wo ist da der Link zu so einem ganzen Business- und Marketing-Setting? Kannst du das vielleicht mal so ganz pointiert herausarbeiten?

[Mandy]Ja, das kann ich. Ich finde halt, dass diese Ebene unglaublich interessant und wichtig ist, weil ganz viele eben nicht wissen, was an ihrem Körper passiert.

Deswegen führe ich die eben auch gerne ein bisschen ausführlicher aus.

Um diesen Link zu schaffen, ist es einfach unglaublich großartig, weil du eben auch deine Marketingprojekte mit deinem Zyklus quasi erarbeiten kannst und da reinspüren kannst.

Also ich liebe das auch total, mache ich das mit Kundinnen, die jetzt zum Beispiel dieses Thema Positionierung oder Neupositionierung haben, dass ich halt nicht sage, okay, setze ich jetzt mal einen Tag hin und erarbeite das mal, wo du hin willst, sondern wirklich diese Qualität der Phasen mitzunehmen. Also man kann das auch wie ein Projekt aufbauen. Und auch da, wenn man sich auch die Zeit dafür nehmen möchte.

Also zyklusbasiertes Arbeiten ist eben auch oft, dass man sich auch mal Zeit für Dinge nehmen kann, dass man nicht immer alles übers Knie bricht oder es muss jetzt sofort erledigt werden. Und dass man zum Beispiel an dem Beispiel auch total schön in der ersten Phase schaue ich erstmal, ich recherchiere, ich nehme wahr, was ist irgendwie im Außen, was machen vielleicht andere, gehe auf die Recherche. Auf die Recherchejagd, wollte ich gerade sagen, geh auf Recherche.

Und dass ich dann vielleicht in der zweiten Zyklushälfte dann eher nochmal so einen Deep Dive mache und schaue, okay, was will ich wirklich, was ist wirklich das, was meins ist?

Manchmal kann man auch gut die Periode als Ausgangspunkt nehmen, dieses wo will ich hin auch?

Oder dann, wenn wir den anderen Weg, wie ich ihn gerade beschrieben habe, gehen, dann kannst du in der Periode auch nochmal schauen, okay, ist es wirklich das, was ich will? Und sich selber auch, oder auch das Projekt in all diesen Phasen wahrzunehmen, auch das Projekt in all diesen Facetten reinzuspüren, um einfach ein wunderschönes Gesamtpaket zu schnüren, das dann auch wirklich zu einem selbst passt.

Und nicht, dass ich jetzt, also das erlebe ich ganz oft mit meinen Klientinnen, also bei mir selbst und auch mit meinen Klientinnen, dass die halt sagen, okay, wenn ich so da rangehe, dann passt das für mich einfach auch über einen längeren Zeitraum.

Also es ist nachhaltig, das ist langfristig. Das ist nicht so, dass ich da in drei Monaten oder in fünf, sechs Monaten wiederstehe und mir denke, oh Gott, war das jetzt irgendwie? War das jetzt wirklich das Richtige? Sondern dass die wirklich das Gefühl haben, okay, das kommt jetzt auch aus mir heraus. Also auch diesen Wunsch, den ja auch viele haben, das soll mir entsprechen. Und es ist halt nicht dieses schnell, schnell. Also es ist auch so ein sehr tiefgründiges Arbeiten, gerade auch in dem Bereich, in dem wir beide unterwegs sind.

[Alex]Ich finde das auch voll den wichtigen Gedanken, weil ich finde gerade Marketing zum Beispiel oder Selbstständigkeit ist ja nichts Kognitives oder nichts ausschließlich Kognitives, sondern das manifestiert sich ja auch im Körper. Also gerade wenn wir zum Beispiel Social Media haben, ich bin auf Instagram und sehe all die tollen Accounts, das spüre ich ja in mir, das macht ja irgendwas in mir.

Und wenn ich so Marketing- und Business-Themen eben nicht nur mit dem Kopf bearbeite, sondern so mit dem ganzen Körper, ich mag das Wort ganzheitlich nicht, aber schon mit verschiedenen Aspekten, dann kann ich mir das voll gut vorstellen, dass es halt einfach auch so eine nachhaltige Entscheidung dann zum Beispiel für etwas ist, etwas zu tun oder nicht zu tun.

[Mandy]Total. Und weil du auch gerade Social Media und Instagram ansprichst, das weiß ich noch ganz genau, also Spoiler, du warst ja auch mal in meinem Podcast, als wir vor zwei Jahren darüber geredet haben, wie du das auch für dich erlebt hast, habe ich in dem Zusammenhang ganz viel darüber nachgedacht, okay, wie nehme ich auch Social Media im Laufe meines Zyklus wahr?

Und ich finde das unglaublich spannend und ich glaube, da können wahrscheinlich viele Hörerinnen und Hörer, also vor allem Hörerinnen, relaten, das mal zu beobachten. Also man kann das wirklich an diesem Taylor-Swift-Beispiel halt super gut sehen.

Das ist so, gerade in der ersten Zyklushälfte ist das, wo ich vielleicht präsenter sein möchte. Und gerade die zweite Zyklushälfte ist die, wo ich vielleicht sehr anfällig bin für negative Kommentare, aber auch dieses schnelle Durchlaufen, dieser schnellen Durchlauf an Informationen und Entertainment, den man da ja, das Entertainment Anführungsstrichen, aber es ist ja auch eine gewisse Form von Entertainment, den ich da habe, dass ich da auch ganz anders drauf reagiere.

Und das war für mich damals auch total spannend und hat eben auch dazu geführt, dass ich da viel, viel bewusster auch mit mir und meinen Ressourcen und Energien bin, wahrzunehmen, okay, in der zweiten Zyklushälfte... War ich dann damals sehr viel weniger dort unterwegs zum Beispiel auch.

[Alex]Das heißt, es ist auf jeden Fall eine gute Idee, so seinen Social-Media-Konsum, wenn man denn noch da ist, mit dem Zyklus irgendwie zu verlinken und sich selbst zu beobachten, wann es einem schwerer und leichter fällt, dort zu sein.

[Mandy]Zum einen das und zum anderen das auch mal wahrzunehmen. Was macht das mit mir? Also das ist ja das, wo ja auch Achtsamkeit für mich total beginnt. Der erste Schritt ist immer wahrzunehmen, was ist jetzt hier gerade? Oder auch zu hinterfragen, ist jetzt ein negativer Kommentar wirklich so schlimm oder bin das gerade ich? Und oft stehen da dann noch andere Themen hinter, gerade am Ende der Lutealphase. Sich da einfach mal selbst zu beobachten und da auch selbstfürsorglich mit sich zu sein.

[Alex]Aber es ist ja auch nicht so das, was uns so vermittelt wird. Weil wenn wir Social Media Marketing zum Beispiel betreiben, dann müssen wir ja täglich präsent sein und quasi täglich dieselbe Art der Leistung bringen. Und das wäre dann ja ein Widerspruch zu dem, was du sagst. Nämlich, wir können nicht jeden Tag dasselbe, oder es ist schwierig, jeden Tag dieselbe Form von Leistung zu bringen, weil wir eben zyklische Wesen sind. Also müsste sich so für die Menschen, die Social Media noch nutzen, auch müssen sie ihre gesamte Nutzung überdenken, dieses täglich präsent sein? Ist das überhaupt realistisch?

[Mandy]Das ist immer eine spannende Frage, weil ich finde es einfach unglaublich wichtig, dass wir immer mehr dahin kommen, was du gerade so schön gesagt hast, wahrzunehmen. Wir sind zyklische Wesen und wir leben in einer linearen Welt, in einer linearen Leistungsgesellschaft. Und das wahrzunehmen, und das ist einfach auch mit die größte Herausforderung, die ich ganz oft auch beim zyklusorientierten Arbeiten erlebe, dass viele sagen, ja, wie soll denn das funktionieren? Geht nun mal nicht, kann mich jetzt hier nicht hinlegen.

Aber ich glaube, es ist halt auch die innere Einstellung zu schauen, was ist mir wichtiger, mich selbst wahrzunehmen in dieser Welt und zu schauen, meinen Weg zu gehen oder mich ständig anzupassen und alles so zu machen, wie alle anderen das machen, was ich eben sehr oft auch, wie du es auch schon sagst, an deinem Körper manifestierst.

Also ich habe so krass lange unter körperlichen und emotionalen PMS zu leiden gehabt, weil ich nicht wusste, was will mein Körper mir da eigentlich sagen. Und da mal hinzuschauen und wenn wir aufhören, auch unsere Bedürfnisse zu übertrampeln, wird sich das in so vielen Wegen positiv auswirken. Und deswegen ist meine Einladung immer zu sagen, okay, ich nehme mich selber wahr und schaue, wie kann ich das in mein Leben, in mein Marketing, in meine Selbstständigkeit integrieren und da dann auch zu schauen.

Und um das sehr anschaulich zu machen bei Social Media, kann zum Beispiel ein Weg auch sein, also auch diese Entscheidung, will ich da jeden Tag zu 100 Prozent präsent sein? Will ich mir von dem Algorithmus diktieren lassen, wie meine Selbstständigkeit und meine Präsenz auszusehen hat? Oder kann ich da auch meine Wege finden? Content zum Beispiel vorzuproduzieren.

Oder auch zu schauen, ich glaube, du kannst jeden Tag auf Social Media sein, wenn du dir bewusst machst, in welcher Phase bin ich jetzt gerade? Was brauche ich gerade? Ich arbeite da auch ganz gerne mal auf energetischer Ebene, aber da auch zu gucken, was brauche ich gerade? Ist es heute, bin ich da nur mal kurz und check nur kurz die Nachrichten, weil ich da antworten will, aber guck nicht den kompletten Feed durch oder ich beantworte heute keine Kommentare oder ist heute der Tag, an dem ich einfach voll Bock habe, eine Story zu machen und mich selbst zu filmen?

Also auch da, das ist ja, wir sind dem ja nicht komplett ausgeliefert und sich dazu, also dieses, Du darfst entscheiden, wie du damit umgehst. Das ist halt das, worum es geht. Und das ist eben auch das, wozu dich dein Zyklus einlädt. Dieses Bewusstsein zu haben, ich priorisiere mich und meine Bedürfnisse und ich gucke dann, wie der Rest funktioniert.

[Alex]Also ich muss sagen, ich will jetzt niemandem nahelegen, soziale Medien zu löschen, aber ich muss sagen, es ist eine enorme Erleichterung, da nicht sein zu müssen.

Weil wenn man nur noch Strategien und Aufgaben hat, wo man mehr kontrollieren und mehr bestimmen kann, dann ist es schon leichter so, seine Bedürfnisse auch wahrzunehmen und sie auch zu erfüllen, als zum Beispiel früher diesen Satz immer täglich dort zu sein. Das habe ich mir schon immer zu Herzen genommen. Und sogar wenn ich wusste, ich bin jetzt an Tag X, hat mir das nicht wirklich geholfen. Also ich hatte trotzdem immer diesen Gedanken, ich muss jetzt aber das und das und das und das machen. Also so viel Fremdbestimmung war das.

Und ich finde, gerade als Selbstständige kann man ja sagen, okay, ich kann das vielleicht so nutzen, dass es mit meinem Zyklus irgendwie besser passt. Ich kann das Wissen um den Zyklus nutzen, um das für mich irgendwie anders zu gestalten. Aber ich kann eben auch sagen, okay, dann gehe ich halt weg. Also wenn ich so ein zyklisches Wesen bin, dass dieses lineare soziale Medien-Ding absolut nicht meins ist, kann ich halt auch rausgehen. Das ist immer auch eine Option.

[Mandy]Und ich finde gerade als Selbstständige ist das doch das Geilste, was wir haben. Ich darf und kann entscheiden und ich möchte manchmal einfach in so selbstständigen Starterinnenrunden, aber auch einfach bei fortgeschrittenen Selbstständigen einfach manchmal reinbrettern und sagen, ey, du kannst entscheiden, du bist dem nicht ausgeliefert. Und das ist ja auch wieder so ein bisschen, sehe ich auch so ein bisschen als Teil meiner Arbeit, es ist so dieses, sich diese Selbstwirksamkeit zurückholen.

Du hast die Kraft, all das zu entscheiden und du hast auch die Möglichkeit, also nimm sie dir. Und ich glaube, das ist noch immer so ein Riesenappell auch an selbstständige Frauen, du entscheidest und nur weil irgendwer sagt, du musst da jeden Tag sein oder nur weil jemand sagt, du musst, du musst, du musst. Sobald das Wort müssen aufkommt, bin ich sowieso so, muss ich wirklich?

Also ich glaube, sobald irgendwer mir erzählt, du musst, dürfen wir das hinterfragen, muss ich wirklich? Oder gibt es auch Alternativen? Und es gibt, das ist ja das Tolle, mich überfordert das manchmal total, aber es ist ja das Tolle, dass wir in unserer Welt die Möglichkeit haben, es gibt tausend Alternativen. Also es gibt auch Alternativen zu Instagram und Co. und es gibt auch zu anderen Sachen Alternativen, wozu ich keine Alternative sehe, ist zyklusorientiert zu arbeiten und zu leben, weil das ist, das hat für mich so Klick gemacht, dass es so in uns verankert und das ist ein Geschenk, was wir mitgegeben haben, wo es sich einfach lohnt, den kennenzulernen, den Zyklus da reinzuspüren. Und das einfach auch immer mehr ins Leben und die Arbeit einfließen zu lassen.

[Alex]Glaubst du, dass soziale Medien Zyklusbeschwerden beispielsweise PMS verstärken können?

[Mandy] Ja, definitiv. Definitiv. Also ich glaube, wenn wir jetzt gerade auch bei emotionaler PMS sind, die sich in, ach du Gott, ich kann sie ja in allem äußern. Das kann sich äußern in, was ich vorhin so ein bisschen beschrieben habe, in dieser Wehleidigkeit, nenne ich es jetzt mal in diesem Wehmut vielleicht auch, oder in diesem Hinterfragen, in dieser Spirale sein, ist das jetzt das Richtige für mich?

Zum Beispiel in dem, wenn ich da jetzt natürlich auf Social Media gehe und sehe, oh, da ist jetzt irgendwie eine Expertin oder eine Coachin, in meinem Fall, oh, da ist jetzt ein Zykluscoachin, ich habe damit ehrlich gesagt überhaupt kein Problem. Ich finde es großartig, wie viele Zyklus-Coachinnen es gibt. Aber keine Ahnung, ich bin vielleicht Autorin und gehe dann auf Social Media und sehe, ach guck mal, mir fällt gerade Caroline Wahl ein, weil ich das Buch gerade 22 Bahnen gelesen habe und denke so, oh guck mal, die ist total erfolgreich mit ihrem Buch und ach man, ich kriege es immer noch nicht geschissen, ich kann davon nicht leben. Das verstärkt ja diese Negativspirale, die wir sowieso schon haben. Und dann zu wissen, okay, das ist am Ende, kann es auftreten von Phase 3, da bin ich sehr anfällig für, natürlich verstärkt es das. Also wenn ich nicht auf Social Media wäre, hätte ich vielleicht diese Gedanken auch, aber könnte ganz anders mit denen umgehen. Vielleicht da nochmal einchecken, die Gedanken hinterfragen, sie überhaupt erstmal wahrzunehmen, ist ja schon ein Riesending.

Natürlich zieht dich Social Media, kann dich da total runterziehen. Gleichzeitig kann sich das natürlich auch, also ich bin ja auch ein Freund von Social Media, dich total nach oben bringen, aber definitiv kann es das auch verstärken, ja.

[Alex]Aber wenn ich gerade so überlege, also... Wenn man PMS hat, ist da ja schon auch so ein kleines Sensibelchen, oder ich zumindest. Und wenn man dann quasi in so ein Setting geht, wo man ja im Grunde sagt, bewerte mich, like mich, das kommt ja noch dazu. Und das macht das wirklich auch herausfordernd, dann das sich nicht so zu Herzen zu nehmen, weil alles im Körper ist so sensibel und fragile und ja.

[Mandy]Es ist halt, ich komme immer wieder zurück, das Taylor-Swift-Beispiel. Ich überstrapaziere das heute ein bisschen. Aber das ist so wie, wenn du, also stell dir vor, du hast drei Stunden auf der Bühne, du bist total fertig, du willst vielleicht nur noch ins Bett oder deinen Boyfriend irgendwo in den USA anrufen. Und dann stellt dich jemand auf die Bühne und sagt, so, jetzt mach mal weiter, wir wollen noch 100 Zugaben. Und das wird mir jetzt aber kacke, dass du jetzt nicht mehr tanzt. Wie, deine Stimme funktioniert jetzt nicht mehr.

Also das ist es ja im Endeffekt, was wir ganz oft mit uns selber machen. Wir zerren uns nochmal raus auf die Bühne und verlangen etwas von uns, wofür wir eigentlich gar nicht mehr fähig sind.

Und deswegen finde ich es auch so, also es ist ganz oft so, wenn Frauen auch mit Beschwerden in der ersten Zyklushälfte zu mir kommen, dann frage ich immer als erstes, wie sieht deine Periode aus? Wie sieht deine Menstruationszeit aus? Ja, so wie immer.

Naja, das ist aber dein Ankerpunkt, in dem du ausruhen darfst, in dem du wieder Kraft tankst, indem du bitte nicht auf der Bühne stehst, wenn möglich. Und selbst wenn du musst, kannst du schauen, wie kann ich mir das so gestalten, dass ich trotzdem diesen Auftankmoment erlebe in der Periode.

Und ich glaube, das ist halt etwas, was sich in uns verändern darf. Da sind wir auch wieder bei Selbstwirksamkeit. Du darfst entscheiden. Und das muss nicht immer gleich einen halben Tag in der Horizontalen sein. Es kann auch einfach mal diese zehn Minuten runterfahren sein. Das kann der Kuschelpulli sein. Alles zu tun, damit du dich wohlfühlst in dem, was du auch tust oder was vielleicht auch getan werden muss manchmal, in dem Fall dann muss. Es gibt ja auch Dinge, du kannst deinen Kindern nicht sagen, so, heute hole ich euch nicht vom Kindergarten ab oder so. Und aber da auch immer wieder bei sich selber einzuchecken.

[Ale]Ja, man muss sich ja für die Tage dann vielleicht nicht noch ein aufwendiges Drei-Gänge-Menü planen, sondern kann halt irgendwas anderes kochen.

[Mandy]Kannst du abgeben oder beim Lieferservice bestellen.

Langfristige Veränderungen durch zyklusbasiertes Arbeiten

[Alex]Du bist ja jetzt schon eine Zeit lang auf zyklusorientiertes Arbeiten spezialisiert und kannst du uns vielleicht so abschließend mal so ein schönes Bild zeigen? Also was passiert langfristig, wenn ich dieses Wissen anwende für mein Leben? Was für eine Erleichterung, was für eine Veränderung kann sich da einstellen?

[Mandy]Ehrlich gesagt bin ich, glaube ich, das beste Beispiel. Ich kann ja noch mal kurz mein Beispiel bringen. Also als ich die Pille abgesetzt habe, so ein Jahr danach, habe ich das erste Mal erst kapiert, was PMS sind, vor allem wie vielfältig die sind. Und ich hatte wirklich sehr, sehr, sehr dunkle PMS-Phasen, vor allem auf emotionaler Ebene. Also ich hatte sehr starke depressive PMS.

Gott, wenn ich da jetzt reingebe, wird es wirklich dunkel. Also es waren wirklich Phasen, in denen ich alles hinterfragt habe. Mein komplettes Leben, meine komplette Selbstständigkeit. Ich hatte körperlich so krasse Schmerzen während der Periode. Das waren wirklich, das waren so diese Tage, an denen ich nicht arbeiten konnte, weil es mir einfach körperlich und mental so schlecht ging. Und als ich angefangen habe, so nach und nach, bei mir ist es echt ein sehr langer Prozess gewesen. Ich habe, glaube ich, so 2017, 18 angefangen, mich damit zu beschäftigen. Auch eher so auf so einer oberflächlichen, wie ich jetzt sagen würde, was nicht schlecht ist. Ich finde, jeder, der sich damit beschäftigt, es ist großartig. Egal auf welcher Ebene, weil ich glaube, es bewirkt so viel. Und damals war das eher noch so ein, okay, ich fange mal so ein bisschen anders zu verstehen, habe mich ein bisschen besser verstanden, habe angefangen, meine Aufgaben danach auszuteilen, bin dann auch in viele Fettnäpfchen getreten.

Habe mich selber wieder unter Druck gesetzt, es muss doch jetzt so sein. Und als ich vor allem diese psychologische Ebene herausgefunden habe und geschaut habe, auch auf psychosomatischer Ebene, was kann hinter meinen auch körperlichen und mentalen Symptomen stehen, Und habe ich halt für mich auch wieder rausgefunden, gerade mit Phase 3, mit der Lutealphase, okay, ich lebe gerade nicht das Leben, was ich gerne leben möchte.

Also da kann ganz oft das Thema Exzentrik auch hinterstehen.

Also traue ich mich, das auszuleben, was ich gerne möchte und habe mich dann sehr stark mit dem Thema Beruf und Berufung auseinandergesetzt und musste immer wieder schmunzeln, weil ich, als ich „Go Girl! Run!“ noch gemacht habe, mich immer so dagegen gewehrt habe. Ich bin jetzt Coachin im Sinne von, ich setze mich doch nicht dahin und rede mit Menschen über ihre Probleme.

Und auch mich, ja, irgendwann hat das für mich nicht mehr gepasst und mich dann getraut habe, das aufzugeben. Es war ein Riesending, „Go Girl! Run!“ aufzugeben und zu sagen, ich mache jetzt was Neues. Also dieser krasse Mutmoment, was mir selber dem Moment gar nicht so bewusst war, weil es so, ich habe immer gemerkt, da irgendwas passt hier nicht. Irgendwas war zu eng und mich dann zu trauen, wirklich frei und radikal zu sagen, ich mache was Neues und das in diesem zyklusorientierten Arbeiten und Leben gefunden zu haben und so viele Menschen damit unterstützen zu können.

Das hat sich bei mir wirklich dann auf allen Ebenen ausgewirkt, wo ich am Anfang noch dachte, ich gehe doch jetzt hier nicht zu Alexandra in den Podcast, stelle mich auf eine Bühne und rede über Periode.

Und ohne Scheiß, das ist das Geilste, was ich in meinem ganzen Leben bisher gemacht habe, weil ich das so liebe, weil ich dafür so brenne.

Und das ist ja auch oft was, was sich Menschen wünschen, die es selbstständig machen. Ich will das machen, wofür ich lebe, wofür ich brenne. Und das fühle ich so in jeder Phase meines Körpers.

Und das führt auch dazu, dass ich mittlerweile ein Business führe, mit dem ich so happy bin, wo ich jeden Tag sehe, das wächst, das entspricht mir, das macht Spaß und ich wachse da immer mehr rein.

Vielleicht ist dann auch das Social-Media-Aufgeben etwas, was dazu gehört. Aber ich glaube, das ist so das, wo das hinführen kann, sich selbst nochmal ganz neu zu entdecken, in allen Facetten und gleichzeitig sich dann auch zu trauen, radikal seinen Weg zu gehen. Und ich habe jeden Tag das Gefühl, ich komme noch mehr bei mir an und ich bin so zufrieden mit allem, was ich tue.

Deswegen würde ich jetzt mal mich selber als Best Case nehmen, wo das hingehen kann. Also von, was mache ich hier, es ist doch alles schlimm und schrecklich, hin zu, geil, ich liebe dieses Leben.

[Alex]Aber sogar wenn es jetzt nicht zu dieser exorbitant tollen Version kommt, es ist ja auch schon eine große Erleichterung, vielleicht im Alltag an einzelnen Tagen eben nicht so erschöpft zu sein und zu wissen, wie kann ich jetzt mit diesen Gedanken, die ich habe, vielleicht anders umgehen. Also selbst diese kleinen Snippets, diese kleinen Erleichterungen sind ja oft schon sehr viel wert.

[Mandy]Überhaupt, also ich kämpfe auch wirklich dafür, dass es nicht mehr normal ist, dass wir so lapidar über PMS reden und sagen, ja, ist halt so oder über Periodenbeschwerden.

Also das verändert sich wirklich, je tiefer wir da reingehen, dass du einfach beschwerdefrei auch größtenteils sein kannst. Also auch das, und wie schon sagst, auch in diesen Kleinigkeiten, sich ganz anders in seinem Zyklus zu fühlen. Ich erlebe auch oft, dass Frauen sagen, ich fühle mich so ausgeliefert.

Das verändert sich, wenn du zyklusbasiert arbeitest. Du fühlst dich seltener ausgeliefert oder gar nicht mehr, weil du einfach dich kennst.

Du weißt, was passiert. Du kannst es einschätzen. Und auch da wieder ist wie alles im Leben und dann kommt, glaube ich, dieser Rundschliff wieder zu Social Media.

Es ist ein Prozess, es dauert. Ich arbeite seit 2017, 2018 zyklusorientiert. Ich würde sagen, in den letzten zwei, drei Jahren hat es bei mir so richtig Klick gemacht und bei Social Media erleben wir halt immer, es geht total schnell, mach diese fünf Schritte und dann bist du da und das ist halt etwas, was ich einfach unglaublich gerne mitgebe.

Es dauert, es ist ein Prozess, aber er lohnt sich und er wird sich den Rest deines Lebens auszahlen, weil wenn du vielleicht die letzten 10, 15, 20 Jahre nicht zyklusbewusst gelebt hast, dann darfst du da ja erstmal reinkommen. Und es wird dir in so vielen Bereichen deines Lebens helfen, auch wenn du in. Ich vertausche mal Prä- und Perimenopause, also in die Wechseljahre kommst und auch die Zeit danach, auch da wird dir das super hilfreich sein und es hilft auch anderen Menschen, um dich herum zu verstehen. Also du merkst schon, ich bin total on fire.

[Alex]Ich glaube, Bedürfnisorientierung ist zu jeder Phase des Lebens eine sehr, sehr gute Idee und egal ob für sich oder mit anderen.

[Mandy]Ja, genau.

[Alex] Ja, Mandy, ich freue mich sehr, dass du da warst, dass wir jetzt wissen, wie wir unsere innere Taylor Swift channeln können. Ein sehr schönes Bild, das ich jetzt definitiv nutzen werde immer. Ja, also vielen, vielen Dank für dein Wissen und deine ganzen Tipps heute. Dankeschön.

[Mandy]Sehr, sehr gerne.

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Nein, soziale Medien sind nicht kostenlos 🤑

„Social-Media-Marketing ist kostenlos. Und deshalb wäre man ja ganz schön dumm, wenn man keine sozialen Medien fürs Marketing nutzen würde.“ – Ich glaube, dass die meisten Selbstständigen diese Aussage kennen. Vielleicht auch du? Und da nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte, gucke ich mir diesen Spruch genau an und sage, warum meiner Meinung nach das Gegenteil der Fall ist.

„Social-Media-Marketing ist kostenlos. Und deshalb wäre man ja ganz schön dumm, wenn man keine sozialen Medien fürs Marketing nutzen würde.“

Ich glaube, dass die meisten Selbstständigen und Unternehmen diese Aussage so oder so ähnlich bereits irgendwo gehört oder gelesen haben. Vielleicht auch du?

Und da ich denke, dass nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte als dieser Spruch, gucke ich ihn mir in dieser Podcastfolge genau an und sage, warum meiner Meinung nach das Gegenteil der Fall ist.

Das wird heute übrigens die letzte Folge vor der Sommerpause.

Ich habe mich dazu entschieden, den August mal freizumachen, um mich anderen Projekten zu widmen. Und ich melde mich dann wieder Anfang September mit neuen Podcastepisoden.

Aber jetzt wünsche ich dir erst einmal viel Spaß mit dieser Folge.

Folge anhören

Transkript lesen

Ja, soziale Medien sind nicht kostenlos. Aber gucken wir uns das jetzt mal ganz genau und Schritt für Schritt an.

Social-Media-Marketing kostet Geld

Reden wir zunächst einmal über Geld.

Natürlich können wir uns kostenfrei bei sozialen Medien anmelden

Wir müssen nichts bezahlen, wenn wir uns einen Account anlegen, wir müssen nichts zahlen, wenn wir uns ein schönes Profil erstellen, ein Bild hochladen, dann Inhalte teilen, auf Kommentare reagieren, mit anderen Menschen schreiben oder andere Beiträge kommentieren oder teilen.

Das alles kostet erst einmal keinen einzigen Cent. 

Und deshalb mag es naheliegen zu denken, dass auch Social-Media-Marketing nichts kostet. Doch das ist nicht der Fall. 

Zunächst einmal:

Wer professionell Social-Media-Marketing betreiben will, benötigt in der Regel einige Tools dafür. Bei mir waren es früher zum Beispiel, Planungstools, ein Grafikdesigntool wie Canva, Bildbearbeitungstools, Tools zum Videosschneiden. Und so weiter, und so weiter.

Es ist natürlich sehr individuell, wie das Social-Media-Marketing jetzt im einzelnen konkret aussieht, aber es gibt definitiv laufende Kosten fürs Social-Media-Marketing im zwei- bis dreistelligen Bereich pro Monat

Das mag jetzt für die einen überhaupt kein Problem sein, für andere wiederum kann schon das eine gewisse finanzielle Belastung darstellen.

Aber die laufenden Kosten für die Tools sind gerade erst der Anfang. Selbst das beste organische Social-Media-Marketing wird früher oder später an seine Grenzen kommen, sodass in den meisten Fällen Werbeanzeigen geschaltet werden müssen.

Vor einigen Jahren konnte man vielleicht mit organischem Social-Media-Marketing tatsächlich noch Menschen erreichen und mit Social Media Menschen auf die eigene Website bringen, wo es dann den Newsletter gab oder andere Angebote. Aber inzwischen hat das leider nichts mehr mit der Realität zu tun. 

Das heißt:

Selbstständige und Unternehmen müssen für die wichtigen Sachen meist mit Werbeanzeigen arbeiten. Und die kosten natürlich Geld. 

Auch hier sind es ja nicht nur die Kosten für die Anzeigen an sich, sondern auch, vor allem am Anfang, etwas Lehrgeld, bis man wirklich gute Zielgruppen aufgebaut hat und die beste Kombination aus Text und Bild oder Text und Video kennt. 

Das alles weiß man ja nicht plötzlich, das ist ja keine Eingebung, die man dann hat, sobald die Werbeanzeige online geht, das alles muss man herausfinden, das alles muss man Schritt für Schritt testen – und das kostet Geld.

Man kann jetzt natürlich Expert*innen beauftragen, die ein gewisses Wissen haben und eine langjährige Erfahrung haben und diese Testphase deutlich abkürzen können. Aber auch hier: Die Hilfe von Expert*innen kostet wiederum Geld.

Und da wir gerade so schön beim Thema outsourcen sind: Auch beim organischen Social-Media-Marketing können wir uns natürlich jederzeit Unterstützung holen, z.B. in Form von virtueller Assistenz, aber auch hier müssen wir für die Unterstützung zahlen.

Wenn wir uns dafür entscheiden, das Social-Media-Marketing ganz alleine zu machen, dann werden wir in den meisten Fällen auch nicht um Weiterbildungen drum herum kommen. Denn, was auf Social Media funktioniert, das ändert sich regelmäßig und natürlich müssen wir dann up to date bleiben, was gerade gut auf Social Media geht. Und Weiterbildungen, Kurse, Coachings, Workshops, du ahnst es, sie alle kosten natürlich Geld.

Meistens einen dreistelligen Betrag, aber oft auch einen höheren vierstelligen Betrag.

Ja, Social-Media-Marketing kostet Geld, aber das ist gerade erst der Anfang. 

Social-Media-Marketing kostet Zeit

Denn in der Berechnung, was uns soziale Medien kosten, plädiere ich sehr dafür, nicht nur Geld mit einzubeziehen, sondern z.B. auch Zeit.

Denn die Zeit, die wir für Social Media aufwenden, die ist unsere Lebenszeit

Und, ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich möchte sehr, sehr bewusst und sehr achtsam mit meiner Zeit umgehen. Denn die Zeit, die ich für etwas aufwende, die kriege ich nun einmal nicht wieder zurück. Das ist beim Geld vielleicht manchmal anders.

Und ja, bei mir waren es jeden Tag 1 bis 2 Stunden, manchmal noch mehr für Social-Media-Marketing gewesen.

Das sind schon nach 1,5 Jahren über 1000 Stunden, die ich für soziale Medien gebraucht habe. Und das ist ja nicht nichts. Also das ist eine ganze Menge, finde ich. 

Und indem wir JA zu 1000 Stunden Social Media sagen, sagen wir ja automatisch NEIN zu 1000 Stunden für irgendwas anderes.

Und ob das ein guter Deal, ob das ein gutes Investment ist, das kann ich für dich natürlich nicht beantworten. 

Für mich persönlich war es das nicht und du kannst für dich überprüfen, ob es dir da vielleicht ähnlich geht.

Social-Media-Marketing kostet Energie

So, jetzt haben wir ausführlich über Geld und über Zeit gesprochen. Und hinzu kommt auch noch die Energie oder Kraft, die uns Social-Media-Marketing kosten kann.

Vielleicht ist es bei dir so, dass du jetzt gar nicht weißt, wovon ich rede.

Vielleicht ist es bei dir so, dass dir das Posten und das Videos-Drehen und das Kommentieren usw. gar nichts ausmachen oder zumindest nicht so viel ausmachen. Vielleicht fühlst du dich danach genauso wie vorher oder du ziehst sogar Kraft aus den Interaktionen auf Social Media.

Wenn das so ist, dann herzlichen Glückwunsch. Das ist natürlich großartig für dich. 

Vielleicht merkst du aber, dass dich Social-Media-Marketing eher Kraft kostet. Das heißt, dass du, nachdem du soziale Medien genutzt hast oder livegegangen bist oder zwei Stunden damit verbracht hast, ein Reel zu erstellen, das nur zehn Menschen sehen, eher erschöpft bist und ausgelaugt und, ja, einfach weniger Kraft hast als vorher.

Und in diesem Fall wäre es aus meiner Sicht sehr wichtig, sich zu fragen, ob man diese Kosten langfristig tragen will oder ob einem der Preis für Social-Media-Marketing langfristig dann doch zu hoch ist.

Social-Media-Marketing kostet Gesundheit

Denn wenn man ständig über seine Grenzen geht, wenn man ständig seine Kraft richtig aufbraucht, dann kann es sein, dass die körperliche oder mentale Gesundheit langfristig Schaden nimmt.

Ich habe es bei mir damals definitiv so gespürt und mir war sehr bewusst, dass ich Social-Media-Marketing nicht mit meiner Gesundheit bezahlen will. 

Dass mir dieser Preis einfach viel zu hoch wäre.

Und genau diese Frage sollten sich aus meiner Sicht auch Selbstständige stellen, wenn sie Social Media fürs Marketing nutzen: Bezahle ich die tägliche Online-Präsenz auf Social Media mit meiner Gesundheit? 

Das ist definitiv keine einfache Frage und das ist keine einfache Entscheidung. Und vielleicht müssen wir sie uns gerade deshalb alle so dringend stellen.

Wir sind immer noch nicht am Ende. Ich habe noch zwei Punkte, über die ich sprechen möchte.

Social-Media-Marketing kostet Beziehungen

Und das sind zum einen: Beziehungen.

Soziale Medien können uns unsere Beziehungen kosten. Ich weiß, dass da nicht so viele Menschen darüber sprechen, weil meistens geht es darum, Beziehungen auf sozialen Medien zu inszenieren.

Doch ich finde, es lohnt sich, mal darüber nachzudenken, ob ich im realen Leben immer öfter nein zu Menschen aus Fleisch und Blut sage, um etwas auf Social Media stattdessen zu tun.

Bei mir war das früher klassischerweise der Abend, der laut Instagram Analytics die beste Zeit für mich wäre, etwas zu posten und mit meinen Follwern zu interagieren. Aber diese Zeit kollidierte damals mit den Schlafengehzeiten der Kinder. 

Natürlich hat mein Mann die Kinder ins Bett gebracht, aber ich wollte ja nicht sagen: 

„So für die nächsten Jahre muss ich um 20 Uhr was auf Instagram posten und kann euch jetzt nichts mehr vorlesen. Das wird jetzt immer der Papa machen.“

Natürlich wusste ich, dass mir meine Kinder wichtiger waren als Instagram. Und dennoch habe ich immer wieder versucht, abends auf Instagram zu posten, habe versucht, beidem gerecht zu werden, und hab vermutlich deshalb nichts von allem richtig gut gemacht.

Ja, das war nur ein Beispiel von mir früher. Aber ich glaube, wenn man erst einmal anfängt zu gucken, wie sich Beziehungen zu unseren Kindern, Eltern, Partner*innen, Freunden, Bekannten, Nachbarn usw. durch soziale Medien verändern, dann merken wir, dass da irgendwas ist. Wir können mal innehalten und überlegen, was wir davon eigentlich wollen. 

Social-Media-Marketing kostet Daten

Nun bleibt noch ein Aspekt, über den ich unbedingt sprechen muss, und das sind unsere Daten.

Denn Gesundheit und Zeit und Energie und Beziehungen, das mag alles eine sehr individuelle Geschichte sein, aber mit Daten zahlen alle, die soziale Medien nutzen.

Du weißt bestimmt, dass das Geschäftsmodell von Facebook und Co. darauf beruht, dass Menschen, die diese Plattformen nutzen, Daten hinterlassen, und dass die Plattformen diese Daten sammeln, analysieren, kategorisieren und an Werbetreibende weiterverkaufen.

Das fängt schon damit an, dass wir jede Menge Daten von uns preisgeben, wenn wir uns bei einer Social-Media-Plattform anmelden. Da ist unser Name und unsere E-Mail-Adresse und der Wohnort und ganz viele weitere Informationen. Und wenn wir dann anfangen zu posten und zu liken und zu kommentieren, dann werden es immer mehr Daten, die die Plattformen über uns sammeln.

Und selbst wer nur relativ passiv ist und durch den Feed scrollt zum Beispiel, hinterlässt Datenspuren. Selbst wenn jemand drei Sekunden überlegt, bevor sie weiterscrollt, wird diese Information gespeichert. Alles wird gespeichert.

Es gibt seit einiger Zeit ja jetzt auch ein Bezahlmodell bei Facebook und Instagram, wo einem keine personalisierte Werbung gezeigt wird. Aber auch hier ist es ganz wichtig zu wissen: Diese Daten werden ja trotzdem gesammelt, analysiert, kategorisiert und gespeichert. Sie werden, solange wir dafür zahlen, nicht genutzt, um uns Werbung zu zeigen, ja. Aber das Sammeln der Daten hört auch beim Bezahlmodell nicht auf.

Und die Frage ist, ob wir das so wollen oder nicht.

Ob wir Social-Media-Marketing zahlen wollen mit Geld, mit Zeit, mit Energie, mit Kraft, mit unserer Gesundheit und mit unseren Daten.

Denn man kann schon eine Menge anstellen mit dieser unvorstellbar großen Datenmenge von inzwischen mehreren Milliarden Usern.

Aber das ist ein Thema für eine andere Podcast-Folge.

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Facebook-Konto gehackt und dann? Interview mit Judith Peters

In dieser Podcastfolge habe ich Judith Peters zu Gast. Judiths Facebook-Konto wurde vor einiger Zeit gehackt und das hatte viele ernste Folgen für Judiths Marketing und Unternehmen.  Welche genau? Die ganze aufregende Geschichte wird uns Judith heute erzählen. Und wir werden am Ende auch noch über den Blog als Marketingkanal sprechen, denn der ist Judiths große Liebe.

In dieser Podcastfolge habe ich Judith Peters zu Gast. Judiths Facebook-Konto wurde vor einiger Zeit gehackt und das hatte viele ernste Folgen für Judiths Marketing und Unternehmen.

Vielleicht kennst du Judiths Geschichte bereits aus meinem Buch „No Social Media!“. Da habe ich nämlich auch schon drüber gesprochen.

Wenn nicht, dann wird Judith uns die ganze aufregende Geschichte auch noch mal hier in ihren eigene Worten erzählen.

Und wir werden am Ende auch noch über den Blog als Marketingkanal sprechen, denn der ist Judiths große Liebe.

Folge anhören

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Hackerangriff aufs Facebook-Konto

[Alex] Ja, hallo Judith. Es ist schon ein bisschen her, also nicht mehr ganz so frisch, aber du wurdest vor einiger Zeit von Facebook gesperrt. Hast du was verbrochen oder was ist da passiert?

[Judith] Also ich weiß immer noch nicht genau, wie das passieren konnte, aber am 13. November 2022, also mittlerweile über eineinhalb Jahre her.

[Alex] Und du kennst auch noch das Datum.

[Judith] Ja, ganz schlimm. Ich kenne das Datum. In- und auswendig. Wurde ich plötzlich gesperrt und ich war erst mal so ratlos. Warum denn? Weil mir wurde ja nichts gesagt, warum ich gesperrt war. Ich stand einfach nur da. Ja, auf Lebenszeit gesperrt. Kannst nichts mehr machen. Und ich dann so, hä?

Und dann kam noch irgendwie so, dass auch noch meine Teammitglieder dann gesperrt wurden. Also irgendwie so alle, so bam, bam, bam, bam, bam. Und ich dann nur so: Hä, was ist denn hier passiert?

Also es hat dann ein paar Tage gedauert, bis wir das volle Ausmaß erkannt haben, was da wirklich passiert ist.

Und passiert ist da, dass Hacker mein Konto übernommen haben – also ich hatte damals schon Zwei-Faktor-Authentifizierung und ich hatte ein starkes Passwort. Wir wissen also nicht, wie das passieren konnte – und die Hacker haben in meinem Namen, auf meinem normalen Profil und in der Facebook-Gruppe von meinem Blog-Kurs sehr anstößige Inhalte gepostet, die durch diesen KI-Filter und durch die User bei Facebook, die das dann melden, sofort zu einer lebenslangen Sperre führt.

Und das haben die gemacht, damit die mein Werbekonto ausnehmen konnten. Das ist passiert.

[Alex] Krass, also du hattest eine Zwei-Faktor- Authentifizierung drin und die haben es trotzdem hacken können und jetzt eineinhalb Jahre später, du meintest ja, du kennst noch das Datum, weißt du trotzdem noch nicht, wie das passieren konnte? Also wie sie...

[Judith] Also wir haben so ein paar Verdachtsmomente, zum Beispiel könnte es sein, dass es durch eine Session-IP-Hijacking-irgendwas, ich weiß es nicht genau, dass das irgendwie der Fall war, weil wenn man dann irgendwo sich an einem Flughafen ins WLAN einloggt, kann es dann vielleicht irgendwie passieren.

Oder in der Zeit damals wurden dann auch Facebook-Mitarbeiter entlassen, weil sie Kundendaten verkauft haben sollen, weil sie so, ja, wie soll ich sagen, also so unglücklich darüber waren, dass Facebook sie entlassen wollte und dann haben sie sich quasi aus Rache der Daten bedient und sie dann halt im Darknet oder sonst irgendwo verkauft.

Also wir wissen es nicht. Wurden unsere Daten verkauft, unsere Zugangsdaten oder wurde ich abgefangen? Keine Ahnung.

[Alex] Und was haben dann die Leute, die gehackt haben, dann mit deinem Konto angestellt? Was haben die dann genau gemacht? Also du hast gesagt, die haben Zugriff auf dein Werbekonto gekriegt?

[Judith] Ja, sie wollten mein Werbekonto ausnehmen und haben versucht, mein Limit auf 60.000 Euro hochzusetzen.

[Alex] Okay.

[Judith] Das ist absurd. Sie konnten zweimal 750 Euro für ihre komischen, also für so eine Bewerbung von so einem Online-Shop, konnten sie dann tatsächlich einsetzen.

Das Geld haben wir dann aber auch sofort von der Bank zurückbekommen. Also in der Hinsicht ist uns kein Schaden entstanden.

Ich habe dann erst vor kurzem herausgefunden, was sie da eigentlich beworben haben. Es waren irgendwelche Stifte und Marker und irgendwas zum Zeichnen, also irgendwas völlig Banales, Bescheuertes.

Dafür hacken die Leute irgendwelche Konten und verursachen einen Schaden, der zigmal höher ist, als diese Werbeausgaben, die sie versucht haben, von mir da so rauszupressen aus meinem Werbekonto. Es ist wirklich unfassbar.

Also ich habe auch schon Freunde, die wurden gehackt und dann wurden mir in ihrem Namen irgendwelche Dessous-Webseiten beworben oder irgendwas. Bei mir waren es Stifte.

[Alex] Okay. Und dann hast du gesagt, dass die Sperrung nicht nur dich betroffen hat, sondern auch noch weitere Menschen, die irgendwie mit dir zu tun hatten. Also in deiner Facebook-Gruppe war das, oder?

[Judith] Ja, das ist nämlich so, das wussten wir auch nicht. Wenn in einer Facebook-Gruppe etwas Anstößiges gepostet wird, wird nicht nur derjenige, der das gepostet hat, gesperrt, sondern auch alle Admins dieser Gruppe. Das wussten wir nicht.

Und ich hatte natürlich alle meine Teammitglieder als Admin in dieser Gruppe, weil die natürlich auch posten sollten und weil sie diese Gruppen verwalten mussten. Und dann waren insgesamt zehn Leute gesperrt. Es ist echt der Hammer.

Und dann eben auch so gesperrt, dass man dann, egal, was man macht, immer gegen eine Wand läuft. Also da kommen immer solche automatisch generierten Textblöcke als Antwort zurück: „Ja, wir haben das eingehend geprüft.“

Ja klar, nach einer Minute kommt eine eingehende Prüfung von Facebook und sagt dir: Nö, du bist trotzdem auf Lebenszeit gesperrt, weil wir sind der Meinung, dass du nicht unseren Gemeinschaftsrichtlinien entsprichst und bla bla bla. Es ist echt zum verrückt werden.

Kampf um die Kontowiederherstellung

[Alex] Und kannst du das nochmal so rekonstruieren, was du versucht hast, um wieder an dein Konto zu kommen? Was war erfolgreich, was war nicht so erfolgreich, was hast du dann gemacht?

[Judith] Also ich glaube, ich habe das meiste schon verdrängt, weil es so furchtbar war. Ich meine, die Leute denken sich dann, ja, ist doch nur eine Facebook-Sperre. Aber eine Facebook-Sperre mit so einer Anschuldigung von Facebook, dass du hier strafrechtlich relevante pornografische Inhalte gepostet haben solltest, also das ist schon echt, das macht was mit einem. Also das war unglaublich bedrückend.

Und natürlich haben wir erst mal versucht, unsere Kontakte bei Facebook irgendwie zu kontaktieren. Wir hatten einen Ansprechpartner bei Facebook, der dann aber sofort untergetaucht ist. Der hat uns geghostet, als es dann dieses Problem gab. Weitere Ansprechpartner haben wir nicht zu fassen bekommen.

Dann haben wir versucht, über unsere Facebook-Werbeexpertin, also die unsere Ads schaltet, dann durch ihre Kontakte irgendwas zu erreichen, hat auch zu absolut rein gar nichts geführt. Und das Einzige, was dann wirklich geholfen hat, war eine einstweilige Verfügung durch einen Anwalt. Alles andere kann man sich echt sparen. Das ist echt krass.

[Alex] Das heißt, man kann dann in der Situation nicht erwarten, dass Facebook einem da so ein bisschen hilft.

[Judith] Absolut gar nicht. Das Absurde ist ja, ich habe ja immer gedacht, naja, ich meine, wir haben doch einen Ansprechpartner und wir haben ja so übers Jahr gesehen immer wieder so Launches, wo wir dann auch Geld investieren.

Facebook sollte doch ein Interesse daran haben, dass wir da aktiv tätig sein können. Aber Pustekuchen, das ist so krass, wie dich Facebook im Regen stehen lässt und es ist denen auch vollkommen egal, ob du mitten im Launch bist, so wie wir damals, und ob wir eigentlich ein Werbebudget hatten von mehreren tausend Euro, was wir dort hätten investieren wollen, aber nee, das interessiert die absolut rein gar nicht.

[Alex] Und wenn jetzt jemand zuhört, die vielleicht auch davon betroffen ist, kannst du irgendwie so einen Tipp geben, so im Nachhinein hättest du vielleicht irgendwas machen können oder früher etwas machen können, was sich als effektiver herausgestellt hat oder ist da irgendwie alles verloren?

[Judith] Also, letztendlich hatten wir Zwei-Faktor-Authentifizierung, aber es war übers Handy und die ist angeblich nicht so sicher.

Sicherer ist die Zwei-Faktor-Authentifizierung mit so einem USB-Schlüssel, mit so einem USB-Stecker, den man wirklich reinsteckt und dann den Finger draufhalten muss. Das haben wir uns dann geholt und seitdem ist wirklich Ruhe.

Also wir wurden ja versucht oder innerhalb von fünf Wochen wurde dreimal versucht, unser Konto zu hacken. Eineinhalb Mal davon war erfolgreich. Also einmal dieser große Hack, dann nochmal später ein kleiner Hack und im dritten, da hatten wir dann die Hardware-Schlüssel, da konnten sie nichts mehr ausrichten.

Also, jeder, der irgendwie beruflich Facebook nutzt oder auch Instagram, sollte sich einen Hardware-Schlüssel holen für die Zwei-Faktor-Authentifizierung.

Aber an sowas denkt man halt nicht. Man denkt, ja, man hat doch eine 2FA und wie soll denn das umgangen werden? Aber ich kenne viele, bei denen die normale Zwei-Faktor-Authentifizierung am Handy komplett wirkungslos war.

[Alex] Auch andere Online-Unternehmerinnen?

[Judith] Ja.

[Alex] Okay. Kann es sein, dass dann Leute irgendwie gezielt jetzt auch so auf Kleinunternehmen gehen? Ich weiß nicht.

[Judith] Ich glaube nicht. Ich glaube, die machen das einfach, das ist, ich vermute, es ist automatisiert und das ist denen auch vollkommen egal, ob das ein großer Name ist, ein kleiner Name, ob da überhaupt ein Werbekonto dahinter hängt. Das sehen sie ja erst, wenn sie sich eingehackt haben.

Also ich glaube, die machen einfach so Masse, Masse, Masse und gucken dann, wo sie reinkommen und wie viel sie dann da rauspressen können. Und alles andere ist denen, glaube ich, vollkommen egal.

[Alex] Ich weiß, eine Sperrung kommt jetzt nie zur richtigen Zeit wie, keine Ahnung, eine Erkältung oder so, aber was hat denn damals für dich das genau bedeutet für dein Marketing? Ihr wart im Launch oder was hatte das für Auswirkungen?

[Judith] Der größte Launch des Jahres für uns, das ist immer im Dezember und das war eben dann Mitte November, wo wir dann diese Werbeanzeigen wirklich dann schon getestet haben. Dann wollten wir sie hochskalieren und dann genau an dem Tag, wo wir sie hochskalieren wollten, kam diese Sperre und wir dachten dann so, oh ja, super und was jetzt?

Weil, wie gesagt, die größte Kampagne des Jahres und wenn das dann eine Bauchlandung ist, dann ist das finanziell für uns wirklich ein Drama.

Also das ist dann wirklich schwierig, weil wir haben ja auch ein Team und wir haben ja eine Familie mit drei Kindern und das ist ja unser Business, das ist ja das, wovon wir leben.

Und dann hatten wir aber das große Glück, dass dann viele in meinem Umfeld unseren Launch, also unsere Kampagne, unsere Blog-Challenge geteilt haben und das hat dann viel, sehr viel aufgefangen und das war dann wirklich großartig.

Aber natürlich ist dann da trotzdem dieses Problem, dass wir dann kein Werbekonto hatten und wir wussten auch nicht, wann das wieder kommt.

Und wir konnten insgesamt ein halbes Jahr dann nicht richtig launchen, weil wir ein halbes Jahr gebraucht haben, bis mein Werbekonto wieder hergestellt war.

Also hergestellt auch nur so in Anführungszeichen, weil alle früheren Kampagnen, alles war weg. Also das, worauf man sich immer bezieht, mit dem man so Lookalike Audiences kreiert oder alles, das war komplett weg. Und ich habe so eine Art frisches Konto bekommen, kommen, mit dem ich dann aber auch gar nicht mehr so viel anfangen konnte, weil alle Daten weg waren.

Marketing ohne Facebook

[Alex] Das heißt, welche Rolle spielt jetzt Facebook und Werbeanzeigen bei dir jetzt im Marketing? Nutzt du das wieder oder hast du jetzt inzwischen andere Alternativen gefunden?

[Judith] Ja, man wird natürlich dann schon kreativ, wenn diese Möglichkeit wegbricht, also gezwungenermaßen. Aber es ist jetzt auch so, dass wir nicht mehr mein Werbekonto nutzen, also das, das an meinem Namen hängt, sondern wir nutzen jetzt andere Konten, also zum Beispiel von der Facebook-Expertin oder irgendwie so, dass, wenn ich gehackt werde, sowas nicht wieder passieren kann.

Und dann haben wir uns natürlich auch überlegt, okay, was machen wir jetzt? Und dann kamen dann immer so schlaue Leute daher, die gemeint haben, wenn du auf Facebook gesperrt bist, dann geh doch auf Instagram. Die also überhaupt nicht checken, dass das zusammengehört. Also völlig Banane.

Oder dann auch so schlaue Leute wie... Wenn Facebook nicht geht, dann macht doch Werbeanzeigen auf YouTube. Also auch in der völligen Ignoranz, dass das eine ganz andere Plattform ist, wo man nicht einfach Bilder posten kann, sondern Videos machen muss und das ganz anders funktioniert.

Also da kamen viele Leute mit vielen schlauen Ratschlägen und wir haben dann einfach eben dann geschaut, okay, wie können wir das nutzen, was wir schon haben, wie können wir mehr über die E-Mail-Liste machen, wie können wir mehr organisch machen, wie können wir mehr den Blog nutzen.

Also wirklich den Blog, den ich ja dann schon seit 18 Jahren hatte, um noch mehr Leute für unsere E-Mail-Liste zu gewinnen und dann da eben das Wachstum zu kompensieren.

Aber ich muss ganz ehrlich gestehen, also egal, was wir gemacht haben, wir konnten dieses Wachstum, was wir sonst mit Werbeanzeigen haben, nicht wirklich kompensieren.

Also es ist schon krass, wie gut dann doch diese Plattformen funktionieren und wie sehr das dann so ein Einschnitt ins Marketing bedeutet, wenn diese Plattformen wegfallen wegen einer ungerechtfertigten Sperre.

[Alex] Das ist tatsächlich auch meine Erfahrung. Also personalisierte Werbung ist einfach so mächtig, da kommt nichts ran im Grunde. Also es gibt Alternativen, aber so kurzfristig ist, glaube ich, personalisierte Werbung wirklich am effektivsten.

Und du hast gesagt, ihr habt so ein bisschen auch euer Netzwerk genutzt. Also dann haben andere Leute das geteilt, eure Blog-Challenge zum Beispiel. Ist das so etwas, was du in den letzten Monaten auch so wertgeschätzt hast, so ein Netzwerk oder spielt das jetzt nicht mehr so wieder die Rolle, wenn du jetzt Facebook wieder hast?

[Judith] Also ich bin ja schon gut in diesem Netzwerk-Thema drin, aber ich möchte die Leute nicht immer darum bitten, dass sie meine Challenge teilen sollen, weil das war für mich damals aus der Not geboren.

Aber ich fühle mich dann immer so ein bisschen so, ja, teile meine Challenge. Du kriegst zwar nichts dafür, aber tue es doch einfach mal. Also das ist so ein bisschen so, oh. Also da müssen wir uns vielleicht andere Strategien oder Möglichkeiten überlegen, wie es sich auch für die anderen lohnt, das zu teilen, auch wenn jetzt nicht mein Unternehmen irgendwie in so einer schwierigen Situation ist. Also das ist natürlich etwas, was wir uns überlegen können.

Und ja, ich habe dann ja auch, also wir haben ja da noch Pinterest versucht. Das hat bei uns auch nicht funktioniert. Wir haben es sogar mit einer Agentur versucht, die da richtig gut sein soll, und sind dann bei 20 Euro Lead-Kosten gelandet pro Person.

Das war echt alles sehr, sehr verrückt. Und es ist halt einfach krass, wie abhängig man dann wirklich von Facebook ist, wenn man da Werbeanzeigen schaltet, weil es einfach so eine gut funktionierende Plattform ist. Und egal, was wir versucht haben, nichts funktioniert annähernd so gut wie Facebook. Es ist echt schlimm.

Veränderungen in der Social-Media-Nutzung

[Alex] Hat denn der Vorfall irgendwas an deiner Haltung zu sozialen Medien geändert?

[Judith] Ja, also. Ich hatte schon immer so eine gewisse Hassliebe zu Social Media, weil ich schon auch sehr früh erkannt habe, dass wir da eigentlich unsere Zeit verschwenden.

Also es ist ein ständiges Rumgescrolle. Man scrollt da durch das Handy und dann sind plötzlich 30 Minuten vorbei. Man weiß gar nicht, was habe ich denn jetzt gemacht?

Weil man merkt dann irgendwie so, man wollte nur mal gucken, was kommentiert wurde im Kurs und dann ist da aber eine Benachrichtigung und dann schaut man ein Reel und wenn man ein Reel schaut, schaut man 100 und dann ist irgendwie der halbe Tag weg. Das ist echt schlimm.

Und das war schon mal so ein Ding, wo ich dann immer sofort gemerkt habe, ah, das ist irgendwie, das ist nicht gut, es tut mir auch nicht gut.

Aber ich habe halt immer gesagt, naja, aber Social Media ist meine kreative Spielwiese, es macht so Spaß, es ist ja auch in Ordnung, wenn es dann Spaß macht. Bis es dann keinen Spaß mehr gemacht hat, weil ich gesperrt wurde und zehn meiner Teammitglieder und wir da nicht rauskamen aus diesem Kafka-esken Wahnsinn.

Und seitdem habe ich so eine Haltung entwickelt, dass ich sage, ich nutze Social Media eigentlich nur noch als öffentlichen Newsletter für mein Business und melde dich hier an und lade jetzt das Freebie herunter. Also immer mit so einem Call to Action. Tu das, mach das. Es hat also komplett seine Leichtigkeit verloren oder dieses Unbeschwerte.

Und alles, was ich jetzt mache, muss jetzt irgendwie auf mein Business einzahlen, damit sich das lohnt für mich, dort meine Zeit zu investieren.

[Alex] Okay. Also das heißt, du bist dann nicht mehr so zum Spaß da, zum Rumdaddeln oder zum Zeitvertreiben, gar nicht mehr?

[Judith] Nein, nein. Also dieser Zug ist abgefahren bei Facebook und Instagram. Und ja, also ich kann jetzt auch nicht behaupten, dass es jetzt irgendwie besonders schlimm wäre, weil diese Leichtigkeit und diesen Spaß habe ich nach wie vor im Digitalen und es ist immer noch auf meinem Blog.

Also mein Blog, das Feature oder das Format, was mich nie enttäuscht hat. Das ist so meine große digitale Liebe, die eben immer funktioniert, die immer für mich da ist, wo ich nicht gesperrt werden kann und wenn dann doch mal was passieren sollte, habe ich immer meine Backups.

Also das ist einfach ein ganz anderes digitales Leben. Ich kann es gar nicht ausdrücken. Es ist anders als in Social Media, wo ich komplett ausgeliefert bin. Und bei meinem Blog habe ich die komplette Hoheit über alles. Und da kann mir das einfach nicht passieren.

[Alex] Du hast schon gesagt, du bloggst seit 18 Jahren. Mein Gott, das ist in der Online-Welt echt mal eine Ansage. Wie hat denn das Ganze angefangen mit dem Blog? Wie ist diese Blog-Liebe entstanden?

[Judith] Ich habe ja damals gedacht, alle um mich herum bloggen schon. Das war eine sehr, also ich war in so einer Blase und da habe ich gedacht, ich möchte jetzt auch bloggen und das ist so cool und das war so eine neue optimistische Zeit, wo dieses Internet gerade so das Leben durchdrungen hat.

Das war Mitte der Nuller Jahre und da habe ich einfach gesagt, okay, das möchte ich jetzt auch und dann hat mir ein Freund geholfen, den Blog aufzusetzen und dann habe ich einfach losgelegt und das war ein Lifestyle-Blog damals.

Ich habe einfach über alles Mögliche gebloggt. So ein bisschen, wie man heute vielleicht so Instagram bedient, wenn man nicht so einen starken Business-Fokus hat. Man postet einfach alles Mögliche. Und so habe ich dann auch angefangen. Und dann habe ich mich, also ich habe 2005 angefangen zu bloggen.

Und dann habe ich mich 2009 selbstständig gemacht. Und das war dann zwar immer noch ein Lifestyle-Blog, aber ich habe sofort gemerkt, ich kann das nutzen für mein Business.

Und das war dann für mich das beste Sprungbrett, um dann eben in meiner Selbstständigkeit gut gefunden zu werden. Und so hat sich das zu einem Business-Blog entwickelt. Und heute ist es dann eben so eine Mischung aus einem persönlichen Unternehmens-Blog. Also so würde ich das heute nennen. Es hat sich immer so gewandelt.

Und heute ist dann so der Punkt, wo ich sage, jetzt fühle ich mich richtig wohl mit der Art, wie ich blogge. Ich möchte keinen Lifestyle-Blog haben, aber ich möchte, dass es für mein Business sinnvoll ist und mir Kunden bringt, aber dass es mir immer noch Spaß macht. Und daran hat sich das zum Glück entwickelt.

[Alex] Und deshalb hast du so einen Mix an Themen. Also ich finde, du hast ja nicht nur diese typischen Business-Themen, sondern machst auch, keine Ahnung, so Rückblicke im Monat. Und ich glaube, 12 von 12 nennt sich das. Erzähl mal, was machst du da so alles auf dem Blog?

[Judith] Genau. Also ich finde ja nichts langweiliger, als wenn ein Texter nur über das Texten bloggt oder ein Fotograf nur über das Fotografieren. Das finde ich echt ultra langweilig.

Und das ist dann für mich auch kein Grund, jemanden zu buchen, sondern für mich ist ein Grund, jemanden zu buchen, dass ich diese Persönlichkeit rauslesen kann. So passt diese Person zu mir. Und das kann ich besonders gut durch persönliche Blogartikel so herausspüren.

Und ich finde es immer schade, wenn Leute nur so Expertenartikel bloggen. Das finde ich echt so, das kann doch jeder. Ja, und deswegen ist eben auch die Empfehlung, die ich gebe, so dieses, ja, blogge verschiedene Themenformate, schreibe auch persönliche Themen, warum du tust, was du tust oder eben diese Rückblicke und alles, weil ich glaube, dass das wirklich das ist, was die Leute auf dem Blog hält.

Also sie finden dich wegen irgendeinem Experten-Thema, aber so wie ich mich auch bei dir festlesen kann, stundenlang über alles Mögliche bis zu deinem Abschiedsbrief an Mark Zuckerberg, also wirklich, ich glaube, ich habe jeden Blogartikel von dir gelesen, weil das einfach so eine coole Mischung ist und ich finde, das macht einfach einen guten Blog aus, dieses Persönliche mit dazu.

[Alex] Hast du so ein Lieblingsformat bei dir oder einen Lieblingstext von dir? Was schreibst du gerne?

[Judith] Ich liebe meine Jahresrückblicke. Das sind so die Blogartikel, die ich auch nach Jahren gerne lese, weil dann ist es einfach so schön, diese Fotos zu sehen und dieses, ah, das hätte ich schon fast vergessen. Also ich glaube, das sind wirklich meine Lieblingsblogartikel.

[Alex] Und es ist ja auch ganz schön so zum Reflektieren für sich. Also nicht nur für die anderen zum Lesen, sondern auch für sich selbst, was ist passiert und wie bin ich gewachsen, was hat sich verändert. Also ich kann mir vorstellen, dass es schön ist, so über die Jahre dann auch zu sehen.

[Judith] Ja, das ist einfach toll. Ich sage immer, wir bauen damit so ein Erfolgsarchiv auf von uns selbst, weil ich neige ja immer dazu, so das Imposter-Syndrom spielt da mit rein, dass ich immer sage, ja, das war doch gar nicht so toll, was ich gemacht habe.

Oder ich habe diesen Monat gar nichts erreicht oder gar nichts Tolles erlebt.

Aber wenn man anfängt, das mal wirklich aufzuschreiben, dann merkt man erst, was da alles war. Und das ist einfach super. Und meine Haltung ist ja auch, also mein Claim lautet, blog like nobody's reading, dass ich auch sage, blogge doch erstmal für dich selber. Was macht dir Spaß? Welches Thema findest du gut?

Und dann erst zu überlegen, wie kann ich jetzt mehr Besucher auf meine Website kriegen? Welches Thema ist jetzt wirklich suchmaschinenrelevant? Dass wir das eher so nach hinten schieben, diese technischen und SEO-Themen.

[Alex] Das finde ich auch absolut. Und ich liebe auch dein Motto. Ich finde es total geil. Ich wünschte, ich hätte das erfunden. Nee, weil ich glaube, dass man einfach sehr früh so verzweckt schreibt. Also ein Text soll XY erreichen und dass man da gar nicht so die Freude und den Spaß am Schreiben aufbauen kann.

Und ich glaube, genau das war ja bei dir dann der Fall, weil du noch gar nicht so für dein Marketing gebloggt hast, sondern nur so for fun quasi. Und hast dann quasi erst so diese Freude aufgebaut zum Schreiben. Ich glaube, das ist eine ganz tolle Empfehlung für Menschen, die gerne einen Blog starten wollen.

[Judith] Dadurch dass es ein Lifestyle-Blog war, dadurch, dass es so ein Spaßprojekt war, war das halt die beste Voraussetzung dafür, dass mein Blog überhaupt erst richtig loslegen konnte.

Weil viele starten dann so, ja, ich glaube, ich muss so ein Business-Thema bedienen. Also gucke ich jetzt mal, welche Keywords oder welche Themen sind da relevant. Und meistens schaffen diese Blogs keine vier Blogartikel, bevor sie sterben.

Und das finde ich halt wahnsinnig schade.

[Alex] Ja, das stimmt. Also langfristig denken ist, finde ich, auch immer ein sehr guter Tipp. Also was kann ich durchhalten? Auch nicht nur eine Woche oder einen Monat, sondern vielleicht ein Jahr oder zehn Jahre.

Sind Blogs out?

Und ich glaube, das Tempo und diese Formate sind dann die richtigen und nicht irgendwie andere Tipps. Warum sind denn Blogs für dich nicht out? Also wir haben ja jetzt Social Media, wir haben jetzt KI und trotzdem setzt du noch auf einen Blog. Warum?

[Judith] Ja, Blogs sind sozusagen das elementare Grundrauschen des Internets. Denn immer, egal, was wir googeln, wir landen mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit auf einem Blogartikel. Und das checken halt viele Leute nicht. Die sagen dann, ja, Blogs sind out, keiner liest mehr Blogs. Und sie behaupten selber, sie lesen keine Blogs. Aber wenn sie was googeln und dann eine Anleitung finden, dann lesen sie einen Blogartikel.

Deswegen ist für mich einfach …, Bloggen ist so die Grundlage von allem, von jeder Sichtbarkeit, die wirklich nachhaltig ist.

Bei Social Media, also ich rede mir ja den Mund fusselig, Die Leute saugen sich irgendwas aus den Fingern, um dann irgendwas bei Instagram zu posten und sind dann ganz stolz auf sich.

Ja, ich habe ein Reel gepostet oder ja, ich habe ein Posting gemacht. Kriegen dann irgendwie so 13 Likes, keine Kommentare und nach zwei Tagen interessiert das niemanden mehr.

Aber wenn du bloggst, wird das auch in zehn Jahren noch gefunden. Und das ist einfach, das ist eine ganz andere Herangehensweise an Content.

Und deswegen ist für mich Blogging nie out. Solange die Menschen in Suchmaschinen suchen oder solange sie im Internet nach Informationen suchen, ist ein Blog meiner Meinung nach eine der allerbesten Möglichkeiten, um gefunden zu werden. Und natürlich ist Social Media dann vielleicht auch gut als Ergänzung, aber ich würde mich nie allein auf Social Media verlassen.

[Alex] Du bist ja schon so lange dabei. Würdest du sagen, dass sich in den letzten Jahren jetzt irgendwas verändert hat? Also wenn jetzt jemand noch frisch 2024 mit dem Bloggen starten würde, was müsste dieser jemand beachten? Irgendwas anderes als vorher oder ist noch alles gleich?

[Judith] Ja, das ist ja das Großartige am Bloggen, dass da diese Hype-Zyklen nicht so funktionieren wie auf Social Media. Auf Social Media heißt es ja, ja, jetzt machst du Videos, das funktioniert gut. Dann heißt es ja, mach Lives, nee, mach Reels, nee, mach Karussell-Postings.

Und beim Bloggen ist einfach so, schreib einfach verdammt gute Texte, und das funktioniert heute genauso wie vor 20 Jahren. Es hat sich nicht so wahnsinnig viel verändert.

Also natürlich kamen dann noch weitere technische Neuerungen dazu, aber das Herzstück vom Bloggen ist ja, einen Text zu schreiben. Und wenn dein Text gut ist, dann wird er gefunden.

Also ich muss dann gar nicht noch irgendwie groß was machen und das finde ich halt so großartig am Bloggen, dass diese Hürde eigentlich relativ niedrig liegt, dass man da schnell gefunden wird, dass man da so sein Content-Imperium aufbaut.

Also das ist für mich das einzig Wahre.

[Alex] Und wenn er nicht gefunden wird, dann wird er vielleicht geteilt.

Also du hast ja schon diesen Brief an Mark Zuckerberg angesprochen. Ich habe an diesem Tag mehr Traffic von Social Media bekommen, als zu der Zeit, als ich noch meine Konten hatte, einfach weil der auf Social Media geteilt wurde, was ich ziemlich witzig fand.

Das bedeutet, sogar wenn man quasi nicht für Suchmaschinen schreibt, schreibt man ja auch oft einfach noch für Menschen.

Und wenn Menschen einen Artikel gerne lesen, dann teilen sie ihn und eins von beidem kann eigentlich immer so der Fall sein.

Erfolgsfaktoren für einen guten Blog

Du hast ja inzwischen super viele Menschen beim Bloggen unterstützt. Du hast ja die Content Society, richtig?

[Judith] Genau.

[Alex] Genau und viele Blogs gesehen und so mit deiner Erfahrung von 18 krassen Jahren, worauf kommt es denn deiner Erfahrung nach an, wenn so ein Blog auch erfolgreich sein soll?

Also in dem Sinne, dass Menschen die Texte gerne lesen und dass man auch ein bisschen länger durchhält als nur drei Wochen.

[Judith] Also ich glaube, einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist es, regelmäßig zu bloggen.

Und mit regelmäßig meine ich gerade am Anfang einmal die Woche.

Und durch diese Übung, indem man jede Woche schreibt, wird man besser. Und so lernt man dann auch immer mehr rund um das Bloggen. Deswegen halte ich gar nichts davon, dass man erst mal so einen SEO-Kurs oder so einen hypertechnischen Blog-Kurs belegt, um zu wissen, wie es geht, weil diese Blogs sterben meistens.

Und natürlich ist es auch wichtig, dass man über ein Thema bloggt, bei dem man Spaß hat und dass man das nicht nur so als Content-Projekt sieht, um jetzt Kunden zu angeln, sondern wirklich so als, ich möchte mich der Welt mitteilen mit einem Thema, das mir wichtig ist, und diese intrinsische Motivation hilft uns dabei durchzuhalten.

Und alles andere, dieses ganze SEO-Know-how, dieses ganze Newsletter, wie ich meine Blogartikel teile auf Social Media, das kommt dann, indem man regelmäßig bloggt.

Deswegen ist das für mich der erste Dominostein, der sein muss, dieses Commitment, ich blogge regelmäßig, das bedeutet einmal die Woche. Zumindest am Anfang. Später kann man seltener bloggen, aber gerade am Anfang sollte man regelmäßig bloggen.

[Alex] Aber gerade das fällt ja super vielen Menschen schwer, oder, diese Regelmäßigkeit.

[Judith] Ja, und woran liegt das? Daran, dass sie denken, mein Blogartikel muss mindestens 2000 Wörter haben. Er muss das perfekte Keyword, das perfekte Beitragsbild haben. Und das versuche ich den Leuten erstmal so aus dem Kopf zu pusten.

So diese Glaubenssätze, weil weder das Beitragsbild entscheidet darüber, ob dein Blogartikel gelesen wird, noch irgendwelcher technische Schnickschnack. Es ist ja im Grunde die Headline und dein Thema. Und das muss einfach gut sein.

Und wenn du mit deiner Freundin über ein Thema reden kannst, dann kannst du das Ganze auch runterschreiben. Darum geht es doch eigentlich, so zu schreiben erst mal, wie du das einer Freundin oder jemandem erzählen würdest und das dann mit der Welt zu teilen.

Aber viele haben dann Angst, ja was denken die Nachbarn oder was sagen meine Freunde, wenn ich jetzt blogge oder bla bla bla.

Also diverse Glaubenssätze spielen da mit rein und verhindern dann dieses regelmäßige Bloggen. Und dann brauchen die Leute 20 Stunden für einen Blogartikel. Ja, dann könnte ich auch nicht so viel bloggen, wenn ich so lange an einem Blogartikel sitzen würde. Aber ich sitze vielleicht zwei bis drei Stunden an einem Blogartikel und nicht länger.

[Alex] Und was wären denn so, vielleicht jetzt so die letzte Frage, was wären denn so positive Glaubenssätze rund ums Bloggen? Also wenn du sagst, was würden die Nachbarn denken, das lähmt dann und frustriert einen sehr, aber was können wir denn stattdessen denken über das Schreiben und Bloggen?

[Judith] Ja, wenn ich das veröffentliche, werde ich garantiert zehnmal darauf angesprochen, ob beim Bäcker oder im Studio. Das ist wirklich unglaublich. Oder sowas wie, wenn ich das veröffentliche, werde ich mindestens tausend Menschen dabei helfen, ihr Problem zu lösen. Weil ein Blogartikel über die lange Lebenszeit, die er hat, und das sind ja Jahre. Er wird dann oft gegoogelt, oft gefunden.

Und etwas, das wir heute schreiben, kann in fünf Jahren das Leben eines Menschen verändern. Und das zu wissen, dieses, ey, ich teile mich der Welt mit, aber das könnte theoretisch jeder auf der Welt lesen oder zumindest jeder, der Deutsch kann, das finde ich so toll, dieses, hey, ich bin nicht limitiert auf mein Dorf, sondern ich kann darüber hinaus wirksam sein, das finde ich einfach großartig.

[Alex] Ja, das ist doch ein sehr, sehr schönes Schlusswort. Judith, vielen, vielen Dank, dass du heute hier warst und uns deine Facebook-Geschichte erzählt hast, zum x-ten Mal bestimmt, und uns auch so viele tolle Dinge über den Blog erzählt hast. Vielen Dank.

[Judith] Sehr gerne.

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Digitale Balance statt digitaler Stress: Interview mit Aikaterini Pegka

In dieser Podcastfolge habe ich Rini Pegka zu Gast. Rini ist eine liebe Kollegin von mir. Ich hab sie in meinem neuen Buch „No Social Media“ interviewt und wollte sie gerne auch noch mal hier in dieser Folge unbedingt zu Wort kommen lassen. Wir haben zusammen über digitale Balance gesprochen, über Achtsamkeit, Social Media, TikTok, Bücher schreiben und vieles, vieles mehr. Viel Spaß beim Zuhören!

In dieser Podcastfolge habe ich Rini Pegka zu Gast. Rini ist eine liebe Kollegin von mir. Ich hab sie in meinem neuen Buch „No Social Media“ interviewt und wollte sie gerne auch noch mal hier in dieser Folge unbedingt zu Wort kommen lassen.

Wir haben zusammen über digitale Balance gesprochen, über Achtsamkeit, Social Media, TikTok, Bücher schreiben und vieles, vieles mehr.

Das ist die bunteste und, ich glaube, die längste Podcastfolge geworden, die ich bisher gemacht habe, und ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Zuhören.

Folge anhören:

Transkript lesen

Digitale Balance und digitaler Stress

[Alex] Hallo Rini, wenn ich auf deine Website gucke, dann fällt mir auf, haha, du guckst schon sehr nervös, aber genau, dann fällt mir auf, dass da ein Wort besonders häufig genutzt wird und das Wort oder die Phrase ist digitale Balance.

Ja, was bedeutet das für dich genau und warum ist digitale Balance für dich so wichtig?

[Rini] Digitale Balance ist, glaube ich, der Wunschzustand, in dem wir uns befinden möchten, wenn wir mit digitalen Technologien arbeiten und uns auch mit Technologie sehr viel umgeben, was ja heute tagtäglich der Fall ist, ob beruflich oder privat.

Und warum wir in dieses ausgewogene Verhältnis, in diese Harmonie kommen wollen mit unserem digitalen Verhalten, ist, glaube ich, weil viele von uns digitalen Stress erleben und leben.

Und genau darum geht es bei der digitalen Balance, also quasi einen Zustand zu erreichen, wo wir nicht mehr dieses Stresserleben haben durch den Einsatz und die Nutzung der digitalen Technologien, sondern wo wir mehr oder weniger ein Verhalten haben, das uns mehr Ruhe bringt und mehr Gelassenheit bringt und wir nicht mehr so angespannt sind mit oder in den digitalen Technologien und Medien.

[Alex] Du hast jetzt schon von der Anspannung gesprochen. Wie äußert sich denn dieser Stress noch? Welche Formen gibt es da?

[Rini] Ja, also der digitale Stress hat tatsächlich viele Quellen und es gibt auch in Deutschland viele Studien, die dazu gemacht wurden und weiterhin auch gemacht werden. Wenn das jemandem interessiert, der gerade zuhört: Die Hans-Böckler-Stiftung macht da ganz, ganz tolle Studien zu diesem Thema, besonders digitaler Stress am Arbeitsplatz. Also es fängt natürlich auch mit dem einfachen Fakt der Medienkompetenz an.

Also habe ich die Kompetenzen und die Ressourcen, um digitale Medien zu nutzen? Viele, besonders ältere Menschen, haben da einen krassen digitalen Stress, weil sie das eben nicht können. Und weil das Leben zumal digitalisierter wird, haben sie da das Gefühl, nicht teilnehmen zu können an der Gesellschaft, weil sie eben so digitalisiert wird.

Und da kann ein ganz großer Stress entstehen, aber auch am Arbeitsplatz, wenn digitale Technologien uns wirklich überlasten und überbelasten, wenn digitale Technologien omnipräsent sind in allem, was wir tun, sie komplex sind, wir sie nicht verstehen und natürlich auch durch den Fakt, dass digitale Technologien, und wenn wir jetzt besonders uns auf das Smartphone beziehen oder auf Social Media, ja, ständig unterbrechen, ablenken, auch die Überwachung mit und über digitale Technologien, entweder wenn ich Google nutze, wenn ich Instagram nutze, aber auch am Arbeitsplatz.

Die digitale Leistungsüberwachung gibt es da ja auch. Das kann auch viel Stress verursachen. Die Verletzung der Privatsphäre und all die eher negativen Auswirkungen, die eine übermäßige Nutzung zum Beispiel von Social Media auch mit sich bringen. All das, also nicht wenig, kann digitalen Stress verursachen.

Für manche mehr, für andere weniger. Und genau dann deswegen braucht es diese digitale Balance oder eben auch diese digitale Achtsamkeit, wie ich sie auch oft nenne.

[Alex] Hm. Was ich ja auch so krass finde, im Grunde, du hast es schon so ein bisschen angesprochen, gilt es ja auch für fast jedes Berufsbild. Also wir sind jetzt selbstständig, aber wenn wir uns jetzt Angestellte vorstellen, die vielleicht bei jeder E-Mail in den CC gesetzt werden. Also es gibt im Grunde kaum einen Beruf, der nicht mehr davon betroffen ist, oder?

Medienkompetenz im Arbeitsleben

[Rini] Und auch handwerkliche Berufe zum Beispiel, auch wenn jemand sehr, sehr viele Jahre im Handwerk unterwegs ist, einen Betrieb hat, Mitarbeitende hat, ein gewisses Alter hat, braucht diese Person auch in ihrem täglichen Arbeiten und Chef sein oder Chefin sein, sage ich mal, eine gewisse Medienkompetenz, wenn es um das ganze Administrative geht.

Vom Marketing will ich gar nicht erst anfangen, wenn man Online-Marketing betreiben möchte, aber auch das Administrative mit Versicherungen, mit Steuern, mit verschiedenen anderen Kammern und so weiter.

Das Ganze braucht dann eine E-Mail-Adresse, braucht eine Einfachheit, mit der man dann vielleicht verstehen kann, wie eine App funktioniert.

Online-Banking – man denkt Online-Banking ist natürlich sehr, sehr einfach und man denkt, wir denken heutzutage, dass wir Bankgeschäfte nur online machen können, natürlich gibt es auch den klassischen Weg, ich gehe zur Bank und mache die Überweisung mit dem Papier, sehe ich immer noch oft genug, wenn ich meine Bank besuche, ältere Herrschaften, die halt wirklich nicht wissen, wie sie es anders machen sollen, meine Mutter zum Beispiel in Griechenland, die kann auch nichts mit ihrer Karte anfangen, die geht auch zur Filiale.

TikTok und Dopamin

[Alex] Nun sind wir jetzt hier in so einem Social-Media-freien Podcast, deswegen würde ich gerne jetzt mal über Social Media sprechen und insbesondere vielleicht über TikTok, weil ich weiß, du hast da eine sehr besondere Meinung dazu. Was passiert denn so im Kopf, wenn ich TikTok nutze? Was geht da ab?

[Rini] Ja, es ist natürlich nicht nur TikTok, es sind auch andere soziale Medien …

[Alex] aber TikTok ist schon am krassesten. Also die haben das, glaube ich, perfektioniert.

[Rini] Ich hatte ja TikTok mal tatsächlich, ich hatte ein Profil, ich hatte es installiert auf meinem Handy und ich habe ein Experiment gemacht. Ich mache ja gerne Experimente mit Social-Media-Sachen. Ich hatte es 30 Tage lang ausprobiert und ich bin süchtig geworden, ohne es zu wollen. Also ich habe mich selber beobachtet, ich habe meine Notizen gemacht für das Experiment.

Ich hatte damals – und das ist glaube ich schon drei Jahre her und der Algorithmus hat sich krass weiterentwickelt in der Zwischenzeit – ich hatte damals aufgeschrieben: „Ich bin noch nie in meinem Leben so einem Algorithmus begegnet auf Social Media, der wirklich auf den Leib die Inhalte schneidet, dass man wirklich immer wieder zurückkommen möchte.“

Was TikTok macht, wie gesagt, ich bin lange nicht mehr auf der Plattform, aber das Grundprinzip von TikTok ist, dass du Content hast, die über den ganzen Bildschirm verteilt ist.

Also es gibt kein Entweichen, du siehst diesen Content über den ganzen Bildschirm.

Es ist eine Reizüberflutung meistens, wenn du TikTok aufmachst. Sei es von Bewegung – und das menschliche Gehirn reagiert auf Bewegung sofort. Das wissen die natürlich, die Psychologen, die hinter diesen Apps sind, und deswegen war auch Musical.ly so, also der Vorgänger von TikTok, so erfolgreich und deswegen ist es TikTok auch immer noch, weil viel Bewegung drin ist.

Es sind ja nur Videos, die über diesen ganzen Bildschirm gehen. Es ist Musik drinnen, krasse Schriften, krasse Farben und das Schlimme an TikTok ist diese Abwechslung, dieses ganz, ganz kurzen Contents, dass unser Gehirn daran gewöhnt, sehr, sehr schnell zu einem sehr schönen Gefühl zu kommen.

Stichwort Dopamin. Dopamin wird sehr, sehr schnell ausgeschüttet. Ich unterhalte mich auf TikTok, und dieses Gefühl der Unterhaltung, dieses wohlige Gefühl, dass es mir gut geht, dass ich lache, kommt sehr, sehr schnell, eins nach dem anderen.

Und ich kann nicht mehr aufhören, weil ich natürlich immer mehr davon möchte. Ich möchte mich ja gut fühlen. Und sobald ich dann die App zumache und versuche, außerhalb dieser App das gleiche Gefühl zu bekommen, kommt es natürlich nicht so schnell wie in der App.

Also wenn ich mir einen Film anschauen möchte, Herr der Ringe, drei Stunden, oder auch andere Filme, Oppenheimer, glaube ich, geht auch dreieinhalb Stunden oder noch länger. Das alles braucht natürlich Zeit. Und nicht nur, um ein Buch zu lesen oder einen Film anzuschauen oder selbst kreativ zu werden und sich sehr tief und sehr lang mit etwas zu beschäftigen, das alles braucht Zeit und Geduld, aber auch in der Interaktion, im sozialen Miteinander, bekomme ich nicht von meinem Gegenüber so schnell die Bestätigung, wie ich sie über TikTok bekomme.

Und was passiert im Gehirn, ist, ist, dass wir uns sehr, sehr schnell an diese sehr, sehr schnelle Belohnung gewöhnen, was nicht normal ist für das Menschlichsein im physischen Raum.

Und für mich ist der tägliche TikTok-Konsum im Vergleich zu allen anderen Apps das Schlimmste, was man machen kann in einer Social-Media-Nutzung. Das habe ich auch so im Buch geschrieben.

Du hattest mir gesagt, ich soll es ein bisschen netter schreiben. Aber es ist meine Meinung, es ist tatsächlich so, es gibt nichts Schlimmeres, was man sich antun kann in der Social-Media-Welt. Und das ist der eine Fakt, also das Ganze, das passiert mit meiner Biologie und mit meiner Psychologie, mit meiner Soziologie letzten Endes.

TikTok und Datenschutz

Aber das andere ist auch, TikTok ist wirklich sehr, sehr, sehr, sehr undurchsichtig, was die Daten angeht.

Sie beziehen sich auf Daten, sie können auf Daten im Smartphone zugreifen, so wie es andere Übeltäter, Meta, Instagram, Facebook nicht können.

Sie machen auch sehr viel, aber so wie TikTok machen sie es nicht.

Wir wissen tatsächlich nicht, was mit diesen Daten passiert. Es ist eine chinesische App und man munkelt, dass es quasi eine App ist, durch die China sich weltweit noch mehr eine Machtposition erkämpfen möchte, in diesem weltweiten Kampf angeblich, den es da draußen gibt unter den Technologiekonzernen und unter den Ländern, die Technologien vorantreiben.

Deswegen ist es auch kein Wunder, dass sehr, sehr viele Staaten die App komplett verboten haben. Indien, ich glaube, auch viele europäische Staaten haben die App verboten, was bestimmte Beamten angeht, die bestimmte Positionen haben. Sie dürfen nicht die App auf Ihrem Smartphone installiert haben und auch nicht auf ihrem privaten Smartphone tatsächlich.

Und in den USA murkelt man ja darüber zurzeit, wir hören es ja alle auch in den Nachrichten, dass vielleicht auch ein komplettes Verbot ansteht, was die App angeht. Und ich glaube nicht, dass die Amerikaner übertreiben.

[Alex] Das ist jetzt so ein bisschen allgemein gewesen über Social Media, kannst du vielleicht nochmal ein bisschen uns hinter die Kulissen mitnehmen, wie du das so empfindest? Weil du bist ja schon seit, weiß ich gar nicht, zwölf, vierzehn, fünfzehn Jahren selbstständig – schon lange auf jeden Fall – und hast da bestimmt eine ganze Reise hinter dir mit sozialen Medien. Also wie hast du das immer empfunden, die Nutzung?

Rinis Erfahrungen mit Social Media

[Rini] Ich glaube, wir müssen ein bisschen in der Zeit zurückgehen, also die erste Welle des Internets, als wir so wahrgenommen haben: Wow, es gibt das Internet, ich kann das Internet nutzen!

Das war ja ein Traum, was man alles machen konnte, vor sozialen Netzwerken, damals hießen sie ja noch Netzwerke. Die Möglichkeiten, die wir hatten im Studium, in der Recherche, Reiseplanung, was auch immer, Kommunikation natürlich.

Ich konnte jetzt mit jemandem kommunizieren, der in Australien ist und mit dem ich vielleicht zehn Jahre nicht telefoniert hatte und so weiter.

Und die zweite Welle waren die sozialen Netzwerke, die so in 2011, 2012 richtig, richtig stark angekommen sind, auch als Apps auf den Smartphones.

Und als die sozialen Netzwerke dann angefangen haben, habe ich sehr, sehr früh erkannt, was sie alles Gutes tun können zu diesem Zeitpunkt. Ich war im Marketing unterwegs und ich habe schnell erkannt, dass soziale Netzwerke wie Facebook und dann später auch Instagram durch diese Direktheit und diese Transparenz fabelhafte Tools wären fürs Marketing.

Und deswegen habe ich mich da stark gemacht und auch darauf spezialisiert und habe Social-Media-Marketing angeboten in meiner Selbstständigkeit.

Und am Anfang war es wirklich super.

Also diese Kommunikation, die da war, es gab nicht den ausgefeilten Algorithmus, der wirklich die Inhalte so maßgeschneidert hat und der wirklich auch diese ganzen Filterblasen geformt hat, wie sie wir heute kennen.

Das gab es damals so in dieser Form nicht. Und je mehr die Zeit verging und je mehr ich online war und je tiefer ich da reinkam ins Social-Media-Marketing und in die Netzwerke, die dann zu sozialen Medien umbenannt wurden, wie sie ja auch heute bekannt sind, habe ich gesehen, also irgendwie habe ich das Gefühl gehabt, ich beschreibe es auch im Buch, dass es irgendwie zu viel wird.

Also ich kann es dir auch nicht mit anderen Worten, die irgendwie greifbar sind, beschreiben. Ich hatte das Gefühl: Wo geht das alles hin, wenn all diese Menschen, all diese Marken frei kommunizieren, es unreguliert bleibt, all dieser Lärm, all diese Reize, was passiert in unserem Kopf mit diesem Ganzen, mit dieser ganzen, wenn wir uns dem ausgesetzt sind, jeden Tag 24-7, wie ich es war, dürfen Kinder es überhaupt nutzen?

Also ich habe all diese Gedanken, es kam mir vor wie der Turm von Babel tatsächlich, wo sehr, sehr viele Menschen miteinander sprechen wollen, kommunizieren wollen, aber es kommt am Ende nichts raus.

Und dann habe ich mich schnell, für mich selbst habe ich entschlossen, mich zu distanzieren und eine digitale Balance in mein Leben zu bringen, indem ich da einen achtsamen Umgang für mich entschlossen habe.

Und dann – also am Anfang habe ich es für mein Wohlempfinden entschlossen und habe da einen Weg über die Achtsamkeit gefunden, eine Balance erstmal in meinem Arbeitsleben zu haben, um nicht mehr 24-7 online und erreichbar zu sein – habe ich aber schnell festgestellt:

Okay, ich bin nicht die Einzige, der es damit nicht gut geht. Ich bin nicht die Einzige mit diesen Gedanken, dass: „Moment mal, hier läuft etwas schief. Wir haben es irgendwie komplett unkontrolliert gelassen. Wir wissen nicht, was gerade hier passiert mit den ganzen Menschen, mit den ganzen Gehirnen, mit diesem ganzen Verhalten, mit den Konzernen dahinter, mit den Daten und so weiter.“

Und dann habe ich mich für die digitale Achtsamkeit stark gemacht und gesagt: „Okay, so kann es wirklich nicht weitergehen!“

Weil es kamen auch die ersten Studien, die gezeigt haben, was passieren kann. Diese Studien häufen sich seitdem umso mehr.

Und heutzutage, heute, es gibt auch ein ganz tolles neues Buch darüber von Jonathan Haidt, The Anxious Generation, das ist ein bekannter Psychologe, der sich mit dem Thema der Social Media und der digitalen Nutzung auseinandersetzt, also die Auswirkungen auf unsere Gesundheit und auf unser Sozialleben.

Heute kann man, also es gibt auch erste Studien, die eine Kausalität beweisen könnten, aber es gibt haufenweise Studien, die eine Korrelation zeigen und das weltweit.

Und besonders bei jungen Mädchen, bei Jugendlichen, wie ein Trend auf einmal da ist ab 2012, wo die Depressionsrate stark nach oben geht, wo die Anxiety-Rate stark nach oben geht, weltweit, nicht nur in den USA. Das ist sehr, sehr wichtig zu betonen. Und auch andere Dinge, die bis hin zum Suizid gehen.

Also das sind ganz, ganz ernste Fakten. Das ist schwarz auf weiß. Das passiert weltweit.

Und was ich auch gerne sage, wir alle, ich glaube, jeder, der gerade zuhört, jede, die gerade zuhört, hat es vielleicht schon gespürt, dass irgendetwas da nicht in Ordnung ist. Dass man sich meistens – meistens, nicht immer –, nach der Social-Media-Nutzung schlechter fühlt als vorher. Oder im direkten Umfeld hat man von jemandem gehört, der wirklich Probleme damit hat, mit dieser übermäßigen Nutzung. Wir brauchen oft tatsächlich nicht diese harten Fakten. Wir leben in Deutschland, wir lieben Studien, wir lieben Zahlen. Es gibt sie und wir sollten sie ernst nehmen.

Ich bin ein bisschen weggekommen von deiner Frage. Entschuldige, aber ich kann mich da nicht beherrschen.

[Alex] Das ist ja auch wichtig. Und ich glaube, dass auch gerade diese Fakten und die Studienlage ja auch sehr viel dann mit einem selbst macht, wenn man das dann liest und weiß und vielleicht sich dann auch bestätigt fühlt in dem, was man eh schon an sich wahrnimmt.

Und ich glaube, also ich kann das auch nur bestätigen, dass einige eben auch solche diffusen Gefühle haben, die sie vielleicht gar nicht so richtig benennen können oder kategorisieren können. Aber man fühlt, dass irgendwas nicht so ganz passt.

Und das, finde ich, sollte man halt ernst nehmen, weil wenn man das eben zu lange ignoriert, dann rächt sich das irgendwann. Und die Studien, die zeigen das ja einfach so schön.

Regulierung von Technologieunternehmen

[Rini] Ja, ich glaube, wir befinden uns gerade in einer Zeit, wo wirklich auch die Regierungen und Menschen, die Entscheidungen treffen, was jetzt die Regulatorien hinter diesen Plattformen und Konzernen angeht, etwas machen. Angefangen in den USA, aber nicht nur.

Wie damals in den 50er oder 60er Jahren, ich weiß nicht, wann es passiert ist, was die Tabakindustrie angeht. Früher war es ja selbstverständlich, dass jemand geraucht hat.

Niemand hat sich Gedanken darüber gemacht, wie schlecht das Rauchen sein könnte für den Körper.

Und als die ersten Studien dann da waren, musste sich die Tabakindustrie ändern und wurde reguliert, stark reguliert. Und ist natürlich heute die stärkste, regulierte Industrie überhaupt, was auch sehr gut ist natürlich. Ich glaube, wir sind gerade am Anfang, bevor das passiert.

Auch die Nutzung von sozialen Medien, was auch eine Sucht sein kann, ist noch nicht offiziell als eine deklariert, aber könnte sehr, sehr schnell zu einer deklariert werden in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten, dass wir kurz davor sind, genauso ein Phänomen zu erleben.

Und genauso wie beim Rauchen ist es auch mit dem Konsum von Social Media. Niemand möchte uncool sein. Niemand möchte sagen, Social Media sind doof, mache ich nicht oder ich bin süchtig nach Social Media oder ich bin süchtig nach meinem Smartphone, weil jeder meint, es ist selbstverständlich, acht Stunden am Tag auf TikTok zu sein oder acht Stunden am Tag eine Bildschirmzeit zu haben auf dem Smartphone. „Ich möchte hier nicht zurückbleiben. Ich möchte hier nichts verpassen. Ich muss hier dranbleiben.“

Und mit diesen Dingen arbeiten ja auch die Firmen dahinter, mit diesem Zugehörigkeitsgefühl, mit diesem Nichts-verpassen-Wollen. Das Ganze spielt letzten Endes aufs Nervensystem hinaus. Ich möchte mich sehen, ich möchte mich geborgen fühlen, ich möchte nicht im Stress sein. „Oh, da gehe ich doch lieber und schaue, was passiert ist, anstatt dass ich hier rumrätsel und rate.“ Das Nervensystem möchte das, es möchte sicher gehen. „Schau doch lieber mal nach, dann sind wir sicher, dann sind wir beruhigt.“ Und mit diesen ganzen Sachen arbeiten die Apps dahinter leider.

Kann Achtsamkeit helfen?

[Alex] Ich würde das gerne noch mal unterstreichen wollen, weil: Es ist ja nicht so, als hätte es solche Umwälzungen noch nie gegeben, also wenn wir uns den Buchdruck angucken oder die Industrialisierung angucken. Das gab es alles schon. Und ich bin jetzt natürlich keine Historikerin, bin mir aber sehr sicher, dass Menschen damals auch überfordert waren. Aber ich glaube eben, was es das erste Mal jetzt in der heutigen Zeit gibt, ist, dass es eben diese Attention Engineers gibt – Menschen, deren Job es ist, Apps süchtig machend zu designen.

Und das finde ich so krass, also dass wir dann auch alle FOMO haben und schwer davon loskommen können. Das liegt nicht an uns, sondern das ist so designt.

Und ich glaube, das ist ganz wichtig zu verstehen, was da eigentlich für Systeme, für Strukturen dahinter stecken. Aber bevor sich das alles ändert und vielleicht reguliert wird, gibt es ja vielleicht eine Lösung oder eine Zwischenlösung. Ich weiß es nicht. Vielleicht kannst du das nochmal erläutern, wie du das für dich verstehst. Weil für dich ist ja Achtsamkeit ein Schlüssel für digitale Balance oder eine mögliche Lösung für digitale Balance. Wie funktioniert das genau für dich mit der Achtsamkeit?

[Rini] Ja, mit oder bei der Achtsamkeit ist es tatsächlich so, also für mich fängt alles mit der bewussten Reflexion an.

Also Achtsamkeit hilft mir, mir diese Zeit zu nehmen, mich auf mich zu konzentrieren und zu reflektieren und wahrzunehmen, was gerade in mir los ist.

Und dazu braucht es halt eben Stille oder eben kein Smartphone oder eben Zeit für mich in einem Raum, wo ich mich sicher fühle.

Und diese Wahrnehmung, diese Reflexion befragen: Wie geht es mir mit Social Media zum Beispiel? Wie geht es meinem Körper damit, wenn ich es nutze? Wie fühle ich mich danach? Was passiert da in mir? Wie geht es in meinem Kopf vor? Welche Gedanken kommen mir? Welche Gedanken habe ich? Wie rede ich mit mir? Wie wirkt sich Social Media, zum Beispiel auch, wenn wir selbstständig sind und Marketing machen, wie wirkt sich Social Media auf mein Business aus? Gut, schlecht, ganz neutral, also gar nicht. Wie wirkt es sich auf mein Leben aus, die Zeit, die ich meine, darin verbringen zu müssen? Wie geht es mir damit? Erstmal diese Wahrnehmung, diese Reflexion, diese ehrliche Reflexion machen. Und da hilft halt eben Achtsamkeit: wirklich wahrzunehmen, was passiert.

Und wenn ich diese Reflexion mache, mir Sachen aufschreibe am besten, weil durch dieses Aufschreiben gewinne ich Abstand und sehe auf einmal Sachen vor mir und nehme auch Sachen viel, viel besser wahr, bekomme ich Klarheit, wenn ich das vor mir sehe.

Und Achtsamkeit hilft, Dinge, die ich wahrnehme, nicht sofort zu werten, sondern sie anzunehmen und zu sagen: Okay, es geht mir nicht gut damit, ich fühle Neid. Okay, wie fühlt sich der Neid für mich an?

Im Coaching sage ich dann auch gerne: Wo spürst du den Neid in deinem Körper?

Und da kommen immer verschiedene Antworten, das ist immer sehr, sehr spannend. Oder ich spüre Wut, ich spüre Ärger. Also was passiert da? Und es zu akzeptieren, wertefrei zu akzeptieren.

Und nachdem ich das alles gemacht habe und da durch bin, dann kann ich sagen: Okay, wo geht es mir nicht gut damit und wie kann ich es besser machen, was kann ich ändern? Also ich trete dann in Aktion und sage, okay, was möchte ich jetzt ändern?

In der Zeit, die ich verbringe, auf den Plattformen, die ich nutze, also wie möchte ich, dass es mir geht und dann kann ich auch entscheiden, was kann ich mehr von dem machen, das mich näher an ein Leben, an einen Lebensstil bringt, den ich möchte, der zu mir passt und der auch zu meinen Werten passt letzten Endes, der wirklich etwas ist, was ich haben möchte?

Und wie kann ich weg von dem gehen, was ich eben nicht mehr haben möchte?

Ich glaube, Achtsamkeit hilft in dieser Klärung, aber auch in dieser Annahme der Situation, die gerade ist, weil das machen oft viele nicht, im Sinne von, was ich vorhin gesagt habe, ich darf nicht, ich muss, was Technologie angeht, immer mit dabei sein, immer vorne mit dabei sein. So im Sinne von, wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Nein, ich reflektiere darüber, ich denke darüber nach. Brauche ich ChatGPT? Warum nutze ich ChatGPT? So eine andere Technologie, auf die sich viele auch draufgestürzt haben, wie damals auf Social Media, ohne zu reflektieren. Brauche ich Instagram? Kommen Kunden über Instagram?

Was sind die Kanäle, durch die Kunden zu mir finden? Ist es meine Website? Sind es Empfehlungen? Sind es Events? Ist es ganz was anderes? Ist es mein Newsletter?

[Alex] Ich selbst bin so ein bisschen zur Achtsamkeitsskeptikerin ja mutiert in letzter Zeit, weil ich da so die Gefahr sehe, dass wir alle zu unpolitischen Menschen werden, so ein bisschen überspitzt formuliert.

Aber mich interessiert tatsächlich, wie du das siehst. Also siehst du die Gefahr da auch? Oder wie können wir das vermeiden, dass wir so werden, wenn du das so siehst? Oder stimmt das gar nicht?

[Rini] Also wenn wir jetzt annehmen würden: Wenn jemand achtsam ist, ist der auch unpolitisch, müsste man ja dann davon ausgehen, dass jeder, der unachtsam ist, politisch ist.

Und ich kenne sehr, sehr viele Menschen, die unachtsam und unpolitisch sind. Also ich glaube nicht, dass es so leicht ist, das zu sagen, aber ich verstehe, wie du es meinst und wie auch andere Skeptiker es meinen, weil oft, besonders über Social Media, wird hier dieses Bild vermittelt, ich meditiere, ich mache eine Kakao-Zeremonie, ich mache Yoga, ich mache Waldbaden, komme bei mir an und alles, was um mich geschieht, ist mir egal. Mich interessiert nicht, ob irgendwo Kriege sind, ob Menschen irgendwo leiden, was mit der Umwelt passiert. Also ich konzentriere mich nur auf mich, auf mein Ego, dass es mir gut geht und alle anderen, in Anführungszeichen, können mich mal. So funktioniert Achtsamkeit aber nicht.

Weil achtsam zu sein heißt, dass ich wahrnehme, was in mir passiert, was mir gut tut natürlich.

Und indem ich aber achtsam mit mir bin und indem es mir gut geht, ist es automatisch so, dass ich achtsam auch mit meinem Umfeld bin.

Also wer Achtsamkeit praktiziert, kann nicht nur mit sich achtsam sein. Das geht einfach nicht. Es ist keine Grenze, die irgendwo aufhört, wo ich sage, das interessiert mich nicht, was zum Beispiel jetzt im Nahostkonflikt passiert. Das geht einfach nicht.

Wenn ich achtsam mit mir selber bin, bin ich achtsam mit meiner Umwelt, bin ich achtsam mit den Menschen um mich und mit den Tieren um mich.

Ich bin achtsam mit allem, was mich umgibt. Nur so kann Achtsamkeit wirklich Achtsamkeit sein. Nur so kann ich Achtsamkeit üben.

Und wenn ich sage: Okay, mir tun die News nicht gut, mir tun die Neuigkeiten nicht gut, ich schalte die Benachrichtigungen ab oder ich habe keine Apps mehr auf meinem Smartphone, das heißt nicht, dass ich nicht achtsam genug bin und in dieser bewussten, in dieser achtsamen, ausbalancierten, wie man es auch immer nennen kann, Mediennutzung rufe ich aktiv immer noch Neuigkeiten auf, aber ich entscheide, was ich aufrufe, ich entscheide, wo ich mir diese Neuigkeiten hole, weil wenn ich unachtsam bin und sie mir über Social Media hole, kann es schnell sein, dass ich in irgendwelchen Filterblasen unterwegs bin und nur meine eigene Meinung immer wieder sehe in dieser Filterblase.

Wenn ich aber achtsam bin mit meiner Mediennutzung und sage, okay, ich hole mir hier die News und ich hole mir hier die News und dann rufe ich noch diese Website auf und dann kaufe ich mir noch diese Zeitung, so erlebe ich es, habe ich mehr Perspektiven, die ich höre und die ich lese.

Und ich glaube, in einer Demokratie geht es auch darum, dass ich wirklich nicht nur für mich bin. Ich habe zwar meine eigene Meinung zu einem Thema, aber ich weiß, was um mich passiert und was andere denken. Nur so kann ich einen offenen Dialog führen.

Und das kultiviert man eben mit Achtsamkeit.

Klarheit in der Informationsnutzung

[Alex] Also es geht im Grunde auch um Klarheit. Wie will ich informiert bleiben?

Also dass ich das mir einmal bewusst mache und dass ich mich dem nicht ausliefere und denke, naja, ich folge jetzt halt auf Instagram der Tagesschau und anderen Nachrichtenportalen und kriege da eben alle zehn Sekunden was Neues rein, sondern ich gucke erst mal, was konsumiere ich da oder was will ich konsumieren, was brauche ich, um informiert zu bleiben, und so weiter. Also damit kann ich quasi die Achtsamkeit mit so einer Informiertheit verbinden.

[Rini] Ja, und natürlich gibt es Menschen, die sich nicht informieren möchten, die unpolitisch bleiben möchten, weil es ihr Entschluss ist. Und da kann man ja auch nichts dagegen sagen, weil es kann jemand sein, der wirklich zu diesem Zeitpunkt für einen gewissen Zeitraum sich wirklich zurückziehen muss von allem und von allen aus gewissen Gründen, meistens gesundheitlichen Gründen. Und dann kann ich es auch voll verstehen.

Aber ich glaube, es geht nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt, dass man sich komplett von allem zurückzieht. Dass man sich diese Pause nimmt und sagt, okay, ich schotte mich jetzt tatsächlich ab, ich gehe für eine Woche in eine Hütte in den Wald und erhole mich.

Aber wer das 365 Tage im Jahr macht, der ist nicht nur unachtsam, für den gibt es ein anderes schönes Wort, das fängt mit einem großen A an und endet mit einem H. Das sage ich jetzt nicht hier. Das ist ein anderes Benehmen, das ist ganz was anderes. Also ich glaube nicht, dass man es mit Achtsamkeit und unpolitisch sein, ich glaube, das geht irgendwie zu weit.

[Alex] Aber ich finde es spannend, dass für dich so Achtsamkeit auch das Politische mitdenkt. Also ich muss sagen, ich finde Frieden mit dieser Interpretation, weil das natürlich, also ich sehe das genauso, wenn ich anfange und bestimmte Werte mir gegenüber vertrete, kann ich da ja nicht aufhören, nur, weil ich mit anderen Menschen dann in Beziehung trete oder wenn ich mir die Gesellschaft oder die Erde angucke, wenn es mir wichtig ist, dass ich im Frieden mit mir bin, dann ist mir auch wichtig, dass andere im Frieden mit sich sind und mit anderen Menschen und dann tue ich vielleicht auch was dafür.

Warum hast du dein Netflix-Abo gekündigt?

Also damit gehe ich auf jeden Fall d'accord. Ich habe bei dir was gelesen auf der Website, das hat mich ja fast schon geschockt.

[Rini] Oh mein Gott.

[Alex] Und zwar, dass du dein Netflix-Abo gekündigt hast und jetzt noch nicht mal mehr Stranger Things gucken kannst.

[Rini] Nein, zum siebten Mal dann wahrscheinlich nicht mehr.

[Alex] Oh mein Gott. Hat das auch was mit Achtsamkeit zu tun oder wie kommt das?

[Rini] Das hat mit Kreativität zu tun gehabt. Also ich hatte Netflix, Apple Plus TV, Spotify, Amazon Prime. Ich hatte alles.

Es gibt doch so viele – Disney Plus und sowas – das hatte ich nicht. Also ich hatte diese vier, wenn ich mich recht daran erinnere, ja.

Ja, und ich glaube, es war auf Spotify. Ich war auf Spotify, ich ging jeden Tag auf Spotify und habe meine Podcast-Benachrichtigungen angeschaut, welcher Podcast ist neu und habe ihn mir dann abgespeichert. Und irgendwann hatte ich so eine ellenlange Liste an Podcast-Folgen, die ich angeblich mir anhören wollte und natürlich nicht die Zeit immer dafür finde.

Und irgendwann, ich war in der App und irgendwann hatte ich wieder so ein Gefühl, das ist doch krass wie Social Media.

Ich bin hier auf dieser Plattform, okay, um Musik zu hören oder Podcasts mir anzuhören, wie dein fabelhaften Podcast. Und ein Algorithmus schlägt mir jetzt Musik vor auf einmal, wie auf Social Media eben die Inhalte. Und das hört irgendwie nie auf.

Und jetzt ist auch noch Bewegtbild da und hier und da und jenes. Und dann habe ich mir Gedanken darüber gemacht. Und dann habe ich gedacht, nee, ich will das nicht mehr. Ich will, dass mir ein Algorithmus mehr Inhalte vorstellt, was ich mir anhören soll. Und dann habe ich halt weiter gedacht, okay, das Gleiche ist bei Netflix.

Und das Gleiche ist bei Amazon Prime natürlich und das Gleiche ist auf Apple TV.

Und ich so, nee, ich höre jetzt damit auf, ich mache mal ein Experiment, ich kündige all meine Abos und schaue, was passiert, wie es mir damit geht.

Dann habe ich natürlich wieder Beobachtungen gemacht, alles schön aufgeschrieben in meinem Experiment, wie es mir damit geht. Und es ging mir gut, ich habe es nicht vermisst, ich hatte kein FOMO, kein Fear of Missing Out.

Musik ist mir nach wie vor sehr wichtig. Und ich habe mir meine alten iTunes-Einkäufe angeschaut. Und ich hatte hunderte von Titeln dort seit mehr als 15 Jahren, als ich noch ein, wie hießen die, ein iPod-Shuffle oder wie das kleine Rechteck hieß, das man sich anknipsen konnte an die Kleidung, so ein kleines Ding, mit dem bin ich immer laufen gegangen. Ich bin nie mit einem Smartphone laufen gegangen.

Und da habe ich mir gedacht, ja, ich habe so viel Musik von damals. Und dann habe ich da reingehört und ich habe so alte Juwelen wiederentdeckt. Ja, genau dieses Album. Und seitdem höre ich nur noch Musik, die ich gekauft habe, die ich für mich selbst ausgesucht habe. Und ich habe mir so ein kleines Budget zurechtgelegt, jeden Monat 30 Euro.

Und mit diesen 30 Euro darf ich mir Musik kaufen. Jeden Monat. Und ich weiß, dass ich durch diese, es ist jetzt nicht die Welt, aber durch diese meine 30 Euro werden die Künstler viel besser unterstützt als über Spotify und, deswegen halte ich noch daran fest, dass ich habe nichts geändert, ich bin immer noch ohne diese ganzen Abos und erfreue mich an der Musik, die mir wirklich gefällt und die ich entdecke.

Durch Podcasts, durch Artikel, durch Künstler, die mir schon gefallen und ich irgendwie dann andere Künstler finde, mit denen sie zusammengearbeitet haben.

Und das hatte dann damit zu tun, weil ich meinen Kopf so frei wie möglich haben möchte. Deswegen hat es mit Kreativität zu tun.

Ich möchte meinen Kopf so offen und so frei von irgendwelchen Algorithmus getriebenen Feeds frei halten, sodass ich meine Kreativität frei entfalten kann, auch wenn es nur darum geht, welche Musik ich höre, weil es ist wichtig, mit was ich mich füttere. An künstlerischen Dingen.

Und weil ich ja selber auch male und schreibe und deswegen ist es wichtig. Ja, und ich bereue es nicht und kann es nur jedem empfehlen.

[Alex] Ich finde es so total wertschätzend einfach den Menschen gegenüber, die dann ihre Musik machen. Ich meine... Wir alle wissen, wie schlecht die Streams da entlohnt werden.

[Rini] Ich habe das echt nochmal recherchiert, Spotify im Vergleich zu iTunes-Einkäufen. Und dann war für mich glasklar, ich höre damit auf. Und die Podcasts höre ich jetzt über die Apple-Podcasts-App auf meinem iPhone. Also funktioniert nach wie vor.

Ich habe alle Podcasts quasi abonniert dann auch im Apple-Abo über Apple-Podcasts. Und dann läuft das.

Und was Filme und Serien angeht. Es gab so viel auf Netflix. Und es gab oft Tage, wo ich nichts zum Ansehen hatte. Und ich dachte mir, das kann doch nicht sein. Bei so einem Programm, so einem großen Programm, dass ich nichts finde. Und deswegen, ich schaue mehr Fernsehen, wenn ich was schauen möchte. Also ich schaue Sachen über die Mediatheken an. Da gibt es sehr, sehr viel Angebot nach wie vor. Und ich habe auch nicht so viel Zeit zum Filme schauen inzwischen. Und ja, bis jetzt funktioniert es ganz gut.

Wie sieht eine achtsame Social-Media-Nutzung aus?

[Alex] Ja, spannend auf jeden Fall. Wir können Achtsamkeit ja auch auf soziale Medien anwenden. Wie sieht für dich so eine achtsame private Social-Media-Nutzung aus?

Oder wie könnte sie aussehen, wenn ich sage, ich möchte da ein bisschen mehr Achtsamkeit reinbringen?

[Rini] Ja, das achtsame Social-Media-Marketing, da haben wir ja im Buch auch sehr viel darüber, da habe ich auch im Buch darüber sehr viel geschrieben. Was jetzt privat angeht, ich glaube, das sind, was die achtsame Nutzung angeht, die gleichen Ansätze im Sinne von, diese Reflexion zu haben, diese Wahrnehmung zu haben:

Wie geht es mir mit meiner Social-Media-Nutzung überhaupt? Also wie geht es mir, nachdem ich Instagram oder TikTok zugemacht habe? Wie geht es mir damit? Welche Gefühle kommen in mir auf? Und kann ich mich überhaupt am Ende des Tages an irgendeinen Inhalt erinnern, den ich konsumiert habe?

Der Blick in die Screen-Time hilft und schockt immer.

Und ich würde tatsächlich jedem raten, wenn wir uns diese Stunden anschauen, die wir online verbringen, sie hochzurechnen auf Tage im Jahr. Dann ist es greifbarer.

[Alex] Oder Stunden zumindest schon.

[Rini] Mindestens Stunden. Aber wir kommen sehr schnell auf Tage im Jahr. Und ich glaube, da ist wirklich so ein Moment des Erwachens.

Und das andere ist auch zu schauen danach natürlich, welche Apps brauche ich überhaupt, die auf meinem Smartphone sind.

Brauche ich alle Social-Media-Apps?

Und wenn ich die Zeit reduzieren möchte, kann ich vielleicht die Apps am Wochenende löschen und kann ich vielleicht die Apps komplett löschen und über den Laptop nutzen, was nicht so attraktiv ist wie über das Smartphone?

Und ich glaube, es ist wichtig zu wissen, dass, wenn jemand jetzt zuhört, dem oder der es nicht gut geht mit der Social-Media-Nutzung und den Verdacht hat, ich könnte süchtig sein, ich könnte wirklich richtig abhängig davon sein, man ist nicht allein.

Es geht so vielen Menschen so, aber niemand sagt etwas. Niemand macht den ersten Schritt und sagt, hey, ich habe ein Problem damit. Ich verbringe acht Stunden auf TikTok. Ich vergeude mein Leben. Ich bin 19 Jahre alt und studiere nicht und lese nicht und mache nichts und bin nur auf TikTok. Ich glaube, darüber offen zu reden, sich einzugestehen und da ist halt eben Achtsamkeit dieser wertvolle Helfer des Reflektierens, des Annehmens ohne zu werten.

Diese Klarheit, die dann da ist und diesen Schritt zu gehen und zu sagen, ja, ich habe ein Problem und ich muss jetzt etwas für mich, für meine Gesundheit, etwas dafür tun.

Instagram verlassen

[Alex] Ich glaube, aber für Selbstständige ist es vielleicht noch ein Ticken schwieriger sogar, weil da ja auch noch dieser Gedanke ist, ich muss das machen.

Also wenn ich mir jetzt vorstelle, ich nutze TikTok gar nicht für mein Marketing, sondern einfach nur als Privatmensch, dann kann ich vielleicht eher sagen, okay, ich höre jetzt auf damit.

Aber wenn ich es fürs Marketing brauche, wenn alle sagen, wenn du selbstständig bist, dann brauchst du Instagram, dann brauchst du Werbeanzeigen auf Instagram, dann brauchst du TikTok oder XY, ist es natürlich irgendwann super schwer, da so einen Cut zu machen. Wie hast du das geschafft?

Weil du hast ja auch jetzt vor einigen Monaten – richtig? – dann Instagram endgültig verlassen.

[Rini] Ja, ich glaube, das war letztes Jahr. Also ich habe oft zwischendurch den Account deaktiviert gehabt. Jetzt ist er schon, ich glaube, fast ein Jahr deaktiviert. Ja, also ich habe den Account nicht gelöscht, aber es ist deaktiviert.

Wir haben es vorhin auch ein bisschen bei einer anderen Frage angeschnitten. Wenn wir selbstständig sind und Social Media nutzen für unser Marketing, ich glaube, das hast du auch oft sehr, sehr oft gesagt und betont, und sich die Frage zu stellen, okay, ich nutze Social Media, ich sehe, es geht mir nicht gut damit. Entweder vom Psychologischen, von diesem Druck und dieser Belastung, die da ist, oder von der Zeit und der Energie, die ich aufwende. Es geht mir nicht gut damit, ich empfinde es als Last, zu schauen, was bringt mir Social Media überhaupt? Bringt es mir etwas?

Also wenn ich sehe, es kommen Kunden über Social Media, es kommen wirklich Kunden über Instagram oder Facebook oder Snapchat oder TikTok, was auch immer, dann kann ich mir ja anschauen, okay, es kommen Kunden, ich möchte jetzt diesen Fluss nicht stoppen, aber wie kann ich besser, obwohl es ja nicht meine Aufgabe wäre, aber die der Konzerne, aber das ist ein anderes Thema, wie kann ich besser meine Zeit und meine Energie aufteilen, sodass es mir gut damit geht? Was ist das Mindeste, was ich machen muss, um diesen Fluss beizubehalten?

Und wenn ich aber sehe, dass nichts kommt über Social Media, dass wenig kommt, dass ich einfach nur wirklich dieses FOMO-Gefühl habe oder das Gefühl, ja, ich muss da sein, weil alle da sind, dann ist es Zeit, vielleicht etwas zu ändern und wirklich mit dem Gedanken zu spielen, sich davon zu entfernen.

[Alex] Und dann kommt natürlich der Gedanke, was mache ich stattdessen? Also was kann ich stattdessen nutzen oder halt sehen, über welche Kanäle, über welche anderen Methoden und Aktivitäten kommen denn die Kunden zu mir und die dann noch verstärken, noch mehr von dem tun, was uns und dem Business gut tut.

[Alex] Ich habe jetzt für das Buch recherchiert und da eine Studie gefunden, dass die meisten Marketer gar nicht sagen können, was soziale Medien in den letzten Endes bringt fürs Marketing.

Also die meisten messen es gar nicht oder sie wissen nicht wie und sie könnten gar nicht sagen, was es für Ergebnisse bringt.

Und ich glaube, das wäre so das Erste, was man machen könnte, wenn man überlegt, jetzt soziale Medien, ja, nein, dass man einfach anfängt zu messen.

Also ich bin selbst kein Zahlenfetischist, aber wenn man wirklich vor der Entscheidung steht, dann glaube ich, hilft es, einfach schwarz auf weiß zu sehen: soziale Medien bringen nichts oder sie bringen wenig. Oder von mir aus auch, sie bringen etwas und zwar in dem Bereich.

Also, dass man sich einfach eine Klarheit darüber verschafft, welche Rolle soziale Medien eigentlich im eigenen Marketing spielen.

Ich glaube, dass viele das gar nicht wissen. Also, sie ruhen sich auf diesen Gedanken aus, wir brauchen soziale Medien, wenn wir selbstständig sind. Aber was das jetzt konkret für mich und mein Marketing bedeutet – ich glaube, viele haben keine Ahnung.

Und das wäre so das Erste, was man machen kann. Einfach mit Fakten belegen und dann, glaube ich, kann man sich viel besser entscheiden.

[Rini] Ja, genau. Viele große Unternehmen, Marken, man kann sich als Selbstständiger und Selbstständige nicht mit diesen großen Marken vergleichen, weil diese großen Marken, diese Konzerne, Firmen, für die ich auch aktiv gearbeitet habe und immer noch teilweise arbeite, haben große Teams dahinter.

Und da haben wir viele Kampagnen und diese Kampagnen werden auf eine Art und Weise gemacht, wo wir nachvollziehen können, wird dieser Rabattcode, der nur auf Instagram gegolten hat, wie viele Male wurde der eingereicht, eingegeben im Online-Shop.

Es gibt andere Firmen, die machen Social Media nur für die Brand Awareness, die wollen einfach nur präsent sein, aber sie haben das Geld, die Menschen, die Ressourcen dafür, das machen zu können.

In der Selbstständigkeit sind unsere Ressourcen beschränkt. Und deswegen müssen wir sehen, wie du vorhin auch gesagt hast, wie ich gesagt habe, was ist das, was am sinnvollsten ist in dem Sinne für das Business und letzten Endes auch für mich, für meine Gesundheit, für meinen Wohlergehen. Also was bringt mir was letzten Endes?

Die Rolle der Bücher im Marketing

[Alex] So, ich glaube, jetzt würde ich mal gerne den Schwenk machen zu deinen Büchern.

[Rini] Oh je, okay. Bücher.

[Alex] Ich habe es ja schon im Intro gesagt. Ich habe dich für mein Buch interviewt, du bist aber selbst auch fleißig am Buchschreiben, du hast schon einige veröffentlicht.

Vielleicht kannst du ja mal erzählen, welche Rolle Bücher bei dir spielen in deinem Marketing und vielleicht auch, was du überhaupt geschrieben hast.

[Rini] Ja, also ich habe tatsächlich mir aufgeschrieben, was ich alles geschrieben habe, damit ich nichts vergesse.

Das erste war der Rauhnächte-Begleiter und ist immer noch der Rauhnächte-Begleiter, der als PDF rauskommt jedes Jahr seit 2020.

Und es könnte sein, es könnte sein, ich bin mir noch immer noch nicht sicher, ob er dieses Jahr auch als gedrucktes Buch rauskommt.

Und dann natürlich das Buch, das im Selbstverlag erschienen ist, Digitale Achtsamkeit für Selbstständige, wo auch ein Interview von dir hier drinnen ist und wo du auch mir geholfen hast und quasi das Lektorat gemacht hast, sage ich mal.

Und das war sehr, sehr wertvoll für mich.

Und dieses Buch hat es auch in die Longlist für den Self-Publisher, für den Preis des Self-Publisher-Verbandes geschafft.

Und das letzte im Selbstverlag ist ein Gedichtband. Der Gedichtband nennt sich 50, ein Geburtstag in Gedichten. Und das ist quasi ein Buch, das ich zu meinem 50. Geburtstag rausgebracht habe, ein Gedichtband. Und ein neues ist in the Making. Ich bin noch in der Anfangsphase.

Bücherschreiben ist wichtig, erst mal für mich selbst als Kreative.

Es hilft mir in meiner Weiterentwicklung beim Schreiben und überhaupt auch in meinem Leben, würde ich sagen.

In meiner Selbstständigkeit bringen Bücher auch ihren Anteil in den monatlichen Umsatz rein. Natürlich ein kleiner Anteil, aber immerhin ein Anteil.

Und die Bücher sind für mich ein Outlet, wo ich wirklich Platz und Raum habe, so zu schreiben und so zu sein, was ich natürlich auch im Blog mache, aber halt eben in diesem langen Format eine Idee wirklich auszubreiten, zu Ende zu denken und kreativ zu gestalten, wie ich es machen möchte.

Das ist wirklich für mich so eine kreative Spielwiese und natürlich auch ein Tool, über das ich, weil die Bücher bis jetzt Gott sei Dank sehr gut angenommen werden, auch bekannter geworden bin als Autorin, als Coach, als jemand, der sich einsetzt für digitale Achtsamkeit und auch für ein achtsameres Leben überhaupt.

Und ich will auch den Prozess des Schreibens nicht missen.

Das ist für mich ein ganz, ganz wichtiger und schöner Teil vom Sein, nicht nur vom Selbstständigsein.

[Alex] Das finde ich total schön, weil ich glaube, viele wollen ihr Buch in der Hand halten, aber wollen dann nicht schreiben oder haben dann irgendwie Probleme mit dem Schreibprozess. Wie sieht das bei dir genau aus? Also hast du Rituale, Schreibgewohnheiten? Wie kommst du zu deinen fertigen Büchern?

[Rini] Mhm. Es ist jetzt tatsächlich so, morgen mache ich einen Live-Workshop tatsächlich über das Schreiben. Es geht um, wie man eine Buchgliederung schreibt. Wie du ja weißt, ein ganz, ganz wichtiger Teil vom Schreiben eines Buches.

Also ich glaube, das Wichtigste ist, wenn man schreiben möchte, dass man schreibt.

Also nur wenn man schreibt, kann man noch besser darin werden.

Und ich schreibe oft, ich schreibe regelmäßig, ich schreibe fast täglich, ob für den Blog, für den Podcast, für die Newsletter oder eben für ein Buch. Und das ist auch der wichtigste Tipp: dranbleiben, schreiben.

Und ich habe kein konkretes Ritual. Was ich aber mache, ist, ich schreibe mir, ich stelle tatsächlich, dass dieses Schreibdate, diese Zeit, kommt in den Kalender als erstes rein.

Also genauso wie meine Marketingaktivitäten. Bei mir, ich mache ja dieses Timeblocking, habe ich auch im Buch darüber geschrieben, wie ich dieses Zeit- und Energiemanagement mache.

Bei mir kommt alles in den Kalender rein. Mein Marketing, die Schreibdates, die ich habe, also alles kommt rein. Ich weiß, okay, Montag von 9 bis 11 Uhr ist Schreibdate und da schreibe ich entweder den Blogartikel oder den Podcast oder die Newsletter oder eben beginne das nächste Kapitel im Buch meinetwegen, wenn ein Buch geschrieben wird.

Und das Wichtigste ist dabei, dass, also ich schreibe gerne sehr, sehr früh morgens. Ich habe immer den Gedanken, in der Früh habe ich noch alle Wörter im Kopf und wenn der Tag so weitergeht am Abend, sind alle Wörter verbraucht und ich habe nichts mehr. Ist alles doch irgendwie da. So ein ganz komischer Gedanke. Und deswegen schreibe ich gerne sehr früh morgens.

Und Smartphone ist in einem ganz anderen Zimmer, Deep Work ist angesagt, Kaffee gehört dazu, wirklich so einfache Sachen.

Im Winter mache ich auch meistens eine Kerze an, weil das ist dann schön kuschelig, in der Früh, wenn alles noch sehr dunkel ist draußen, und dann schreibe ich einfach.

Und wenn ich keine Idee habe zum Schreiben, schreibe ich trotzdem irgendwas. Wörter, Stichpunkte, irgendwas und dann kommt es zusammen irgendwie. Also das Schreiben entsteht beim Schreiben.

[Alex] Ja, mein Geheimtrick sind ja Listen. Also wenn ich nicht weiß, was ich schreiben soll, dann mache ich mir einfach Listen. Oder merke ich bei Punkt, weiß ich nicht, 13 oder 17, ah ja, darüber könnte ich schreiben. Also einfach nicht aufhören zu schreiben.

[Rini] Ja, genau.

[Alex] Gerade dein Buch zur digitalen Achtsamkeit hat ja 300 Seiten.

[Rini] Ja.

[Alex] Das ist eine Menge. Ich hab ja gerade 400 Seiten geschrieben und weiß. Man ist schon ein bisschen beschäftigt. Wie bist du denn am Ball geblieben?

Kennst du das auch, dass man irgendwo im Mittelteil dann auf einmal denkt, was mache ich hier? Hattest du das auch oder hattest du nie so Motivationslöcher?

[Rini] Ja, ich erinnere mich. Also ich habe August 2022 angefangen und März 2023 war es zu Ende geschrieben. Und ich hatte dazwischen, ich glaube, so drei oder vier Wochen, wo ich gar nichts geschrieben habe. Ähm, ich erinnere mich aber tatsächlich nicht mehr, ob es ein Motivationstief war oder ob ich ganz einfach keine Zeit hatte, weil ich, äh, noch viele Kundenprojekte nebenbei hatte in dem Jahr.

Ich habe tatsächlich, also ich habe mich gefreut aufs Schreiben. Ehrlich, ich bin halt ein Nerd. Also ich mag das sehr, wenn ich so an Projekten arbeite, wenn ich so tief arbeiten darf, wenn ich wirklich reintauchen kann und recherchieren kann und mir Sachen anschauen kann. Das mag ich sehr. Und ich habe mir das Montag bis Freitag eingeplant. Jeden Tag kam es in den Kalender rein. Außer am Wochenende. Am Wochenende hatte ich schreibfrei, immer. Und bei mir funktioniert sowas. Also so diese Disziplin, die befreit mich eher, als dass sie mich einschränkt.

Und es hat fabelhaft funktioniert. Und auch so über Weihnachten oder so habe ich auch nicht geschrieben, so an Feiertagen. Aber sonst kam das immer rein. Und es gab Tage, wo ich wusste, ich habe nur eine Stunde zum Schreiben. Und dann gab es Tage, wo ich wusste, okay, ich habe den ganzen Vormittag. Und dann habe ich halt mehr geschrieben. Ja, das war eine schöne Zeit.

Die Vorteile des Selfpublishing

[Alex] Also es ist einfacher, aus Gewohnheit zu schreiben.

Wenn ich mich nicht jeden Tag damit beschäftigen muss: Schreibe ich heute oder schreibe ich heute nicht? Und wenn diese Entscheidung einmal getroffen ist, dann ist klar: Ich setze mich hier und schreibe.

Du hast dich ja bei all deinen Büchern für Selfpublishing entschieden. Wo siehst du die Vorteile beim Selfpublishing?

Wie hast du das empfunden?

[Rini] Ein ganz wichtiger Wert für mich ist Unabhängigkeit und Freiheit und Kreativität und noch ein paar andere.

Von dem her, glaube ich, liegt es nahe, dass ich mir nicht gerne reinreden lasse, was meine Texte angeht, inhaltlich.

Also wenn es komplett in die falsche Richtung geht, natürlich, wir haben auch an ein paar Stellen zusammen Sachen aufgezeigt, die ich korrigiert hatte. Aber es geht halt darum, ich wollte ein Buch schreiben über digitale Achtsamkeit und ich wollte tatsächlich die negativen Seiten von Social Media zeigen. Und so wie ich sie geschrieben habe, habe ich sie in einem deutschsprachigen Buch bis heute nicht gesehen.

Und die meisten Bücher, die darüber geschrieben wurden, also noch ist deins natürlich nicht raus, ich weiß nicht, was drinstehen wird.

[Alex] Ja, genau.

[Rini] Aber ich wollte genau meine eigene Meinung dazu vertreten und meine Sichtweise, und das natürlich auch mit Studien und mit Umfragen, untermauern.

Und ich denke, wenn ich das Exposé an die Verläge geschickt hätte, heißt es so Verläge?

[Alex] Verlage, glaube ich.

[Rini] Verlage, ja, schau. Ja, auch aus dem Grund, glaube ich, weil ich eben mich so sehr radikal geäußert habe, wäre wahrscheinlich das Buch so in dieser Form nicht angenommen worden, sage ich mal.

Und das war der Hauptgrund, also diese kreative Freiheit, dass ich tatsächlich so schreiben kann, wie ich schreiben möchte und darf und es auch mache.

Und für mich ist es auch wichtig, den Prozess mehr oder weniger unter Kontrolle zu haben, auch zeitlich, weil bei einem Verlag hast du ja eine lange Vorlaufzeit, bis etwas endlich zur Verfügung steht.

Im Selfpublishing geht alles relativ schneller.

Und man hat auch direkten Einfluss. Ich habe mein Buchcover selbst gemacht, ich habe die Formatierung selbst gemacht, ich habe alles selbst gemacht. Und ich brauche diesen Grad der Freiheit, aber auch der Kontrolle über die Sachen, die ich in die Welt bringe.

Beim Gedichtband das Gleiche, auch weil ich zum ersten Mal Gedichte herausgebracht habe. Ich habe überhaupt keine Ahnung, wie sie angenommen werden, weil es ist noch sehr, sehr frisch.

Bis jetzt ist auch hier das Feedback sehr gut. Aber wie gesagt, es ist das erste Mal, dass ich sowas mache. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, tatsächlich an Verlage heranzugehen.

Vielleicht würde ich das auch für die zweite Auflage für „Digitale Achtsamkeit für Selbstständige“ machen. Aber ich bin echt, ich weiß es nicht. Also ich habe meine Zweifel, ob ich diesen Weg gehen möchte oder ob ich tatsächlich lieber so frei bleiben möchte, wie ich frei bin. Und auch dieses ganze Marketing-Spektakel und PR und so weiter.

Vieles nimmt natürlich der Verlag ab und auch, dass es im Buchhandel dann zur Verfügung steht, das ist natürlich ein mega Vorteil vom Verlag, was ich jetzt im Selfpublishing nicht habe, obwohl auch Buchhandlungen bei mir bestellt haben, aber natürlich ist es nicht das Gleiche, wenn man mit einem Verlag zusammenarbeitet und was Marketing und PR angeht, ja, ich bin da eher achtsam unterwegs, und ich weiß nicht, ob es für mich etwas wäre. Ich weiß es nicht.

Mit digitaler Balance starten

[Alex] Abschließend eine allerletzte Frage. Wenn jetzt jemand zuhört, der oder die total von Social Media, von Netflix, Spotify oder was auch immer überfordert ist und merkt, irgendwas muss sich ändern. Was wäre denn so ein guter Punkt, um zu starten, auch wenn es so ein mini kleiner Schritt ist zur digitalen Balance hin?

[Rini] Ja, es sind tatsächlich kleine Schritte, die aber sehr, sehr wichtig sind am Anfang und auch sehr, sehr tief gehen können. Ich glaube, das Wichtigste am Anfang ist, es sich selbst einzugestehen. Und zu sagen, ja, ich habe ein Problem damit. Wo wir wieder bei der Wahrnehmung, Reflexion, wieder bei dieser Achtsamkeit sind. Ich habe tatsächlich ein Problem damit.

Und dann aber auch zu sehen, und auch diese ganzen Fragen, die ich vorhin schon erwähnt habe: Was passiert mit mir? Wann geht es mir nicht gut? Welche Plattform macht das?

Aber dann auch tatsächlich, wenn wir uns damit beschäftigen und es auch vielleicht auch mit jemandem teilen und sagen „Hey, ich habe ein Problem damit, wie geht es denn dir damit?“, merken wir dann tatsächlich schnell, dass wir nicht allein sind. Und dass es okay ist, dass wir ein Problem damit haben.

Also es ist nichts falsch mit dir, mit mir, mit uns, wenn wir ein Problem damit haben. Die sozialen Medien haben ein Problem in der Art und Weise, wie sie entwickelt werden, nicht wir. Und das zu verstehen, ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Schritt, zu sagen:

Hey, es ist nichts falsch mit mir, ich habe keine Schwäche, ich bin ein ganz normaler Mensch, es ist ganz normal, dass ich ein Problem damit habe.

Und dann, wenn ich den Entschluss treffe, diese Medien zu verlassen, die Apps zu löschen, Accounts zu löschen, meine Bildschirmzahlen zu reduzieren, das Wichtigste ist dann, auch sich Gedanken zu machen: Okay, ich möchte weniger von dem, aber von was möchte ich mehr? Also mit was möchte ich diese Zeit, diese Energie, diesen Aufwand, diese Gedanken, diese Gefühle ersetzen? Was habe ich mir vielleicht schon sehr, sehr lange vorgenommen, auch wenn es nur ein einfaches Hobby ist wie Stricken oder mit dem Partner mehr Zeit verbringen oder mit dem Hund mehr rausgehen, was auch immer, so ganz einfache Sachen, da muss nichts Großes sein.

Was habe ich mir schon ewig vorgenommen, mache es aber nie? Den Keller aufräumen. So ganz einfache Sachen. Und dann natürlich auch wichtigere Sachen, wo es halt dann auch richtig zur Sache geht, um Themen wie Werte. Wie möchte ich mein Leben leben? Was habe ich bisher vielleicht von mir weggeschoben, an negativen Emotionen, mich abgelenkt davon? Was läuft vielleicht nicht so gut in meinem Leben? Kann ich mir das anschauen? Möchte ich mir das anschauen? Brauche ich Hilfe dabei?

Also es fängt wirklich viel an zu arbeiten, wenn wir da rauskommen aus diesem Irrkreis, aus dieser konstanten Ablenkung.

[Alex] Ja, Rini, vielen, vielen Dank, dass du heute hier warst.

Das hat mich mega gefreut, mit dir zu sprechen, wie immer.

[Rini] Danke dir für die Einladung. Danke für deinen Podcast. Danke, dass du dich diesem sehr wichtigen Thema widmest, ohne Social Media zu arbeiten, zu leben, zu sein. Und ja, danke, dass ich hier sein durfte.

Shownotes

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Rinis Buch: Digitale Achtsamkeit für Selbstständige

Rinis Buch: 50 – ein Geburtstag in Gedichten

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Social-Media-Kritik Alexandra Polunin Social-Media-Kritik Alexandra Polunin

Es ist Zeit für feministisches Marketing!

Heute ist Weltfrauentag und weil das für mich so ein wichtiger Tag ist, gibt es eine außerplanmäßige Podcastfolge. Ich will in dieser Folge die Lanze brechen für eine Marketingform, über die wir dringend mehr sprechen sollten: feministisches Marketing.

Heute ist Weltfrauentag und weil das für mich so ein wichtiger Tag ist, gibt es eine außerplanmäßige Podcastfolge.

Folge anhören:

Transkript lesen:

Ich warne schon mal vorab, das wird die längste Podcastfolge, die ich bisher gemacht habe. Ich wollte es ja immer kurz und knackig halten – aber das war bei dem Thema irgendwie nicht möglich.

Denn ich will in dieser Folge die Lanze brechen für eine Marketingform, über die man noch nicht so viel hört, wie ich finde. Und ich glaube, wir sollten das dringend ändern.

Es geht um feministisches Marketing.

Ja, feministisches Marketing. Was ist denn das schon wieder für eine verrückte Idee? Können wir denn nicht einfach neutrales Marketing machen?

Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Gedanke ist, den viele Menschen haben, vielleicht auch du, wenn du das erste Mal den Begriff „feministisches Marketing“ hörst. 

Und deshalb möchte ich, bevor ich darauf zu sprechen komme, was „feministisches Marketing“ genau für die Marketingpraxis bedeuten könnte, kurz eine wichtige Sache vorweg erwähnen.

Und das ist der Punkt, dass es kein neutrales Marketing gibt.

Das hätten wir vielleicht alle gerne, weil wir uns als Selbstständige damit so schön aus der Verantwortung ziehen könnten. Doch es gibt keine neutrale Kommunikation und deshalb kein neutrales Marketing.

Denn wenn wir kommunizieren, egal, ob mündlich oder schriftlich, egal, ob privat oder beruflich, bringen wir immer auch eine bestimmte Perspektive mit, die sich immer aus unseren Erfahrungen ergibt. Und unsere Erfahrungen haben wiederum sehr viel mit unserem Geschlecht zu tun, unserer Herkunft, Religion, sexuellen Identität, Behinderung usw. 

Das heißt, wenn jemand auf Instagram postet „Du kannst alles erreichen, was du dir vornimmst“, ist das nicht neutral. 

Diese Person offenbart damit ihre Privilegien, weil es für die meisten Menschen dieser Erde aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Aussehens usw. in der Praxis eben nicht stimmt, dass sie alles erreichen können, was sie sich vornehmen.

Es ist zum Beispiel wahrscheinlicher, dass jemand, der Thomas heißt, in den Vorstand eines börsennotierten Unternehmens kommt als eine Frau – egal, wie sie heißt. Und es ist wahrscheinlicher, dass eine dünne Frau mehr in ihrem Job verdient als eine dicke Frau.

Wir könnten dieses Spiel jetzt noch für die nächste Stunde weiterspielen und alle möglichen Studien aufzählen, die zeigen, dass das Geschlecht, das Aussehen, die Herkunft, die sexuelle Identität usw. definitiv eine Rolle beim Erfolgreich-Werden spielen. 

Doch wichtig ist mir, einfach nur nochmal zu betonen: 

„Du kannst alles erreichen, was du dir vornimmst“ ist keine neutrale, positive Aussage, sondern eine gewisse Perspektive, die Menschen nur dann einnehmen können, wenn sie im Alltag nicht behindert und diskriminiert werden. 

Und ähnlich ist es auch mit dem Wunsch, den ich in der letzten Zeit oft per E-Mail bekomme, dass wir doch bitte schön wieder unpolitisches Marketing machen sollten und nicht immer gleich Stellung beziehen sollten, z.B. gegen Rechts, wie ich es in meinem Newsletter nun paar mal gemacht habe.

Ich habe zum Beispiel neulich eine E-Mail bekommen, in der es sinngemäß hieß: 

„Können wir es denn nicht bitte mit den Kategorien lassen? Links, rechts, Mann, Frau – wir sind doch letzten Endes alle nur Menschen. Und ich versuche auch Menschen Verständnis entgegenzubringen, die gerade nach rechts driften, und nicht gleich pauschal über sie pauschal zu urteilen usw.“

Ja, auch das ist keine neutrale Aussage

Ein „Herz für Nazis“ zu haben oder zu sagen „Es reicht jetzt aber auch mit feministischen Forderungen“ sendet genauso eine politische Botschaft, wie sich explizit gegen Nazis zu positionieren oder eben explizit feministisch zu positionieren.

Wir können einfach nicht neutral sein in dem, was wir tun oder sagen.

Die Annahme, man sei neutral, indem man sich in seinem Marketing nicht positioniert oder Empathie für alle zeigt, einschließlich Nazis, ist ein Trugschluss.

In den acht Jahren meiner Selbstständigkeit habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht: 

Wer neutrales, unpolitisches Marketing fordert, meint damit sehr häufig die männliche, weiße, privilegierte Perspektive.

Und das ist ein Problem. Denn wenn das Männliche, Weiße, Privilegierte das Neutrale ist, das Normale ist, ist die Perspektive einer Frau oder einer Schwarzen Person damit immer automatisch nicht neutral und nicht normal. Es wird zu etwas Besonderem, zum Anderen, zum Fremden.

Doch die Perspektiven von Frauen, von Schwarzen Menschen, von Menschen mit Behinderungen, von trans* Menschen, von Menschen mit Einwanderungsgeschichte usw. sind genauso normal wie die männliche, weiße Perspektive. 

Und das ist für mich der Grundgedanke des feministischen Marketings. Dass wir die männliche Perspektive als das Normale, als den Standard, als das Neutrale auflösen und sagen:

Im Marketing sind – im Rahmen des Grundgesetzes – alle Perspektiven richtig und wichtig. 

Und das schließt für mich natürlich auch die männliche Perspektive mit ein. Feministisches Marketing heißt nämlich nicht, wie gerne mal behauptet wird: Alle Perspektiven sind erwünscht – außer die männliche. Natürlich sind damit alle Menschen und alle Perspektiven gemeint.

So. Und nachdem wir das geklärt haben, spreche ich natürlich auch gleich darüber, wie feministisches Marketing genau aussehen könnte. 

Aber davor möchte ich noch einmal über Etikettenschwindel reden, also über Marketing, das sich feministisch anhört oder sogar nennt, es aber häufig nicht ist.

Und die erste Strategie, über die wir reden müssen, ist das sogenannte Femvertising. Also ein Kofferwort aus „Feminismus“ und „Advertising“. 

Femvertising.

Und da geht es darum, Produkte und Dienstleistungen mit Feminismus zu bewerben oder das Marken-Image mit Feminismus aufzupolieren. Das heißt, hier wird Feminismus im Grunde zu einem Marketing-Gag.

Es geht gar nicht darum, Frauen grundsätzlich zu stärken, es geht darum, Produkten, deren Zielgruppe Frauen sind, einen feministischen Touch zu verleihen und damit den Verkauf anzukurbeln.

Oft ist es dann so, dass in diesen Werbungen oder Marketingbotschaften „starke“ Frauen im Mittelpunkt stehen und damit die Botschaft, dass Frauen alles erreichen können, was sie nur wollen.

Dabei werden aber meistens nicht so positive Themen wie Gender Care Gap oder Gender Pay Gap oder der Kapitalismus ausgeklammert, weil es im Grunde darum geht, positive Gefühle bei der Zielgruppe zu wecken, also Autonomie zum Beispiel oder Selbstwirksamkeit. 

Und es geht gar nicht so um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit bestimmten Themen.

Ein prominentes Beispiel für dieses Femvertising ist McDonald’s. Sie haben am Weltfrauentag 2020 eine Kampagne gelauncht, in der sie Frauen in untypischen Sportarten zeigten, also Basketball oder Skaten usw.

Und dazu verwendeten sie das Hashtag #weilichskann. 

Und die Botschaft sollte vermutlich sein, dass wir uns von alten Rollenklischees verabschieden sollten und das ist sicherlich schön und alles. Doch alleine schon das Hashtag #weilichskann zeigt bereits, wie unreflektiert hier der Feminismus verstanden wird. Er ist nicht intersektional, er richtet sich nicht an alle, denn es gibt auch sehr viele Menschen, die es nicht können, um mal in ihrem Sprachgebrauch zu bleiben.

Diese Kampagne ist sehr ergiebig, denn sie zeigt auch noch eine zweite Strategie, die oft fälschlicherweise mit Feminismus gleichgesetzt wird, und das ist Female Empowerment.

Female Empowerment ist der Ansatz, dass Frauen gestärkt und gefördert werden sollen und ja, auch das ist sicherlich ein gut gemeinter Ansatz. Nur kommt es dabei in der Praxis meist zu Problemen.

Bei McDonald’s war es jetzt so, dass sie in Zusammenhang mit dieser Kampagne auch noch ein Video von McDonald’s-Mitarbeiterinnen auf ihren Social-Media-Kanälen verbreiteten. Das Video hieß „Fünf Karrierefrauen verraten ihr Erfolgsgeheimnis“. 

Und ja, Frauen, die arbeiten, als „Karrierefrauen“ zu bezeichnen, impliziert, dass das eben immer noch nicht normal ist, dass Frauen Karriere machen. Das ist eine konversationelle Implikatur und ich hab das schon an verschiedenen Stellen angemerkt, warum das ein Problem ist und warum wir das im Marketing nicht machen sollten. Deswegen werde ich an dieser Stelle auch nicht weiter darauf eingehen.

Dann sind es alles nur weiße Frauen, die in diesem Video gezeigt werden. Das heißt: Hier kann McDonald’s gerne behaupten, dass ihnen Vielfalt wichtig ist. Doch wenn sie ein Video von Frauen in Führungspositionen drehen und da keine einzige Schwarze Frau dabei ist oder Muslima oder Frau mit Behinderung usw., ist das ein Widerspruch. 

Denn entweder hat McDonald’s solche Frauen in der Führungsetage und dann stellt sich die Frage, warum McDonald’s diese Frauen nicht im Video zeigt.

Oder McDonald’s hat diese Frauen nicht in der Führungsetage, doch dann können sie eben nicht mit Vielfalt und Diversität werben, wenn sie keine Diversität in ihrem Unternehmen leben.

Und schließlich sagen diese „Karrierefrauen“ im Video auch noch, was sie ihrem jüngeren Ich raten würden. Doch diese Sätze werden so geschnitten, dass sie ausdrücklich den Zuschauerinnen Tipps geben sollen. Und dann hört man sowas wie: 

Trau dir mehr zu.

Trau dich, deine Meinung zu sagen, auch wenn es Diskussionen gibt.

Akzeptiere, dass du es nicht jedem Recht machen kannst. 

Nimm einfach eine ordentliche Portion Mut mit.

Sei nicht so nett, sag, was du willst, und vertrau dir selbst.

Und so weiter und so fort.

Hier wird also das Thema Gleichberechtigung – wieder einmal, muss man leider sagen – auf Frauen abgewälzt.

So, als würde es jetzt an mir liegen, dass wir keine Gleichberechtigung haben und immer noch den Gender Pay Gap und Care Gap und alle weiteren Gaps gibt, weil ich nicht mutig genug bin, weil ich zu nett bin oder weil mir zu wenig zutraue.

Und nicht etwa, weil die Strukturen in der Gesellschaft so sind, wie sie sind, und Frauen eben systematisch benachteiligen – egal, wie mutig oder nett sie sind.

Und wenn Feminismus im Marketing so verstanden wird, dass Frauen noch mehr an sich arbeiten müssen, tun diese Marketingvideos letzten Endes keinen Gefallen. 

Sie stärken Frauen nicht, sie bürden ihnen noch mehr Arbeit auf, als sie eh schon haben, nämlich Selbstoptimierung.

Es gibt noch eine weiteren Strategie, die oft einen feministischen, empowernden Touch hat und das ist das Konzept Body Positivity. Und da müssen wir natürlich über Dove reden.

Denn das Unternehmen hat bereits 2004 auf Models in ihrem Marketing gesetzt, die nicht normschön waren. Und das klingt erst einmal super, weil sie sicherlich hier die Vorreiter waren. Und das ist natürlich auch super, wenn die Vielfalt von Frauenkörpern im Marketing, auf Social Media, im Fernsehen usw. gezeigt wird.

Nur ist es auch hier leider, leider nicht so einfach.

Denn zum einen ist es so: Body Positivity und der Imperativ „Liebe dich so, wie du bist“ ist letzten Endes ein weiteres To-do auf der Liste von Frauen. Neben Kinderbetreuung, und wie wir von McDonald’s gelernt haben, der Vorantreibung der Gleichberechtigung, neben Wäsche waschen und Karriere machen und Sport natürlich auch noch dazu, müssen wir uns jetzt auch noch selbst lieben.

Und wenn wir uns in unserem Körper aber nicht wohl fühlen, liegt das nicht etwa an den Strukturen oder an Social Media, die alle ein bestimmtes Bild von Frauen verbreiten, sondern an uns, weil wir uns nicht gut genug selbst geliebt haben.

Und dass Dove in ihren Videos dann zum Beispiel sowas sagt wie “Millionen Frauen straffen ihre Kurven mit Dove. Schade, dass wir sie nicht alle zeigen können“, ist das natürlich eine seltsame Botschaft, die heißt: „Frauen dürfen Kurven haben, ja. Aber wehe, sie sind nicht straff.“ 

Und wenn man sich das Unternehmen Dove anguckt, ist es so, dass sie zu Unilever gehören, zu dem zum Beispiel Beispiel auch noch das Unternehmen Fair & Lovely gehört, das sich an Schwarze Frauen richtet und in ihrem Marketing gezielt den Wunsch nach einer helleren Hautfarbe weckt. 

Und tatsächlich ist es auch, dass Dove 2017, also 13 Jahre, nachdem sie diese Body-Positivity-Kampagne starteten, eine Werbung hatte, in der eine Schwarze Frau ihr T-Shirt auszieht und dann – mit Hilfe eines Dove-Produkts – zu einer weißen Frau wird.

Diese Werbung wurde zurecht heftig kritisiert, weil: offensichtlich rassistisch. Und natürlich ist das keine feministische Botschaft.

Das heißt, auch hier tarnt sich Body Positivity als Feminismus. Doch wenn wir tiefer gucken, stellen wir nicht nur fest, dass es wieder mal die Frauen sind, denen neue Aufgaben auf die To-do-Liste geschrieben werden – also: „Liebe dich selbst“ usw. –, sondern dass es auch widersprüchliche Marketingbotschaften gibt und dass auch Dove als Unternehmen kritische Verbindungen zu anderen Unternehmen hat, die problematische Dinge tun. 

Es mag natürlich ein Fortschritt sein zu offensichtlich sexistischem Marketing, völlig klar. 

Also wenn wir da zum Beispiel an True Fruits denken. Das Unternehmen stellt ja Smoothies her, und sie werben regelmäßig mit sexistischen Botschaften

Sie nennen ihre Smoothies zum Beispiel „Abgefüllt und mitgenommen“ oder „Oralverzehr – schneller kommst du nicht zum Samengenuss“ und ja, da wirkt natürlich eine Body-Positivity-Kampagne tausendmal fortschrittlicher und das will ich im Grunde auch nicht bestreiten, aber feministisch können wir das aus den genannten Gründen eben auch nicht nennen.

Und vielleicht merkst du schon, wo es bei den ganzen Problemen, die ich gerade beschrieben habe, meistens so hingeht. 

Es ist der Widerspruch zwischen dem, was Unternehmen nach außen in ihrem Marketing kommunizieren und dem, was innerhalb des Unternehmens und der Unternehmensstrukturen abgeht. 

Das heißt einerseits sage ich in meinem Marketing „Mir ist Diversität wichtig“, doch wenn ich mir dann die Führungsetage angucke, ist sie meistens weiß.

Oder ich sage „Jeder Körper ist schön“ und dann sage ich im selben Atemzug „Kurven sind okay, solange sie straff sind“ oder ich produziere einen Werbeclip, wo sich eine Schwarze Frau in eine weiße Frau verwandelt.

Ja.

Und wenn es da diese großen Widersprüche gibt, spricht man von Pinkwashing oder auch Femwashing.

Also der Begriff an sich ist sicherlich egal. Entscheidend ist, dass wir diesen Widerspruch benennen können. Und vielleicht kennst du auch andere Formen von Social Washing, nämlich Greenwashing, Rainbowwashing, Bluewashing usw.

Es geht dabei immer darum, dass es einerseits ein gewisses Image gibt, also zum Beispiel „Wir sind als Unternehmen klimafreundlich“, aber in der Praxis stimmt das einfach nicht, weil beispielsweise bei der Herstellung nicht so umweltfreundliche Dinge passieren. Dann ist das Greenwashing.

Und ich finde es extrem wichtig, diese Praktiken zu benennen, weil es eben nichts bringt, oberflächlich für gewisse Dinge einzutreten, ohne seine Unternehmenspraxis zu ändern oder dafür einzutreten, dass sich Strukturen verändern. 

Ja, jetzt habe ich sehr ausführlich darüber gesprochen, was feministisches Marketing nicht ist. 

Feministisches Marketing ist nicht Femvertising. 

Feministisches Marketing ist nicht Female Empowerment, so wie es auf sozialen Medien oder den Standard-Werbeclips gelebt wird. Also wir sagen „Frauen können alles schaffen, was sie wollen“ und das war unser Beitrag zum Weltfrauentag im Besonderen und Feminismus im Allgemeinen. 

So einfach ist es nicht.

Und Body Positivity ist natürlich sympathischer als offen gelebter Sexismus, doch auch hier macht Body Positivity ein Unternehmen nicht automatisch feministisch, wenn die übrigen Marketingbotschaften und Unternehmensstrukturen eine andere Sprache sprechen. 

Das sind alles letzten Endes Formen von Pinkwashing.

Jetzt kommen wir aber endlich dazu, was denn feministisches Marketing ist oder sein könnte. Denn im Netz, als ich für diese Folge recherchiert habe, habe ich nur sehr wenig dazu gefunden. 

Dieser Begriff ist nicht besetzt und die folgenden Punkte sind mein erster Versuch, ein Konzept zu beschreiben. Ich weiß nicht genau, wie gut mir das gelingt. Ich wünsche mir einfach, dass wir mehr darüber reden. Und das wir, ja, einfach anfangen, darüber zu reden.

Also was feministisches Marketing sein könnte. Was darunter fällt und was nicht. 

Und wenn du deine eigene Sicht hast, dann fang gerne an, darüber auf deinen Kanälen zu reden. Denn je mehr wir über das Konzept feministisches Marketing sprechen, desto besser.

So, ich möchte dir im Folgenden acht Merkmale oder besser Kriterien nennen, die aus meiner Sicht feministisches Marketing auszeichnen. Die Liste ist nicht vollständig, weil, wie gesagt, ich habe gerade damit begonnen, über dieses Thema nachzudenken, und wäre für mögliche Ergänzungen sehr dankbar.

Punkt #1: Feministisches Marketing berücksichtigt Intersektionalität

Was meine ich damit? 

Botschaften wie „Frauen können alles schaffen, was sie wollen“ beziehen sich meistens auf einen ganz bestimmten Typ Frau, nämlich auf die weiße, normschöne Frau ohne Behinderung

Und es gibt, wie ich schon angedeutet habe, eine Menge Studien, die belegen, dass das nicht stimmt, dass Schwarze Frauen, Frauen mit Behinderungen, dicke Frauen, Frauen mit Migrationshintergrund, also Frauen, die eben nicht der weißen Norm entsprechen, schlechtere Chancen auf so vielen Ebenen haben. Dass sie eben nicht alles erreichen können, was sie wollen.

Und wer das als Unternehmen im Marketing nicht berücksichtigt und die verschiedenen Lebensrealitäten der Frauen ignoriert, macht einen Feminismus für weiße Frauen, der dann eben auch nicht mehr Feminismus genannt werden kann.

Deshalb ist es so wichtig, in seinem Marketing nicht nur das biologische Geschlecht zu berücksichtigen und beispielsweise Frauen in seine Werbevideos zu packen, sondern immer auch verschiedene Geschlechtsidentitäten, Herkünfte, Religionen, Körper, Aussehen, Behinderungen usw. mitzudenken.

Denn die Voraussetzungen für Schwarze Frauen sind aufgrund von Alltagsrassismus nun mal andere als für weiße Frauen. Und für Frauen mit Behinderungen nochmal andere usw.

Und es ist im feministischen Marketing notwendig, verschiedene Merkmale abzudecken und nicht nur das Geschlecht. 

Also: Wer ein Video über Frauen, die im Unternehmen Führungspositionen haben, machen will, sollte lieber sicherstellen, dass es dort tatsächlich auch eine Vielfalt von Frauen gibt. Sonst sollte man vielleicht nicht so ein Werbevideo machen und lieber erst einmal dafür sorgen, dass die Führungsetage diverser wird.

Und Marketing, das Intersektionalität mitdenkt, hat vermutlich dann automatisch auch komplexere Botschaften, die sich vielleicht nicht auf drei Slides in einem Karusselpost auf Instagram herunterbrechen lassen, ja. 

Aber diese Komplexität ist notwendig, wenn einem die Werte Vielfalt und Diversität wirklich wichtig sind als Unternehmen. Diversität ist komplex. Und feministisches Marketing muss dem Rechnung tragen.

Kommen wir zum zweiten Punkt und es ist traurig, dass man diesen zweiten Punkt noch mal explizit erwähnen muss, aber:

Punkt #2: Feministisches Marketing ist trans*-freundlich

Leider findet man im Marketing immer noch Äußerungen, die trans*-feindlich sind und wo Menschen sich über trans* Menschen lustig machen. Und das hat überhaupt nichts im feministischen Marketing verloren.

Bekanntes Beispiel ist die Fitness-Influencerin Pamela Reif, die vor nicht allzu langer Zeit vor den Augen ihrer Millionen Follower einen Filter ausprobiert hat und gesagt hat, dass er sie aussehen lasse … den Rest kann man sich ja denken. 

Das gab einen großen Aufschrei und das zeigt wieder einmal wunderbar, dass es nicht ausreicht, dass eine weiße, normschöne Frau erfolgreich wird und man muss im Fall von Pamela Reif sagen, sich ein Imperium aufbaut, weil es die Situation von anderen Frauen nicht automatisch verbessert und von trans* Frauen schon gar nicht.

Auch J.K. Rowling, ja die Autorin von Harry Potter fiel vor ein paar Jahren durch die Äußerung auf, dass trans* Frauen keine richtigen Frauen seien. Und ja, auch hier: Eine erfolgreiche Frau verbessert nicht automatisch die Situationen für andere Frauen. Stattdessen kann es sein, dass sie ihre Reichweite nutzen, um sich gegen trans* Frauen zu äußern.

Dabei kam 2020 in einer europaweiten Umfrage raus, dass in Deutschland 10% aller trans* Menschen immer noch Gewalt erfahren. Und Deutschland lag damit sogar knapp über dem EU-Schnitt. 

Deshalb ist für feministisches Marketing aus meiner Sicht Pflicht, da sensibel zu sein und trans* Menschen einzuschließen.

Punkt #3: Feministisches Marketing löst Stereotype und Klischees auf – und bedient sie nicht.

Und da denkt man vielleicht zuerst an offensichtlich sexistische Werbung. Ich hatte ja schon das Beispiel True Fruits genannt, aber tatsächlich bedienen Unternehmen auch sehr häufig subtil Stereotype. Und ich vermute auch, wahrscheinlich gar nicht so beabsichtigt.

Also wer immer noch von „Karrierefrauen“ spricht, sagt damit ja automatisch, dass es etwas Besonderes ist, wenn eine Frau Karriere macht. Schließlich gibt es die Begriffe „Karrieremann“ nicht oder „Working Dad“ oder „Boyboss“. Das ist alles nur für Frauen reserviert, weil es immer noch so konzipiert ist, dass eine Frau, erst recht wenn sie Kinder hat, eher nicht oder wenig arbeitet und keine Karriere macht. 

Das heißt: Unternehmen sollten diese Sprache nicht bedienen, wenn ihnen Feminismus wirklich ein Anliegen ist. 

Punkt #4: Feministischem Marketing geht es mehr um Strukturen als um Selbstverwirklichung

Denn wenn wir uns das Marketing angucken, das Frauen in den Mittelpunkt stellt, was an sich ja gut ist, ist es aber immer so, dass es um individuelle Selbstverwirklichung geht. 

Und die Botschaften, die dann gesendet werden, sind:

Wenn du dich auf eine bestimmte Art und Weise verhältst, z.B. unseren Mercedes fährst oder unseren Burger isst oder mutig bist, bist du eine richtig starke Frau oder eben auch, kannst du dich beruflich verwirklichen.

Und das ist nicht das, worum es Femininst*innen geht. Es ist natürlich Blödsinn, von „Femininst*innen“ zu sprechen, ich weiß, einfach weil es so viele Strömungen gibt. Aber ich würde schon behaupten, dass alle Richtungen gemeinsam haben, dass es darum geht, die Strukturen für alle Frauen zu verbessern und nicht darum, dass einige wenige an der Spitze stehen.

Das funktioniert nicht, wie wir immer wieder sehen. 

Also ja, vielleicht war Angela Merkel Bundeskanzlerin für eine lange Zeit in Deutschland. Doch das heißt nicht, dass sich dadurch die Situation von Frauen in Deutschland verbessert hätte. Es gibt hier immer noch den Gender Care Gap und den Gender Pay Gap und eine ganze Reihe von weiteren Gaps, die ich hier unmöglich aufzählen kann.

Und vielleicht war Sheryl Sandberg lange Zeit COO von Facebook, später Meta. Doch das heißt nicht, dass sie dadurch eine Social-Media-Plattform geschaffen hätte, auf der Frauen sicher sind und nicht beleidigt werden.

Und vielleicht war Sophia Amoruso ein Girlboss und hat aus alter Kleidung ein Imperium aufgebaut. Doch das heißt nicht, dass es ihre Angestellten so gut bei ihr hatten. Denn sie hat ja bekanntermaßen schwangere Mitarbeiterinnen gefeuert.

Das heißt:

Es bringt uns überhaupt nichts, wenn es einige wenige Frauen an der Spitze gibt, die die Strukturen einfach für sich zu nutzen wissen und im Grunde vieles, was problematisch ist, reproduzieren.

Was wir wirklich brauchen, ist, dass sich Strukturen ändern. Also, dass es Gesetze gibt. Dass Unternehmen bestimmte Dinge machen oder dazu verpflichtet werden, wenn sie es eben nicht freiwillig tun. Denn ganz ehrlich: Es kann doch nicht sein, dass es immer noch mehr Männer in den Vorständen von börsennotierten Unternehmen gibt, die Thomas heißen, als Frauen.

Oder dass Frauen immer noch weniger in ihrem Job verdienen und später viel eher in Altersarmut landen als Männer.

Deshalb dürfen Unternehmen im Marketing diese strukturellen Tatsachen, die wirklich unangenehm sind, das ist sicherlich richtig, aber nicht einfach ausklammern. Sie müssen sie berücksichtigen.

Punkt #5: Feministisches Marketing ist kapitalismuskritisch 

Und vielleicht schüttelst du jetzt den Kopf, denn natürlich müssen wir als Selbstständige oder als Unternehmen Geld verdienen. Und darum geht es mir auch gar nicht. Ich glaube, diesen Widerspruch müssen wir aushalten. Doch:

Wir dürfen Feminismus nicht verkaufen.

Und wenn wir uns die letzten Jahre angucken, stellen wir fest, dass genau das aber passiert ist. 

Ich denke da an all die Shirts und Tassen und Jutebeutel, auf denen „Girlboss“ oder „Feminist“ draufsteht, so als gäbe es dann damit offiziell keine Notwendigkeit mehr, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen.

Und es gab zum Beispiel den Fall in Großbritannien, als 2019 T-Shirts für Charity verkauft wurden, auf denen „Girl Power“ draufstand, wo dann aber herauskam, dass genau diese T-Shirts unter prekären Bedingungen von Frauen in Südostasien genäht wurden.

Das zeigt, dass wir nicht bessere Feminist*innen werden, nur weil wir etwas konsumieren, wo „Girl Power“ drauf steht.

Wir sollten also eher kritisch, vorsichtig, auf der Hut sein, wenn es um Konsum geht.

Tatsächlich ist es sogar so, dass der Kapitalismus und das Patriarchat eine wunderbare Symbiose eingehen. Sie profitieren voneinander. Sie verstärken sich gegenseitig. Und das müssen wir einfach auf dem Schirm haben. 

Feministisch sein zu wollen, ohne den Kapitalismus dabei zu berücksichtigen, ist aus meiner Sicht kein Zeichen für Feminismus. 

Und ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass feministisches Marketing auch durchaus über den Kapitalismus hinaus denken kann. Also ich denke da an Kreislaufwirtschaft zum Beispiel oder Suffizienzmarketing, wo es eben darum geht, reflektiert zu konsumieren.

Feministisches Marketing darf nicht ausbeuterisch sein. Und ich habe in meinen acht Jahren Selbstständigkeit leider viel zu oft Bekanntschaft mit Unternehmerinnen gemacht, die auf Social Media ein feministisches Image an den Tag legen und sich dafür aussprechen, Frauen zu stärken, doch gleichzeitig ein großes Problem damit haben, die Freelancerinnen, mit denen sie zusammenarbeiten, angemessen zu bezahlen. Und sie feilschen um jeden Euro und bezahlen die Rechnungen viel zu spät. Usw.

Punkt #6: Feministisches Marketing ist solidarisch

Ich habe es ja schon mehrmals gesagt: Wir können nicht die Situation von einer Gruppe von Frauen verbessern, wir müssen die Situation von allen Frauen verbessern.

Und es gibt da so eine Praxis, vor allem unter Onlineunternehmerinnen, und das ist, dass es für Produkte Ratenzahlungen gibt mit einem Aufpreis.

Das heißt: Wenn ein Produkt 1.000 Euro kostet, dann zahlen diejenigen, die sich diese Einmalzahlung leisten können, die 1.000 Euro. Aber diejenigen, die sich die Einmalzahlung nicht leisten können und auf Ratenzahlung angewiesen sind, zahlen dann 4x 300 Euro und damit insgesamt 1.200 Euro. Zum Beispiel.

Ja, es geht mir hier gar nicht um konkrete Zahlen. Das können mal 10% sein oder 20% Aufschlag für Ratenzahlungen sein.

Wichtig ist, dass Frauen, die nicht über entsprechende finanzielle Ressourcen verfügen, zusätzlich bestraft werden, indem sie einen höheren Gesamtbetrag zahlen müssen.

Das machen super viele Onlineunternehmerinnen so, weil sie sagen: 

Der Aufschlag deckt den buchhalterischen Mehraufwand ab und natürlich ist da auch immer noch das Risiko eines Zahlungsausfalls. 

Und das ist alles sicherlich richtig, nur:

Wir können uns auch dafür entscheiden, solidarisch mit den Frauen zu sein, die über weniger finanzielle Ressourcen verfügen als wir, und das Risiko eines Zahlungsausfalls auch selbst tragen. 

Wir können uns dafür entscheiden, gesellschaftliche Teilhabe zu fördern und zu versuchen, es allen oder zumindest möglichst vielen Frauen zu ermöglichen, etwas Neues zu lernen und bei einem Programm dabei zu sein.

Ich kenne auch Onlineunternehmerinnen, die bieten Stipendien an und sagen: Für zehn verkaufte Plätze spendiere ich einen Platz. Auch das ist eine wunderbare Möglichkeit, Teilhabe zu ermöglichen.

Es ist einfach wichtig, wenn einem Feminismus wichtig ist, sich zu fragen: Wie kann ich solidarisch mit anderen Frauen sein?

Denn leider ist es häufig so, dass gerade die Onlineunternehmerinnen, die die heftigsten Aufpreise für Ratenzahlungen nehmen, dann auch sehr öffentlichtkeitswirksam spenden, und das ganze Thema dadurch eben eine gewisse Willkür bekommt. 

Denn warum spende ich einen großen Betrag und erzähle darüber immer auf Social Media, aber Frauen, die über weniger finanzielle Ressourcen verfügen als ich, kann ich dann nicht entgegenkommen? 

Das erklärt sich mir nicht wirklich, muss ich sagen. Ich weiß nur so viel: Feministisches Marketing muss solidarisch sein.

Punkt #7: Feministisches Marketing ist sprachsensibel

Feministisches Marketing ist sich dessen bewusst, dass wir mit Sprache Menschen einschließen können, aber auch ausschließen können. Und feministisches Marketing entscheidet sich dafür, Menschen einzuschließen.

Und das bedeutet, ja, zu gendern, wie es immer so schön heißt.

Das bedeutet, wenn ein Unternehmen die Botschaft verbreitet, dass die Stärkung von Frauen ein so wichtiges Anliegen für das Unternehmen ist, doch dieses Unternehmen in seinen Marketingtexten nur Männer anspricht, weil es eben „nicht den Sprachfluss“ stört, ist diese Botschaft nicht glaubwürdig.

Wir können Frauen stärken und sie nur „mitmeinen“ – das funktioniert nicht.

Wir müssen sie explizit ansprechen in unseren Texten, es gibt keinen anderen Weg. 

Auch wenn wir natürlich sehr gerne darüber reden können, wie wir inklusiv sprechen und schreiben, also dass wir uns über konkrete Maßnahmen unterhalten und zum Beispiel überlegen, wie unsere Sprache auch möglichst barrierefrei wird und so weiter. 

Doch das Gendern pauschal abzulehnen, ist das Gegenteil von Feminismus.

Sprachsensibilität ist aber noch mehr als nur Gendern. Es geht grundsätzlich darum, machtsensibel zu sein und bei allem, was wir sagen, zu reflektieren, wer hier auf wen Macht ausübt und was unsere Worte bei anderen Menschen bewirken.

Das ist keine Frage ausschließlich für die Linguistik, sondern natürlich auch fürs Marketing.

Denn manchmal erreichen Kampagnen Millionen von Menschen, und ich finde schon, dass vor allem große Unternehmen eine Verantwortung tragen, ihre Botschaft bestmöglich zu prüfen.

Punkt #8: Feministisches Marketing ist Alltag – kein Weltfrauentag-Marketing-Gag

Denn für mich bedeutet feministisches Marketing, dass mir das Anliegen von Frauen an 365 Tagen im Jahr wichtig ist und dass ich mich als Unternehmen auch feministisch positioniere, wenn mal nicht Weltfrauentag ist und sich da so wunderbar eine Kampagne starten lässt.

Wer 364 Tage im Jahr nicht unbedingt als feministisch auffällt, wird sich vermutlich nur schwer ein feministisches Image aufbauen können, wenn am Weltfrauentag mal in einem Video Frauen gezeigt werden, die Basketball spielen.

Es geht beim feministischen Marketing darum, jeden einzelnen Tag feministisch zu sein, weil – und jetzt kommen wir wieder zum Anfang zurück:

Feminismus ist kein Marketing-Gag. 

Es ist die Position, dass das Männliche und Weiße nicht das Neutrale und Normale und der Standard ist, sondern dass alle Menschen und alle Perspektiven und Lebensrealitäten wichtig und richtig sind und deshalb auf allen Ebenen berücksichtigt werden müssen. Auch im Marketing.

Und feministisches Marketing bedeutet deshalb letzten Endes, diese Position konsequent jeden Tag zu leben und zu fördern und dafür einzustehen und sie zu verteidigen, wenn es sein muss. 

Und nein, dafür brauchen wir definitiv keine Girlboss-Tasse.

Shownotes:

Der Thomas-Kreislauf

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Happy „Ohne Facebook“-Tag!

Wusstest du, dass heute „Ohne Facebook“-Tag ist? Lass uns in dieser Folge mal Facebook genauer unter die Lupe nehmen und überlegen, warum Marketing ohne Facebook tatsächlich eine gute Idee sein könnte. Ob nur ein Tag lang, ein Jahr oder vielleicht sogar für immer?

Wusstest du, dass heute „Ohne Facebook“-Tag ist? 

Ja, sowas gibt’s!

Überall auf der Welt versammeln sich heute Tausende von Menschen, um gegen den Meta-Konzern … äh, nein, leider nicht. 

Leider, leider ist der „Ohne Facebook“-Tag weitestgehend unbekannt. Deshalb müssen wir hier im Podcast wohl oder übel unsere eigene kleine Party schmeißen.

Aber das macht nichts! Lass uns in dieser Folge mal Facebook genauer unter die Lupe nehmen und überlegen, warum Marketing ohne Facebook tatsächlich eine gute Idee sein könnte. Ob nur ein Tag lang, ein Jahr oder vielleicht sogar für immer?

Folge anhören:

Transkript lesen:

Fangen wir doch mit dem aus meiner Sicht wichtigsten Grund an, ohne Facebook Marketing zu machen, und das ist für mich Marketingethik.

Denn wir als Selbstständige, Onlineunternehmer*innen und vor allem als Unternehmen tragen natürlich auch gesellschaftliche Verantwortung

Und deshalb ist es aus meiner Sicht so wichtig, dass wir nicht nur gucken, was im Marketing „funktioniert“ und da musst du dir jetzt mal Anführungsstriche dazudenken, weil „funktionieren“ ein Begriff ist, den ich gar nicht so gerne nutze, weil es sowas Maschinenartiges hat und wir dann super schnell bei „Funnels“ und „KPI“ und weiß der Geier was sind und eigentlich davon wegkommen, dass wir ja Menschen sind, die gerne Menschen helfen wollen und dass wir Menschen erreichen wollen.

Aber natürlich können wir auch nicht nur von Luft und Liebe leben und müssen unser Zeugs auch verkaufen

Aber das Ding ist: Wir können es auch wertebasiert tun und mit Integrität. Und deshalb spielen für mich ethische Überlegungen definitiv eine Rolle, wenn es darum geht, bestimmte Marketingstrategien zu nutzen oder eben nicht.

Nun ist es natürlich nicht so, dass Facebook bzw. Meta das einzige Unternehmen ist, das aus ethischer Perspektive problematisch ist. Google zum Beispiel ist definitiv auch kein Kind von Traurigkeit. Und es ist genauso problematisch Google zu nutzen wie Facebook.

Doch ich glaube nicht, dass es bei ethischen Fragen darum geht, gleich auf Anhieb „perfekt“ ethisch zu sein in allem, was wir tun. Das ist für Menschen, die nun mal menschlich sind, ja auch gar nicht möglich. 

Sondern es geht für mich wie beim Klimaschutz eigentlich auch darum zu sagen: 

Wir brauchen nicht wenige Menschen, die alles perfekt machen und ein perfekt klimafreundliches Leben führen, sondern wir brauchen möglichst viele Menschen, die es versuchen und ihr Bestes geben und sich auf den Weg machen.

Deshalb habe ich zum Beispiel auch Facebook verlassen, aber Google eben noch nicht. Das ist aber definitiv mein Plan für die nahe Zukunft, da zu gucken, wie ich mich mittelfristig „ent-google“. 

Ja, nur so viel dazu und jetzt können wir ja mal überlegen, was an Facebook aus ethischer Perspektive ein Problem sein könnte.

Zunächst einmal ist das für mich der Fakt, dass Facebook Daten zu einem Wirtschaftsgut erklärt hat und Daten im sehr großen Stil sammelt und diese Daten an Werbetreibende weiterverkauft

Das passiert meistens ohne das Wissen oder Einverständnis von Menschen, die Facebook nutzen oder nicht nutzen. Und das ist ein großes Problem. Denn Privatsphäre ist ein Grundrecht. So wie Meinungsfreiheit oder Glaubensfreiheit. 

Und Privatsphäre ist in fast allen Ländern in irgendeiner Form anerkannt, z.B. 

  • in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 12)

  • in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 8) 

  • und in der Europäischen Charta der Grundrechte (Artikel 7) verankert

Auch in Deutschland wird das Recht auf Privatsphäre im Grundgesetz durch das Persönlichkeitsrecht geschützt. 

Doch, ja, den Meta-Konzern interessiert das Ganze aber nicht. Und er sammelt munter weiter personenbezogene Daten, weil das im Grunde das Geschäftsmodell von Meta ist. 

Falls du da einen Buchtipp brauchst: Es gibt ein unfassbar gutes, detailliertes, aber extrem langes und schwer zu lesendes Buch von der Harvard-Professorin Shoshana Zuboff. Es heißt „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ und ja, du brauchst bei dem Buch definitiv Durchhaltevermögen, aber falls dich das Thema interessiert, gibt es aus meiner Sicht kein besseres Buch dafür.

Doch es bleibt nicht nur dabei, dass Meta das Grundrecht auf Privatsphäre verletzt. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das Geschäftsmodell mit den Daten und damit verbunden das Mikrotargeting von rechten Gruppierungen für die Verbreitung von Hassbotschaften genutzt wird oder auch zur Manipulation von Wahlen. Du hast vielleicht von Cambridge Analytica gehört, wenn nicht verlinke ich dir da mal was in den Shownotes.

Das heißt: Das Mikrotargeting, das der Meta-Konzern ermöglicht, ist eine große Herausforderung für die Demokratie. Und viele gehen sogar soweit, dass sie sagen: Es ist eine Bedrohung für die Demokratie.

Und da sind wir als Selbstständige, Online-Unternehmer*innen und Unternehmen eben gefragt, ob wir Metas Geschäftsmodell unterstützen und beispielsweise selbst Werbung schalten oder den Meta-Pixel auf unserer Website einbinden oder eben nicht.

Doch Marketingethik ist nicht das einzige Argument dafür, ohne Facebook Marketing zu betreiben, es gibt noch so viele mehr. Und ein weiterer wichtiger Grund ist für mich die Gesundheit.

Und wenn du dich fragst: Was hat Gesundheit im Marketingkontext verloren? 

Ich glaube, sehr viel.

Denn gerade für Selbstständige ist es ja so: Wir sind unsere wichtigste Ressource. Wenn es uns nicht gut geht, wenn wir keine Kraft haben, wenn wir mit angezogener Handbremse fahren, wirkt sich das natürlich auch auf unseren Arbeitsalltag aus. 

Und ja, bei mir ist es so: Schon eine banale Erkältung, wo mir der Kopf dröhnt, sorgt ja dafür, dass ich weniger arbeite, dass ich mich nicht so gut konzentrieren kann, dass ich nicht so produktiv bin, wie ich könnte.

Nun will ich damit gar nicht sagen, dass Leistung und Produktivität das Wichtigste in der Selbstständigkeit sind, überhaupt nicht.

Ich will einfach nur sagen: Wenn es uns körperlich und mental gut geht, ist das auf jeden Fall eine gute Sache für unsere Selbstständigkeit. Und deshalb gehört für mich Gesundheit sehr wohl in einen Unternehmens- oder Marketingkontext. Und ja: Deshalb ist das mein zweiter Grund gegen Facebook-Marketing.

Wenn wir nämlich als Selbstständige merken, dass Facebook unsere Gesundheit berührt, dann ist es auf jeden Fall eine gute Idee, darüber nachzudenken, ob es das wirklich wert ist.

Und bei mir war das damals vor allem die mentale Gesundheit. Gerade, als die Pandemie losging, fand ich es extrem anstrengend, dort zu sein und Menschen beim Schwurblen zuzugucken. Auch der ganze Hass und die Fake News und ja allgemein dort die Stimmung, die muss man erst einmal aushalten können. 

Und dazu kommt ja noch, dass die Algorithmen gerade emotionalisierende Inhalte pushen und alles dafür tun, dass wir so lange wie nur möglich auf der Plattform bleiben, damit Meta noch mehr Daten sammeln kann und uns noch mehr Werbung zeigen kann. Und das kann natürlich dazu führen, dass es extrem schwer wird, da eine Balance in die Nutzung reinzubringen, und dass das ganze nicht zu einer Facebook-Sucht führt. 

Ja, das ist natürlich eine individuelle Angelegenheit, welche Auswirkungen Facebook auf einzelne Menschen hat. Deshalb kann ich dich nur dazu ermutigen, zu gucken, wie es mit Facebook und deiner mentalen oder körperlichen Gesundheit bestellt ist.

Denn sie ist, wie gesagt, eine der wichtigsten Ressourcen für Selbstständige.

Kommen wir zum letzten Grund, Facebook zu verlassen, und das ist – und jetzt kommt mal ein typisches Marketingwort – der Return on Investment. Man könnte auf deutsch auch sagen: 

Kriegen wir etwas für unsere Investition zurück?

Denn es ist ja so, dass wir, wenn wir Facebook nutzen, unter Umständen etwas investieren. Vielleicht sogar sehr viel investieren.

Wir investieren unsere Zeit. Wir investieren unsere Kraft und unsere Energie. Und wir investieren unter Umständen auch Geld, weil wir zum Beispiel Werbeanzeigen schalten oder kostenpflichtige Tools für Facebook brauchen oder Facebook-Marketing auslagern und Leute bezahlen. Oder auch weil wir uns quasi ständig dazu weiterbilden müssen und immer irgendwelche Kurse oder Beratungen kaufen. 

Und wir können uns einfach fragen, ob Facebook uns da gute Ergebnisse für unsere Investition bringt.

Ich gib dir mal ein Beispiel: 

Wenn ich einen Blogartikel für Suchmaschinen optimiere und dieser Blogartikel weit oben in den Suchergebnissen rankt, wofür es ehrlicherweise keine Garantie gibt, ist es so, dass ich mir relativ sicher sein kann, dass dieser Blogartikel mir in den nächsten Monaten oder gar Jahren Menschen auf meine Website bringt.

Das heißt: Ich mache mir einmal die Mühe, einen suchmaschinenoptimierten Blogartikel zu schreiben und dann muss ich quasi nichts mehr machen und bekomme trotzdem Ergebnisse. 

Und wenn du vielleicht schon mal einen Onlinekurs bei mir gekauft hast, weißt du: Ich frage nach jedem Kauf: Wie bist du auf mich aufmerksam geworden? 

Und genau ein Viertel der Befragten sagt: Durch eine Google-Suche.

Das heißt: SEO sorgt nicht nur dafür, dass Menschen auf meine Website kommen. Letzten Endes führt SEO zu Verkäufen.

Und auch wenn nicht jeder einzelne Artikel letzten Endes auf der ersten Suchergebnisseite rankt: Alles in allem ist SEO eine Investition, die sich auszahlt. 

Und die Frage ist: Ob das bei Facebook auch so ist. Also:

  • Erreichen deine Posts, für die du dir ja Mühe gibst, wirklich Menschen oder nur irgendwelche Spam-Accounts oder Bots?

  • Interagieren Menschen mit deinen Beiträgen? Oder kommentiert einfach nie jemand und es gibt nie Gespräche usw.?

  • Klicken Leute auf deine Links, kommen sie auf die Website?

  • Kontaktieren dich Menschen über Facebook oder bekommst du da einfach niemals Anfragen für deine Dienstleistungen?

  • Und: Wenn du mal über deine Angebote redest – kaufen Menschen? Oder ist es quasi nur ein Grundrauschen, das niemand wirklich wahrnimmt?

  • Haben Werbeanzeigen ein gutes Preis-Leistungsverhältnis für dich? Oder zahlst du vielleicht einfach nur Lehrgeld und fährst sonst keine Ergebnisse ein?

Das heißt: Du kannst einfach mal für dich gucken, was dir Facebook für deine Investition zurückgibt. Und ich empfehle dir da auch, das nicht nur mit Geld durchzuspielen, sondern auch mit Zeit und deiner Energie und deiner Gesundheit 

Denn gerade Zeit und Energie und Gesundheit sind super wertvoll und ich finde, wir sollten sehr wählerisch sein, wem wir sie schenken.

Ja, so viel zu den drei guten Gründen für einen Facebook-Ausstieg. Du hast gesehen, es war ein bunter Mix aus ethischen Argumenten, gesundheitlichen Aspekten und letzten Endes auch der Effektivität. Denn warum so viel in Facebook investieren, wenn es überhaupt keine Ergebnisse bringt?

Ich bin mir sicher, dass wir unsere Zeit, unsere Energie und unser Geld für schönere Dinge nutzen könnten.

Shownotes:

Buchtipp: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus

Cambridge Analytica – Was ist das?

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Instagram ist weird

Früher dachte ich immer, ich bin weird, weil ich nichts mit Instagram anfangen konnte. Heute denke ich: Instagram ist weird. Und genau darum geht es in dieser Podcastfolge. Über die vielen Kleinigkeiten, die „normal“ sind, seit es Instagram gibt, aber ziemlich weird sind, wenn wir genauer darüber nachdenken …

Früher dachte ich immer, ich bin weird, weil ich nichts mit Instagram anfangen konnte. Heute denke ich: Instagram ist weird.

Und genau darum geht es in dieser Podcastfolge. Über die vielen Kleinigkeiten, die „normal“ sind, seit es Instagram gibt, aber ziemlich weird sind, wenn wir genauer darüber nachdenken …

Folge anhören:

Transkript lesen:

Als ich in der neunten Klasse war, war da dieser Junge. Es hieß, er sei in mich verliebt, doch er hat mir seine Gefühle nie gestanden oder so. Stattdessen schlich er sich während Musicalproben in die Trainingsräume, versteckte sich hinter einem Vorhang und beobachtete mich, wie ich Tanzschritte übte. 

An anderen Tagen fuhr er mit dem Fahrrad an unserem Haus vorbei und sah zu, wie ich mich auf dem Balkon sonnte oder las. 

Und ich freute mich natürlich tierisch über meinen treuen Follower und bedankte mich artig bei ihm fürs Folgen. 

Äh, nein. Dieser Kerl jagte mir eine Scheißangst ein und ich ging ihm im Schulalltag, so gut es ging, aus dem Weg. 

Doch auf Social Media lassen wir uns inzwischen freiwillig so beobachten und auf Schritt und Tritt durch den Alltag begleiten. 

Wir zeigen freiwillig, wie wir unsere Tanzschritte üben (das nennt sich heute TikTok).

Wir zeigen freiwillig, wie wir auf dem Balkon chillen (dafür ist Instagram da). 

Und wir lassen freiwillig Menschen, die wir gut kennen, flüchtig kennen, gar nicht kennen, in unser Zuhause rein und zeigen ihnen völlig freiwillig unsere Möbel, unsere Pflanzen, Deko, vorbeilaufende Kinder, Hunde, Katzen, die Bilder an der Wand, die Bücher im Regal, das Essen auf dem Teller, die Smoothies im Glas, den Kaffee, das Schlafzimmer und sogar unser Bett. 

Und wenn ich ganz ehrlich bin, finde ich das ziemlich weird. 

Und genau darum soll es in dieser Podcastfolge gehen. Ich möchte einen Blick darauf werfen, was durch Instagram mittlerweile als völlig normal gilt. Aber wenn wir genauer überlegen, eigentlich ziemlich weird ist.

Ja. Instagram ist weird. 

Aber nicht nur, weil wir freiwillig unsere Privatsphäre aufgeben und so unfassbar viele Menschen in unser Zuhause reinlassen, wie ich zu Beginn beschrieben habe. 

Wir lieben es im Gegenzug auch, andere Menschen beim Leben zu beobachten. Wir teilen ja nicht nur auf einmal alles mit der Welt. Wir wollen auch alles sehen, was andere Menschen mit der Welt teilen.

Schon der Begriff „Follower“ ist super weird, wenn wir genauer darüber nachdenken. Er hat wirklich massive Stalking-Vibes und ganz ehrlich, das ist es auf Social Media oft auch. 

Wir schauen anderen Menschen beim Leben zu: beim herabschauenden Hund, beim Frühstück, in der Badewanne oder bei der Verlobung. Wir verschlingen gierig jeden Beitrag, warten sehnsüchtig auf den neuen, während wir uns die Zeit mit älterem Content vertreiben. 

Wir schauen uns Storys an. Alte, neue und alle dazwischen in den Highlights. Manchmal mehr als einmal. Manchmal jeden Abend wieder. 

Und wenn ein paar Tage kein Beitrag in unseren Feed gespült wurde, schauen wir besorgt nach, ob wir womöglich etwas verpasst haben. Schließlich können wir unser Leben praktisch nicht weiterleben, ohne zu wissen, mit welcher pflanzlichen Milch unser Lieblingsinfluencerin heute ihr Porridge zubereitet hat. 

Und das ist etwas weird, wenn wir ehrlich sind.

Weird ist auch, dass Filter auf Social Media zur neuen Normalität geworden sind. 

Wir teilen ja nicht nur den Moment, so wie er ist, wir bearbeiten den Moment, indem wir rosarote, glitzernde Filter darüber legen.

Besonders krass ist es mit Gesichtern, finde ich. Denn die meisten Gesichter, die ich damals auf Instagram sah, waren mit Filtern bearbeitet. Das heißt, es ist völlig normal geworden, auf Instagram nicht so auszusehen, wie man es eigentlich tut

Das sind meistens dann Filter, die das Gesicht dahingehend verändern, dass man „normschöner“ wird, d.h. große Augen hat, eine kleinere Nase oder höhere Wangenknochen. 

Und ja, damit wir nicht negativ auffallen und die einzigen sind mit Augenringen oder Pickeln, machen wir da natürlich mit und optimieren unser Gesicht auch, sobald wir eine Story machen.

Und das ist alles gar nicht harmlos, wie man meinen mag, Filter machen ja Spaß und so. Es kann tatsächlich ernsthafte psychische Konsequenzen nach sich ziehen. Man nennt das „Snapchat Dysmorphia“. Das bedeutet, dass sich Menschen so sehr an die Gesichter mit Schönheitsfiltern aus Social Media gewöhnen, dass sie ihr Gesicht ohne Filter als unglaublich hässlich empfinden und richtig darunter leiden. Und laut Studien aus der Schönheitschirurgie geben auch die Hälfte der Menschen mittlerweile als Grund für ihre Schönheits-OP Selfies für Social Media an.

Es gab sogar mal einen Filter auf Instagram, ich weiß gar nicht, ob es ihn noch gibt oder ob er inzwischen vielleicht sogar verboten wurde: Dieser Filter hat jedenfalls die typischen Linien ins Gesicht gezeichnet, die Schönheitschirurg*innen einzeichnen würden, sodass man eben genau sehen konnte, wo im Gesicht Operationsbedarf herrscht.

Und ganz ehrlich: Ist das nicht super weird?

Instagram ist auch weird, weil auf den meisten Accounts so getan wird, als würde es im Leben nur Highlights geben. 

Das heißt: Alle posten immer nur das, was gut läuft, und die Urlaube und die Erfolge und das Glück. Und wenn es bei uns mal nicht so rund läuft oder wir auch nur ansatzweise die Gefühle fühlen, die auf Instagram eben kaum gezeigt werden, fühlen wir uns nicht normal. Und das ist weird.

Denn es gibt nichts Unnormales an Herausforderungen oder Problemen oder an Plänen, die nicht gelingen. Und es gibt auch nichts Unnormales an Gefühlen wie Wut oder Trauer oder Verzweiflung. 

Das alles gehört zu der Bandbreite eines menschlichen Lebens dazu. Doch wenn auf Social Media und insbesondere Instagram nur die schönen Seiten des Lebens inszeniert werden, fühlen wir uns eben schlecht, wenn wir mal phasenweise auf der nicht so schönen Seite des Lebens oder der Gefühle sind. 

Aber es ist ja völlig klar, wieso wir nur unsere Highlights auf Instagram posten. Und das ist, weil es meist um Likes und Anerkennung geht.

Und ist das nicht weird?

Denn zum einen begeben wir uns ja freiwillig in eine Bewertungssituation. Das heißt: Jeder Social-Media-Post sagt im Grunde: 

„Bewerte mich. Zeige mir, was ich wert bin.“

Und dann erhalten wir die Antworten in Form von Likes (oder ausbleibenden Likes), Kommentaren (oder keinen Kommentaren), Shares (oder keinen Shares). 

Und wenn dann Heidi Klum mal kein Bild für uns hat, geht es uns ziemlich dreckig damit. Denn dann fangen wir an zu grübeln: 

Warum hat die Kollegin immer so viele Likes, aber ich nicht?

Warum hatten meine Posts von vor zwei Wochen mehr Likes als der heute? Was mache ich falsch?

Sehe ich zu dick auf dem Foto aus oder was ist da los?

Das heißt: Wir knüpfen unseren Selbstwert als Mensch an Likes – und das ist ziemlich weird, weil: Road to Disaster. Es kann nur Probleme nach sich ziehen, sich an Likes zu orientieren. Und Studien zeigen auch, dass sie Menschen maximal kurzfristig gut fühlen lassen.

Langfristig schaden sie eher der mentalen Gesundheit.

Ich hab früher immer gedacht, dass ich weird bin, weil Instagram mich immer so fertig gemacht hat. Aber ich glaube mittlerweile, dass Instagram weird ist. Und irgendwie beruhigt mich dieser Gedanke.

Shownotes:

Faking it: how selfie dysmorphia is driving people to seek surgery

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Unbezahlte Arbeit auf Social Media – Teil 6: Mental Load

Diese Folge ist die letzte in der Reihe „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“. Heute geht es abschließend um den Mental Load, also um die mentale Belastung, die entsteht, wenn wir Socal Media als Privatmenschen nutzen oder beruflich Social-Media-Marketing betreiben.

Diese Folge ist die letzte in der Reihe „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“.

Heute geht es abschließend um den Mental Load, also um die mentale Belastung, die entsteht, wenn wir Socal Media als Privatmenschen nutzen oder beruflich Social-Media-Marketing betreiben. 

Folge anhören:

Transkript lesen:

In der heutigen Podcastfolge geht es um das Thema Mental Load auf Social Media.

Und vielleicht oder vermutlich kennst du diesen Begriff eher in einem anderen Kontext, nämlich wenn es um Care-Arbeit geht. 

Da beschreibt der Begriff, dass es neben den ganzen Aufgaben, die anfallen, wenn wir Fürsorgearbeit leisten, es noch eine weitere Art von Arbeit gibt, die aber komplett unsichtbar ist. Oder zumindest unsichtbar war. Denn zum Glück reden immer mehr Menschen über Mental Load.

Der Begriff beschreibt die mentale Belastung, die wir täglich haben, wenn wir zum Beispiel Fürsorgearbeit leisten. Denn die beinhaltet ja nicht nur, dass wir tatsächlich beispielsweise für Kinder kochen oder mit ihnen spielen oder sie ins Bett bringen. Sondern wir müssen ständig an Dinge denken und organisieren und planen und vorausschauen. 

Wenn z.B. unser Kind eine Einladung bekommt zu einem Geburtstag, ist klar: Wir brauchen ein Geschenk. Wann können wir das besorgen? Und was soll das überhaupt sein? Da können wir mal die Eltern anschreiben und nachfragen. Wir überlegen, wie das Kind auf den Geburtstag kommt. Ob wir hinlaufen können. Oder sich der Ort mit den Öffis gut erreichen lässt. Oder ob jemand fahren muss. Wir überlegen, ob wir einen anderen Termin, der mit dem Geburtstag konfligiert, verlegen müssen. Was wir in der Zeit evtl. mit dem Hund machen oder einem kleineren Kind, das zu der Zeit immer Mittagsschlaf hält. Usw. 

Es ist also nicht nur: Das Kind geht auf einen Kindergeburtstag.

Sondern: Der Kindergeburtstag kommt mit einem Rattenschwanz an Aufgaben und füllt unseren Kopf mit Dingen, an die wir denken und die wir organisieren müssen. Und deshalb heißt es eben auch Mental Load oder mentale Belastung. 

Denn da es so viele Dinge gibt, die wir auf dem Schirm haben müssen, ist dieser Mental Load für viele Frauen vor allen Dingen – denn da sie sich um die Care-Arbeit kümmern, sind sie auch stärker vom Mental Load betroffen – enorm hoch und hat häufig gesundheitliche Konsequenzen.

Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Migräne, Reizbarkeit, Bluthochdruck, Angstzustände, Depressionen bis zum Burnout, nur mal um einige typische Symptome zu nennen.

Und ja dieser Metal Load in der Care-Arbeit ist zwar noch lange nicht gelöst, aber wir reden inzwischen zumindest darüber. Und das ist beim Mental Load auf Social Media nicht der Fall.

Mir scheint, dass sich kaum jemand diesem Thema widmet. Dabei gehen auch soziale Medien mit einem enormen Mental Load einher.

Fangen wir mal an mit der Contentarbeit. Es ist ja nicht nur so, dass wir uns hinsetzen und unser Smartphone in die Hand nehmen und innerhalb von zwei, drei Minuten den perfekten Post runterschreiben – Contentarbeit heißt meist, dass wir uns permanent Gedanken darüber machen müssen, was wir wann wie posten.

Jeder Tag, jede Mahlzeit, jede Reise, jeder Gedanke, ja, jeder einzelne Moment des Tages ist potenzieller Social-Media-Content. Und das heißt: Wir sind nie mit der Social-Media-Arbeit fertig. Solange wir essen, denken, uns fortbewegen und Dinge tun, selbst wenn es nur rumgammeln auf der Couch und Tatort gucken ist, könnten wir auf Social Media theoretisch darüber reden.

Das heißt, wir gehen durchs Leben mit dieser Social-Media-Brille, die da heißt: Kann ich das auf Insta posten? Oder: Kann ich daraus eine Story-Sequenz machen?

Ständig tragen wir diesen Gedanken mit uns herum, wenn wir Social Media nutzen. 

Und wenn wir dann den Content gepostet haben und eigentlich fertig sind, steht ja schon der nächste Post an. Das heißt, wir machen uns sofort wieder Gedanken um den nächsten Content.

Gleichzeitig haben wir immer im Kopf, die Likes und Kommentare und Nachrichten zu checken. Das heißt: Wir nehmen nicht nur immer wieder unser Smartphone in die Hand, um irgendwelche Kennzahlen zu checken, wir denken auch permanent daran. Der Gedanke, dass jemand unseren Post geliket, kommentiert oder geteilt hat, ist permanent in unserem Kopf drin.

Es gibt meines Wissens im Gegensatz zum Mental Load in der Care-Arbeit keine Studien über den Mental Load auf Social Media. Das heißt: Wir tappen da so ziemlich im Dunkeln, was das Thema angeht.

Wenn ich eine Vermutung äußern dürfte, dann, dass gerade dieser Mental Load einen großen Anteil an der Social-Media-Erschöpfung hat, die viele Menschen gerade fühlen.

Social Media zu nutzen, heißt dann eben, niemals fertig mit der Arbeit zu sein. Und selbst wenn wir uns gerade nicht auf Instagram rumtreiben, sind wir dennoch in Gedanken dort. Und das kostet auf lange Sicht jede Menge Zeit und Energie.

Aber natürlich kann jede und jeder einzelne das für sich mal checken und überlegen: Wo trage ich Social Media bei mir im Kopf mit herum? Wann mache ich mir Gedanken darüber? Sorgen? Wann liege ich wach und kann nicht schlafen?

Selbst der banalste Gedanke wie „Wär das was für eine Story?“ ist streng genommen Arbeit und deshalb ist es so wichtig, dass Menschen diesen unsichtbaren Mental Load, diese unsichtbare Arbeit, für sich sichtbar machen und sich von mir aus eine Liste erstellen mit all den Aufgaben und Gedanken und Planungen und Organisationen und Sorgen und so weiter rund um die sozialen Medien. 

Erst dann können wir besser verstehen, welche Rolle Mental Load auf Social Media für Menschen tatsächlich spielt und ob auch dieser Mental Load bei Menschen dafür sorgt, dass sie ernsthaft daran erkranken.

So, das war der allerletzte Beitrag zum Thema „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“. Wir hatten die Contentarbeit, die Emotionsarbeit, die ästhetische Arbeit, die Arbeit an sich selbst und seinen Gewohnheiten und jetzt eben noch den Mental Load. 

Du solltest jetzt spätestens nach dieser Folge gesehen haben, dass soziale Medien enorm viel Arbeit von uns fordern, die meist unsichtbar und damit unbezahlt ist. Und das kann vor allem für diejenigen ein Problem sein, die eh schon am Ende ihrer Kräfte sind. Da können soziale Medien eben noch der Tropfen sein, der das Fass dann zum Überlaufen bringt und ernsthafte gesundheitliche Folgen hat.

Deshalb habe ich eine große Bitte an dich: 

Falls du jemanden kennst, der oder die von Social Media erschöpft ist, bitte leite ihr die sechs Podcastfolgen über unbezahlte Arbeit auf Social Media weiter.

Denn mir ist es ein Anliegen, Menschen deutlich zu machen, dass es nicht ihr individuelles Versagen ist. Sondern, dass Social Media viele ausbeuterische Strukturen hat, die dazu führen können, dass Frauen, die im analogen Leben ja eh schon so viel mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer, mit Social Media noch zusätzlich einen Bereich haben, der extrem viel Zeit, Energie und Geld von ihnen fordert. Und das kann erschöpfen und müde machen und stressen oder sogar in den Burnout führen.

Shownotes:

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Unbezahlte Arbeit auf Social Media – Teil 5: Selbstoptimierung

Es geht weiter mit dem Thema „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“, und in dieser Folge möchte ich über die Arbeit an uns selbst sprechen – die Selbstoptimierung. Diese findet auf verschiedenen Ebenen statt und es geht immer darum, unsere Persönlichkeit oder unsere Social-Media-Gewohnheiten zu verbessern. Wir sollen „die beste Version unserer Selbst“ werden. Warum ist das ein Problem?

Es geht weiter mit dem Thema „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“, und in dieser Folge möchte ich über die Arbeit an uns selbst sprechen – die Selbstoptimierung.

Diese findet auf verschiedenen Ebenen statt und es geht immer darum, unsere Persönlichkeit oder unsere Social-Media-Gewohnheiten zu verbessern. Wir sollen „die beste Version unserer Selbst“ werden. Warum ist das ein Problem?

Folge anhören:

Transkript lesen:

Wir machen weiter mit dem Thema „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“. In den letzten Folgen habe ich bereits über unbezahlte Contentarbeit, Emotionsarbeit und ästhetische Arbeit gesprochen. 

Und heute möchte ich über eine weitere Form unbezahlter Arbeit sprechen, die soziale Medien von uns fordern, und das ist die kontinuierliche Arbeit an uns selbst. Auch bekannt unter dem Namen Selbstoptimierung.

Und bei der Selbstoptimierung geht es um eine ständige Verbesserung von Eigenschaften oder Fähigkeit. Und damit geht sehr häufig einher, dass wir etwas messen und kontrollieren, um ja … die beste Version unserer selbst zu werden, wie es immer so schön heißt.

Auch hier ist es wie schon bei der Emotionsarbeit oder der ästhetischen Arbeit so, dass soziale Medien Selbstoptimierung natürlich nicht erfunden haben, also es gab auch schon vor Social Media Selbstoptimierung natürlich. Doch auch hier ist es so, dass soziale Medien extrem kompatibel mit Selbstoptimierung sind und deshalb die Tendenzen verstärken. 

Und mir geht es jetzt in dieser Podcastfolge auch gar nicht darum, zum Beispiel, ob Schritte zu zählen oder ein Dankbarkeitstagebuch zu führen, jetzt Selbstoptimierung ist oder nicht. Mir geht es natürlich um die Arbeit an uns selbst, die für Social Media notwendig oder typisch ist.

Also was genau wollen wir nun auf Social Media verbessern?

Zunächst einmal: unsere Social-Media-Gewohnheiten. Denn die Dauerpräsenz und die ständige Verfügbarkeit, die soziale Medien von uns fordern, sind anstrengend und erschöpfend. Es gibt immer wieder Studien, die einen Zusammenhang feststellen zwischen Social Media und psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Ängsten oder Burnout.

Doch wenn wir uns mal angucken, wie mit dieser Thematik umgegangen wird, dominiert der Ansatz, dass das als ein individuelles Problem dargestellt wird und nicht als ein systematisches, strukturelles Problem, das es eigentlich ist.

Das heißt, statt das System Social Media zu kritisieren und die Strukturen dahinter, wird gesagt: Naja, du kannst soziale Medien so nutzen, dass sie dir gut tun.

Ich hab das schon mal in der Folge über achtsames Social-Media-Marketing erwähnt. Es geht im Grunde darum zu sagen:

Ja, soziale Medien sind problematisch. Doch mit den richtigen Gewohnheit und Tools und dem richtigen Mindset ist das überhaupt kein Problem mehr! 

Und dann geben Social-Media-Coaches oder Achtsamkeitscoaches eben diese Tipps zur Phone-Life-Balance und zum Zeitmanagement und Tipps für einen „effektiven Workflow“ und für einen Digital Detox. 

Das heißt, wir müssen auf einmal nicht nur Social Media nutzen, um Marketing zu betreiben. Wir müssen nun auch an unseren Gewohnheiten arbeiten, um Social Media zu nutzen.

Und auch hier ist es so, dass niemand uns diese Arbeit an unseren Gewohnheiten sieht, wertschätzt oder vergütet.

Im Gegenteil: Bei mir hat es zum Beispiel dazu geführt, dass ich extrem an mir gezweifelt habe. Denn ich dachte lange Zeit: Na ja, alle anderen schaffen es, soziale Medien so zu nutzen, dass es okay für sie ist. Nur ich schaffe es nicht. Ich bin nicht gut genug. Irgendwas stimmt mit mir nicht. 

Und diese Gedanken rühren daher, dass wir Social Media individuell denken, statt strukturell. Also dass wir, sobald jemand nicht mit sozialen Medien zurechtkommt, annehmen, dass es sein oder ihr individuelles Versagen ist, warum das so ist. 

Und das Blöde daran ist, dass sich so nichts am System Social Media ändern wird. Denn wenn wir alle nun unsere Zeit tracken, die wir auf Social Media verbringen oder uns irgendwelche Apps runterladen, die uns dabei helfen, uns irgendwelche Gewohnheiten anzutrainieren, dürfen soziale Medien ja so bleiben, wie sie sind.

Das heißt, um soziale Medien nutzen zu können, ohne dass wir gesundheitlich darunter leiden, müssen wir auf einmal Zeit und Energie und Geld reinstecken. Wir müssen ständig unsere Gewohnheiten im Blick behalten und unser Verhalten tracken und messen und vergleichen und anpassen. 

Und das ist unfassbar anstrengend und: Es hat einfach kein Ende, keine natürliche Begrenzung. Wir sind niemals fertig mit dieser Art von Arbeit. Solange wir soziale Medien nutzen wollen, ohne dass wir gesundheitlich darunter leiden, müssen wir unsere Gewohnheiten im Blick behalten.

Doch Frauen auf Social Media haben durch ästhetische Arbeit nicht nur einen makellosen Körper und durch kontinuierliche Selbstoptimierung tolle Social-Media-Gewohnheiten, sondern sie sind auch immer äußerst produktiv und haben natürlich immer ihre persönliche Weiterentwicklung und Karriere im Blick. Vom Aufwachen bis zum Schlafengehen ist auf Social Media einfach alles durchoptimiert.

Es fängt an mit dem richtigen Zeitpunkt fürs Aufstehen und das ist auf Social Media fünf Uhr morgens. Denn erfolgreiche Menschen sind Frühaufsteher. Während alle schlafen, können wir ungestört unseren Zielen nachgehen. Und wenn wir nicht der Typ zum Frühaufstehen sein sollten, wollen wir es einfach nicht fest genug.

Punkt Nr. 2 ist, dass wir den Tag mit einer Meditation starten. Denn wozu sich über die ganzen Gender Pay / Tax / Pension / Care / Leadership oder Data Gaps aufregen, wenn wir die Wut auch einfach wegatmen können! So starten wir ganz entspannt in den Morgen und haben den ganzen Tag einen wunderbaren Glow.

Punkt Nr. 3 ist, dass wir nach der Meditation lesen. Und zwar mindestens zehn Seiten täglich, auf denen wir uns von einem privilegierten weißen Mann erklären lassen, dass wir alles erreichen können, wenn wir nur hart genug an uns arbeiten.

Punkt Nr. 4 ist: Wir machen Sport. Denn schon 180 Minuten täglich reichen, um unseren Puls so hochzutreiben, dass wir unsere eigenen Gedanken nicht mehr hören können.

Punkt Nr. 5 ist, dass wir positiv denken. Denn: Ja, es kann so einfach sein.

Punkt Nr. 6 ist, dass wir stets gut hydriert sind. Und am besten jeden Morgen literweise Zitronenwasser und einen grünen Smoothie trinken. 

Und dann sind wir bereit für den Tag.

Und Bonus-Tipp: Wir dokumentieren jeden Schritt unseres Morgens auf Social Media, um andere Frauen daran zu erinnern, dass sie an den Anforderungen, die von allen Seiten an sie herangetragen werden, nur scheitern können.

Ja, du siehst, ich bin nicht so gut auf diese Morgenroutinen und die Hustle Culture zu sprechen, die auf Social Media inszeniert und verfestigt werden und Frauen dadurch den Eindruck vermitteln, dass sie erfolgreich werden können, wenn sie nur hart genug an sich selbst arbeiten.

Sheryl Sandberg hat diese Botschaft 2013 in die Welt gesetzt. 

In ihrem Buch „Lean in“. Sie sagt dort:

Wenn Frauen hart arbeiten und mutig sind, können sie alles erreichen, was sie sich vornehmen. 

Hört sich erst einmal gut an, ja, doch ist bei näherem Hinsehen leider nur ein unreflektierter Worthaufen, der sehr stark nach Privilegien riecht. 

Denn Sheryl Sandberg, die bis Herbst 2022 eine leitende Position bei Facebook hatte, hat ein geschätztes Vermögen von 1,5 Milliarden Dollar. Nicht Millionen, Milliarden. 

Und vermutlich lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: 

Einer weißen, reichen Frau, die – von Kinderbetreuung über Haushalt – alles auslagern kann, was sie beim Emporklettern der Karriereleiter aufhalten könnte, kommen solche Sätze leichter über die Lippen als beispielsweise Alleinerziehenden, deren Zeit, Kraft und finanzielle Ressourcen nun einmal beschränkt sind, oder Schwarzen Frauen, die möglicherweise täglich Diskriminerungserfahrungen machen müssen. 

Für die meisten Frauen dieser Erde gibt es in patriarchalen Strukturen Grenzen. Das will in der Businessbubble niemand hören, das ist aber Fakt.

Selbst wer als Frau weiß und glücklich verheiratet ist, wird – sobald Kinder ins Spiel kommen – nach durchgemachten Nächten und dank diverser Gender Gaps erst einmal nicht so leistungsfähig sein und über die nötigen Ressourcen verfügen. 

Deshalb schwächt diese Form von „Female Empowerment“ das Anliegen der Frauen. 

Und letzten Endes halst man Frauen so noch mehr unbezahlte Arbeit auf – Contentarbeit, ästethische Arbeit, Emotionsarbeit und nun eben auch die permanente Arbeit „an sich selbst“, die bereits früh morgens beginnt, wenn noch alle schlafen.

Das setzt Frauen noch mehr unter Druck, als sie eh schon stehen, und verstärkt ihre Selbstzweifel. 

Ja, das waren meine 2 Cents zum Thema Selbstoptimierung auf Social Media und wir sind fast fertig mit diesem großen, komplexen, aber, wie ich finde, total spannenden Bereich „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“. 

Fürs nächste Mal bleibt uns noch das Thema „Mental Load auf Social Media“.

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Unbezahlte Arbeit auf Social Media – Teil 4: Ästhetische Arbeit

In dieser Podcastfolge geht es um unbezahlte ästhetische Arbeit auf Social Media. Ich rede über Algorithmen, normschöne Körper und den Drang, sich immer zu schminken, bevor man eine Story macht oder ein Selfie postet.

In dieser Podcastfolge geht es um unbezahlte ästhetische Arbeit auf Social Media. Ich rede über Algorithmen, normschöne Körper und den Drang, sich immer zu schminken, bevor man eine Story macht oder ein Selfie postet.

Folge anhören:

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In der heutigen Podcastfolge machen wir weiter mit dem Thema „Unbezahlte Arbeit auf Social Media“. 

In den letzten Folgen habe ich schon über unbezahlte Contentarbeit gesprochen und über unbezahlte Emotionsarbeit, die soziale Medien von uns verlangen. Und heute möchte ich über eine weitere Form von unbezahlter Arbeit auf Social Media sprechen und das ist unbezahlte ästhetische Arbeit.

Diesen Begriff habe ich das erste Mal bei Emilia Roig in ihrem Buch „Das Ende der Ehe“ gelesen. Ein ganz tolles Buch übrigens, aber das wäre jetzt ein bisschen zu off-topic, da näher darauf einzugehen.

Für unser Thema ist relevant, dass die Autorin darin beschreibt, dass Mädchen von früh an lernen, dass sie schön aussehen müssen, um in der Gesellschaft als wertvoll angesehen zu werden, und infolgedessen eine Menge Zeit, Energie und Geld aufwenden, um sich zu pflegen, zu schminken und zu Friseuren und Kosmetikerinnen zu gehen.

In einem anderen großartigen Buch und zwar: „Die Erschöpfung der Frauen“ von Franziska Schutzbach weist die Autorin darauf hin, dass Frauen in der Regel alle dreißig Sekunden checken, wie sie aussehen. Also dass sie kontrollieren, wie ihr Haar sitzt oder ob der Lippenstift noch hält usw. 

Und wer mal in eine Drogerie geht, sieht, dass im Grunde ein Drittel der Drogerie will, dass Frauen anders aussehen, als sie es tun. Dass ihr Haar eine andere Farbe hat, dass ihre Locken definierter sind, dass es blumiger riecht und mehr glänzt. Dass die Haare auf ihrem Körper aber weggehören. Dass ihre Haut jünger aussieht, straffer, mit weniger Falten. 

Dass Rötungen, Pickel oder Augenringe versteckt gehören. Dass ihre Wimpern länger sind. 

Dass die winzigen Lücken zwischen den Härchen ihrer Augenbrauen mit einer Farbe angemalt werden. Denn sonst sehen Augenbrauen angeblich gar nicht erst aus wie Augenbrauen. 

Dass ihre Lippen voller sind, mehr glänzen, eine andere Farbe haben. Dass ihre Wangen rosiger sind. Die Nase weniger auffällig. Dass die Wangenknochen stärker betont sind. Dass die Nägel röter sind, die Füße weicher, die Hände zarter. 

Laut einer Studie von TNS Infratest geben Frauen übrigens ungefähr 300 Euro jährlich für Make-Up, Körperenthaarung und Düfte aus.

Aufs erwachsene Leben gerechnet sind es fast zwanzigtausend Euro, die Frauen diese unbezahlte ästhetische Arbeit kostet. 

Das heißt, es ist nicht nur so, dass niemand Frauen dafür bezahlt, dass sie diesen gesellschaftlichen Ansprüchen genügen, sondern dass sie das sogar noch zusätzlich Geld kostet.

Soziale Medien haben unbezahlte ästhetische Arbeit natürlich nicht erfunden, aber sie verstärken diese Arbeit zusätzlich, denn nun müssen sich Frauen nicht nur schminken, wenn sie das Haus verlassen, sondern vor jedem Selfie oder Video, das sie auf Social Media hochladen. 

Auch sonntags, abends, im Urlaub oder sogar noch vor dem Aufstehen. Es gibt ja diese Praxis, sich morgens zu schminken, dann wieder ins Bett zu gehen und Bilder mit dem Hashtag #wokeuplikethis zu posten.

Auch ich hab mich früher jedes Mal geschminkt, bevor ich eine Story gemacht habe. Zumindest ein bisschen. So die Basics. Also Primer, Puder, Foundation, Puder, Concealer, Puder, Blush, Augenbrauenstift, Eyeliner, Lidschatten, Mascara, Primer, Lipliner, Lippenstift, Finish. Das war mein „natürlicher“ Look. 

Und ja, wenn ich das mal nicht gemacht habe, habe ich fast immer besorgte Nachrichten von Followern bekommen, z.B. „Du siehst müde aus. Alles in Ordnung?“ Oder: „Na, anstrengende Nacht gehabt?“ Zwinkersmiley. Oder: „Geht’s dir nicht gut? Du siehst fertig aus …“  

Das heißt, ich war dann immer in dieser Rechtfertigungsposition, warum ich so aussehe, wie ich aussehe. Und musste immer wieder betonen, dass ich nicht müde bin, dass ich nicht krank bin, sondern dass ich mich einfach nicht geschminkt habe.

Denn Frauengesichter, die ungeschminkt sind, werden anscheinend eher als krank wahrgenommen, während Männer weiterhin unangemalte Lücken zwischen ihren Augenbrauen haben dürfen. 

Und da ich nicht ständig diese Diskussionen führen wollte, habe ich mich eben dann irgendwann jedesmal vor einem Video geschminkt. Und dann habe ich noch einen Filter genutzt. und dann hab ich oft auch noch ein Ringlicht aufgebaut, das mein Gesicht optimal ausleuchtete. Und dann sagte ich den Satz, den schon Millionen Frauen vor mir sagten und vermutlich für die nächsten Jahrzehnte voller Überzeugung sagen werden: „Ich wollte mich nur mal schnell bei euch melden …“

Und wenn wir dann unsere Social-Media-Apps öffnen und von oben nach unten scrollen und nur durchgestylte Menschen sehen, dann wollen wir natürlich nicht die einzigen sein mit Augenringen, Pickeln oder Lücken zwischen den Augenbrauenhärchen. 

Also passen wir uns an und schminken uns. 

Nun könnte man ja einfach sagen: „Herrgott, dann schminke dich halt nicht. Zwingt dich doch niemand dazu.“ 

Und ja, wenn wir das Badezimmer betreten, gibt es niemanden, der uns folgt, die Schminkutensilien ausbreitet und uns so lange nicht wieder rauslässt, bis wir die Haut unter unseren Augen mit einem Concealer bedeckt haben und unsere Lippen mit einem Lippenstift in der Farbe „Velvet Teddy“. 

Doch es gibt ja noch die Algorithmen auf Social Media

Sie bestimmen nicht nur, welche Beiträge bevorzugt angezeigt werden, sondern sie bevorzugen nachweislich normschöne Körper

Das kann ja jede oder jeder ganz einfach selbst ausprobieren und ein Foto von einem behaarten Bein oder Bauch posten. 

Was die Social-Media-Algorithmen nun mit diesem Bild anstellen, kommt auf das Geschlecht an. Wird der Körper als männlich identifiziert, gehen Haare auf Beinen und Bauch in Ordnung. Wird der Körper als weiblich identifiziert, eher nicht, und das Bild wird eher von der Plattform gelöscht. 

Und für eine private Nutzerin ist das sicherlich schon doof genug. Denn es kann natürlich ein ermächtigender Akt sein, Bilder von seinem Körper zu posten.

Doch wer Social Media beruflich nutzt, hat zusätzlich noch den Druck, dass die Beiträge, die man postet, ja ausgespielt werden sollten und nicht einfach gelöscht. 

Das heißt: Für den Großteil der selbstständigen Frauen, die Social Media nutzen, gilt:

Wenn sie gesehen werden wollen, haben sie meist nicht die Wahl, Algorithmen zu ignorieren, sondern müssen das, was Algorithmen bevorzugen, auch liefern. 

Und das zieht eben viele weitere Probleme nach sich.

Zum einen: Diese Arbeit ist erschöpfend. Denn es ist super anstrengend, Schönheitsidealen oder gar der Perfektion nachzustreben und zu erwarten, dass man so aussieht wie die Menschen auf Social Media. Niemand sieht in Wirklichkeit so aus. Außerdem ist es erschöpfend, mit diesen Kommentaren umzugehen, wenn man die Norm eben nicht erreicht.  

Und das geht sogar soweit, dass einige ernsthafte gesundheitliche Folgen dadurch haben. Schon 2017 war es so, dass 49 Prozent der Menschen, die sich einer Schönheits-OP unterzogen, angaben, dass sie es wegen Selfies für Instagram und Co. tun.

Außerdem führt, wie ich an meinem eigenen Beispiel deutlich gemacht habe, ästhetische Arbeit häufig zu mehr Emotionsarbeit. Denn natürlich konnte ich mir als Selbstständige Schöneres vorstellen, als ständig über mein Aussehen reden zu müssen, wenn ich mal nicht geschminkt war. Das war nervig und frustrierend und da es sich immer wieder wiederholt hat, kam da schon einiges an Zeit zusammen. 

Wir alle haben nur 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Und wer diese Zeit mit unbezahlter ästhetischer Arbeit verbringt und vielleicht auch mit mehr Emotionsarbeit, die mit der ästhetischen Arbeit zusammenhängt, hat dann als Konsequenz weniger Zeit und Energie für andere Dinge.

Ja, das war es zum Thema unbezahlte ästhetische Arbeit auf Social Media. Und nächste Woche geht es weiter mit der unbezahlten Arbeit an sich selbst. 

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Unbezahlte Arbeit auf Social Media – Teil 3: Emotionsarbeit

Wer Social Media nutzt, kommt oft mit einer ganz besonderen Form der unbezahlten Arbeit in Berührung: der Emotionsarbeit. Denn durch die Bewertungssituationen und den ständigen Druck, positiv zu sein, entstehen Gefühle wie Unzulänglichkeit oder Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“. Und mit der Emotionsarbeit müssen wir unsere Gefühle dann regulieren, kontrollieren und modifizieren. Was macht das mit uns?

Wer Social Media nutzt, kommt oft mit einer ganz besonderen Form der unbezahlten Arbeit in Berührung: der Emotionsarbeit. Denn durch die Bewertungssituationen und den ständigen Druck, positiv zu sein, entstehen Gefühle wie Unzulänglichkeit oder Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“.

Und mit der Emotionsarbeit müssen wir unsere Gefühle dann regulieren, kontrollieren und modifizieren

Was macht das mit uns?

Folge anhören:

Transkript lesen:

In den letzten Folgen ging es bereits um das Thema unbezahlte Arbeit auf Social Media. Ich habe dir in der Folge vor zwei Wochen kurz erzählt, warum das Thema gerade für Frauen so wichtig ist. In der letzten Folge ging es um das Thema unbezahlte Contentarbeit. Und in der Folge heute möchte ich über Emotionsarbeit sprechen.

Und mein Vorschlag ist, dass, wenn du dir die letzten beiden Folgen noch nicht angehört hast, dass du vielleicht mal reinhörst. Denn ich werde mich in der Folge heute und auch in den kommenden Folgen immer wieder auf einzelne Gedanken beziehen, die ich in den letzten Episoden geteilt habe.

Also gut: Emotionsarbeit.

Ich muss zugeben, dass ich diesen Begriff zwar schon vor einiger Zeit gehört habe, aber irgendwie immer drübergelesen habe. Und erst vor Kurzem hab irgendwie gedacht: Okay, was ist das jetzt für ein Konzept und was können wir damit erklären?

Und ich bin wirklich sehr froh, dass ich das gemacht habe, weil das Konzept der Emotionsarbeit ein sehr mächtiges Werkzeug ist, um zu verstehen, warum uns soziale Medien zum Beispiel so erschöpfen und auslaugen und stressen

Auch bei der Emotionsarbeit ist es so, du ahnst es vermutlich schon, dass uns niemand diese Art von Arbeit vergütet. Das heißt, neben der Contentarbeit gibt es noch einen zweiten großen Bereich, in den wir unsere Zeit, unsere Energie und manchmal auch unser Geld stecken, für den wir aber kein Geld kriegen.

Auch wenn du das Wort Emotionsarbeit vielleicht noch nicht kennst, bin ich mir sehr sicher, dass du bereits Bekanntschaft mit dieser Art von Arbeit gemacht hast. Vor allem auf Social Media. 

Emotionsarbeit ist, wenn du beispielsweise locker-flockig in die Kamera für eine Instastory sprichst und den Anschein erweckst, als wärst du bester Laune, obwohl gerade etwas in deinem Leben passiert, das alles andere als toll ist.

Also angenommen, dir geht es gerade finanziell nicht gut oder eine Freundin oder ein Familienmitglied ist ernsthaft erkrankt oder – es muss auch nicht gleich so dramatisch sein – du hast gerade einfach eine Absage bekommen für ein Projekt, auf das du dich gefreut hast und mit dem du schon gerechnet hast. Und du fühlst dich einfach etwas down.

Und wenn du in solchen Momenten deine Gefühle wie Frust oder Traurigkeit oder Sorge oder vielleicht sogar Wut nicht zeigst, sondern auf Social Media so tust, als wäre alles wie immer, geht es nicht einfach so mit einem Fingerschnippen, sondern ist im Grunde Arbeit, für die du Energie und Zeit brauchst. 

Und genau das macht den Kern von Emotionsarbeit aus. Wir kontrollieren, regulieren oder modifizieren unsere Gefühle. Sehr häufig tun wir das, um bestimmte soziale Erwartungen zu erfüllen.

Und natürlich ist es so, dass Emotionsarbeit erst einmal nichts Schlechtes ist, im Gegenteil. Emotionsarbeit ist wichtig für das Funktionieren einer Gesellschaft. Egal, in welche Gemeinschaften wir gucken, ob es jetzt Familien sind oder andere Formen von Gruppen, ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die empathisch sind oder in der Lage sind, in Konflikten zu vermitteln zum Beispiel.

Doch das Problem an Emotionsarbeit ist wie so oft, dass diese Arbeit in der Regel von Frauen geleistet wird, weil sie eben meistens in Berufen tätig sind, die diese Art von Arbeit erfordern. Oder sie diejenigen sind, die sich um Kinder kümmern oder Angehörige pflegen. Und meistens wird diese Art von Arbeit nur sehr schlecht vergütet oder eben gar nicht vergütet. 

Das heißt, niemand bezahlt uns dafür, dass wir Fürsorgearbeit leisten und niemand bezahlt uns dafür, dass wir auf Social Media Emotionsarbeit leisten.

Und die hat es ganz schön in sich, finde ich. Weil sie auf so vielen verschiedenen Ebenen stattfindet.

Zum Beispiel: das Thema Vergleichen.

Es ist zwar so, dass Vergleichen etwas Menschliches ist und auch verschiedene Funktionen erfüllt. Doch weil wir auf Social Media auf einmal unzähligen Menschen folgen können und uns ihre Accounts angucken können, können wir das erste Mal in der Menschheitsgeschichte uns mit so vielen Menschen vergleichen wie noch nie zuvor.

Im Grunde jeden Aspekt unseres Lebens: unsere Körper, unsere Häuser oder Wohnungen, unser Einkommen, unsere Haustiere, die Größe unseres Teams, unsere Reiseziele usw.

Diese permanenten Vergleiche führen dazu, dass wir permanent Gefühle spüren wie Unzulänglichkeit und Gedanken haben wie „Ich bin nicht gut genug“. Und das ist alles andere als banal, sondern das braucht enorm viel von uns, mit diesen Gefühlen und Gedanken umzugehen und sie zu regulieren. Und diesen Aufwand, den wir tagtäglich betreiben müssen, kostet uns extrem viel Energie und Zeit und Nerven und Platz im Hirn usw.

Ein anderes Beispiel sind die Bewertungen. Wir befinden uns auf Social Media permanent in Bewertungssituationen. Wenn wir etwas posten, bekommen wir sofort Feedback darauf. Entweder weil Menschen etwas liken oder weil sie etwas nicht liken und wir denken „Warum liket das niemand?“. Manchmal kommentieren Menschen unsere Posts. Und oft sind das nette Worte, manchmal aber auch völlig nichtssagende Worte und manchmal sogar nicht so nette Worte. 

Doch egal, wie die Bewertung ausfällt, wir müssen damit eben klarkommen.

Ich finde diesen Punkt immer ein bisschen seltsam, weil super viele Menschen nicht so großer Fan von Prüfungssituationen sind. Weil es einfach nicht angenehm ist, wenn Menschen, das, was man sagt oder tut, bewerten. Und wir machen alle immer drei Kreuze, wenn das Abi oder die Fahrprüfung oder das Examen rum ist. Wenn wir es geschafft haben.

Doch auf Social Media begeben wir uns täglich freiwillig in diese Situationen, wo immer Urteile über uns gefällt werden. Das heißt, wir geben anderen Menschen die Macht, uns zu sagen, wie gut wir etwas machen, ob wir gut genug aussehen und ob unsere Ansichten die richtigen sind oder nicht.

Und auch hier entstehen durch diese Bewertungssituationen permanent Gefühle und sehr häufig nicht angenehme Gefühle. 

Und nicht selten knüpfen wir das, was andere Menschen über uns auf Social Media sagen, an unseren Selbstwert. Und wenn das Urteil dann negativ ausfällt, denken wir auch negativ über uns.

Also eine sehr komplexe Angelegenheit das Ganze. Doch es gibt noch viele weitere Formen der Emotionsarbeit auf Social Media.

Z.B die Inszenierung.

Wir müssen ständig abwägen, wie wir uns in den sozialen Medien darstellen wollen. Welches Bild wir von uns zeigen wollen. Ob wir Dinge beschönigen, anders darstellen, vielleicht sogar es mit der Wahrheit nicht so ganz ernst nehmen. Und auch das erfordert natürlich permanente Emotionsarbeit.

Klassisches Beispiel von Selbstständigen ist: Gerade läuft es nicht so gut und wir zweifeln an uns. Doch auf Instagram geben wir uns als Expertin und ja, tun so, als hätten wir diese Selbstzweifel gar nicht.

Warum ist das Ganze jetzt nun ein Problem?

Zunächst einmal:

Weil Emotionsarbeit auch Arbeit ist. Selbst wenn sie nicht bezahlt, nicht gewertschätzt und oft auch nicht gesehen wird, erfordert Emotionsarbeit unsere Zeit, unsere Energie und manchmal sogar auch unser Geld.

Das kann dazu führen, dass wir uns müde fühlen, erschöpft und ausgebrannt. Selbst wenn wir nicht viele Termine haben und eigentlich nur im Homeoffice arbeiten, geht es uns dann einfach nicht gut. Und das kann damit zu tun, dass wir auf Social Media eine Menge Emotionsarbeit leisten müssen, die uns erschöpft.

Damit ist auch das Konzept der emotionalen Dissonanz verknüpft.

Emotionale Dissonanz tritt auf, wenn es eine Spannung gibt zwischen den tatsächlichen Emotionen und den Emotionen, die gezeigt oder ausgedrückt werden.

Klassisches Beispiel: Aufgrund einer Trennung oder eines Todesfalls ist jemand zutiefst traurig, zwingt sich aber dazu, auf Instagram „Good Vibes“ zu versprühen und Inspirationszitate zu posten. 

Das erzeugt einen inneren Konflikt, der dann noch mehr Emotionsarbeit benötigt.

Manchmal kann der Erwartungsdruck auf Social Media, ständig gut gelaunt zu sein, sich bis ins Toxische steigern, was wiederum zu verstärkter Emotionsarbeit führen kann. 

Denn die Erwartung, immer glücklich oder positiv zu sein, heißt oft, die tatsächlich erlebten Gefühle zu unterdrücken oder zu verstecken.

Soziale Medien haben Emotionsarbeit natürlich nicht erfunden. Doch sie verstärken die Notwendigkeit, zusätzliche Emotionsarbeit zu leisten und sie nicht zu vergüten.

Und manchmal geht es da auch gar nicht nur um unsere Zeit und unsere Energie, sondern auch um viel Geld. Denn es gibt immer wieder Fälle von digitaler Gewalt auf Social Media, mit denen Betroffene nicht mehr alleine zurechtkommen und dann professionelle Hilfe brauchen, z.B. in Form eines Coachings, um mit dem Hass, der ihnen auf Social Media entgegenschlägt, überhaupt zurechtzukommen.

Ja. Das war ein kleiner Abriss zum Thema Emotionsarbeit auf Social Media. Und nächste Woche möchte ich über eine weitere Form von unbezahlter Arbeit auf Social Media sprechen.

Und das ist die ästhetische Arbeit.

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Unbezahlte Arbeit auf Social Media – Teil 2: Contentarbeit

In dieser Podcastfolge geht es um unbezahlte Contentarbeit auf Social Media und die Frage: Was bedeutet es, dass Millionen oder gar Milliarden Menschen ihre Zeit, ihre Energie und ihr Geld in das Posten, Kommentieren und Moderieren von Social-Media-Content stecken? Ist Content für Social Media erstellen ein freiwilliger, kreativer, altruistischer Akt? Oder können wir es vielleicht sogar als Ausbeutung unserer Arbeitskraft verstehen?

In dieser Podcastfolge geht es um unbezahlte Contentarbeit auf Social Media und die Frage:

Was bedeutet es, dass Millionen oder gar Milliarden Menschen ihre Zeit, ihre Energie und ihr Geld in das Posten, Kommentieren und Moderieren von Social-Media-Content stecken?

Ist Content für Social Media erstellen ein freiwilliger, kreativer, altruistischer Akt? Oder können wir es vielleicht sogar als Ausbeutung unserer Arbeitskraft verstehen?

Folge anhören:

Transkript lesen:

Heute geht es weiter mit Teil zwei der Reihe: unbezahlte Arbeit auf Social Media. Und in der Folge heute möchte ich über das Thema Contentarbeit reden und die Frage: Was bedeutet es, dass Milliarden von Menschen ihre Zeit, ihre Energie und ihr Geld in das Posten, Kommentieren und Moderieren von Social-Media-Content stecken?

Und auffällig an diesem Thema ist erst einmal die bemerkenswert dünne Studienlage. Um nicht zu sagen. Bisher wird wissenschaftlich nicht untersucht, was das Ganze eigentlich in konkreten Zahlen bedeutet.

Aber eine Studie habe ich gefunden, und zwar zu der Plattform Reddit. Und die Studie kam zu dem Schluss, dass Reddit-Moderator*innen durch das Moderieren, Hochladen und Teilen der Inhalte jährlich unbezahlte Arbeit im Wert von 3,4 Millionen US-Dollar leisten, was etwa 3 Prozent der Gesamteinnahmen von Reddit entspricht. 

Auch wenn Reddit jetzt vielleicht keine klassische Social-Media-Plattform ist, ist die Studie spannend. Denn die Fragen, die in der Studie aufgeworfen wurden, sind natürlich dieselben: 

Ist die Erstellung von Inhalten, das Moderieren von Beiträgen oder das Teilen und Weiterverbreiten ein freiwilliger, kreativer, altruistischer Akt oder können wir diese unbezahlte Arbeit im Netz vielleicht sogar als Ausbeutung interpretieren? 

Stevie Chancellor, die die Studie zusammen mit ihren Kollegen initiierte, plädiert dafür, bei dieser Frage zwischen gemeinnützigen und profitorientierten Unternehmen zu unterscheiden

Sie sagt: Wikipedia zum Beispiel sei gemeinnützig. Sie verfolge keine Gewinnabsicht und deshalb sei es auch völlig in Ordnung, wenn Menschen unbezahlt Beiträge für die Wikipedia erstellen. Bei Unternehmen wie Yelp allerdings sei die Lage anders. Yelp ist ein Unternehmen, das mehr als 300 Millionen Dollar Umsatz im Jahr erwirtschaftet und nur deshalb erfolgreich läuft, weil es Menschen gibt, die ohne Vergütung Bewertungen für Restaurants und so weiter schreiben. 

Und bei Social Media sieht die Lage aus meiner Sicht da ganz ähnlich aus: 

Das Geschäftsmodell von Meta und anderen Betreibern funktioniert nur deshalb, weil Millionen oder gar Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt posten, kommentieren und teilen, ohne dass sie dafür bezahlt werden.

Und der Aufwand, der zum Beispiel alleine hinter dem Posten steckt, ist enorm:  

  • Wir überlegen uns, was wir wann auf Social Media posten und welches der vielen Formate dazu am besten passt. 

  • Wir machen Selfies und bearbeiten manchmal stundenlang Bilder

  • Oder wir erstellen Grafiken und Sprüche in Grafikdesigntools wie Canva. 

  • Wir schreiben Captions und planen unsere Posts in einem Planungstool ein, damit sie zu einem optimalen Zeitpunkt veröffentlicht werden. 

  • Und wenn der Post, die Story oder das Reel online sind, bleiben wir auch online, um mit den Menschen, die mit unseren Beiträgen interagieren, ebenfalls zu interagieren

  • Wir beantworten Kommentare und DMs und machen Screenshots von den Reaktionen auf unsere Posts und verwerten das weiter in einer Story. 

  • Und wenn unsere Posts veraltet sind und nicht mehr ausgespielt werden bzw. im Falle von Storys gelöscht werden, geht das Spiel wieder von vorne los. 

Also extrem viel Arbeit, die alle, die auf Social Media aktiv sind, in die Plattform reinstecken, ohne dass sie dafür auch nur einen Cent von den Plattformbetreibern sehen.

Außerdem ist diese Art von Arbeit ja nicht immer nur Ponyhof, sondern je nach Thema und Nische auch physisch und psychisch anstrengend, weil nicht zuletzt Frauen Belästigungen, Mobbing oder andere Formen von digitaler Gewalt auf Social Media erfahren, sie gleichzeitig aber nur wenig Support von den Plattformbetreibern in dieser Hinsicht bekommen. Meta z.B., das hat Frances Haugen in den Facebook Files öffentlich gemacht, schafft es in mehr als 90 Prozent der Fälle nicht, problematische Inhalte zu prüfen und sie ggf. zu löschen.

Auf dem Höhepunkt meiner Social-Media-Nutzung habe ich zwei Stunden täglich für diese Art von Arbeit gebraucht. Im Durchschnitt. Oft auch mehr.

Das ist zwar weniger als bei so manchem Heavy User, der mehr als vier Stunden täglich auf Social Media verbringt.

Doch es waren immerhin 14 Stunden in der Woche, 60 Stunden im Monat, 720 Stunden im Jahr. 

Diese umgerechnet 30 Tage jährlich, die ich brauchte, um Menschen auf Social Media zu bespaßen, wurden – so wie bei Yelp oder Reddit – natürlich nicht vergütet, denn auch das Konzept „Social Media“ sieht keine Bezahlung für Menschen vor, die Contentarbeit leisten. 

Ganz zu schweigen davon, dass einem ja auch niemand die Kosten für Bildbearbeitungstools, Grafikdesigntools, Videoschnitttools und Planungstools, Hardware oder Ringlichter ersetzt.

Das zahlen die Menschen, die auf Social Media aktiv sind, ja alles brav selbst.

Warum ist das nun ein Problem? Könnte man nicht auch sagen: 

Na ja, die Menschen sind doch freiwillig auf Social Media, um sich mit Menschen zu verbinden, Promis zu folgen oder Marketing für ihr Business zu betreiben. 

Doch so einfach ist es aus meiner Sicht nicht. Denn zunächst gilt das, was Stevie Chancellor im Falle von Reddit feststellte:

Meta ist ein börsennotiertes, profitorientiertes Unternehmen, das im Jahr 2022 rund 116 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftete. Damit ihr Geschäftsmodell, das ja darauf beruht, Daten der User zu sammeln und sie an Werbetreibende zu verkaufen, überhaupt funktionieren kann, müssen Menschen Tag für Tag posten, liken, teilen, kommentieren usw. 

Man stelle sich nur vor, was passieren würde, wenn eine Woche lang niemand eine Meta-Plattform nutzen würde. Niemand würde posten, niemand würde gucken, was andere gepostet haben – wem sollte Meta dann Werbeanzeigen ausspielen?

Wenn niemand da ist, sieht auch niemand Werbung – und Meta macht kein Geld. 

Das heißt: Meta braucht uns. Meta ist für das Funktionieren des Unternehmens darauf angewiesen, dass wir Selfies und Katzenvideos posten, vergütet uns aber nicht. 

Und wir können ja einfach mal nachrechnen: Wenn wir mit fünfzig Euro einen Stundenlohn von Selbstständigen annehmen und davon ausgehen, dass sie rund zwei Stunden täglich Contentarbeit leisten, kommen wir auf 36 Tausend Euro im Jahr, um die Menschen, die auf Social Media posten, gebracht werden. 

Und das bei der recht konservativen Schätzung von fünfzig Euro Stundenlohn und zwei Stunden täglicher Nutzungsdauer – bei vielen Menschen sind beide Zahlen deutlich höher. 

Selbst wenn wir es also lieben, auf Social Media zu sein, ist das verdammt viel Geld, das wir nicht bekommen, weil uns eingeredet wird, dass wir das alles nur zu unserem Vergnügen machen.

Und apropos Vergnügen: Das ist natürlich die Basis dafür, dass wir diese Arbeit unbezahlt erledigen. 

Hätte mich jemand, kurz nachdem ich mich selbstständig gemacht habe, gefragt, ob ich freiwillig auf Social Media bin und „Marketing für mein Business“ betreibe, hätte ich geantwortet: 

„Auf jeden Fall!“ 

Denn ich hatte natürlich auch diese schillernden Social-Media-Versprechen verinnerlicht: 

Schon der nächste Post könnte viral gehen und damit tausende oder gar Millionen Menschen erreichen. Marken könnten auf mich aufmerksam werden und mir einen Deal anbieten. Ich könnte so viel verdienen, dass ich für immer ausgesorgt hätte. 

Ja, Social Media lebt von diesen Konjunktiven und Erfolgsgeschichten und dem klassischen American Dream. Also „From Rags to Riches“ oder von „Unbekannt“ zu „erfolgreicher Influencerin“

Meta ist darauf angewiesen, dass wir alle denken, dass wir uns auf Social Media durch unbezahlte Contentarbeit selbstverwirklichen können. Denn sonst könnten sie ihr Geschäftsmodell so in der Form nicht aufrechterhalten.

Doch wenn wir die schillernden Social-Media-Erfolgsversprechen von dem Glitzer befreien, ist eher Ernüchterung angesagt. 

Das fängt schon damit an, dass es kaum Studien dazu gibt, wie viel Influencer*innen zum Beispiel tatsächlich brutto und netto verdienen durch Social Media. 

Es gibt viele Statistiken und Rechenbeispiele, die die möglichen Preise pro Post zeigen und sich damit einreihen in dieses Narrativ von Social Media als „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. 

Und ja, diese Zahlen, die wir da zu sehen kriegen, sind oft sehr hoch. Und dann denken wir: 

„Wow, 5.000 Euro pro Post! Dann bräuchte ich ja gerade mal einmal im Monat zu posten und hätte mehr Kohle als jetzt durch meinen nervigen Teilzeitjob. OMG!!!“ 

Doch es bedeutet einfach unfassbar viel Arbeit, aber auch viel Glück fürs richtige Timing und ein Händchen für Grafiken, Worte und Trends, um überhaupt diese Followerzahl zu erreichen, bei der diese Preise gezahlt werden. Außerdem wird oft auch vergessen, dass gesponserte Posts nur ein Bruchteil von den geposteten Posts ausmachen, sodass es natürlich nicht reicht, einmal im Monat einen Post für 5000 Euro zu posten und dann hat man quasi ausgesorgt. Es ist viel komplizierter und anstrengender als das.

Auch bei den Menschen, die zu mir kommen, um sich zu Social-Media-freiem Marketing beraten zu lassen, höre ich immer wieder dieselbe Geschichte: 

„Ich bin schon seit zwei Jahren auf Instagram und reiß mir dort ein Bein aus, doch ich dümpel immer noch bei 200 Followern rum und … Kund*innen bekomme ich dadurch schon gar nicht.“ 

Auch hier gibt es überhaupt keine zuverlässigen Studien darüber, mit welchen Ergebnissen auf Social Media überhaupt rechnen können. Es gibt nur die großen Träume von Social-Media-Erfolgen, aber keine Belege, keine Studien, keine Fakten.

Das heißt:

Die Geschichte, dass wir Social Media brauchen, wenn wir selbstständig sind, hält sich hartnäckig und hilft den Plattformen letzten Endes dabei, unbezahlte Contentarbeit zu legitimieren.

Ja, und ich denke, wir sollten uns dessen in erster Linie bewusst werden, dass es eben nicht einfach nur Posten ist, was wir da tun, sondern dass wir das Ganze als Arbeit verstehen können.

Und dann können wir uns im zweiten Schritt entscheiden, ob wir für Mark Zuckerberg und Co. tatsächlich ohne Bezahlung arbeiten wollen oder ob wir das nicht auch als Ausbeutung verstehen wollen und unsere Zeit und Energie stattdessen lieber in unsere eigenen Projekte und Plattformen stecken. 

Shownotes:

Studie zu unbezahlter Arbeit auf Reddit

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Unbezahlte Arbeit auf Social Media – Teil 1: Warum das gerade für Frauen ein Problem ist

Wir starten das neue Jahr mit einer neuen Reihe: unbezahlte Arbeit auf Social Media. Denn soziale Medien fordern eine Menge Arbeit von uns, die die Plattformbetreiber nicht vergüten. Welche Formen der unbezahlten Arbeit auf Social Media gibt es? Und warum könnte das besonders für Frauen ein Problem sein? Darum wird es in dieser Podcastfolge gehen.

Wir starten das neue Jahr mit einer neuen Reihe: unbezahlte Arbeit auf Social Media. Denn soziale Medien fordern eine Menge Arbeit von uns, die die Plattformbetreiber nicht vergüten.

Welche Formen der unbezahlten Arbeit auf Social Media gibt es? Und warum könnte das besonders für Frauen ein Problem sein? Darum wird es in dieser Podcastfolge gehen.

Folge anhören:

Transkript lesen:

Ich wünsche dir ein frohes neues Jahr und ich hab in den nächsten Wochen Großes mit dir hier vor. 

Denn ich möchte in diesem Podcast eine mehrteilige Reihe starten zu einem Thema, zu dem du vermutlich noch gar nicht sooo viel gehört oder gelesen hast. Und vielleicht auch noch nicht so viel darüber nachgedacht hast. Und das ist das Thema: 

Unbezahlte Arbeit auf Social Media.

Den Begriff unbezahlte Arbeit muss ich dir vermutlich nicht weiter erklären. Es versteht sich von selbst. Unbezahlte Arbeit ist Arbeit, für die wir nicht bezahlt werden

Und meine Beobachtung ist, dass soziale Medien enorm viel Arbeit von uns fordern, die nicht vergütet wird. Und das ist ein Problem.

Viele finden es irgendwie normal und nicht schlimm und scheinen sich nicht groß daran zu stören. Aber ich finde, dass wir durchaus mal ansprechen und diskutieren sollten, dass wir im Grunde extrem viel Arbeit auf Social Media leisten, aber keinen Cent dafür sehen.

Und diese Arbeit findet in mehreren verschiedenen Bereichen statt, sodass ich mich entschieden habe, für jeden einzelnen Bereich eine separate Podcastfolge zu machen. Und das in den nächsten Wochen nach und nach aufzudröseln.

Im Grunde geht es mir zunächst einmal darum, sichtbar zu machen, was Menschen, die Social Media nutzen, da eigentlich Tag für Tag leisten, und warum es ein Problem ist, dass sie keinen Cent dafür sehen. 

Und letzten Endes möchte ich so auch verständlich machen, warum es so viele Menschen erschöpft, auf Social Media zu sein. Und ja, um das ein bisschen greifbarer zu machen, möchte ich dir in dieser Folge erst einmal ein anderes Beispiel für unbezahlte Arbeit geben. 

Und das ist die sogenannte Care-Arbeit oder Fürsorgearbeit.

Vielleicht weißt du, dass in Studien immer wieder festgestellt wird, dass Menschen meistens nicht nur einer bezahlten, sondern auch einer unbezahlten Arbeit nachgehen (und Frauen sehr viel mehr als Männer). 

Es geht dabei um Arbeiten wie Kinderbetreuung und -erziehung, um Pflege von Angehörigen, aber auch um Kochen, Putzen und Muffins für den Kindergarten backen. 

Und im Jahr 2021 war es so, dass Frauen für diese unbezahlten Fürsorgearbeiten im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit aufgewendet hatten als Männer. Und selbst wenn beide Vollzeit arbeiten, leisten Frauen mehr von dieser Fürsorgearbeit, die eben nicht vergütet wird.

Dazu kommt noch der sogenannte Mental Load, also dass wir neben der eigentlichen unbezahlten Arbeit auch noch ständig an Dinge denken müssen wie z.B.: morgen den Kindern Sportsachen mitzugeben, und ihnen am Samstag mal wieder die Fingernägel zu schneiden, Geschenke für einen Geburtstag zu besorgen usw.

Und während diese unbezahlte Sorgearbeit von Frauen – und dass wir dringend etwas dagegen tun müssen – so langsam Einzug ins kollektive Bewusstsein findet und auch immer öfter in Diskurse, wird die Tatsache, dass Social-Media-Nutzung und Social-Media-Marketing ebenfalls zu einer Menge unbezahlter Arbeit führen, für meinen Geschmack noch kaum diskutiert. 

Doch es ist aus meiner Sicht so wichtig, dass wir mal darüber sprechen – und vor allem, warum das gerade für Frauen ein wichtiges Thema sein könnte.

Und da können wir noch mal zu diesem Gender Care Gap zurückkommen: Frauen leisten eh schon Tag für Tag 50 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Und immer wieder stellen Studien fest, dass Frauen auch besonders häufig unter Erschöpfung, Stress oder Burn-out leiden. 

Das heißt: Viele Frauen sind aufgrund der gesellschaftlichen Strukturen eh schon am Rande ihrer Belastung und jetzt kommen in dieser Situation noch die sozialen Medien und bürgen uns zusätzlich noch unbezahlte Arbeit auf. 

Das heißt: Natürlich ist unbezahlte Arbeit auf Social Media grundsätzlich für alle Menschen ein relevantes Thema. Doch aus meiner Sicht wäre es vor allem für diejenigen wichtig, sich mal mit dem Thema auseinanderzusetzen, die sowieso schon mit Erschöpfung, Stress oder sogar Burn-out in ihrem Alltag zu tun haben.

Ich möchte dir auch schon einmal die Bereiche verraten, die ich in den nächsten Wochen ansprechen will.

Das erste ist die Contentarbeit, die alle Menschen, die Social Media aktiv nutzen, unbezahlt machen. Und vor allem Selbstständige und Unternehmen werden ja nicht nur fürs Posten nicht vergütet, sondern stecken da ja auch noch zusätzlich jede Menge eigenes Geld rein.

Und wenn du jetzt denkst „Na ja, was soll denn schon daran problematisch sein? Ich poste doch freiwillg!“, höre gerne in die nächste Podcastfolge rein. Denn da werde ich das Thema detailliert beleuchten.

Der zweite Bereich von unsichtbarer, unbezahlter Arbeit ist die sogenannte Emotionsarbeit, die soziale Medien von uns fordern. 

Also dass wir mit Gefühlen und Gedanken wie Vergleicheritis oder dem Druck, ständig positiv rüberkommen zu müssen, umgehen müssen. Emotionsarbeit kann zu einer Quelle von Dauerstress und chronischer Erschöpfung werden, denn es ist alles andere als leicht, ständig diese Gefühle zu fühlen und mit ihnen umzugehen. Deshalb wird es nach der Contentarbeit auch eine separate Episode zur Emotionsarbeit geben.

Der dritte Bereich, über den ich sprechen möchte, ist ästhetische Arbeit. Denn das Posten auf Social Media ist ja nicht nur das mechanische Schreiben oder Fotografien und auf „Posten“ klicken, sondern bedeutet für viele Menschen, sich extra für eine Instastory zu schminken und anzuziehen. Und auch diese ästhetische Arbeit ist eine Arbeit, die unsichtbar und unbezahlt ist. Und deshalb dringend angesprochen gehört.

Kommen wir zum vierten Bereich von unbezahlter Arbeit auf Social Media und das ist die Arbeit an sich selbst oder die sogenannte Selbstoptimierung. Auch diese geht oft mit der Social-Media-Nutzung einher, wird aber nicht vergütet. Und daher will ich natürlich auch hier gerne eine separate Folge zu dieser Form der unbezahlten Arbeit machen.

Und die fünfte und letzte Folge aus dieser Reihe wird sich um den Social-Media-Mental-Load drehen. Denn den Mental Load gibt es nicht nur bei der Care-Arbeit, sondern natürlich auch bei der Social-Media-Nutzung. Also ein ständiges Denken an Aufgaben oder an möglichen Content und die Frage im Alltag „Oh, soll ich das jetzt posten, oder nicht?“

Das war ein kurzer Überblick über das Thema unbezahlte Arbeit auf Social Media. Und nächste Woche geht es los mit der unbezahlten Contentarbeit. 

Ich würde mich sehr freuen, wenn du dabei bist.

Shownotes:

Studie zum Gender Care Gap

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Digital Detox, Social-Media-Auszeit & Co: Was ich alles ausprobiert (und wieder verworfen) habe

In dieser Podcastfolge möchte ich mit dir über die verschiedenen Formen von Digital Detox und Social-Media-Auszeiten sprechen und dir erzählen, was ich in der Vergangenheit mit welchem Erfolg ausprobiert habe. Spoiler: Letzten Endes haben mir die Pausen und digitalen Entgiftungskuren nicht geholfen und mich zu der Erkenntnis gebracht, dass ich meine Social-Media-Kanäle löschen will.

In dieser Podcastfolge möchte ich mit dir über die verschiedenen Formen von Digital Detox und Social-Media-Auszeiten sprechen und dir erzählen, was ich in der Vergangenheit mit welchem Erfolg ausprobiert habe. 

Spoiler: Letzten Endes haben mir die Pausen und digitalen Entgiftungskuren nicht geholfen und mich zu der Erkenntnis gebracht, dass ich meine Social-Media-Kanäle löschen will.

Folge anhören:

Dazu passt auch folgender Blogartikel:

„Hilfe, ich brauche eine Social-Media-Pause!“

Transkript lesen:

Hast du schon einmal eine Pause von Social Media gemacht? 

In der ARD/ZDF-Onlinestudie aus dem Jahr 2022 gaben 41% der Befragten an, bereits mindestens einmal einen Digital Detox gemacht zu haben. 

Und in der heutigen Podcastfolge möchte ich mit dir über die verschiedenen Formen von Social-Media-Pausen und -Auszeiten sprechen und dir erzählen, was ich in der Vergangenheit mit welchem Erfolg ausprobiert habe. 

Und ich möchte dir auch erzählen, warum all diese Pausen und Auszeiten und Entgiftungen mir nicht wirklich geholfen haben und ich mich letzten Endes dazu entschieden habe, Social Media zu löschen.

Okay, ich würde sagen, wir starten ganz sachte und klären erst einmal die Basics:

Wenn du zu denjenigen gehörst, bei denen das Smartphone minütlich oder sekündlich bimmelt und du dich vor lauter Störungen nicht mehr konzentrieren kannst, ist die erste naheliegende Handlung vermutlich, die Push-Benachrichtigungen zu deaktivieren.

Die Idee dahinter ist: Wenn dich die ständigen Benachrichtigungen über neue Likes, Kommentare oder DMs stören, schalte sie aus und voilà: Du hast endlich Ruhe und Frieden.

Viele Selbstständige schwören darauf, Pushbenachrichtigungen zu deaktivieren. Bei mir hat diese Strategie aber keine Erleichterung gebracht, sondern die Situation tatsächlich noch verschärft.

Denn ich wurde dann zwar nicht mehr bei meiner Arbeit gestört, ja. Aber da ich nun nicht mehr wusste, ob ich einen Like, Kommentar oder eine DM hatte, begann ich etwas, was man nur als „Exzessive Checkeritis“ bezeichnen kann: Ich hatte diesen unbändigen Drang, mein Smartphone zu checken und zwar minütlich.

Irgendwann bestand gefühlt mein halbes Leben aus „Checken“. Nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch abends, am Wochenende und mit der Familie.

Und dass es nicht unbedingt ein Allheilmittel ist, die Pushbenachrichtigungen auszustellen und zu FOMO und Ängsten führen kann, wurde auch mal von einer Studie bestätigt.

Eine zweite Strategie, die ich ausprobiert habe, war, meinen Feed zu gestalten, wie es immer so schön heißt.

Und vielleicht kennst du diese Haltung auch, also dass man sagt: 

Na ja, wir haben ja selbst in der Hand, wem wir folgen und welche Beiträge wir sehen. Deshalb müssen wir uns einfach ein bisschen damit beschäftigen und schwupps, haben wir nur Menschen in unserem Feed, die uns inspirieren und motivieren.

Das klingt natürlich sehr vielversprechend und deshalb habe ich viel Zeit damit verbracht, die Accounts, denen ich folgte, auszumisten und einen Social-Media-Frühjahrsputz einzulegen und Menschen zu entfolgen oder wenn ich mich das nicht so ganz traute, sie zu muten oder – ganz blöde Accounts – zu blockieren. 

Doch das Problem war:

  • Solch eine kontinuierliche Pflege eines Social-Media-Accounts braucht Zeit – und das war es mir schlicht und einfach nicht wert. Ich könnte spontan 1000 Dinge aufzählen, die ich lieber machen würde, als mich damit zu beschäftigen, wem ich wo und warum folge oder nicht …

  • Das Muten, Blockieren usw. ist auch einfach wenig nachhaltig. Meist kommt schon nach wenigen Stunden der nächste aufdringliche Bro-Marketer, der unbedingt blockiert werden will.

  • Und selbst wenn ich mich nur noch mit Menschen, Marken und Themen umgebe, die ich liebe – an der grundsätzlichen Funktionsweise von Social Media ändert das natürlich nichts.

Deshalb habe ich irgendwann noch einen draufgesetzt und bin allen Accounts auf Instagram entfolgt. Einfach mal, um zu gucken, was mit mir und anderen Menschen dadurch passiert.

Ja, ob das eine empfehlenswerte Strategie ist?

Sagen wir mal so – es gab gemischte Reaktionen:

  • Die einen empfanden dieses Experiment als sehr „unsozial“, meinten, dass solch ein „einseitiges“ Folgen nicht Sinn und Zweck von Social Media ist, und entfolgten mir augenblicklich auch. 

  • Die anderen feierten das Experiment, meinten, dass sie heimlich auch davon träumen, sich das aber nicht trauen würden, und nahmen es – so zumindest mein Eindruck – nicht persönlich.

Für mich hatte das Experiment damals eine Menge über mich und mein Verhältnis zu Instagram offenbart:

  • Zum Einen: Es ist erschreckend, wie automatisch ich zum Smartphone greife und Instagram öffne, wenn ich warte oder eigentlich Pause machen will.

  • Es ist überraschend, wie schnell sich dieser Automatismus auch wieder legt, wenn man irgendwann versteht: Da gibt es nichts zu sehen.

  • Es ist herrlich, welch Ruhe im Kopf einkehrt, wenn man nicht den halben Tag damit verbringt, Content zu konsumieren.

  • Und es ist spannend, nach Jahren mal wieder die eigene Stimme zu hören, weil sie mal nicht durch Meinungen von Expert*innen überlagert wird.

Und als ich nach rund einer Woche zu Business as usual zurückkehrte und anfing, meinen Lieblingsaccounts wieder zu folgen, wusste ich, dass das ein Fehler war.

Nicht, weil ich die Menschen nicht mochte. (Viele von ihnen mochte ich sogar sehr.) Nicht, weil mich die Themen nicht interessierten, sondern weil der Content-Overload und die grundsätzliche Funktionsweise von Social Media das eigentliche Problem waren.

Ich hab schon in der letzten Podcastfolge erzählt, dass achtsames Social-Media-Marketing für mich nicht funktioniert hat, aber es ist natürlich immer noch eine Option, die vielleicht für dich spannend ist.

Es geht beim achtsamen Social-Media-Marketing darum, gesunde Gewohnheiten im Umgang mit sozialen Medien zu etablieren, sodass wir langfristig eben gesund bleiben und soziale Medien uns nicht auslaugen.

Und eine gute Möglichkeit ist hier zum Beispiel das Ritual, zum Wochenende hin die Social-Media-Apps zu deinstallieren.

Also am Freitagnachmittag Insta und Co. vom Smartphone schmeißen und Montagmorgen wieder installieren. 

Und dazwischen hat man eben ein herrlich entspanntes Wochenende, in dem man nicht versucht ist, irgendwas zu checken oder eine Story zu posten, obwohl wir gerade ja eigentlich gar nicht arbeiten wollen.

Natürlich können wir die Apps auch zu allen anderen Anlässen deinstallieren: 

  • wenn wir mal eine Woche konzentriert an einem Projekt arbeiten wollen

  • im Urlaub

  • an Weihnachten

  • usw.

Den Aufwand dahinter fand ich übrigens auch gar nicht schlimm. Nur habe ich mich irgendwann bei dem Gedanken ertappt „Oh schade, schon wieder Montag“ und deshalb musste ich mir irgendwann eingestehen, dass es mir eben nicht reicht, die Apps für zwei Tage zu deinstallieren, sondern dass ich grundsätzlich keine Lust mehr darauf habe.

Eine gute Kombi mit dem App-Deinstallieren ist übrigens, Social Media ausschließlich über den Desktop zu nutzen.

Das funktioniert z.B für Facebook oder Instagram ganz gut, solange man nicht ständig Storys posten oder live gehen will.

Auf Facebook kann man sich problemlos im Browser einloggen.

Und auch Instagram-Content kann man inzwischen vom Creator Studio aus posten, wenn der Instagram-Account mit Facebook verknüpft ist. 

Und Liken, Kommentieren und Nachrichten schreiben kann man über den Desktop natürlich auch. 

Doch auch hier war mir das mit der Zeit einfach zu wenig. Ich war dann zwar weniger abends und am Wochenende auf Social Media, doch auch über den Desktop bin ich regelmäßig auf Facebook oder Instagram hängengeblieben.

Ich habe also immer noch eine Auswirkung auf meinen Fokus und meine Produktivität gespürt. Und deshalb mir auch hier letzten Endes eingestanden, dass mir das nicht reicht.

Viele Online-Unternehmer*innen gehen noch einen Schritt weiter und sourcen ihr Social-Media-Marketing komplett an eine virtuelle Assistenz aus. Der Gedanke ist, dass man so weniger mit Social Media zu tun hat, ohne seine Accounts gleich löschen zu müssen.

Und auch ich habe es zweimal versucht, mein Instagram-Marketing outzusourcen. Doch fand, dass es in der Praxis gar nicht mal so leicht war.

Denn erstens:

Es ist herausfordernd, jemanden zu finden, der oder die sich wirklich – und ich meine: wirklich wirklich – gut mit dem eigenen Thema auskennt. Natürlich können sich VAs grundsätzlich in Themen einarbeiten, ganz klar. Nur ich fand, dass es für mein nerdig-nisches Pinterest-Thema damals eben nicht sooo super funktionierte. Und ich bin wirklich keine kontrollsüchtige Tante, die grundsätzlich nichts aus der Hand geben kann. Es mag für einige Themen ganz gut funktionieren, doch für manche Themen ist es nicht so leicht. Das höre ich immer wieder auch von anderen Onlineunternehmer*innen.

Und das zweite Problem beim Outsourcen ist das Interagieren.

Selbst der besten virtuellen Assistenz der Welt hätte ich es persönlich nicht zugetraut, meine Art zu reden, zu schreiben und unpassende GIFs zu verschicken, zu lernen oder gar zu kopieren. 

Das heißt: Sobald es dann ums Interagieren ging, hätte ich sowieso wieder rangemusst. Und deshalb hätte ich mich weiterhin mit Social Media beschäftigen müssen. 

Ich hätte das Thema auch mit Outsourcen also nicht annähernd so aus meinem Kopf kriegen können, wie ich mir das wünschte.

Ja und deshalb war Outsourcen letzten Endes auch nicht die Lösung für mein Problem mit Social Media und ich musste einen radikaleren Weg gehen.

Doch bevor ich das tat, probierte ich es ganz lange mit einem Social-Media-Detox.

Detox bedeutet ja, wie du sicherlich weißt, „Entgiften“ und soll den Körper reinigen. Der Begriff ist schon lange nicht mehr nur für Ernährung reserviert, sondern auch für Social Media.

Die Idee dahinter ist:

Innerhalb eines bestimmten Zeitraums (einer Woche zum Beispiel oder eines Monats) verzichten wir bewusst auf Social Media. Und danach haben wir uns „entgiftet“ und fühlen uns wieder frisch und erholt, sodass wir wieder mehr Kraft für den Social-Media-Wahnsinn haben.

Hört sich vielleicht vielversprechend an, bei mir hat aber auch das nicht wirklich funktioniert.

Zum einen ist der positive Effekt maximal kurzfristig. Und sobald ich mich wieder in Social Media einlogge, sind die alten, ungesunden Gewohnheiten auch sofort wieder da. Das dauert in der Regel keine zwei, drei Tage.

Und zum anderen habe ich mich irgendwann gefragt:

Wenn ich mich ständig „entgiften“ muss, sollte ich da nicht lieber überlegen, warum ich mich die ganze Zeit über einem „Gift“ aussetze, das mir ja so offensichtlich schadet?

Deshalb denke ich inzwischen, dass ein Detox vielleicht eine sinnvolle erste Notfall-Maßnahme sein kann, wenn soziale Medien akut überfordern. Doch idealerweise sollte ein Detox der Ausgangspunkt für eine grundlegende Änderung der Social-Media-Gewohnheiten werden. Denn sonst hangelt man sich, so wie ich früher, einfach nur noch von Detox zu Detox, ohne dass sich wirklich etwas nachhaltig verändert. 

Ja, wir sind am Ende dieser Podcastfolge angelangt. Und das Ende war für mich persönlich: anzuerkennen, dass alle Formen und Möglichkeiten, meinen Social-Media-Konsum zu regulieren, langfristig mein Problem mit Social Media nicht lösen werden.

Letzten Endes haben für mich drei Punkte den Ausschlag gegeben, meine Kanäle zu löschen:

  • Meine mentale Gesundheit: Ich wusste, dass ich als introvertierter Mensch mir mit Social Media eher schade, als dass ich mir was Gutes tue. Und dass ich so langfristig krank werde.

  • Ein weiterer Punkt war meine Freude: Sie ist mir mit Social Media völlig abhandengekommen, denn ich empfand es als total ätzend, mich tagaus, tagein mit Aufgaben busy zu halten, die mich so überhaupt gar nicht erfüllten.

  • Und schließlich: meine anderen Strategien: Mit meinem Blog, Newsletter und Netzwerk hatte ich genügend andere Möglichkeiten, online gefunden zu werden und Kund*innen zu gewinnen. 

Und deshalb sind meine Social-Media-Kanäle nun seit ein paar Jahren gelöscht.

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Achtsames Social-Media-Marketing? Reicht mir nicht (mehr)

In dieser Folge reden wir über achtsames Social-Media-Marketing. Wenn du selbstständig bist und auf Social Media unterwegs bist, hast du sicherlich schon vom achtsamen Social-Media-Marketing gehört oder praktizierst es vielleicht sogar selbst. Doch was bedeutet es, wenn alle nur noch ihren Social-Media-Frust wegatmen, statt wirklich etwas zu verändern?

In dieser Podcastfolge reden wir über achtsames Social-Media-Marketing und welche zwei großen Probleme damit einhergehen. 

Wenn du selbstständig bist und auf Social Media unterwegs bist, hast du sicherlich schon vom achtsamen Social-Media-Marketing gehört oder praktizierst es vielleicht sogar selbst. Vielleicht bemühst du dich darum, deine Zeit zu tracken, nutzt Apps, um deinen Feed zu blockieren und legst immer wieder mal einen Digital Detox ein. 

Doch was bedeutet es für das „große Ganze“, wenn alle nur noch ihren Social-Media-Frust wegatmen, statt wirklich etwas zu verändern?

Folge anhören:

Transkript lesen:

Heute möchte ich mit dir über achtsames Social-Media-Marketing reden.

Was das ist.

Warum ich das selbst nicht praktiziere oder nicht mehr praktiziere, muss man ehrlicherweise sagen.

Und was an diesem Konzept „achtsames Social-Media-Marketing“ möglicherweise problematisch sein könnte.

Wenn du selbstständig bist und Marketing machst, hast du sicherlich schon vom achtsamen Social-Media-Marketing gehört. 

Es geht im Grunde darum, zu sagen: 

Ja, soziale Medien kommen mit einer Menge Risiken, Nachteilen und, ja, Gefahren sogar. Doch wir können soziale Medien auf eine achtsame Art und Weise nutzen. So, dass es uns gut dabei geht.

Diese Position finden, glaube ich, viele Menschen sehr attraktiv, denn sie klingt erst einmal nicht so ganz radikal. 

Es geht dann nicht mehr darum, Social-Media-Betreiber wie Mark Zuckerberg oder Elon Musk zu kritisieren, oder ihr Geschäftsmodell zu kritisieren, es geht auch nicht darum, Social Media gleich vollständig den Rücken zu kehren und dadurch möglicherweise Nachteile in Kauf zu nehmen, sondern wir fokussieren uns erst einmal auf uns und gucken: 

Was kann ich dafür tun, damit soziale Medien mir gut tun? 

Ja, und dann geht es um solche Fragen wie:

Kann ich bestimmte Gewohnheiten etablieren? Und z.B. immer zum Wochenende hin die App deinstallieren und montags wieder installieren?

Oder kann ich bestimmte Apps oder Programme nutzen, die den Feed blockieren? Sodass nicht eben allzu abgelenkt werde, wenn ich „nur mal schnell“ was nachsehen oder jemandem eine DM schreiben will.

Oder auch: Kann ich meine Zeit tracken, sodass ich immer eine festgesetzte Zeit nicht überschreite?

Oder der absolute Klassiker: Einen Digital Detox einlegen und mal eine schöne Auszeit von Social Media nehmen, um dann mit neuer Kraft wieder von vorne zu beginnen.

Ich will auch da jetzt auch gar nicht ins Detail gehen, was diese Strategien angeht. Dafür wird es schon bald eine separate Folge geben.

Ich will lieber grundsätzlich etwas zu dieser Art des Denkens sagen und dir zwei Probleme mal genauer vorstellen, die sich aus einem achtsamen Social-Media-Marketing ergeben.

Problem Nr. 1 und das ist auch gleich das größte Problem für mich:

Achtsames Social-Media-Marketing – wie es von vielen Coaches gelehrt wird – ist komplett unpolitisch und wird nichts am System Social Media ändern.

Denn eigentlich ist es ja so: Da haben sich einige Menschen ein Geschäftsmodell ausgedacht, das in vielerlei Hinsicht problematisch ist. Was den Datenschutz angeht oder eben auch die mentale Gesundheit von Menschen.

Und immer häufiger stellen soziale Medien auch sogar ein Risiko für Demokratien dar, z.B. indem sie genutzt werden, um Wahlen zu manipulieren oder Falschnachrichten zu verbreiten. 

Doch was jetzt im achtsamen Social-Media-Marketing passiert, ist, dass diese Verantwortung, die ja eigentlich bei Mark Zuckerberg und Co. liegt, soziale Medien gerade so zu gestalten, dass sie Menschen nicht schaden.

Dass diese Verantwortung jetzt aber auf uns Nutzer*innen übertragen wird. Und gesagt wird: Es ist deine Aufgabe, soziale Medien so zu gestalten, dass sie dir gut tun.

Also oft wird es nicht so direkt gesagt, sondern: Ja, du kannst soziale Medien so nutzen, dass sie dir gut tun. 

Aber dahinter steckt ja die nicht explizit kommunizierte Annahme, dass wir dafür verantwortlich sind, das zu tun.

Und in meinen Augen sind wir das aber nicht. 

Die Plattformbetreiber und die Politik ist dafür verantwortlich, soziale Medien so zu gestalten, dass sie Menschen gut tun. Oder zumindest nicht so schlecht tun, wie sie es gerade tun.

Vielleicht könnten es Plattformen sein, die nicht privatisiert sind, sondern vielleicht öffentlich-rechtlich und wo damit nicht die Notwendigkeit besteht, das Geschäftsmodell mit den Daten zu verfolgen.

Mastodon bzw. das Fediversum macht es uns ja zum Beispiel vor, dass das prinzipiell möglich wäre. 

Achtsames Social-Media-Marketing will aber am aktuellen System Social Media nichts ändern oder zumindest wird es von den Coaches so nicht kommuniziert. Und das muss für mich aber mit Social Media passieren. Und zwar dringend.

Das ist immer ein bisschen so, wenn ich von männlichen Achtsamkeitscoaches lese: 

„Du entscheidest selbst, ob du dich über Geschirr spülen aufregst. Du kannst dich natürlich gerne mit deinem Partner streiten. Oder du kannst auch einfach mal beschließen, den Moment zu genießen, das warme Wasser zu spüren, zu atmen.“

Solche Ratschläge finde ich persönlich nur sehr schwer zu ertragen. Denn das lässt ja völlig die gesellschaftspolitische Ebene außen vor und damit Themen wie Gender Care Gap und die extrem ungleiche Verteilung von Sorgearbeit.

Ja, das heißt: Wenn wir jetzt alle hergehen und das Geschirrspülen genießen und es niemanden mehr gibt, der darüber wütend wird und mal was sagt, wird sich vermutlich auch nichts an dem System ändern. 

Und bei Social Media ist es genauso. Wenn wir jetzt alle achtsam sind und meditieren oder was weiß ich, klingt das zwar schön, doch damit muss sich das System Social Media nicht ändern. 

Total praktisch also für diejenigen, die Social-Media-Plattformen betreiben. Aber ich finde es eine ziemlich unbefriedigende Vorstellung.

Damit hängt auch Problem Nr. 2 zusammen.

Achtsames Social-Media-Marketing ist letzten Endes eine Form von Selbstoptimierung.

Denn jetzt geht es plötzlich nicht mehr um ein möglicherweise problematisches System Social Media, sondern darum, Social Media „richtig“ oder „falsch“ zu nutzen. „Achtsam“ oder „Unachtsam“ eben.

Es geht um Gewohnheiten und Tools und um unser „Mindset“, wie es immer so schön heißt. Es geht also um Arbeit an uns selbst.

Das heißt, wir müssen auf einmal nicht nur Social Media nutzen, um Marketing zu betreiben. Wir müssen nun auch an uns arbeiten, um Social Media zu nutzen.

Und ich kam zu dem Schluss, dass ich diese Arbeit an mir selbst nicht (mehr) leisten wollte.

Denn diese Form der Arbeit ist ein Lebensprojekt. Wenn sich soziale Medien nicht ändern und erst einmal so sein werden, wie sie gerade sind, sind wir ja auch niemals fertig mit dieser Form der Achtsamkeit. 

Wir müssen von jetzt bis in alle Ewigkeit unsere Instagram-Nutzung im Blick haben und unser Social-Media-Verhalten managen. 

Und dann stellt sich natürlich die Frage, ob wir das so wollen. Ob wir für den Rest unseres Lebens oder zumindest auf unbestimmte Zeit unser Social-Media-Verhalten so regulieren und optimieren wollen und uns um diese Form der Achtsamkeit bemühen.

Mir ist meine Zeit und meine Energie dafür zu schade. Und deshalb ist achtsames Social-Media-Marketing keine Option mehr für mich.

Wir brauchen aus meiner Sicht nicht mehr Atemübungen und Tools, die den Feed blockieren; wir brauchen mehr Social-Media-Kritik, mehr gesetzliche Regelungen, mehr Social-Media-Boykotte – am besten von großen Marken und Unternehmen. 

Wir brauchen radikale Veränderungen. Und nicht einen weichgespülten Status quo.

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Ich werde 40 und versuche, nicht durchzudrehen (klappt semigut)

Ich nehme meinen runden Geburtstag zum Anlass, mal über 40-jährige Frauen in den (sozialen) Medien zu sprechen. Warum werden sie in dieser Lebensphase medial nahezu unsichtbar? Wie wird mit ihnen Marketing gemacht? Wie wird über ihre Körper gesprochen?

Ich nehme meinen runden Geburtstag zum Anlass, mal über 40-jährige Frauen in den (sozialen) Medien zu sprechen.

Warum werden sie in dieser Lebensphase medial nahezu unsichtbar?
Wie wird mit ihnen Marketing gemacht?
Wie wird über ihre Körper gesprochen?

Folge anhören:

Transkript lesen:

Der Titel der Podcastfolge hat es ja schon so ein bisschen verraten: Ich werde vierzig. Heute. 

Nun könnte man natürlich sagen: Ach komm, ist doch ein Geburtstag wie jeder andere, aber mir ist – wie schon bei meinem dreißigsten Geburtstag – unfassbar bewusst, dass ich das Lebensjahrzehnt wechsle.

Aber gut. Ich möchte da auch gar nicht so sehr weiter darauf eingehen, sondern diesen runden, ja fast schon beängstigenden Geburtstag zum Anlass nehmen, mal über vierzigjährige Frauen in den Medien zu reden.

Denn das ist eine mega spannende Sache, finde ich. 

Und starten möchte ich mit meiner Beobachtung, dass Frauen medial unsichtbar werden, wenn sie vierzig werden.

Das ist mir schon früher in Filmen aufgefallen, wo es entweder junge Protagonistinnen in den Zwanzigern gibt, oder Coming-of-Age-Geschichten mit jugendlichen Frauen oder Frauen in den Dreißigern, die Kinder kriegen und, ja, den ganzen Stress meistern müssen.

Aber sobald Frauen vierzig werden, verschwinden sie irgendwie aus den meisten Filmen, als gäbe es keine spannenden Geschichten mehr über sie zu erzählen. 

Und es ist wirklich nicht leicht, auch nur eine Handvoll guter Filme oder Serien aufzuzählen, in denen eine vierzigjährige Frau im Mittelpunkt steht. 

Wenn Frauen dann wieder älter werden, so ab 60, tauchen sie dann mysteriöserweise wieder auf …  als Nebenfiguren in Filmen und Serien, beispielsweise als Oma oder als Chefin eines Konzerns wie zum Beispiel Miranda Priestley in Der Teufel trägt Prada.

Ja, aber in den Vierzigern scheint es irgendwie so eine Unsichtbarkeitsphase für Frauen zu geben. 

Ich kenn da jetzt keine Studie dazu, es ist einfach nur eine persönliche Beobachtung. 

Und natürlich interessieren mich jetzt mit 40 andere Themen als noch mit 20. Deshalb würde ich es mir definitiv wünschen, da in Filmen mehr repräsentiert zu werden.

Und ich merke auch, wenn wir zuhause Filme für den Filmabend aussuchen, habe ich immer öfter Probleme, da einen passenden interessanten Film zu finden, weil, wie gesagt: 

Frauen in meinem Alter mit meinen Themen kommen eben kaum mehr in Filmen vor.

Und wenn wir auf Social Media gucken, scheint es mir recht ähnlich zu sein, was natürlich auch damit zu tun hat, dass vor allem jüngere Frauen Social-Media-Kanäle wie Instagram zum Beispiel nutzen. Etwa 60-70% von ihnen sind unter vierzig. 

Das hat natürlich zur Folge, dass Frauen ab vierzig auf Social Media weniger repräsentiert werden. 

Und interessanterweise gab es auch mal eine Studie, in der 500 übervierzigjährige Frauen befragt wurden und sie haben gesagt, dass 

  • sie sich von Marken unterschätzt fühlen (vor allem was ihre Finanzen und ihre Intelligenz angeht)

  • und dass Marken auch dazu beitragen, ein negatives, stereotypisches Bild von Frauen in den Vierzigern aufrechtzuerhalten in ihren Marketingbotschaften

Vierzigjährige Frauen fühlen sich von Marken also nicht richtig wahrgenommen. Und ja, mein subjektiver Eindruck passt auf jeden Fall dazu auch.

Interessant ist dann auch, wie über die Körper von vierzigjährigen Frauen gesprochen wird.

Dazu habe ich mir mal angeguckt, wie über die Instagram-Selfies von vierzigjährigen Stars gesprochen wird, z.B. in Onlinemagazinen.

Und da fallen dann tatsächlich solche Kommentare wie: 

Schönheit kennt kein Alter

Kaum zu glauben, dass sie schon 47 Jahre alt ist! 

Das Alter sieht man ihr definitiv nicht an.

Das Alter scheint ja spurlos an ihr vorbeizugehen.

Mit 41 Jahren kann sich ihre sportliche Silhouette auch mehr als sehen lassen. 

Oder mein Favorit: Das aufblasbare Pooltier würde vor Neid grün anlaufen, wenn es wüsste, dass die attraktive Blondine 46 Jahre alt ist.

Ja, ich wünschte, ich hätte mir das alles ausgedacht, aber diese Kommentare werden tatsächlich über die Körper von vierzigjährigen Frauen gebracht.

Und als Germanistin kann ich natürlich nicht anders, als darauf hinzuweisen, dass diese Kommentare zunächst einmal wegen ihrer konversationellen Implikatur problematisch sind.

Konversationelle Implikatur bedeutet, dass wir es zwar nicht explizit sagen, dass Vierzigjährige nicht schön sind, sondern es stillschweigend mitmeinen. 

Und das liegt an den sogenannten Konversationsmaximen, die der Sprachphilosoph Grice in den 60ern „entdeckt“ hat. Und in unserem Beispiel gilt die Maxime der Relevanz

Wäre es in der Kommunikation nicht relevant, extra zu betonen, dass Vierzigjährige einen schönen Körper haben, würde man es erst gar nicht so formulieren.

Grice gibt in seinem Text das Beispiel vom Kapitän und dem Maat. 

Der Kapitän schreibt ins Logbuch: Heute, 11. November, der Maat ist betrunken. Der Maat liest den Eintrag, wird wütend und schreibt: Heute, 12. November, der Kapitän ist nicht betrunken. 

Die Implikatur ist hier klar: Normalerweise ist der Kapitän betrunken, doch heute – es geschehen noch Zeichen und Wunder – mal nicht! 

Das ist die Maxime der Relevanz.

Und sie greift natürlich auch, wenn wir sagen:

Heute war das Essen in der Mensa mal lecker.
Oder: Heute hat Michael mal selbst das Klo geputzt.

Wir implizieren mit diesen Sätzen, dass der Normalfall ein ganz anderer ist. 

Und deshalb mögen Kommentare wie „Das Alter scheint ja spurlos an ihr vorbeizugehen“ vielleicht als Kompliment gemeint sein, aber für alle anderen Vierzigjährigen bedeutet das: Der Normalfall ist ein ganz anderer.

Aber das noch größere Problem ist natürlich der Fakt, dass:

Vierzigjährige Frauen medial kaum noch stattfinden, es sei denn, sie haben – auch noch mit vierzig – einen normschönen Körper.

Das scheint mir eine der wenigen Berechtigungen für Vierzigjährige zu sein, medial Raum einzunehmen. Und das ist natürlich mehr als problematisch für das Jahr 2023.

Vierzigjährige mit nicht normschönen Körpern, Women of Colour, Muslimas, Transfrauen oder generell Vielfalt von Frauenkörpern ab 40 sieht man auf Social Media vergleichsweise selten.

Das ist übrigens auch in Bilddatenbanken so, und ich hab bei meiner Recherche für diese Podcastfolge öfter mal gelesen, dass es wohl schwierig sein soll, Stockfotos mit Frauen ab vierzig zu finden, vor allem wenn sie nicht so klischeehaft sein sollen, sondern die Vielfalt von Körpern abbilden sollen. 

Frauen ab Vierzig in den Medien. Ein sehr spannendes Thema und ja, ich gehör jetzt auch dazu.

Und zum Schluss noch ein kleiner Appell:

Egal, wie alt du bist, ob 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80 oder noch älter – natürlich darfst du online stattfinden, selbst wenn du nicht so viele Menschen in deinem Alter online siehst – auf den Kanälen, die du nutzt. 

Ich bin mir natürlich als jemand, die selbst gerade vierzig geworden ist und ja bewusst Social Media nicht nutzt, der Ironie dieses Appells bewusst. 

Doch es geht mir ja nicht nur um soziale Medien, sondern um die Onlinewelt an sich. Mit allem, was dazu gehört.

Und deshalb ist jede Wortmeldung, jeder Blogbeitrag, jede Podcastfolge, jeder Newsletter oder, für was auch immer du dich entscheidest, wichtig, weil er die Onlinesichtbarkeit von Frauen in deiner Altersgruppe stärkt, und ja, ich glaube, das würde allen Gruppen von Frauen extrem guttun.

Dann würden alle davon profitieren, wenn wir die Vielfalt von Lebensentwürfen und Körpern sichtbar machen und Frauen in jedem Alter in ihrer ganzen Individualität zeigen. 

Shownotes:

Studie zu 40-jährigen Frauen im Marketing

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Wer hat Angst vor der Komfortzone? (Social Media!)

In dieser Folge geht es um die Komfortzone. Warum ist sie eigentlich der Todfeind von übermotivierten Motivationscoaches auf Instagram? Ist es wirklich so schlimm, in der Komfortzone zu bleiben? Und: Was passiert eigentlich, wenn wir uns dafür entscheiden, nicht mehr auf Teufel komm raus die Komfortzone zu verlassen? Fragen über Fragen. Zeit für ein paar Antworten.

In dieser Folge geht es um die Komfortzone. Warum ist sie eigentlich der Todfeind von übermotivierten Motivationscoaches auf Instagram? Ist es wirklich so schlimm, in der Komfortzone zu bleiben? Und: Was passiert eigentlich, wenn wir uns dafür entscheiden, nicht mehr auf Teufel komm raus die Komfortzone zu verlassen? Fragen über Fragen. Zeit für ein paar Antworten.

Folge anhören:

Transkript lesen:

„Das Leben beginnt dort, wo die Komfortzone endet.“

„Erfolg wartet außerhalb deiner Komfortzone.“

„Große Dinge entstehen nie in der Komfortzone.“

„In der Komfortzone herrscht immer Stillstand.“

Wer seine Instagram- oder Pinterest-App öffnet, wird früher oder später (vermutlich früher) auf ein Zitat über die Komfortzone stoßen. Und in den meisten dieser Zitate kommt die Komfortzone dabei alles andere als gut weg.

Meist sind das übermotivierte Motivationscoaches, die behaupten, dass nur diejenigen erfolgreich werden können, die ihre Komfortzone verlassen, und dass alle anderen für immer zur Mittelmäßigkeit und damit zur Erfolglosigkeit verdammt sind.

Tja. Muss die Komfortzone notwendigerweise der Todfeind von uns Selbstständigen sein? Ich glaube nicht.

Und in dieser Podcastfolge möchte ich über die Komfortzone sprechen und mich dafür stark machen, dass wir es uns alle mehr erlauben sollten, Zeit in unserer Komfortzone zu verbringen.

Denn: Da ist es schön.

Privat.

Und auch beruflich im Marketing.

Lass uns zunächst einmal die These angucken, dass das Leben außerhalb der Komfortzone beginnt.

Wenn ich zum Beispiel mal einen Tag keine Termine habe (also keine Beratungsgespräche, keine Interviews, keine Reisen) und den ganzen Tag einfach nur irgendetwas schreiben kann, ist das … herrlich.

Und es ist auch völlig egal, ob es ein Blogartikel ist, den ich schreibe, oder ein Buch oder ein Newsletter.

Es ist total entspannend und gemütlich und es fühlt sich absolut so an, als würde ich … ja, nicht nur leben, sondern ein schönes Leben führen.

Vor allem, wenn es draußen stürmt und schneit und ich weiß: Alle anderen quälen sich jetzt zur Arbeit und du kannst auf dem Sofa im Schlafanzug und schreiben. Ist vielleicht ein bisschen fies, aber … tja.

Dasselbe gilt auch für die Momente, wo ich es mir mit meinen Kindern vor dem Kamin gemütlich mache. Das ist total schön.

Doch wenn das nicht „Leben“ ist, das mir das Inspirationszitat ja verwehrt, was ist es dann?

Müssen wir jetzt alle – so Leben am Limit mäßig – in einen Indoorspielplatz gehen oder uns das Kind an den Rücken schnallen und den Himalaya besteigen, um unsere Elternschaft zu zelebrieren?

Oder müssen wir uns von Fernsehauftritt zu Speakerevent quälen, nur um vermeintlich richtig unsere Selbstständigkeit zu leben? 

Es ist verdammt viel Leben in einer Komfortzone. Auch wenn dieses Leben vielleicht nicht laut und aufdringlich ist. Oder sich nicht in einen hübschen Instapost verpacken lässt. Schließlich posieren wir dann ja nicht vor einem dicken, fetten Auto.

Doch wie ist es jetzt mit dem Erfolg und der Komfortzone?

Ich selbst hab mich jahrelang dazu gezwungen, meine Komfortzone zu verlassen und Dinge zu tun, die Mark Zuckerberg von mir wollte: täglich posten, livegehen, Storys drehen, Reels machen. 

Ich habe mich diszipliniert und motiviert und immer stets bemüht. 

Ich habe mir auch teilweise Angst und Panik schöngeredet und mich dazu beglückwünscht, dass ich Dinge mache, die ich nicht will. Doch außer einem Beinahe-Burnout hat mir das Ganze nicht viel gebracht. 

Es ist ja auch so: Wenn wir uns jedes Mal überwinden müssen, um auf Instagram live zu gehen, und dann so nervös werden, dass wir nur noch vor uns hin stammeln – was für ein Erfolg soll das denn bitte schön werden? 

Es mag sich vielleicht verrückt anhören, aber was ist, wenn wir einfach mal unsere Stärken zu nutzen, anstatt ständig an unseren Schwächen herumzudoktern? 

Das heißt jetzt natürlich nicht, dass wir niemals lernen und wachsen und, ja, auch über uns hinauswachsen dürfen. Doch das kann einfach innerhalb unserer Stärken passieren. Und nicht so, dass wir dafür unsere gesamte Persönlichkeit verleugnen müssen.

Bei mir war es sogar so, dass viel größere Dinge passiert sind, seit ich in meiner schreibenden Komfortzone bleibe. Ich hätte mich also all die Jahre auf Social Media gar nicht so dazu zwingen müssen, meine Komfortzone zu verlassen und zum Beispiel ständig auf Facebook livezugehen.

Dass in der Komfortzone immer Stillstand herrscht, muss also auch nicht notwendigerweise so sein.

Doch selbst wenn „Komfortzone“ auch mal „Stillstand“ bedeuten würde: Was wäre denn so schlimm daran, mal stehen zu bleiben?

Wir können ja nicht jede einzelne Minute unseres Lebens in Bewegung sein. Wir brauchen auch Pausen und Ruhezeiten. 

Und auch wenn übermotivierte Motivationscoaches auf Instagram es vielleicht anders sehen, aber: Wir müssen nicht immer nur wachsen. 

Wir dürfen auch mal einfach nur sein.

Und wenn du das nächste Mal auf Social Media liest oder hörst, dass du die Komfortzone verlassen sollst, scrollst du hoffentlich weiter und lässt die übermotivierten Motivationscoaches reden.

Denn jeder Mensch braucht – privat und beruflich – eine Komfortzone. Und statt sein Leben damit zu verbringen, sich ständig zu Höchstleistungen zu treiben, können wir auch einfach eine Balance anstreben.

Zwischen Herausforderung und Komfortzone. 

Zwischen Anspannung und Entspannung.

Zwischen Luft anhalten und durchatmen.

Shownotes:

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Buch „No Social Media!“

Buch „Don’t be evil“

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