Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Teil 1: Was ist ethisches Marketing?
Ich hatte mal wieder Lust auf eine thematische Reihe hier im Podcast.
Vielleicht weißt du, dass diesen Monat ein neues Buch von mir im Rheinwerk Verlag erscheinen wird. Das heißt „Don’t be evil – wie gutes Marketing gelingt“. Ich verlinke es dir auch noch mal in den Shownotes. Da kannst du es schon vorbestellen, wenn du magst.
Und ich werde dir sicherlich das Buch auch noch mal ausführlich im Podcast vorstellen. So viel sei aber vielleicht schon mal verraten:
Es geht im Buch um das Thema ethisches Marketing. Und ich habe darin Social Media zwar immer wieder erwähnt, aber es war jetzt nicht unbedingt mein Fokus im Buch.
Und ja, da dachte ich mir: Das kann ich doch auch im Podcast nachholen. Und deshalb habe ich mir ein paar Themen überlegt, über die ich in den nächsten Wochen hier sprechen möchte.
Und heute führe ich dich ein bisschen zum Thema hin und verrate dir, was ethisches Marketing genau ist und was ich mir für die nächsten Wochen in Zusammenhang mit Social Media so überlegt habe.
Folge anhören
Transkript lesen
Ja, Social Media und ethisches Marketing – wie passt das überhaupt zusammen?
Diese Frage will ich in den nächsten Wochen … ja … beantworten, hätte ich jetzt fast schon gesagt. Aber das Ding ist: Ich kann dir diese Frage eigentlich gar nicht beantworten. Ich will es auch gar nicht. Denn ich sehe mich nicht in der Position, darüber entscheiden zu können oder da endgültige Antworten zu finden.
Mein Ziel ist eher, Fragen zu stellen und dich zur Reflexion zu bringen. Und dann, wenn es gut läuft, dafür zu sorgen, dass du da deine eigenen Antworten findest.
Und zunächst einmal ist es, glaube ich, wichtig, sich einmal diesen Begriff ethisches Marketing anzugucken und zu definieren. Weil ich immer wieder feststelle, dass nicht allen Selbstständigen sofort klar ist, was genau damit gemeint ist.
Was ist also ethisches Marketing genau?
Ich selbst habe ja unter anderem Philosophie studiert und Ethik ist ein Teilbereich der Philosophie. Da geht es im Grunde darum, sich über das menschliche Handeln Gedanken zu machen. Und man sich da schon ziemlich viele Gedanken machen. Zum Beispiel:
Wie soll der Mensch handeln?
An welchen Werten soll er sich orientieren?
Und so weiter.
Und natürlich kann man da nicht nur allgemein darüber nachdenken, sondern es auf alle möglichen Bereiche anwenden.
Also zum Beispiel ist Ethik ein wichtiger Bestandteil in der Medizin, im Recht. Aber es gibt auch Tierethik oder Umweltethik. Im Grunde geht es immer darum, menschliches Handeln zu reflektieren.
Also sich zu überlegen:
Ist es richtig, so zu handeln?
Was spricht dafür?
Was spricht dagegen?
Welche Konsequenzen hat dieses Handeln?
Und ethisches Marketing meint im Grunde nichts anderes. Denn wir können genau dieselben Fragen auch einfach auf den Medien- oder Marketingbereich übertragen:
Also zum Beispiel:
Ist es richtig, im Marketing FOMO, also Fear of missing out, auszulösen?
Was spricht vielleicht dafür?
Was spricht dagegen?
Welche Konsequenzen hat FOMO auf andere Menschen?
Und du siehst jetzt schon: Wenn man sich als Selbstständige oder Selbstständiger diese Fragen stellt, dann bettet man einzelne Marketingstrategien in einen größeren Zusammenhang ein.
Es geht im Marketing dann also nicht mehr nur darum, zu verkaufen oder Profit zu machen.
Sondern es geht immer auch darum, sich an bestimmten Prinzipien zu orientieren.
Und welche Prinzipien das sind oder sein sollten, das kann ich dir auch nicht endgültig beantworten. Sondern das ist eine Frage, die gesellschaftlich ausgehandelt werden sollte.
Das bedeutet: Aus meiner Sicht sollten Selbstständige und Unternehmen nicht ausschließlich darüber sprechen, was Klicks und Conversion gibt, sondern auch immer wieder darüber, ob es überhaupt richtig ist, eine bestimmte Marketingstrategie zu verwenden, die Klicks oder Conversions bringt.
Und wenn ich mir jetzt zum Beispiel andere Blogs oder Podcasts oder Newsletter angucke – dann begegne ich dem Thema jetzt nicht so wahnsinnig oft, muss ich sagen.
Also es geht immer wieder darum, was im Marketing funktioniert und Verkäufe bringt, aber nicht unbedingt darum, das mal zu reflektieren, was da eigentlich gemacht wird.
Natürlich ist mir klar, dass Selbstständige und Unternehmen wirtschaftliche Interessen haben. Und das ist auch völlig berechtigt, denn sie brauchen nun mal Geld zum Leben oder um ihre Mitarbeiter*innen zu bezahlen. Und auch ich hab natürlich als Selbstständige wirtschaftliche Interessen. Denn auch ich kann nicht von Luft und Liebe leben, sondern … ja … brauche ab und an auch mal eine Pizza und so.
Und ja, deshalb höre ich oft das Argument, dass ethisches Marketing ein Widerspruch ist: Also dass Marketing gar nicht ethisch sein kann, weil diejenigen, die Marketing machen, ja, was verkaufen wollen.
Und das sehe ich überhaupt nicht so:
Denn wenn ich zum Beispiel in eine Pizzeria gehe, um jetzt mal bei dem Beispiel Pizza zu bleiben, will ich ja wissen, welche Pizzen es in der Pizzaria gibt.
Denn wie sollte dann überhaupt wissen, was ich bestellen sollte, wenn ich nicht weiß, was es gibt? Ich will also über das Angebot informiert werden. Ich will einfach nur frei darüber entscheiden können, was ich letzen Endes wähle. Also ich will nicht, dass mir jemand sagt: Du musst jetzt die Pizza bestellen und keine andere, sonst verpasst du was und hat dein Leben keinen Sinn und dann bist du nicht erfolgreich und keine Ahnung, was.
Und deshalb ist natürlich völlig unproblematisch, wenn Pizzerien oder Cafés oder was auch immer transparent ihr Angebot mitteilen.
Und deshalb ist es aus meiner Sicht eben auch genauso unproblematisch, wenn Selbstständige oder Unternehmen mitteilen, was es bei ihnen gibt und wem sie wie helfen können. Und deshalb ist Marketing an sich nicht das Problem.
Sondern es geht wirklich darum, immer wieder innehalten und zu überlegen:
Was mache ich da eigentlich?
Was sage ich hier eigentlich?
Und welchen Folgen könte das für andere Menschen haben oder wir können das auch größer denken: für die Gesellschaft oder für die Umwelt?
So, das war eine ganz, ganz kleine Erklärung, was ethisches Marketing sein könnte. Also nicht eine Festlegung von irgendeiner Seite, was richtig oder was falsch ist. Sondern die Reflexion, ja die kontinuierliche Reflexion von Marketingstrategien, die wir verwenden.
Social Media und ethisches Marketing
Und jetzt könen wir den Bogen zu sozialen Medien schließen.
Denn wir können uns natürlich fragen:
Ist es richtig, Social Media zum Marketing zu nutzen?
Was spricht dafür?
Was spricht dagegen?
Welche Konsequenzen könnte Social-Media-Marketing auf andere Menschen haben oder auf die Gesellschaft?
Und wollen wir diese Konsequenzen überhaupt auslösen mit unserem Marketing?
Und da das eben so eine große Frage ist, habe ich mir gedacht, dass ich unbedingt eine größere Podcastreihe dazu erstellen möchte und dabei vier verschiedene Themen abdecken möchte.
Es gäbe wirklich unglaublich viel dazu zu sagen, deshalb ist das letzten Endes natürlich eine willkürliche Auswahl, die ich getroffen habe.
Ich glaube, dass das eben mit die wichtigsten Themen sind, die Selbstständige auf dem Schirm haben sollten, wenn sie über ethisches Marketing und Social Media nachdenken.
Und das erste wichtige Thema ist der große Komplex Datenschutz und Mikrotargeting.
Meine Erfahrung ist, dass die meisten Selbstständigen Datenschutz sehr unsexy und lästig finden, weil es den Aufwand im Marketing natürlich spürbar erhöht. Stichwort: DSGVO. Du kennst das alles.
Aber es ist eben wichtig, sich bewusst zu machen, dass Datenschutz ein Grundrecht ist. Und das ist zum Beispiel verankert in der Europäischen Grundrechtecharta und deshalb gilt es auch, das Recht unbedingt zu schützen.
Und auf Social Media ist es mit dem Datenschutz eben so eine Sache. Gerade wenn wir uns Mikrotargeting anschauen, also Social Media Ads. Und gerade bei Retargeting-Kampagnen werden Menschen regelrecht „verfolgt“, ohne dass ihnen wirklich klar ist, wie ihre Daten genutzt werden, oder vielleicht sogar, dass ihre Daten genutzt werden.
Ja, deshalb wird das erste Thema in der Podcastserie „Datenschutz und Mikrotargeting“ sein. Und wir werden uns angucken, was dafür spricht, was dagegen spricht und welche Folgen Mikrotargeting für Menschen und die Gesellschaft hat oder haben könnte.
Und dann kannst du dir selbst überlegen, ob du weiterhin Werbung auf Social Media schalten möchtest oder nicht.
Das zweite wichtige Thema aus meiner Sicht ist der ganze Komplex Algorithmen und Aufmerksamkeitsökonomie.
Denn du weißt, dass Inhalte auf Social Media nicht einfach nur chronologisch ausgespielt werden, sondern dass Algorithmen bestimmen, was Menschen auf Social Media sehen.
Und deshalb ist bei Content Creators, Selbstständigen, Unternehmen, Parteien und anderen Organisationen ein regelrechter Kampf um unsere Aufmerksamkeit entbrannt.
Und um in der Masse des Contents aufzufallen, verwenden sie immer öfter manipulierende Verkaufstechniken und erstellen emotionalisierende Inhalte. Zum Beispiel durch Storytelling wie zum Beispiel „Nur noch heute! Letzte Chance“ wird emotionaler Druck aufgebaut, damit Menschen möglichst schnell das Produkt kaufen.
Das ist aber meistens nicht im Sinne der Menschen, die auf Social Media erreicht werden sollen.
Und deshalb wollte ich auch unbedingt in diesem Bereich mir angucken, was dafür spricht, was dagegen spricht und welche Folgen diese Art von Marketing auf andere Menschen oder die Gesellschaft als Ganzes hat.
Der dritte Bereich, den ich abdecken möchte, ist die Überinszenierung auf Social Media. Warum Überiszenierung?
Na ja, Inszenierung ist an sich eher neutral, würde ich sagen.
Jede Person, die auf Social Media postet oder auf eine andere Art kommuniziert, inszeniert sich immer auch in gewisser Weise. Das heißt: Sie wählt bewusst, was sie zeigt und wie sie sich darstellt, welches Licht, welche Worte, welche Themen und so weiter. Auch ich mache das natürlich im Podcast oder auf meinen anderen Kanälen . Und du machst das sicherlich auch, wenn du Marketing machst, auf deinen Kanälen. Du legst Worte, Farben, Bilder und so weiter alles fest.
Inszenierung bedeutet also einfach: eine bewusste Darstellung. Es ist nicht automatisch gut oder schlecht – sondern ein Element von Kommunikation, gerade im Marketing.
Überinszenierung aber beschreibt für mich einen Kipppunkt:
Es wird nicht mehr nur etwas ausgewählt und präsentiert, sondern es wird übertrieben, verzerrt, beschönigt – oft bis zu einem Punkt, an dem die Darstellung kaum noch etwas mit der Realität zu tun hat.
Und deshalb sollten wir uns auch bei der Überinszenierung auf Social Media fragen: Was spricht dafür, was dagegen? Und welche Folgen hat das Ganze für andere Menschen?
Abschließen möchte ich die Reihe mit einer grundsätzlichen Überlegung. Denn die Frage ist ja auch: Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass es auf Social Media gerade so ist, wie es ist?
Sind es Individuen wie Selbstständige oder Influencer*innen, die eben bestimmte Strategien oder Taktiken dort aufrechterhalten? Oder sind es nicht vielmehr die Plattformbetreiber, die ein bestimmtes Geschäftsmodell verfolgen und bestimmte Praktiken auf Social Media notwendig machen?
Aktuelles Beispiel: Wenn auf Meta jetzt Faktenchecks abgeschafft werden – müssen Selbstständige dann unbedingt Social Media verlassen? Oder müssen sie sich schlecht fühlen, wenn sie auf Social Media bleiben? Oder ist ein zu hoher Anspruch an Individuen, weil sie ja gar nicht für die Systeme hinter sozialen Medien verantwortlich sind?
Das ist eine spannende Frage, finde ich, und das wird dann das Ende dieser Podcastreihe zu „Social Media und ethischem Marketing“ sein.
Ich hoffe, du hast jetzt genauso viel Lust auf diese Podcastreihe bekommen wie ich. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten loszulegen.