Ich werde 40 und versuche, nicht durchzudrehen (klappt semigut)
Ich nehme meinen runden Geburtstag zum Anlass, mal über 40-jährige Frauen in den (sozialen) Medien zu sprechen.
Warum werden sie in dieser Lebensphase medial nahezu unsichtbar?
Wie wird mit ihnen Marketing gemacht?
Wie wird über ihre Körper gesprochen?
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Der Titel der Podcastfolge hat es ja schon so ein bisschen verraten: Ich werde vierzig. Heute.
Nun könnte man natürlich sagen: Ach komm, ist doch ein Geburtstag wie jeder andere, aber mir ist – wie schon bei meinem dreißigsten Geburtstag – unfassbar bewusst, dass ich das Lebensjahrzehnt wechsle.
Aber gut. Ich möchte da auch gar nicht so sehr weiter darauf eingehen, sondern diesen runden, ja fast schon beängstigenden Geburtstag zum Anlass nehmen, mal über vierzigjährige Frauen in den Medien zu reden.
Denn das ist eine mega spannende Sache, finde ich.
Und starten möchte ich mit meiner Beobachtung, dass Frauen medial unsichtbar werden, wenn sie vierzig werden.
Das ist mir schon früher in Filmen aufgefallen, wo es entweder junge Protagonistinnen in den Zwanzigern gibt, oder Coming-of-Age-Geschichten mit jugendlichen Frauen oder Frauen in den Dreißigern, die Kinder kriegen und, ja, den ganzen Stress meistern müssen.
Aber sobald Frauen vierzig werden, verschwinden sie irgendwie aus den meisten Filmen, als gäbe es keine spannenden Geschichten mehr über sie zu erzählen.
Und es ist wirklich nicht leicht, auch nur eine Handvoll guter Filme oder Serien aufzuzählen, in denen eine vierzigjährige Frau im Mittelpunkt steht.
Wenn Frauen dann wieder älter werden, so ab 60, tauchen sie dann mysteriöserweise wieder auf … als Nebenfiguren in Filmen und Serien, beispielsweise als Oma oder als Chefin eines Konzerns wie zum Beispiel Miranda Priestley in Der Teufel trägt Prada.
Ja, aber in den Vierzigern scheint es irgendwie so eine Unsichtbarkeitsphase für Frauen zu geben.
Ich kenn da jetzt keine Studie dazu, es ist einfach nur eine persönliche Beobachtung.
Und natürlich interessieren mich jetzt mit 40 andere Themen als noch mit 20. Deshalb würde ich es mir definitiv wünschen, da in Filmen mehr repräsentiert zu werden.
Und ich merke auch, wenn wir zuhause Filme für den Filmabend aussuchen, habe ich immer öfter Probleme, da einen passenden interessanten Film zu finden, weil, wie gesagt:
Frauen in meinem Alter mit meinen Themen kommen eben kaum mehr in Filmen vor.
Und wenn wir auf Social Media gucken, scheint es mir recht ähnlich zu sein, was natürlich auch damit zu tun hat, dass vor allem jüngere Frauen Social-Media-Kanäle wie Instagram zum Beispiel nutzen. Etwa 60-70% von ihnen sind unter vierzig.
Das hat natürlich zur Folge, dass Frauen ab vierzig auf Social Media weniger repräsentiert werden.
Und interessanterweise gab es auch mal eine Studie, in der 500 übervierzigjährige Frauen befragt wurden und sie haben gesagt, dass
sie sich von Marken unterschätzt fühlen (vor allem was ihre Finanzen und ihre Intelligenz angeht)
und dass Marken auch dazu beitragen, ein negatives, stereotypisches Bild von Frauen in den Vierzigern aufrechtzuerhalten in ihren Marketingbotschaften
Vierzigjährige Frauen fühlen sich von Marken also nicht richtig wahrgenommen. Und ja, mein subjektiver Eindruck passt auf jeden Fall dazu auch.
Interessant ist dann auch, wie über die Körper von vierzigjährigen Frauen gesprochen wird.
Dazu habe ich mir mal angeguckt, wie über die Instagram-Selfies von vierzigjährigen Stars gesprochen wird, z.B. in Onlinemagazinen.
Und da fallen dann tatsächlich solche Kommentare wie:
Schönheit kennt kein Alter
Kaum zu glauben, dass sie schon 47 Jahre alt ist!
Das Alter sieht man ihr definitiv nicht an.
Das Alter scheint ja spurlos an ihr vorbeizugehen.
Mit 41 Jahren kann sich ihre sportliche Silhouette auch mehr als sehen lassen.
Oder mein Favorit: Das aufblasbare Pooltier würde vor Neid grün anlaufen, wenn es wüsste, dass die attraktive Blondine 46 Jahre alt ist.
Ja, ich wünschte, ich hätte mir das alles ausgedacht, aber diese Kommentare werden tatsächlich über die Körper von vierzigjährigen Frauen gebracht.
Und als Germanistin kann ich natürlich nicht anders, als darauf hinzuweisen, dass diese Kommentare zunächst einmal wegen ihrer konversationellen Implikatur problematisch sind.
Konversationelle Implikatur bedeutet, dass wir es zwar nicht explizit sagen, dass Vierzigjährige nicht schön sind, sondern es stillschweigend mitmeinen.
Und das liegt an den sogenannten Konversationsmaximen, die der Sprachphilosoph Grice in den 60ern „entdeckt“ hat. Und in unserem Beispiel gilt die Maxime der Relevanz.
Wäre es in der Kommunikation nicht relevant, extra zu betonen, dass Vierzigjährige einen schönen Körper haben, würde man es erst gar nicht so formulieren.
Grice gibt in seinem Text das Beispiel vom Kapitän und dem Maat.
Der Kapitän schreibt ins Logbuch: Heute, 11. November, der Maat ist betrunken. Der Maat liest den Eintrag, wird wütend und schreibt: Heute, 12. November, der Kapitän ist nicht betrunken.
Die Implikatur ist hier klar: Normalerweise ist der Kapitän betrunken, doch heute – es geschehen noch Zeichen und Wunder – mal nicht!
Das ist die Maxime der Relevanz.
Und sie greift natürlich auch, wenn wir sagen:
Heute war das Essen in der Mensa mal lecker.
Oder: Heute hat Michael mal selbst das Klo geputzt.
Wir implizieren mit diesen Sätzen, dass der Normalfall ein ganz anderer ist.
Und deshalb mögen Kommentare wie „Das Alter scheint ja spurlos an ihr vorbeizugehen“ vielleicht als Kompliment gemeint sein, aber für alle anderen Vierzigjährigen bedeutet das: Der Normalfall ist ein ganz anderer.
Aber das noch größere Problem ist natürlich der Fakt, dass:
Vierzigjährige Frauen medial kaum noch stattfinden, es sei denn, sie haben – auch noch mit vierzig – einen normschönen Körper.
Das scheint mir eine der wenigen Berechtigungen für Vierzigjährige zu sein, medial Raum einzunehmen. Und das ist natürlich mehr als problematisch für das Jahr 2023.
Vierzigjährige mit nicht normschönen Körpern, Women of Colour, Muslimas, Transfrauen oder generell Vielfalt von Frauenkörpern ab 40 sieht man auf Social Media vergleichsweise selten.
Das ist übrigens auch in Bilddatenbanken so, und ich hab bei meiner Recherche für diese Podcastfolge öfter mal gelesen, dass es wohl schwierig sein soll, Stockfotos mit Frauen ab vierzig zu finden, vor allem wenn sie nicht so klischeehaft sein sollen, sondern die Vielfalt von Körpern abbilden sollen.
Frauen ab Vierzig in den Medien. Ein sehr spannendes Thema und ja, ich gehör jetzt auch dazu.
Und zum Schluss noch ein kleiner Appell:
Egal, wie alt du bist, ob 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80 oder noch älter – natürlich darfst du online stattfinden, selbst wenn du nicht so viele Menschen in deinem Alter online siehst – auf den Kanälen, die du nutzt.
Ich bin mir natürlich als jemand, die selbst gerade vierzig geworden ist und ja bewusst Social Media nicht nutzt, der Ironie dieses Appells bewusst.
Doch es geht mir ja nicht nur um soziale Medien, sondern um die Onlinewelt an sich. Mit allem, was dazu gehört.
Und deshalb ist jede Wortmeldung, jeder Blogbeitrag, jede Podcastfolge, jeder Newsletter oder, für was auch immer du dich entscheidest, wichtig, weil er die Onlinesichtbarkeit von Frauen in deiner Altersgruppe stärkt, und ja, ich glaube, das würde allen Gruppen von Frauen extrem guttun.
Dann würden alle davon profitieren, wenn wir die Vielfalt von Lebensentwürfen und Körpern sichtbar machen und Frauen in jedem Alter in ihrer ganzen Individualität zeigen.