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Hier dreht sich alles um wertebasiertes Marketing ohne Social Media, Psychotricks und das übliche Marketing-Blabla.
Content-Fatigue: Ich bin so müde
Ich habe Content-Fatigue. Will heißen: Ich bin müde von dem immergleichen, aalglatten, nichtssagenden „Content“, den ich online finde. Ich will etwas lesen, das nach etwas schmeckt und riecht, das Ecken und Kanten hat, an denen ich mich festhalten kann …
Ich habe Content-Fatigue.
Will heißen: Ich bin müde von dem immergleichen, aalglatten, nichtssagenden „Content“, den ich online finde.
Ich will etwas lesen, das nach etwas schmeckt und riecht, das Ecken und Kanten hat, an denen ich mich festhalten kann. Etwas, was ich nicht gleich wieder vergesse, sobald ich auf das nächste Suchergebnis klicke.
Ich habe Contentplan-Fatigue.
Will heißen: Ich bin müde von Redaktionsplänen, die mir sagen, wann ich was wie zu „produzieren“ habe. Wann mein Blog, Podcast oder Newsletter befüllt werden muss. Und womit.
Ich will etwas veröffentlichen, weil alles in mir darauf drängt, es zu tun. Weil die Botschaft zu wichtig ist, um sie nicht zu teilen. Weil ich es will – nicht weil ich es muss. Weil es mir gerade in den Kram passt – nicht weil der Plan es sagt.
Ich habe Content-Marketing-Fatigue.
Will heißen: Ich bin müde von der Art von Marketing, die sich hohler Marketingphrasen bedient, statt wirklich etwas zu sagen. Marketing, bei dem das, was man schreibt oder sagt, nur einen Zweck hat: zu verkaufen.
Ich will etwas schreiben, das nicht nur im Kontext meiner Produkte Bedeutung hat, sondern darüber hinaus. Etwas, das für sich steht. Etwas, das auch abgesehen von Marketing einen Wert hat.
Was ist das überhaupt für ein seltsames Wort … „Content“. Als ob es etwas Besonderes wäre, dass unsere Worte und Sätze einen „Inhalt“ haben, dass sie etwas bedeuten.
Deshalb rede ich bereits seit einiger Zeit nicht mehr von „Content“. Auch im Marketingkontext. Und auch, als ich den Schreibcircle konzipierte, hatte ich keinen „Content“ im Sinn.
Ich will nicht noch mehr „Contentproduziermaschinen“ ausbilden, die wie am Fließband den immergleichen „Content“ erstellen und ihn dann auf ihren Kanälen teilen. Ich will das Gegenteil:
Dass wir verlernen, Content zu erstellen.
Ich will wieder von „Worten“ und „Texten“ sprechen, wenn wir Marketing betreiben.
Ich will, dass wir Freude spüren, wenn wir Marketingtexte schreiben – nicht Druck oder gar Angst.
Ich will, dass wir uns erlauben, wieder so zu schreiben, wie Schreiben eigentlich gedacht ist: von Mensch zu Mensch. (Und nicht von Contentproduziermaschine zu Mensch. Oder von KI zu Mensch.)
Ich glaube nämlich, dass wir gerade ganz dringend mehr davon brauchen:
Menschlichkeit
Was Emotionsarbeit mit unserer Selbstständigkeit zu tun hat
Was ist Emotionsarbeit, was hat das mit Selbstständigkeit, Social Media und Dienstleistungen zu tun und wie können wir mit den Auswirkungen und Herausforderungen von Emotionsarbeit zurechtkommen?
Hast du schon einmal locker, flockig in die Kamera für eine Instastory gesprochen und so getan, als wärst du bester Laune, obwohl dir gerade eigentlich eher nach Heulen zumute war?
Warst du schon einmal freundlich zu einem Kunden, obwohl du ihn aufgrund seiner problematischen Aussagen am liebsten zum Mond geschossen hättest?
Hast du auch schon mal eine Kollegin angelächelt, obwohl dir gerade gar nicht nach lächeln war?
Wenn du diese oder ähnliche Situationen schon einmal erlebt hast, dann hast du bereits Bekanntschaft mit Emotionsarbeit gemacht.
Was Emotionsarbeit ist, was es mit der Selbstständigkeit und Social Media zu tun hat und warum es so wichtig für Selbstständige ist, sich der geleisteten Emotionsarbeit bewusst zu werden, möchte ich in diesem Blogartikel zeigen.
Was ist Emotionsarbeit?
Emotionsarbeit ist ein Konzept, das in der Soziologie und Psychologie eine immer größere Bedeutung erlangt. Im Kern geht es um die Anstrengungen, die eigenen Gefühle zu kontrollieren, auszudrücken oder zu modifizieren, um sozialen Erwartungen gerecht zu werden.
Emotionsarbeit tritt in verschiedenen Bereichen des Lebens auf: auf der Arbeit, in der Partnerschaft, in der Eltern-Kind-Beziehung oder auf Social Media.
Emotionsarbeit als Selbstständige
Gerade in Dienstleistungs- und Serviceberufen haben Selbstständige häufigen Kontakt zu anderen Menschen. Per E-Mail, in Zoom, auf Social Media oder persönlich. Und natürlich geht diese Arbeit mit verschiedensten emotionalen Zuständen einher:
Manchmal geht es uns gerade nicht gut. (Wir fühlen uns traurig, wütend, gestresst, leer oder irgendwas dazwischen.)
Manchmal geht es unserem Gegenüber nicht gut (Er fühlt sich traurig, wütend, gestresst, leer oder irgendwas dazwischen.).
Doch egal, wie es uns oder unserem Interaktionspartner geht – die meisten Selbstständigen bemühen sich in solchen Situationen, professionell zu bleiben und das heißt: freundlich, empathisch, zurückhaltend.
Und so haben wir selbst in Zeiten größter persönlicher Herausforderungen ein Lächeln für unsere Kund*innen übrig. Oder bleiben ruhig, selbst wenn es – angesichts eines doofen Spruchs – innerlich in uns tobt.
Emotionsarbeit auf Social Media
Auch auf Social Media findet Emotionsarbeit statt.
Jemand findet in einem Kommentar nicht gerade nette Worte für uns – wir schlucken’s runter und versprühen weiterhin „Good Vibes“.
Und auch der Druck, ständig glücklich, erfolgreich und positiv zu erscheinen, führt zu einer verstärkten Emotionsarbeit, denn – surprise, surprise – wir sind nicht jeden Tag glücklich, erfolgreich und positiv.
Es gibt viele weitere Formen emotionaler Arbeit auf Social Media:
Vergleich: Wir vergleichen jeden Aspekt unseres Berufslebens mit anderen und müssen mit Gefühlen wie Unzulänglichkeiten klarkommen.
Inszenierung: Wir stellen uns anders da, als wir wirklich sind. Manchmal ist die Abweichung minimal. Manchmal etwas größer. Was macht das mit unseren Gefühlen?
Bewertungen: Likes oder keine Likes, positive, negative oder gar keine Kommentare. Wir werden auf Social Media ständig bewertet – das ist nicht immer angenehm. Kritik oder Anfeindungen erfordern emotionale Resilienz.
Erwartungen: Was, wie und wie oft wir posten – unsere Follower haben ganz konkrete Erwartungen und lassen es uns öfter auch wissen, wenn wir ihre Erwartungen enttäuscht haben. Wie geht es uns dabei? Reden wir mit jemandem darüber?
Privatsphäre: Selbstständige müssen ständig entscheiden, wie viel von sich selbst sie auf Social Media zeigen wollen. Das erfordert Emotionsarbeit.
Andere Formen der Emotionsarbeit
Auch eine Migrationsgeschichte kann bedeuten, zusätzliche Emotionsarbeit leisten zu müssen. Neben Marketing, Buchhaltung und der Zusammenarbeit mit Menschen geht es bei Selbstständigen mit Migrationsgeschichte oft auch darum, aktuelle Ereignisse wie Krieg und Krisen zu verarbeiten oder mit Traumata umzugehen.
Auch aus feministischer Perspektive ist Emotionsarbeit wichtig. Denn es sind häufig Frauen, die – in der Familie oder im Büro – Streit schlichten, vermitteln oder für Harmonie sorgen.
Die Auswirkungen von Emotionsarbeit
Warum ist es für Selbstständige nun so wichtig, über Emotionsarbeit Bescheid zu wissen?
Zunächst einmal: Weil Emotionsarbeit auch Arbeit ist. Selbst wenn sie nicht bezahlt, nicht wertgeschätzt und oft auch nicht gesehen wird, erfordert Emotionsarbeit unsere Zeit, Energie und manchmal auch Geld.
Das kann dazu führen, dass wir uns müde fühlen, ja regelrecht erschöpft und ausgebrannt. Selbst wenn wir nicht viele Termine haben und eigentlich nur im Homeoffice arbeiten.
Eng mit der Emotionsarbeit verknüpft ist auch das Konzept der emotionalen Dissonanz.
Emotionale Dissonanz tritt auf, wenn es eine Spannung gibt zwischen den tatsächlichen Emotionen und den Emotionen, die gezeigt oder ausgedrückt werden.
Klassisches Beispiel: Aufgrund einer Trennung oder eines Todesfalls ist jemand zutiefst traurig, zwingt sich aber dazu, auf Instagram „Good Vibes“ zu versprühen. Das erzeugt einen inneren Konflikt, der dann noch mehr Emotionsarbeit benötigt.
Manchmal kann der Erwartungsdruck auf Social Media, ständig gut gelaunt zu sein, sich bis ins Toxische steigern, was wiederum zu verstärkter Emotionsarbeit führen kann. Denn die Erwartung, immer glücklich oder positiv zu sein, heißt oft, die tatsächlich erlebten Gefühle zu unterdrücken oder zu verstecken.
Was ist im Hinblick auf Selbstständigkeit und Emotionsarbeit wichtig?
Es geht nicht darum, Emotionsarbeit abzuschaffen. Im Gegenteil: Emotionsarbeit ist notwendig für eine Gesellschaft.
Wem als Selbstständige*r psychische Gesundheit wichtig ist, sollte aber erst einmal ganz grundlegend anerkennen und auf dem Schirm haben, dass es Emotionsarbeit gibt und dass sie geleistet wird. Oft jeden Tag.
Vor allem bei Selbstständigen in Dienstleistungsberufen, auf Social Media, mit Migrationsgeschichte oder bei Selbstständigen mit Kindern ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Emotionsarbeit einen großen Teil der Zeit und Energie beansprucht. (Und Introvertierte können Emotionsarbeit vielleicht sogar noch zusätzlich als anstrengender empfinden.)
Was mir persönlich geholfen hat, war bekanntermaßen, Social Media zu verlassen und in meinem Marketing auf Social-Media-freie Plattformen zu setzen.
Ansonsten ist authentischer Selbstausdruck oft die beste Prävention. Und in einem akuten Fall von Erschöpfung heißt es: gut zu sich sein, ausruhen und Auszeiten einlegen. Auch wenn das bedeutet, nicht so schnell voranzukommen, wie die schnelllebige Welt das von uns will.
Selbstständig mit Migrationsgeschichte: Was unsere Herkunft mit unserer Selbstständigkeit zu tun hat
Knapp jede vierte unternehmerisch tätige Person in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Was bedeutet die Einwanderungsgeschichte für Selbstständige? Wie zeigt sich die Herkunft im Arbeitsalltag?
Als ich nach Deutschland kam, war ich fast acht Jahre alt und kannte genau zwei deutsche Wörter: „Banane“ und „Nudelsuppe“.
„Banane“, weil das für meine Familie das Symbol des Westens war. („Stell dir vor: In Deutschland kann man Bananen im Geschäft kaufen! Bananen!!!“)
„Nudelsuppe“, weil es die bei uns wie bei fast allen Deutschen in der ehemaligen Sowjetunion jeden Sonntag zum Mittagessen gab. Mit selbstgemachten Bandnudeln, für die meine Oma meist den ganzen Vormittag in der Küche stand.
Ich bin 1983 in Nowosibirsk geboren.
Meine deutschen Vorfahren kamen unter Katharina der Großen nach Russland, lebten dort als Landwirte oder Schreiner, überlebten Umsiedlungen, Deportationen, Arbeitslager. Mal lebten sie in der heutigen Ukraine, mal im eiskalten Sibirien.
1991 zog meine Familie wieder zurück nach Deutschland, 2016 machte ich mich selbstständig.
Die längste Zeit meiner Selbstständigkeit dachte ich, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Doch heute denke ich, dass meine Herkunft einen großen Anteil an meinen Irrungen und Wirrungen als Selbstständige hat.
Sozialismus im Kopf
Geschätzt machen sich weniger als 2% der Russischstämmigen selbstständig.
Das ist deutlich weniger als die knapp 10% von allen Erwerbstätigen in Deutschland. Oder von den 7,4% türkischstämmigen Berufstätigen.
Ich finde es nicht überraschend.
Wenn ich an meine Kindheit in der ehemaligen Sowjetunion denke, sehe ich mich immer irgendwo mit meinen Eltern in einer Schlange stehen.
Wir stehen an, weil mein Vater gehört hat, dass es in diesem Geschäft Sahne gibt. Oder weil die Cousine der Nachbarin erfahren hat, dass ein bestimmtes Geschäft Fleisch verkauft.
Wir stehen und warten und drehen Däumchen, um am Ende gesagt zu bekommen, dass wir zu spät sind und alles ausverkauft ist. Oder wir gehen durch die nahezu leeren Regale im Geschäft auf der Suche nach Brot und freuen uns nen Keks, wenn wir noch einen Laib erwischen.
Mein Default-Setting ist der Mangel.
Es ist zu wenig da.
Es reicht nicht für alle.
Es fehlt an allen Ecken und Kanten.
Als ich Ende 2015 meine Zehen in das kalte Selbstständigsein-Wasser tunkte, waren das meine Wahrheiten, die ich erst einmal nicht hinterfragte.
Gedanklich in einem Mangel zu leben, war als Selbstständige anstrengend:
Ich traute mich nicht, über Geld zu sprechen.
Ich nahm jeden noch so schlecht bezahlten Auftrag an und …
jede Kollegin als „Bedrohung“ wahr – schließlich ist ja nicht genug für alle da
Ich verbrachte Jahre, um mir dieser sabotierender Gedanken bewusst zu werden und sie gegen andere – stärkende – zu tauschen.
Bloß nicht auffallen
Aufwachsen im Sozialismus heißt auch: Wir bekommen ein Päckchen aus dem Westen – die mit Gummibärchen, losem Kaffee und Vollmilchnussschokolade aus dem Aldi – und ich soll niemandem davon erzählen.
Niemand soll wissen, dass wir Deutsche sind und Verwandtschaft im Westen haben. Dass wir keine „richtigen“ Russen sind.
Ich nehme heimlich Süßigkeiten mit nach draußen und verteile sie an die Nachbarskinder. Einige Tage später gucken mich einige Kinder komisch an und jemand sagt, dass ich ein „Nazi“ bin.
In Deutschland angekommen, bin ich die „Russin“. Auf der Tafel malt ein Mitschüler Russland auf, „zerbombt“ es mit Papierkugeln und sieht mir dabei herausfordernd in die Augen.
Und so ist es auch mit der Onlinesichtbarkeit, als ich mich fast dreißig Jahre später selbstständig mache: Sie klingt potentiell gefährlich.
Noch immer höre ich irgendwo eine Stimme in mir, die sagt:
Lieber nicht auffallen.
Bloß nichts riskieren.
Niemanden kritisieren.
Noch immer habe ich ein leicht mulmiges Gefühl, wenn ich auf meinem Blog auf den „Veröffentlichen“-Button drücke. Oder bei dem brandneuen Podcast. Ich muss mich bewusst daran erinnern, dass ich hier sicher bin. Dass ich auffallen und meine Meinung sagen darf.
Als ich dann vor Social Media verlasse, eine eher „rebellische“ Haltung zu Marketing einnehme und mir erlaube, auch mal anzuecken, fühlt sich das abwechselnd befreiend und beängstigend an. Eine wilde Mischung.
Der böse Staat
Die Steigerung „Sei vorsichtig, traue niemandem, du weißt nie, wer mithört“ – das hatte ich auch schon als kleines Kind in der Sowjetunion verstanden.
Die Behörden und der Staat sind die Bösen. Wir müssen auf der Hut sein.
Und so löst noch heute jeder Brief vom Finanzamt Herzklopfen aus. Jedes drohende Telefonat, jeder Gang zum Gewerbeamt klingt irgendwie gefährlich. Hat das Imposter-Syndrom vielleicht auch etwas damit zu tun?
Der fremdklingende Nachname
In den ersten Jahren in Deutschland habe ich mich für meinen Nachnamen geschämt.
In der Schulzeit wird es etwas besser, doch ich muss meinen Nachnamen immer wieder buchstabieren, werde gefragt, wie man ihn „richtig ausspricht“. Meist dient mein Nachname als Anlass zur Frage, wo ich herkomme.
Die Kleinstadt in Hessen, in der ich, seit wir in Deutschland sind, lebe, ist damit nicht gemeint. Das stelle ich immer wieder fest. „Nein, wo kommst du ursprünglich her? Wo bist du geboren?”, haken Menschen dann gerne nach.
Wenn ich „Russland“ sage, ernte ich meist ein „Ah“. Über Russland gibt es nichts Gutes zu sagen, deshalb ist das Gespräch an dieser Stelle meist wieder beendet. War auch schon in den 90ern so. „Hätte dem Klang nach auch Italien sein können“, sagen manche noch. Ja, hätte es. Ist es aber nicht.
Meine gesamte Kindheit und Jugend wünsche ich mir einen anderen Nachnamen. Am besten den deutschesten aller deutschen, damit ich endlich nicht mehr auffalle.
Als ich dann einen „Müller“ heirate – ich schwöre, ich hab ihn mir nicht wegen seines Nachnamens ausgesucht –, entscheide ich mich auf dem Weg zum Rathaus spontan für einen Doppelnamen. Irgendwie kann ich es mir plötzlich nicht mehr vorstellen, den Namen, mit dem ich ein Vierteljahrhundert gelebt habe, wieder abzulegen.
Und als ich mich selbstständig mache, entscheide ich mich dafür, das völlig unter meinem Mädchennamen zu tun.
Und dann kam der Krieg
Als dann das Unvorstellbare passiert und wieder Krieg in Europa ist, bin ich wie gelähmt. Für die nächsten Monate ist Ausnahmezustand in meinem Kopf. Ich bin nicht leistungsfähig. Lebe wie unter einem Schleier. Lese zu viele Nachrichten.
Durch meine Familiengeschichte fühle ich mich seltsam betroffen, selbst wenn ich Tausende von Kilometern weit weg bin und gerade keine Verwandtschaft mehr in der Ukraine lebt. (Dafür aber immer noch in Russland.)
Zusätzlich frage ich mich, was das nun für mich als Selbstständige bedeutet:
Wird sich jemand durch meinen russischen Nachnamen abgeschreckt fühlen und nicht mehr mit mir zusammenarbeiten wollen?
Muss ich mich aktiv vom Krieg distanzieren oder ist Menschen, die mich kennen, klar, dass ich kein großer Fan von Größenwahnsinnigen mit imperialen Machtansprüchen bin?
Was ist, wenn ich – so wie meine Vorfahren – den Wohlstand verliere und wieder neu anfangen muss?
Diese Gedanken sage ich niemandem, schreibe sie nicht auf. Zu groß ist die Angst, dass das negative Konsequenzen für mich hätte.
Und auch jetzt denke ich: Ist das wirklich eine so gute Idee, diesen Text zu schreiben und zu veröffentlichen? Was werden andere Menschen sagen? Was werden sie – im stillen Kämmerlein – über mich denken?
Doch gleichzeitig finde ich es wichtig.
Wir sehen Menschen ihre Einwanderungsgeschichte nicht an.
Wir sehen transgenerationale Traumata oder Diskriminierungserfahrungen nicht an.
Aber sie sind da. Unsichtbar.
Und vor allem bedeuten sie für uns nicht selten Emotionsarbeit – zusätzlich zu den Herausforderungen, die eine Selbstständigkeit eh schon so mit sich bringt.
Deshalb kann es gut sein, dass wir dann und wann das Tempo drosseln, wenn andere Vollgas geben. Dass wir mit Verarbeiten und Heilen beschäftigt sind und nicht mit Wachsen. Dass Nachrichten und Kriege uns mehr aus der Bahn werfen als andere Selbstständige.
Es ist okay. Seien wir gut zu uns.
Was heißt es, unsere Energie zu „managen“?
„Manage deine Energie, nicht deine Zeit.“ – Doch was heißt das konkret? Wie können wir in unserem Arbeitsalltag anfangen, unsere „Energie zu managen“ und uns nicht mehr von Termin zu Termin zu stressen? Im Blogartikel verrate ich sieben Ideen für „Energiemanagement“ für Selbstständige.
„Manage deine Energie, nicht deine Zeit“ – vielleicht hast du diesen Spruch auch schon einmal gehört. Der Grundgedanke ist, dass wir uns vom klassischen Zeitmanagement mit kilometerlangen To-do-Listen, deren Abhaken wir euphorisch zelebrieren, verabschieden und stattdessen etwas anderes „managen“: unsere Kraft, Energie oder Ressourcen.
Auch wenn das Wort „managen“ an dieser Stelle doof ist, weil ich nicht finde, dass eine auf ökonomische Prinzipien ausgerichtete menschliche Handlungsweise etwas im Bereich unserer Körper verloren hat, ist der Gedanke, im Einklang mit unserem Körper zu arbeiten, richtig.
Und gerade als Selbstständige haben wir eigentlich alle Freiheiten, unseren Arbeitstag so zu gestalten, dass er zu dem, was wir brauchen, passt.
Doch was heißt „Energiemanagement“ nun konkret? Wie können wir in unserem Arbeitsalltag anfangen, unsere „Energie zu managen“ und uns damit vom klassischen Zeitmanagement lösen?
Hier kommen sieben Ideen, die allesamt nicht der Leistungssteigerung oder Selbstoptimierung dienen, sondern dass es uns als Selbstständige gelingt, langfristig gesund zu arbeiten.
#1 Im Einklang mit unserem Chronotyp arbeiten
Alle Menschen haben einen inneren Wecker, der entscheidet, wann wir wach und müde werden. Chronotyp wird das genannt; und neben den allseits bekannten „Eulen“ und „Lerchen“ gibt es auch noch die Unterscheidung zwischen „Bären“, „Löwen“, „Wölfen“ und „Delfinen“. (Quelle)
Der Chronotyp hilft uns zu verstehen, wann wir mit unserem Arbeitstag starten und wann wir ihn beenden sollten, um auch langfristig bei Kräften zu bleiben.
So können „Lerchen“ vielleicht morgens um 5 Uhr in den Tag starten, für „Eulen“ hingegen wäre das eine Qual. Ihnen wiederum fällt das abendliche Arbeiten leichter, während Lerchen abends oft keinen klaren Gedanken mehr zustande bringen.
Deshalb sind pauschale Empfehlungen, dem „5am-Club“ beizutreten, auch so kritisch – nicht für jede*n ist es eine gute Idee, so früh mit dem Arbeiten loszulegen.
Die verschiedenen Chronotypen ziehen oft auch verschiedene Leistungskurven nach sich. Wann wir uns am besten konzentrieren können, wann wir eine Pause brauchen (und wie lange), wann wir kreativ sind – all das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Ich kann mich morgens und vormittags am besten konzentrieren und lege mir dort am liebsten Aufgaben wie Schreiben hinein. Mittags tut mir eine längere Mittagspause von mindestens einer Stunde gut (inklusive Spaziergang und richtigem Mittagessen). Am späten Nachmittag oder gar abends geht mit dem Kopf meistens nicht mehr so viel, weshalb jetzt Sport eine gute Idee ist. Wenn ich nach 18 Uhr arbeite (selbst wenn es nur kurz ist), kann ich danach meist nicht gut einschlafen und wache am nächsten Morgen gerädert auf. Deshalb sind meine Abende zu 99,9% arbeitsfrei.
Fazit: Wer seinen Chronotyp kennt, weiß, wann sein Arbeitstag beginnen und enden soll und wie ein Arbeitstag aussehen kann. Das ist ein wertvoller Rahmen für langfristige körperliche Gesundheit und genug Schlaf.
#2 Im Einklang mit den Jahreszeiten arbeiten
Besonders spannend: Ein natürlicher Rhythmus ändert sich im Verlauf der Jahreszeiten. Nicht viel, aber doch spürbar.
In den Sommermonaten werde ich manchmal noch vor dem Weckerklingeln wach, drehe gleich eine Runde mit dem Hund und sitze, direkt nachdem die Kinder zur Schule aufbrechen, gegen sieben Uhr morgens motiviert am Schreibtisch.
Im Winter hingegen, wenn es morgens länger dunkel ist, komme ich später aus dem Bett, warte auf die ersten Sonnenstrahlen, bis ich mit dem Hund rausgehe, und fange deshalb gut zwei Stunden später mit dem Arbeiten an.
Während ich im Winter gerne auch mal nachmittags arbeite, bin ich in der Nachmittagshitze des Hochsommers dafür so gar nicht leistungsfähig und hänge meine Beine lieber in kaltes Wasser.
Auch die beiden Zeitumstellungen merke ich noch Tage später und mache in der Zeit lieber etwas langsamer.
Fazit: Auch die Jahreszeiten und damit die Helligkeit oder Dunkelheit draußen haben Auswirkungen auf unsere Energie und Konzentration.
#3 Im Einklang mit unserem Menstruationszyklus arbeiten
Sich mit dem Körper zu verbünden, kann auch den Menstruationszyklus mit einschließen – selbst im beruflichen Kontext.
Denn die verschiedenen Hormone in den einzelnen Zyklusphasen (Östrogen, Progesteron und Co.) gehen mit einem Set an verschiedenen Emotionen, Stärken etc. einher. Ist es somit nicht absurd, unseren Zyklus in unserem Arbeitsalltag auszuklammern und stattdessen jeden Tag dieselbe Leistung von uns zu erwarten?
Wenn wir das Arbeiten hingegen zyklisch begreifen, findet jeder Aspekt unserer Tätigkeit – die Kreativität, produktives Abarbeiten, das Soziale, die Pausen – seinen natürlichen Platz.
Es fällt uns auf einmal leicht, etwas zu schreiben, SEO zu betreiben oder unser Thema mutig für einen Gastauftritt zu pitchen, denn unser Körper ist gerade darauf ausgerichtet.
Hier findest du 100 Impulse, wie zyklisches Arbeiten aussehen könnte.
#4 Grenzen schützen
Das Wissen um unseren Chronotyp, den Einfluss der Jahreszeiten oder unseres Menstruationszyklus nützt nichts, wenn wir dieses Wissen nicht umsetzen und unsere Energie schützen.
Das fängt damit an, dass wir für unsere Kund*innen nur in unserer Arbeitszeit zur Verfügung stehen und uns selbstverständlich Pausen, Feierabende, Wochenenden, Kranksein und Urlaub zugestehen.
Unsere Programme können wir in einem Rahmen gestalten, in dem Pausen schon mitgedacht sind (z.B. Support nur werktags etc.) und wir könnten überdenken, unsere Kund*innen via Smartphone zu betreuen (z.B. in Telegram- oder Signal-Channels) – denn damit verwischt die Grenze zwischen Job und Freizeit völlig.
Gerade selbstständige Mütter tun sich oft schwer damit, ihre Grenzen zu wahren. Lieber arbeiten sie abends und bis tief in die Nacht, wenn die Kinder schlafen, statt mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin eine gerechte(re) Aufteilung von Arbeitszeit und Fürsorgearbeit auszuhandeln.
Dabei wäre gerade das nötig, um auch langfristig gesund arbeiten zu können.
#5 Loslassen, was Energie raubt
Trauen wir uns, unsere Freiheit als Selbstständige zu nutzen? Oft denke ich: nein. Dabei sind wir so flexibel wie kaum eine Berufsgruppe.
Wir können entscheiden, wie wir arbeiten. Wir können entscheiden, mit wem wir arbeiten. Wir können entscheiden, was unsere Arbeitszeit wert ist, wozu wir „ja“ und wozu wir „nein“ sagen.
Launchen, Social Media, Werbeanzeigen, ein bestimmtes Produkt – wir können alles loslassen, wenn es uns Energie raubt. Haben wir uns nicht für gerade diese Freiheit selbstständig gemacht?
#6 Wenige große Aufgaben statt viele kleine
Je mehr Aufgaben wir in einen Tag packen, desto mehr Zeit und Energie müssen wir aufwenden, um von einer Aufgabe zur nächsten zu wechseln.
Deshalb sind lange To-do-Listen mit vielen Kleinigkeiten wahre Energieräuber:
Nicht nur haben wir wahnsinnig viele Aufgaben zu erledigen, wir müssen uns auch immer wieder auf neue Aufgaben einstellen und fühlen uns am Ende des Tages nicht selten, als hätten wir einen Marathonlauf hinter uns.
Ein, zwei größere Aufgaben pro Tag sind deshalb energieschonender; und oft haben wir sogar bessere Resultate, weil genug Zeit für Reflexion und Pausen vorhanden ist.
#7 Gesundes Gleichgewicht statt „Leichtigkeit“
Viele sehnen sich nach einem „Business mit Leichtigkeit“. Doch harte Arbeit ist meiner Erfahrung nach nicht zwingend ein Energieräuber.
So kann ich zum Beispiel ein paar Tage nonstop an einem Text arbeiten und bin danach körperlich müde. Doch das Schreiben gibt mir so viel Energie, dass es mir alles in allem gut geht.
Soziale Medien wiederum waren vom Prinzip her nicht sonderlich anstrengend für mich – schließlich saß ich meist gemütlich auf dem Sofa, als ich Posts likete oder kommentierte –, es zog mir allerdings so viel Energie, dass es mich langfristig völlig auslaugte.
Wichtiger als Leichtigkeit finde ich deshalb eine Balance.
Zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen mutig sein und in der Komfortzone bleiben, zwischen „mit anderen“ und „für sich“, zwischen „innen“ und „außen“ usw.
Wenn auf harte Arbeit ein paar faule Tage folgen oder auf mutiges Pitchen ein paar Tage unaufregende Aufgaben, spüren wir langfristig, dass es uns gut geht – selbst wenn nicht immer alles „leicht“ ist.
Und erneut: Der Menstruationszyklus ist ein toller Rahmen, solch ein Gleichgewicht herzustellen.
Fazit: Es gibt eine Menge Möglichkeiten, mit dem Körper zu arbeiten, statt gegen ihn
Hier sind einige Ideen:
im Einklang mit unserem Chronotyp arbeiten
die Helligkeit und Dunkelheit der verschiedenen Jahreszeiten berücksichtigen
unseren Menstruationszyklus im Blick haben
unsere Energie schützen, indem wir unsere Grenzen wahren
das loslassen, was uns Energie raubt
uns lieber wenige große statt viele kleine Aufgaben für einen Tag vornehmen und
ein Gleichgewicht statt „Leichtigkeit“ anstreben

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