Fünf Narrative, die wir nicht mehr im Marketing verwenden sollten

Ob in unserem Newsletter, im Blog, auf Social Media oder auf der Website – wenn wir über uns, unsere Produkte und Menschen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, reden, verwenden wir Narrative.

Ein Narrativ ist eine etablierte Erzählung, die für eine Gruppe von Menschen eine sinnstiftende Funktion erfüllt.

Viele der Narrative im Marketing sind sogar so etabliert, gelten als so „normal“ und „selbstverständlich“, dass wir sie gar nicht mehr hinterfragen.

Doch leider sind gerade die etablierten Narrative oft problematisch. Warum? Das möchte ich im Folgenden genauer unter die Lupe nehmen.

#1 Das Umsatz-Narrativ

„Ich habe ein siebenstelliges Business aufgebaut – und du kannst es auch“
„Meine Kundin hat einen sechsstelligen Launch hingelegt – mit meinem Programm“
„Wie ich jeden Monat 10k Euro durch passives Einkommen bekomme“

Kennst du dieses Umsatz-Narrativ auch? 

Meine Beobachtung ist, dass es eine der beliebtesten Erzählungen ist, der sich Businesscoaches im Marketing bedienen. Kein Wunder: Es macht natürlich mächtig Eindruck, von solchen Erfolgsgeschichten zu hören, und löst bei uns Normalsterblichen sofort ein „Haben wollen“-Gefühl aus.

Als ich Ende 2015 meine Fühler in Richtung Selbstständigkeit ausstreckte, teilten Menschen noch ihre fünfstelligen Launches, später waren es sechsstellige, dann siebenstellige und inzwischen wundere ich mich noch nicht einmal mehr, wenn ich irgendwo lese: „Ich mache mit meinem Business 10 Millionen und mehr.“

Doch ein sechs-, sieben- oder achtstelliger Jahresumsatz – das ist für die meisten Selbstständigen einfach nicht realistisch. Da können wir noch so viel „manifestieren“ oder an unserem „Mindset“ arbeiten.

Warum bedienen sich Businesscoaches dann dieser Erzählung?

Weil die Zahlen als ein Argument für ihre Programme fungieren sollen.

Die Geschichte lautet ja nicht „Ich habe ein siebenstelliges Business aufgebaut – und es war nur Zufall“ oder „Diese Frau hat einen sechsstelligen Launch hingelegt – mit dem Programm einer Kollegin“, sondern wird immer in den Launch der eigenen Programme eingebettet.

Jeden Monat 10k Euro – und ich bringe dir die exakte Methode bei.
Sechsstellig im Launch – und hier ist mein Onlinekurs, in dem du es lernst.
Siebenstelliges Business – meine Mastermind bringt dich auf den Weg dahin.

Das Umsatz-Narrativ ist aus meiner Sicht einer der fiesesten Psychotricks, die wir im Marketing verwenden können. 

  • Es trifft Menschen an einem wunden Punkt. (Geld ist für viele Menschen scham- oder schuldbehaftet.) 

  • Es erzeugt Neid, Druck und Vergleicheritis

  • Es bringt Menschen dazu, eine extrem kapitalistische Haltung in Bezug auf ihre Selbstständigkeit einzunehmen und Menschen, Marketing oder ihre Ziele nur noch danach zu bewerten, ob und wenn ja, wie viel Umsatz sie bedeuten. 

  • Es kann dazu führen, dass Menschen ihre Gesundheit oder ihre Beziehungen riskieren, nur um einem komplett unrealistischen Umsatzziel hinterherzujagen.

Eng damit verknüpft ist ein weiteres Narrativ:

#2 Das Investitions-Narrativ

Kennst du das „Du musst in dich / dein Business investieren“-Narrativ?

Zunächst einmal ist es ziemlich trivial:

Natürlich haben wir als Selbstständige Betriebsausgaben und natürlich können wir eine professionelle Website, ein schickes Logo oder ein Businesscoaching als Investment sehen. 

Denn oft ist es ja so: Wenn wir etwas Geld in die Hand nehmen, fühlen wir uns „verpflichtet“, das Projekt dann auch durchzuziehen. Und oft kommen wir dadurch schneller zum Ziel (keine Prokrastination mehr) oder erzielen sogar bessere Ergebnisse (eben weil wir uns fokussieren).

Das Problem an dem „Du musst in dich investieren“-Narrativ sehe ich vor allem dann, wenn damit extrem hochpreisige Angebote gerechtfertigt werden.

Ja, mein Programm kostet 100k – doch wenn du danach siebenstellig verdienst, hast du das Geld ja schnell wieder drin.

Nicht selten werden Menschen so auch dazu gebracht, einen Kredit aufzunehmen und damit Schulden zu machen. 

„Du musst Vertrauen haben. Das Universum wird dich für diesen Vertrauensvorschuss belohnen.“

Ein absoluter Red Flag!  

#3 Das Universum-Narrativ

Apropos Universum. 

Wir können hier und heute ja zum Glück alles glauben, was wir wollen: an einen Gott, an das fliegende Spaghettimonster oder an den rückläufigen Merkur.

Doch weißt du was? Das alles hat für mich nichts im Marketing verloren.

Was das „Universum“ „denkt“, „macht“ oder „belohnt“, ob es überhaupt existiert oder ob das ganze Gerede von einem „Universum“ ausgemachter Unsinn ist, darf jede*r gerne für sich an einem verregneten Sonntagmorgen kontemplieren.

Doch was nicht geht, ist, Menschen (viel zu viel) Geld abzuknöpfen und es mit etwas, was nun mal nicht bewiesen werden kann, zu begründen.

„Das Universum wird dich dafür belohnen.“

Wenn du so etwas irgendwo hörst, dann lauf! 

#4 Das „Du kannst alles schaffen, was du willst“-Narrativ

Dream big. Shoot for the moon. Du kannst alles schaffen, was du willst, wenn du fest daran glaubst (hart genug arbeitest / es dir manifestierst etc.). 

Als ich noch auf Instagram war, sah ich diese Botschaften überdurchschnittlich oft.

Auf den ersten Blick sollen diese Botschaften (selbstständige) Frauen bestärken. Sie sollen ihnen Mut machen, mehr zu wollen, sich höhere Ziele zu setzen. Doch auf den zweiten Blick ist auch das „Du kannst alles schaffen, was du willst“ extrem problematisch. 

Es negiert und bagatellisiert die Herausforderungen der meisten Frauen, die nun mal leider nicht in einer pinken Insta-Wohlfühlwelt leben, sondern täglich mit diversen Gender Gaps, Diskriminierung oder Krankheiten zurechtkommen müssen. 

Es führt nicht selten zur Selbstoptimierung, Selbstausbeutung und – nach ein paar Jahren – zu großer Erschöpfung.

Für mich gehört dieses Narrativ zum Pinkwashing und sollte dringend aus dem Marketing verschwinden.

Eng damit verknüpft ist das folgende Narrativ:

#5 Das „Du bist nicht genug“-Narrativ

Das „Du bist nicht genug“-Narrativ kommt in vielen Farben und Formen und die meisten davon sind eher subtil. 

Meist sagt uns ja niemand ins Gesicht, dass wir es nicht drauf haben, vielmehr schwingt diese Annahme oft stillschweigend mit.  

Du willst erfolgreich werden? Tja, wenn du so weitermachst wie bisher, wird es eher schwierig. Doch mit meinem Framework kannst du deine Ziele erreichen.

Du fühlst dich angesichts deiner Selbstständigkeit und Kinder überfordert? Tja, kein Wunder bei dem „Zeitmanagement“. Ich bringe dir bei, wie du deine Zeit richtig nutzt!

Die Message ist immer: So, wie du jetzt bist, bist du nicht in Ordnung. So, wie du es jetzt machst, ist es scheiße. Du musst dich ändern. Du musst an dir arbeiten.

Es ist ein perfides Businessmodell: Erst werden systematisch Selbstzweifel gesät und dann wird ein passendes – oft extrem hochpreisiges – Programm angeboten.

Fazit

Die Marketingwelt ist voller problematischer Narrative, die wir dringend überdenken sollten. Fünf davon habe ich dir in diesem Blogartikel genannt:

  • Das Umsatz-Narrativ

  • Das Investitions-Narrativ

  • Das Universum-Narrativ

  • Das „Du kannst alles schaffen, was du willst“-Narrativ

  • Das „Du bist nicht genug“-Narrative

Welche Narrative wir stattdessen verwenden können? Wie wäre es mit folgenden Ideen:

  • Du bist genug.

  • So, wie du bist, bist du in Ordnung. Du musst dich nicht ständig verbessern, verändern oder weiterbilden.

  • Dein Wert ist nicht an deine Leistung gekoppelt.

  • Du darfst deinen Fähigkeit vertrauen.

  • Businessaufbau braucht Zeit und es wird nicht immer leicht sein. 

Ja, diese Narrative lassen sich nicht so gut ausschlachten. Doch was ist, wenn das gar nicht mehr das Ziel von Marketing wäre?

Zurück
Zurück

Wie du einen Onlinekurs ohne „Höher, schneller, weiter“-Denke erstellst

Weiter
Weiter

Command Culture im Marketing