Wie mache ich mein Unternehmen nachhaltiger? – Interview mit Texter Jörn Leonhardt
Als Texter und Marketingberater hilft Jörn Leonhardt nachhaltigen Unternehmen, ihr Angebot klar und authentisch auf den Punkt zu bringen, Kund*innen zu gewinnen und ihre Ideen für eine bessere Welt bekannt zu machen.
Im Interview verrät er, wieso er in seinem eigenen Marketing ohne Social Media auskommt und was wir tun können, um unser Unternehmen nachhaltiger zu gestalten.
Jörn, du bist Texter und Marketingberater und kommst in deinem eigenen Marketing komplett ohne Social Media aus. Eine bewusste Entscheidung?
Ich würde gerne sagen: Klar, war alles Absicht und von langer Hand geplant! Tatsächlich hat sich das eher so ergeben. Als ich 2020 in die Selbständigkeit gestartet bin, habe ich mich erstmal auf meine Website konzentriert – um dann festzustellen, dass ich Facebook, Instagram und Co. gar nicht brauche, um genügend Kund*innen zu gewinnen.
Das kam mir entgegen, weil ich Social Media nicht besonders mag. Das Medium bringt ja eine gewisse Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit mit sich, was mir als introvertiertem Menschen nicht liegt. Außerdem ist es viel Arbeit, jeden Tag aktiv zu sein, zu posten oder Storys teilen zu müssen, damit ich überhaupt wahrgenommen werde. Dafür ist mir meine Zeit aktuell zu wertvoll.
Was rätst du anderen Selbständigen, die mit sozialen Medien hadern?
Da spielen aus meiner Sicht zwei Aspekte eine Rolle: Erstens, welche Marketing-Kanäle liegen mir persönlich? Bin ich zum Beispiel jemand, der gerne und gut spricht, auch vor der Kamera? Dann fühle ich mich vielleicht auf YouTube wohl oder starte einen Podcast. Wenn ich lieber schreibe, kann ein Blog in Kombination mit E-Mail-Marketing eine gute Möglichkeit sein, Menschen zu erreichen. Ich glaube, dass Authentizität im Marketing superwichtig ist und Menschen sofort spüren, wenn meine Kommunikation nicht stimmig ist, wenn ich mich unwohl fühle oder eine Rolle spiele, die nicht zu mir passt. Daher empfehle ich Solo-Unternehmer*innen, nur die Medien zu nutzen, die ihnen Spaß machen – alles andere wird langfristig nicht funktionieren.
Die zweite wichtige Frage, die ich mir als Freelancer*in stellen muss: Wo finde ich meine Kund*innen? Wenn ich sie über andere Marketing-Kanäle erreiche, kann ich auf Social Media verzichten. Grundsätzlich ist es natürlich sinnvoll, alle Plattformen zu bespielen, auf denen meine Zielgruppe unterwegs ist. Das ist für Selbständige aber kaum zu leisten, daher würde ich mich lieber auf zwei oder drei Kanäle konzentrieren – und die dafür richtig gut machen.
Texter Jörn Leonhardt unterstützt nachhaltige Unternehmen.
Wie schaffst du es, auch ohne Social Media genügend Menschen zu erreichen und neue Kund*innen zu gewinnen?
Die meisten Anfragen kommen über meine Website. Ich habe mich intensiv mit Suchmaschinenoptimierung (SEO) beschäftigt und meine Angebotsseiten so aufgebaut, dass ich bei relevanten Suchanfragen auf Seite 1 bei Google lande. Meine Kund*innen sind in erster Linie Unternehmen und Kommunikationsagenturen, die Freelance-Texter*innen mit Nachhaltigkeitsexpertise suchen. Viele googeln und werden so auf mich aufmerksam.
Wo siehst du die Vorteile von SEO?
Wenn Leute Suchmaschinen nutzen, suchen sie in der Regel eine Lösung für ihr Problem. In diesem Moment sind sie also maximal interessiert und offen für ein passendes Angebot – und genau dann tauche ich in den Suchergebnissen auf. Daher ist die Chance, dass sich daraus eine Anfrage ergibt, relativ hoch. Wenn ich zum Beispiel Werbung schalte, ist das anders: Da unterbreche ich die Menschen ja bei dem, was sie gerade tun. Das kann schnell nerven.
Charmant an SEO finde ich, dass es nachhaltig ist: Einmal richtig aufgesetzt, kann mir meine Landingpage über Jahre neue Kund*innen bringen. Natürlich muss ich das Ganze im Auge behalten und ab und zu nachjustieren, aber ich habe nicht den Druck, permanent aktiv zu sein oder monatlich Geld zahlen zu müssen, damit es funktioniert.
Du hast dich als Marketingberater auf nachhaltige Unternehmen spezialisiert. Wie kam es zu dieser Ausrichtung?
Ich war schon immer naturverbunden und Werte wie Respekt, Toleranz und Gerechtigkeit sind mir wichtig. Mein erster Job nach dem Germanistik-Studium führte mich in die internationale Nachhaltigkeitsbranche – ich habe einige Jahre in der Unternehmenskommunikation einer großen deutschen Entwicklungshilfe-Organisation gearbeitet, was mir sehr gefallen hat. Danach wechselte ich als PR-Manager in einen internationalen Konzern. Das war spannend, aber nach einiger Zeit hat mir der Sinn gefehlt. Ich wollte außerdem ortsunabhängig und zeitlich flexibel arbeiten, also habe ich mich als Texter für Nachhaltigkeit selbständig gemacht.
Heute helfe ich nachhaltigen Unternehmen und Organisationen, ihre Ideen für eine bessere Welt zu verbreiten. Für mich eine sehr erfüllende Tätigkeit, denn ich werbe nicht nur für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen, sondern trage auch dazu bei, dass Nachhaltigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung mehr Raum bekommt. Ich glaube, dass Worte ein mächtiges Werkzeug sein können, um Verantwortung zu fördern und eine nachhaltigere Zukunft zu erschaffen. Wenn ich merke, dass Menschen durch meine Arbeit die Vorteile eines umweltfreundlichen Lebensstils erkennen, ihre Gewohnheiten hinterfragen und in ihrem Alltag Dinge zum Positiven verändern, macht mich das glücklich.
Was tust du als Einzelunternehmer konkret, um dein eigenes Unternehmen nachhaltiger zu gestalten?
Ich lebe den Nachhaltigkeitsgedanken schon ziemlich konsequent und trenne nicht zwischen Beruf und Privatem, auch weil ich im Homeoffice arbeite. Da meine Tätigkeit in erster Linie online am Rechner stattfindet, beziehe ich zu Hause Ökostrom und nutze „grüne“ Office-Tools wie Fairmeeting, die auf nachhaltigen Servern laufen. Was viele nämlich nicht wissen: Das Internet verursacht wahnsinnig viel CO2. Jede Mail, jedes Foto, das wir verschicken, jeder Podcast, jede Netflix-Serie, die wir streamen – all das produziert weltweit so viele Emissionen wie der gesamte globale Flugverkehr.
Grundsätzlich versuche ich, bewusst zu konsumieren. Ich ernähre mich zum Beispiel vorwiegend pflanzlich, regional, saisonal und bio und trinke fast ausschließlich Leitungswasser, um Transportwege zu reduzieren. Bevor ich etwas fürs Büro kaufe, frage ich mich: Brauche ich das wirklich? Wenn ja, schaue ich, ob ich das auch gebraucht bekomme, bei Smartphones, Laptops oder Fotoequipment gibt es zum Beispiel tolle Second-Hand-Angebote. Andernfalls suche ich nach nachhaltig und fair produzierten, hochwertigen Alternativen, die ich dann so lange wie möglich nutze. Bevor sie auf dem Müll landen, werden sie repariert.
Natürlich stoße auch ich regelmäßig an Grenzen. Wer lebt, schadet automatisch der Umwelt, den Widerspruch müssen wir aushalten. Aber: Wenn wir alle unser Verhalten ein bisschen hinterfragen und bewusste Konsumentscheidungen treffen, ist schon viel gewonnen.
Gerade Unternehmen und Selbstständigen aus der Nachhaltigkeitsbranche ist ein authentischer Auftritt nach außen wichtig. Wie können wir unser Angebot überzeugend kommunizieren, ohne mit Manipulation oder Psychotricks zu arbeiten?
Marketing arbeitet ja immer auf irgendeine Art und Weise mit Psychologie, das finde ich auch völlig legitim. Es geht ja darum, die Perspektive der Kund*innen einzunehmen, sie mit ihren Träumen und Problemen zu verstehen und eine Lösung zu entwickeln, die ihnen wirklich hilft. Wir sollten uns da auch nichts vormachen: Beeinflussung entsteht bereits dann, wenn zwei Menschen miteinander kommunizieren, wir treffen unsere Entscheidungen ja nicht im luftleeren Raum. Und wir Unternehmer*innen sind davon abhängig, dass andere bei uns kaufen, also müssen wir Überzeugungsarbeit leisten.
Schwierig wird es aus meiner Sicht immer dann, wenn ich anderen Menschen Schaden zufüge. Wenn ich zum Beispiel massiv Druck ausübe und sie zu etwas überrede, was sie eigentlich nicht wollen. Oder wenn ich mit Falschinformationen arbeite, Ängste schüre oder Lösungen verkaufe, von denen ich genau weiß, dass sie nicht funktionieren, nur um Geld zu machen. Ich denke da immer an meinen Onkel, der nicht gut Nein sagen konnte und sich von Vertretern an der Haustür die kuriosesten Dinge hat aufschwatzen lassen. So ein Verhalten findet man natürlich genauso in der Online-Welt, diese Strategie wird langfristig aber kaum erfolgreich sein.
Was können wir stattdessen tun?
Authentisch kommunizieren hat für mich viel mit Ehrlichkeit und Respekt zu tun, das ist auch in der Nachhaltigkeitskommunikation wichtig. Da findet aktuell leider noch viel Greenwashing statt, was aber zum Glück immer häufiger aufgedeckt wird, zum Beispiel durch Recherche-Netzwerke wie Flip.
Überzeugen kann ich, wenn ich konsequent die Perspektive meiner Kund*innen einnehme und ihnen deutlich mache, dass ich sie und ihre Probleme verstehe und ein ehrliches Interesse daran habe, ihnen zu helfen. Mir gefällt der Storytelling-Ansatz von Donald Miller, der den Kunden radikal in den Mittelpunkt stellt und dabei die Psychologie des Geschichtenerzählens nutzt.
Auf die Kund*innen eingehen, aufmerksam zuhören, respektvoll, klar und transparent kommunizieren – und natürlich halten, was ich verspreche, eine tolle Qualität abliefern: Wenn ich das beherzige, brauche ich weder Druckmittel noch Täuschungsmanöver.
Eine Möglichkeit, auch ohne Social Media online sichtbar zu werden, ist, Themen bei großen Zeitungen und Onlinemagazinen zu platzieren. Wie schaffe ich es, als Einzelunternehmer*in in die FAZ oder in den SPIEGEL zu kommen? Oder ist das völlig unrealistisch?
Das ist durchaus möglich, aber man muss verstehen, wie Medien funktionieren.
Journalist*innen sind immer auf der Suche nach spannenden Geschichten, die wiederum für ihre Leser*innen interessant sind – wenn ich so eine Geschichte liefern kann, renne ich bei den Redaktionen offene Türen ein.
Auch wenn ich nachweislich Expert*in für ein gefragtes Thema bin, habe ich als Einzelunternehmer:in gute Chancen auf ein Interview.
Eine Pressemitteilung nach dem Gießkannenprinzip an einen großen Medien-Verteiler zu schicken, ist für Selbstständige ohne großen Bekanntheitsgrad aber weniger erfolgversprechend. Meistens bringt es mehr, sich ganz gezielt eine passende Journalistin herauszupicken und sie mit einem individuellen Themenvorschlag direkt zu kontaktieren. Es müssen übrigens nicht immer gleich die großen Medien wie Spiegel, FAZ oder ZEIT sein. Gerade für regionale Unternehmen sind die Lokalzeitungen tolle Möglichkeiten, um im näheren Umkreis bekannter zu werden, auch Fachmagazine bieten sich an.