Social-Media-frei
Der Podcast für Marketing ohne Likes, Reels & Selfies
Worum geht’s?
In diesem Podcast nehme ich soziale Medien kritisch unter die Lupe und spreche darüber, wie Selbstständige online sichtbar werden können, ohne ständig ihr Frühstück auf Insta zu posten.
Es geht um „immergrüne“ Marketingstrategien und darum, wie Selbstständige entspannt und nachhaltig ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen.
Dauergeposte und Dauerhustle nicht nötig!
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Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Teil 3: Algorithmen und Aufmerksamkeitökonomie
In dieser Podcast-Folge machen wir weiter mit dem Thema Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Und heute geht es um die Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie.
In dieser Podcast-Folge machen wir weiter mit dem Thema Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen?
Und heute geht es um die Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie.
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Hast du schon mal auf YouTube nur ein Video gucken wollen und eine Stunde später schaust du auf einmal einem Typen zu, der 30 Minuten lang Murmeln über eine komplizierte, selbstgebaute Bahn rollen lässt?
Wenn ja: Herzlichen Glückwunsch – du hast Bekanntschaft mit der Aufmerksamkeitsökonomie gemacht!
Der Begriff stammt aus dem Buch „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ von Georg Franck und bedeutet, dass Aufmerksamkeit zu einem knappen, kostbaren Gut geworden ist, um das hart gekämpft wird.
Was heißt das nun genau für Social Media?
Nun, ich bin in der letzten Folge zum Thema „Social Media und ethisches Marketing“ ja darauf eingegangen, dass die Plattformbetreiber unser Verhalten auf Social Media ganz genau überwachen und monetarisieren.
Doch jetzt müssen wir noch einen Schritt weitergehen. Denn die Plattformbetreiber überwachen und monetarisieren nicht nur unser Verhalten. Sie manipulieren Menschen darüber hinaus aktiv dazu, sich in irgendeiner Weise zu verhalten.
Es gibt inzwischen einen eigenen Berufsstand dafür, die sogenannten Aufmerksamkeitsingenieure (Attention Engineers). Und ihre Aufgabe ist es, Social-Media-Oberflächen so zu gestalten, dass sie maximal Aufmerksamkeit erregen und Menschen möglichst lang auf der Plattform halten.
Die meisten Tricks sind inzwischen gut bekannt und auch du bist mit Sicherheit bereits mit den meisten in Berührung gekommen.
Es gibt zum Beispiel den Infinite Scroll. Das heißt, du scrollst und scrollst und scrollst und wirst einfach nicht fertig. Dir wird immer ein weiterer Inhalt, ein weiteres Video angezeigt.
Und es ist natürlich super schwer, dem bewusst ein Ende zu setzen und zu sagen: Ich höre jetzt auf damit.
Und deshalb hängen viel zu viele Menschen viel zu lange auf diesen Plattformen fest. Sich zu sagen „Ich bin jetzt nur 10 Minuten auf TikTok“ funktioniert für die meisten Menschen in der Praxis nicht sooo gut.
Dann gibt es das Autoplay, das Videos automatisch abspielen lässt und so die Hürde minimiert, aktiv auf Play zu drücken.
Es gibt die Pushbenachrichtigungen, die du mit Sicherheit auch gut kennst.
Eine Pushbenachrichtigung macht natürlich sehr neugierig und motiviert uns dazu nachzuschauen, was sich hinter der Benachrichtigung verbirgt. Und meistens werden diese Benachrichtigungen ja auch in der Farbe Rot angezeigt, was noch mal zusätzlich Aufmerksamkeit erregt und suggeriert, dass eine gewisse Dringlichkeit oder vielleicht sogar eine Gefahr besteht.
Überhaupt die Tatsache, dass es Likes oder Shares oder Kommentare gibt, führt dazu, dass Menschen motiviert sind, immer wieder neue Inhalte für Social Media zu erstellen. Denn natürlich wollen die meisten Menschen, die Social Media nutzen, mehr Likes und mehr Herzchen für ihre Inhalte.
Ähnlich sieht es bei Followern aus. Sie zeigen die eigene Beliebtheit an und den sozialen Status, könnte man sagen. Und natürlich wollen alle, die auf Social Media sind, möglichst viel davon.
Das alles ist kein Zufall. Diese Strukturen und das Design sind bewusst so gewählt, damit du maximal viel Zeit auf den Social-Media-Plattformen verbringst.
Denn je mehr Zeit du dort verbringst, desto mehr Daten können die Plattformbetreiber sammeln und desto mehr Geld machen sie.
Es ist deshalb kein Zufall für mich, dass die Implementierung des Like-Buttons zum Beispiel auf Facebook damals zeitlich mehr oder weniger mit der Weiterentwicklung der Werbeanzeigen auf Facebook zusammenfiel.
Denn wenn Menschen mit Inhalten interagieren können, wenn sie sie liken können, können wiederum Engagement Ads erstellt werden, die das Ziel haben, dieses Engagement zu fördern und Menschen dazu zu bringen, Beiträge oder Unternehmensseiten zu liken.
Es geht den Plattformbetreibern also immer um Profit. Möglichst viel davon.
Und ein weiteres wichtiges Rädchen in diesem Getriebe sind Algorithmen. Da die Plattformbetreiber unser Verhalten auf Social Media ja permanent überwachen und auswerten, wissen sie genau, was uns interessiert und was uns emotional berührt. Und deshalb spielen sie uns auch genau diese Inhalte aus.
Und das ist der Grund, warum wir in unserem Feed überwiegend Beiträge sehen, die emotional was mit uns anstellen, uns irgendeine Reaktion entlocken.
Den Algorithmen ist das übrigens egal. Sie sind weder ethisch noch empathisch. Es spielt für sie überhaupt keine Rolle, ob wir uns gut fühlen, nachdem wir einen Post lesen oder traurig oder wütend oder gar hasserfüllt.
Algorithmen sind auch Desinformation egal oder Diskriminierung oder eben Hate Speech. Es geht – erneut – um maximale Verweildauer und damit maximalen Profit.
Warum ist das nun alles nun ein Problem? Und warum sollten sich Selbstständige überhaupt mit dieser Aufmerksamkeitsökonomie beschäftigen?
Ich könnte jetzt weit ausholen, aber ich möchte mich auf zwei Gründe beschränken:
Grund #1 für mich ist:
Dass alle, die auf Social Media erfolgreich sein wollen, den Kampf um die Aufmerksamkeit mitkämpfen müssen.
Das heißt, wenn du dich für Social-Media-Marketing entscheidest, entscheidest du dich auch dafür, nach den Regeln der Plattformen zu spielen.
Klar könntest du sagen: Ich mache Social-Media-Marketing nach meinen eigenen Regeln und poste, wenn ich wirklich was zu sagen hab.
Oder du könntest auch sagen: Video-Content liegt mir nicht und deshalb erstelle ich eben keine Reels.
Aber die Wahrheit ist, dass du mit diesen Strategien wahrscheinlich keine großen Erfolge erwarten darfst. Weil das eben nicht das ist, was die Plattformen zur Zeit belohnen.
Und meine Erfahrung ist, dass die meisten Selbstständigen dann eben nicht sagen: Okay, dann ist es halt so. Dann hab ich eben weniger Erfolg auf Social Media. Sondern dass irgendwann automatisch Fragen wie „Was will ich eigentlich? Was passt zu mir? Über welches Thema möchte ich sprechen?“ automatisch ersetzt werden durch: „Was funktioniert gerade auf Social Media? Was will der Algorithmus? Und: Was gibt viele Klicks und Kommentare?“
Und dann sind wir eben auch sehr schnell bei solchen Phänomenen wie Rage Bait, also dass bewusst Content erstellt wird, der einfach nur das Ziel hat, Menschen wütend zu machen. Weil wütende Menschen sehr gerne wütende Kommentare unter Beiträge schreiben oder Beiträge mit anderen teilen, um sich eben erneut darüber aufzuregen.
Das heißt: Wir haben auf Social Media angefangen, weil wir sichtbar sein wollten. Wir sind sehr schnell dabei gelandet, dass wir uns vor allem damit beschäftigen, was wir dafür machen müssen. Und nehmen unter Umständen dann wirklich problematische Strategien in Kauf.
Ich glaube, dass der Kampf um die Aufmerksamkeit auf Social Media Selbstständige dazu verleitet und es wirklich, wirklich schwer macht, diese Strategien nicht zu nutzen.
Ich mein, schau dich nur mal auf Social Media um. Überall wimmelt es von künstlicher Verknappung und FOMO und emotionalem Druck und Lovebombing und Clickbait und und und.
Ich glaube nicht, dass Selbstständige das alles aus Bösartigkeit tun, sondern weil sie in diesem System einfach bestehen wollen.
Es gibt ein dystopisches Beispiel aus Shanghai. In China gibt es eine eigene TikTok-Variante. Und dort ist es so, dass wer aus ärmeren Stadtvierteln seine Live-Videos streamt, bekommt weniger Reichweite als diejenigen, die aus wohlhabenderen Stadtvierteln streamen. Das hat was mit dem Geo-Tag zu tun.
Und als Konsequenz sitzen dann eben unzählige Influencerinnen in Shanghai unter Brücken in wohlhabenderen Stadtteilen und bauen dort ihre Ringlichter auf und streamen dort ihren Social-Media-Content. Unter Brücken.
Ich verlinke dir das Video mal in den Shownotes, weil ich es so eindringlich finde, was Menschen bereit sind zu tun, um den Kampf um die Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Was uns auch schon direkt zu Grund Nummer #2 bringt, warum es aus meiner Sicht wichtig für Selbstständige ist, sich dieser Aufmerksamkeitsökonomie bewusst zu werden:
Weil Selbstständige auch gesellschaftliche Verantwortung tragen.
Und selbst wenn wir soloselbstständig sind. Selbst wenn wir keine großen, international bekannten Marken sind, ist es doch so, dass unsere Marketingkommunikation nicht im luftleeren Raum stattfindet.
Das heißt, das, was wir im Marketing tun, hat immer auch Konsequenzen:
für uns
für unsere Mitarbeiter*innen, wenn wir welche haben
für unsere Kund*innen und Interessent*innen
für den Wettbewerb
für die Gesellschaft
und für die Umwelt
Ein kleines Beispiel:
Angenommen, du erstellst regelmäßig Content auf Instagram und orientierst dich dabei stark an dem, was der Algorithmus „belohnt“, also Reels mit schneller Schnittfolge, viel Emotionalisierung, catchy Hooks wie „Diese eine Sache verändert ALLES in deinem Business!“
Und das funktioniert vielleicht. Also du bekommst vielleicht mehr Reichweite, mehr Views, mehr Likes.
Aber: Du fütterst damit genau das System, das Aufmerksamkeit um jeden Preis belohnt. Du verstärkst den Trend zu immer kürzeren, reißerischeren Inhalten, auch wenn du eigentlich selbst lieber in der Tiefe arbeitest.
Du wirst Teil eines Marktes, in dem Information zunehmend durch Überinszenierung und austauschbare Inhalte ersetzt wird.
Und dein Publikum lernt dabei: Nur was laut, schnell und dramatisch ist, verdient Beachtung.
Das heißt, auch wenn du „nur“ Content erstellst, gestaltest du mit jedem Reel und mit jedem Hook mit, in welche Richtung sich die digitale Kommunikationskultur entwickelt. Und das ist eine Verantwortung, die wir als Selbstständige nicht unterschätzen sollten.
Und darüber hinaus kann es dabei auch sein, dass dich diese Art des Marketing auch selbst belastet. Dass du dich jeden Tag aufs Neue fragst: Was zum Teufel mache ich da eigentlich? Bin das eigentlich noch ich? Oder zwinge ich mich hier zu Dingen, die meinen Stärken und Werten und Interessen zuwiderlaufen? Riskiere ich hier vielleicht auch meine Gesundheit, nur damit ich Reichweite auf Social Media aufbaue?
Das heißt, sowohl im Kleinen als auch im Großen werden wir unserer Verantwortung als Selbstständige nicht gerecht.
Ja, das war ein kurzer Abriss zum Thema Aufmerksamkeitsökonomie und Algorithmen. Und ich habe dir zum Abschluss ein paar Fragen mitgebracht, die du mitnehmen und für dich reflektieren kannst, wenn du magst:
Warum bin ich ursprünglich auf Social Media aktiv geworden und was davon gilt eigentlich heute noch?
Spiele ich bewusst oder unbewusst mit Angst, Druck und FOMO, um Reichweite zu erzielen?
Und: Möchte ich Teil eines Systems sein, das Aufmerksamkeit über alles stellt, oder kann ich mir Alternativen vorstellen?
Shownotes
Social Media und ethisches Marketing - wie passt das zusammen? Teil 2: Mikrotargeting und Datenschutz
In dieser Podcastfolge machen wir weiter mit der Reihe „Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen?“. Ich hatte dir in der letzten Solofolge bereits was zum Begriff „ethisches Marketing“ gesagt. Und heute geht es um das Thema Mikrotargeting und Datenschutz.
In dieser Podcastfolge machen wir weiter mit der Reihe „Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen?“. Ich hatte dir in der letzten Solofolge bereits was zum Begriff „ethisches Marketing“ gesagt.
Und heute geht es um das Thema Mikrotargeting und Datenschutz.
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Was ist Mikrotargeting?
Stell dir vor, du gehst in einen Buchladen, schaust dich kurz im Bereich „Trennung verarbeiten“ um, blätterst einmal kurz in einem Ratgeber und gehst dann doch wieder raus, ohne was zu kaufen.
Am nächsten Tag steht ein Typ vor deiner Haustür mit einem Klemmbrett und sagt:
„Hey du! Ich hab gesehen, du interessierst dich für emotionale Verarbeitung nach Beziehungskrisen. Hier habe ich drei passende Therapie-Angebote für dich, einen Rabattcode für Schokolade – und übrigens: Deine Nachbarin weiß jetzt auch Bescheid!“
Klingt absurd? Ja.
Ist aber Alltag – zumindest online. Und vor allem auf Social Media.
Denn genau so funktioniert Mikrotargeting:
Du zeigst irgendwo Interesse – und zack, die Social-Media-Plattformen registrieren, speichern und werten das Ganze aus. Und anschließend verkaufen sie diese Informationen an Werbetreibende weiter.
Der Begriff Mikrotargeting bezeichnet also eine datenbasierte Marketingstrategie, bei der Zielgruppen unterschiedlich angesprochen werden und zwar nach Alter, Wohnort, Geschlecht, Interessen und vielem, vielem mehr. Und das Ganze auch noch mit verschiedenen, individuell zugeschnittenen Botschaften.
Ganz konkret heißt das, dass Selbstständige und Unternehmen auf Social Media Werbung schalten und diese Werbung personalisieren. Also mithilfe des mächtigen Werbeanzeigenmanagers den exakt richtigen Menschen zur exakt richtigen Zeit ausspielen.
Und wenn du Social Media selbst nutzt, wird das Alltag für dich sein. Da wirst du alles bereits kennen:
Du guckst dir zum Beispiel in einem Onlineshop neue Sneaker an. Und wenn du wieder zurück zu Instagram gehst, werden dir genau dieselben Sneaker als Werbung angezeigt.
Das ist natürlich kein Zufall.
Soziale Medien stellen Werbetreibenden einen Code zur Verfügung, der auf ihrer Website eingebunden werden kann.
Bei den Meta-Diensten Facebook und Instagram ist es das sogenannte Meta-Pixel.
Aktuell binden laut einer Studie etwa 11% aller Websites das Pixel ein, also etwa 22 Millionen Websites weltweit.
Das sind meist Selbstständige und Unternehmen und andere Organisationen, die das tun.
Wenn das Pixel eingebunden ist, registriert es (nahezu) jede Handlung, die auf der Website vollzogen wird, also zum Beispiel
wenn du einen Artikel liest
wenn du dir ein Video anschaust
dich zum Newsletter anmeldest
eine PDF downloadest
ein Produkt zum Warenkorb hinzufügst
oder ein Produkt kaufst
und so weiter
Diese Informationen leitet das Pixel dann an die Social-Media-Plattformen weiter. Jedes Pixel hat eine bestimmte ID und kann damit dem entsprechenden Werbekonto genau zugeordnet werden.
Damit können die Social-Media-Plattformen nun den Nutzer*innen im zweiten Schritt Werbeanzeigen zeigen, die perfekt auf ihr Verhalten zugeschnitten sind.
Wenn du dir zum Beispiel auf einer Website ein Video angeguckt hast, bekommst du vermutlich andere Werbeanzeigen ausgespielt als die Menschen, die bereits ein Produkt im Warenkorb hat.
Ja, neben den Informationen, die die Plattformbetreiber vom Pixel bekommen, werten Facebook und Co. auch das Verhalten auf den Plattformen selbst aus.
Zum Beispiel:
Welche Seiten oder Beiträge gefallen dir?
Mit welchen Inhalten hast du in der Vergangenheit interagiert?
Wem folgst du?
Und natürlich haben die Plattformbetreiber auch Zugriff auf die persönlichen Informationen, die bei der Anmeldung fällig wurden oder die im Profil dann freiwillig ergänzt wurden, also:
Alter, Wohnort, Geburtsort, Beziehungsstatus und so weiter.
Das alles ist eine mächtige Kombination. Und so ist es kein Wunder, dass personalisierte Werbung für die meisten Selbstständigen und Unternehmen nicht mehr aus dem Marketing wegzudenken sind.
Es gibt tatsächlich eine Menge Vorteile für personalisierte Werbung. Und vermutlich kennst du sie auch alle bereits. Denn in der Marketing-Bubble dominiert diese Ansicht eindeutig:
Vorteil eins – ich hatte es gerade schon erwähnt –, dass wir damit gezielt eine bestimmte Gruppe von Menschen ansprechen können. Wir könnten zum Beispiel offene Stellen nur Männern zeigen oder nur Frauen unter 30. Warum das ethisch ein Problem sein könnte, da werde ich gleich noch drüber sprechen.
Ein weiterer Vorteil von personalisierter Werbung auf Social Media ist, dass wir damit neue Zielgruppen erschließen können und damit schneller Reichweite aufbauen und unsere Onlinesichtbarkeit erhöhen können.
Ein dritter Vorteil ist, dass wir damit Freebies oder Webinare wieder gezielt bewerben können und damit unsere E-Mail-Liste schneller aufbauen können oder effektiver launchen können.
Und schließlich lassen sich mit Retargeting-Kampagnen Menschen kontaktierten, auch das hab ich schon gerade erwähnt, die fast bei uns gekauft haben. Zum Beispiel haben sie bereits ein Produkt im Warenkorb liegen und werden dann mit der Ad daran erinnert, das Produkt auch zu kaufen.
Ja, das sind einige der wichtigsten Vorteile von Mikrotargeting und personalisierter Werbung. Das war in aller Kürze ein Abriss, was das alles eigentlich ist.
Doch wir müssen uns jetzt unbedingt auch die andere Seite anschauen: die Probleme und ethischen Herausforderungen, sag ich mal, die sich durch den Einsatz von personalisierter Werbung auf Social Media ergeben.
Ja, wo fangen wir bloß an?
#1 Datenschutz
Am besten bei dem Thema Datenschutz. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass Mikrotargeting darauf basiert, dass Websiteverantwortliche das Meta-Pixel auf ihren Websites einbinden.
Doch der Einsatz des Pixels ist aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch, denn:
Es werden personenbezogene Daten erhoben und gespeichert. Es sind also keine anonymen Daten oder zumindest pseudonymisierte Daten, sondern Informationen, die sich explizit auf eine Person beziehen.
Diese Daten werden in die USA an den Meta-Konzern übermittelt und ausgewertet.
Und diese Informationen werden Werbetreibenden zur Verfügung gestellt.
Und schließlich kann auch die US-Regierung theoretisch jederzeit Zugriff auf diese Daten bekommen.
Rechtlich sind Websitebetreiber*innen – also Selbstständige und Unternehmen – dafür verantwortlich, das Pixel datenschutzkonform einzubinden.
Doch viele informieren lediglich in ihren Datenschutzhinweisen darüber, dass sie das Meta-Pixel nutzen. Doch dieser Hinweis allein ist eben nicht ausreichend. Eine solche Verwendung des Pixels ist nämlich nicht DSGVO-konform.
Menschen müssen aktiv in die Nutzung der Daten und das Anzeigen von personalisierter Werbung einwilligen bzw. der Nutzung widersprechen können. Das nennt sich Opt-in- und Opt-out-Möglichkeit.
Und das bieten wohl die meisten Cookie-Consent-Banner, weshalb es nach allgemeiner Auffassung ausreicht, solch ein Tool zu nutzen, um sich vor einer Abmahnung zu schützen.
Die Herausforderung ist aber, dass das Meta-Pixel nicht laden soll, bis die Einwilligung erteilt ist. Denn nicht alle Websiteverantwortliche haben das nötige Wissen, das auch technisch umzusetzen.
Und vermutlich wird das Tracking in den meisten Fällen dennoch ohne das Wissen der Websitebesucher*innen erfolgen.
Denn vielleicht kennst du das auch:
Oft machen wir uns einfach nicht die Mühe, beim Cookie-Banner auf „Einstellungen“ zu klicken und das Tracking zu deaktivieren. Und ob Menschen, die noch nie in Berührung mit dem Werbeanzeigenmanager gekommen sind, überhaupt von der Existenz und dem Einsatz eines solchen Pixels wissen, sei auch mal dahingestellt.
Warum ist der Schutz personalisierter Daten jetzt überhaupt so wichtig?
Viele Selbstständige, und ich hab ehrlicherweise auch lange Zeit dazu gehört, finden das Thema Datenschutz extrem unsexy und unnötig und lästig. Und wenn auch du bereits schlechte Laune bekommst, wenn du auch nur das Wort „DSGVO“ hörst, könnte es sein, dass du überhaupt keinen Bock auf diese Folge hast und dir gerade denkst: „Oh, Datenschutz? Nicht schon wieder!“
Doch das Ding ist, dass Privatsphäre und Datenschutz zwei Grundrechte sind, die zum Beispiel in EU-Verträgen verankert sind oder in der EU-Charta der Grundrechte.
Und das hat einen guten Grund.
Stell dir vor, du sitzt in einem Café, redest mit einer Freundin über deinen Plan, dich selbstständig zu machen – ganz privat, leise, ohne dass jemand mithören soll.
Und plötzlich kommt der Kellner zurück und legt dir kommentarlos drei Flyer auf den Tisch:
– für eine Steuerberatung
– einen Online-Kurs zur Sichtbarkeit
– und für ein Coaching gegen Versagensängste
Und genau so fühlt es sich an, wenn du online ein bisschen suchst, ein bisschen klickst und plötzlich Werbung bekommst, die zu genau weiß, was gerade in deinem Leben los ist. Ohne, dass du jemals bewusst zugestimmt hast, diese Info zu teilen.
Deshalb geht’s beim Datenschutz nicht um Bürokratie. Das ist die falsche Perspektive.
Es geht darum, die Kontrolle über deine eigenen Gedanken, Gefühle und Entscheidungen zu behalten – auch im digitalen Raum.
Und wer dazu sagt „Ich hab doch gar nichts zu verbergen“ – meine Lieblingsantwort kommt von Edward Snowden. Er sagt in etwa:
„Zu argumentieren, dass du keine Privatsphäre brauchst, weil du nichts zu verbergen hast, ist in etwa so, als würdest du sagen, dass du keine Meinungsfreiheit brauchst, weil du gerade mal nichts zu sagen hast.“
Es ist also eine gefährliche Kurzsichtigkeit.
Und ich werfe einfach mal ein paar Reflexionsfragen in den Raum, die du mal ganz in Ruhe für dich nach der Folge klären kannst:
Bist du dir sicher, dass dein Pixel wirklich erst nach aktiver Zustimmung lädt?
Wie würdest du reagieren, wenn du in einem anderen Geschäft so „beobachtet“, „verfolgt“ und analysiert würdest wie online?
Hättest du selbst Lust, mit einem Unternehmen zu arbeiten, das deine Daten ungefragt an Dritte weitergibt?
Widerspricht der Einsatz solcher Tracking-Tools vielleicht deinen eigentlichen Werten – zum Beispiel Vertrauen, Respekt oder Selbstbestimmung?
Wie möchtest du in Zukunft Werbung für dein Thema oder deine Produkte machen? Als Mensch, der verfolgt – oder als Mensch, der einlädt?
#2 Content Optimization und Dark Patterns
Hinzu kommt noch, dass es inzwischen eine ganze Marketingdisziplin gibt, die sich damit befasst, möglichst viele Menschen dazu zu bringen, möglichst niedrigen Datenschutzbestimmungen zuzustimmen, damit möglichst zielgerichtete Werbeanzeigen geschaltet werden können.
Das nennt sich Consent Optimization und es geht dabei im Großen und Ganzen darum, durch ein spezielles Wording oder Design Menschen dazu zu „motivieren“, Tracking zu akzeptieren.
Diese Consent-Optimierung öffnet Tür und Tor für sogenannte Dark Patterns, also Strategie-, Design- oder Sprachmuster, die Menschen zu einem bestimmten Verhalten verleiten und ethisch fragwürdig sind.
Zum Beispiel:
Du besuchst eine Website und sofort poppt ein Cookie-Banner auf, wie es rechtlich ja auch sein muss.
Dieses Cookie-Banner ist ganz groß, bunt und genau in der Mitte siehst du einen grünen Button mit „Zustimmen und weiter“.
Daneben, ganz klein und grau, irgendwo in einer Ecke siehst du dann „Einstellungen“ oder „Nur notwendige Cookies zulassen“.
Wenn du da draufklickst, öffnet sich eine verschachtelte Liste mit 30 Häkchen – und du musst aktiv alle Werbepartner abwählen.
Das dauert, nervt und vielleicht gibst du an dieser Stelle auch schon auf.
Das ist Consent Optimization.
Nicht, um dir alle Möglichkeiten gleichwertig zu präsentieren und dir die Wahl zu lassen, sondern um dich dazu zu bringen, möglichst schnell „Ja“ zu sagen.
Technisch gesehen ist das eine Einwilligung. Ethisch gesehen geht es vielleicht auch schon in Richtung Manipulation.
Wenn du willst, kannst du an dieser Stelle auch schon mal für dich reflektieren:
Hast du schon mal aus Bequemlichkeit bei einem Cookie-Banner auf „Akzeptieren“ geklickt, obwohl du es eigentlich nicht wolltest? Und wie ging es dir dabei?
Wie geht es dir, wenn du merkst, dass alle Alternativen gleichwertig präsentiert werden und du dich frei entscheiden darfst?
Wie könnte das bei den Menschen sein, die den Cookie-Banner auf deiner Website sehen?
#3 Überwachungskapitalismus und Gefahr für die Demokratie
Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück und kommen zum dritten Punkt, den man auf dem Schirm haben muss, wenn man sich für oder gegen den Einsatz von personalisierter Werbung entscheidet.
Ich hatte es schon erwähnt:
Egal, was wir auf Social Media tun – die Plattformbetreiber schauen uns ganz genau zu und schreiben akribisch mit. Sie wissen im Grunde alles über uns: Jedes Like, jedes Follow, jeder Kommentar, ja, jede Sekunde, die wir zögern, bevor wir weiterscrollen, wird registriert, gespeichert und analysiert.
Die Harvard-Professorin und Autorin Shoshana Zuboff spricht in ihrem Buch, das auch so heißt, von einem „Überwachungskapitalismus“.
Das bedeutet: Die Plattformbetreiber sammeln diese Daten nicht nur – sie haben sie zu einem Wirtschaftsgut erklärt. Und während sie alles über uns wissen, sind sie uns gegenüber komplett aber unkenntlich und intransparent.
Das heißt, das ist eine beispiellose Asymmetrie an Wissen und Macht. Und dieses Wissen nutzen Plattformbetreiber, um Menschen zu beeinflussen, aber nicht zum Vorteil dieser Menschen, sondern zum Vorteil der Menschen, die für diese Daten bezahlen, also Werbetreibende.
Und genau diese Mechanismen machen nun immer öfter Probleme.
Rechtsextreme Parteien und Gruppierungen oder Verschwörungstheoretiker*innen verbinden Mikrotargeting zum Beispiel mit radikalen Inhalten und mobilisieren oder demobilisieren gezielt bestimmte Gruppen.
Donald Trumps Wahlkampfteam zum Beispiel nutzte schon in der US-Wahl 2016, also vor neun Jahren, Daten von 200 Millionen Wahlberechtigten, um Schwarze, die damals mehrheitlich Demokraten wählten, mit „Negativwerbung“ gezielt vom Wählen abzuhalten.
Andere Berichte zeigen, dass Facebook es zulässt, dass Immobilienwerbung nur Weißen angezeigt wird (und nicht Schwarzen) und erst 2017 die Möglichkeit, Werbeanzeigen an selbsterklärte „Judenhasser“ auszuspielen, entfernte.
Und manchmal ist es auch schlicht Unwissen oder mangelndes Bewusstsein, das zu einem Problem führt.
Im Juli 2023 wurde zum Beispiel bekannt, dass die Polizei in England das Meta-Pixel auf Meldeseiten für häusliche Gewalt verwendete und diese sensiblen Daten an Meta weiterleitete. Damit waren die Menschen für Meta als mögliche Opfer häuslicher Gewalt erkennbar.
Mikrotargeting mag also nach einer tollen Chance für Selbstständige und Unternehmen klingen, ja.
Doch es stellt inzwischen immer mehr eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie dar, die so langsam nicht mehr wegdiskutiert werden kann.
Die Stimmung wird beeinflusst, politische Entscheidungen werden beeinflusst, Wahlen werden durch Mikrotargeting beeinflusst.
Und Selbstständige und Unternehmen, die Mikrotargeting nutzen, unterstützen mit jeder Kampagne dieses Geschäftsmodell.
Und auch hier will ich dir einfach mal drei Fragen mitgeben:
Was passiert mit Vertrauen, wenn Werbung sich wie Überwachung anfühlt?
Willst du Teil eines Systems sein, das Menschen weniger frei statt freier macht?
Willst du mit deinem Geld ein System unterstützen, das immer öfter die Demokratie gefährdet?
#4 Manipulation
Kommen wir zum vierten wichtigen Aspekt: der Manipulation.
Mikrotargeting kann Menschen nämlich unbemerkt in eine ganz bestimmte Richtung lenken – emotional, politisch oder kommerziell.
Ich will jetzt damit nicht sagen, dass das über Lügen geschieht, sondern einfach nur durch gezielt platzierte Inhalte, die bestimmte Emotionen triggern – Angst, Hoffnung, Unsicherheit, was auch immer.
Das ist problematisch, weil …
Nutzer*innen so gar nicht merken oder wissen, warum sie etwas sehen.
Weil Werbung sie oft in verletzlichen Momenten trifft, zum Beispiel nach einer Trennung, Krankheit oder einem Jobverlust
Oder weil Entscheidungen nicht mehr aus innerer Überzeugung entstehen, sondern aus einer extern gesteuerten „Stimmungslage“.
Auch hier wieder ein Beispiel:
Stell dir vor, du hast gerade eine Phase, in der du vermehrt an dir selbst zweifelst. Vielleicht hat dir jemand abgesagt, du hast einen Pitch verloren oder dich mit deinem Partner oder deiner Partnerin gestritten.
Du scrollst durch Social Media und dann erscheint genau in diesem Moment eine Anzeige und da heißt es:
„Bist du manchmal unsicher, ob du wirklich gut genug bist?
Hier ist dein Weg raus aus der Selbstsabotage.
Nur noch heute: 50 % Rabatt auf mein Intensiv-Coaching.
Du denkst:
„Wow – das passt ja gerade wirklich wie die Faust aufs Auge.“
Aber die Frage ist:
Passt es wirklich zu dir – oder nicht viel mehr zu deinem temporären emotionalen Zustand?
Diese Anzeige wurde dir nämlich nicht zufällig ausgespielt.
Sondern basierend auf deinem bisherigen Verhalten oder deinem aktuellen Verhalten:
– deinen Suchbegriffen
– deinen Likes
– deiner Verweildauer bei bestimmten Inhalten
– deinen Klicks auf Beiträge mit ähnlichen Emotionen
- und so weiter
Was hier passiert, ist keine reine Information.
Das ist Stimmungsausnutzung, könnte man sagen.
Dein Bedürfnis wird nicht nur angesprochen, sondern auch verstärkt – damit du kaufst.
Solche Strategien können dazu führen, dass du Kaufentscheidungen triffst,
– die du später vielleicht bereust
– die du dir eigentlich nicht leisten kannst
– oder die auf einem kurzzeitigen Gefühl basieren statt auf wirklichem Bedarf
Und das passiert, wie gesagt, alles nicht zufällig, sondern weil Algorithmen gelernt haben, wie sie dich „weichkochen“ können.
Nicht weil du schwach bist, sondern weil du einfach ein Mensch bist.
Auch hier habe ich ein paar Reflexionsfragen für dich:
Wann hast du dich zuletzt emotional von Social Media Ads angesprochen gefühlt – und war dir klar, warum?
Wie würdest du es finden, wenn deine eigenen Unsicherheiten gezielt für Werbezwecke genutzt würden?
Wenn du selbst Werbung schaltest: Nutzt du gezielt bestimmte Emotionen, um Menschen zu „aktivieren“? Und wenn ja – wie weit möchtest du da gehen?
#5 Diskriminierung – wer wird ausgeschlossen oder anders behandelt?
Kommen wir zum letzten Punkt: der Diskriminierung.
Mikrotargeting funktioniert über Profile, und Profile basieren auf Vorannahmen.
Das kann dazu führen, dass Menschen bestimmte Informationen gar nicht mehr sehen, weil ein Algorithmus entschieden hat, dass sie „nicht zur Zielgruppe“ gehören.
Das kann zum Beispiel dazu führen, dass …
Frauen seltener Finanz- oder Tech-Anzeigen zu sehen bekommen
ältere Menschen weniger digitale Weiterbildungsangebote sehen
Menschen mit Migrationsgeschichte bewusst ausgelassen werden
oder politische Filterblasen sich weiter verhärten
Zum Beispiel kann es sein, dass Arbeitgeber gezielt Anzeigen nur an junge, männliche User ausspielen – obwohl vielleicht auch ältere oder weibliche Bewerber*innen grundsätzlich infrage kommen würden.
Heißt konkret:
Du als Frau über 40 bekommst du die Anzeige für den gut bezahlten Job vielleicht gar nicht zu sehen – weil ein Algorithmus entschieden hat, dass du nicht zur Zielgruppe passt oder weil Werbetreibende beschlossen haben, die Werbeanzeige nur an Männer auszuspielen.
Und das alles bemerkst du gar nicht, weil du natürlich nie erfährst, was du nicht gesehen hast.
Auch hier möchte ich dir ein paar Fragen zum Weiterdenken geben:
Ist es okay, Anzeigen nur bestimmten Gruppen zu zeigen, auch wenn andere genauso qualifiziert oder interessiert wären?
Würdest du wollen, dass ein Algorithmus entscheidet, welche Inhalte du siehst und welche nicht?
Welche Targeting-Optionen nutzt du, wenn du Werbung auf Social Media schaltest? Ist dir klar, wen du damit gezielt ausschließt?
Fazit
Du siehst: Es ist eine ganz schön komplizierte Sache: Mikrotargeting ist im digitalen Marketing allgegenwärtig – und auf den ersten Blick auch effektiv.
Es ermöglicht punktgenaue Werbung, verspricht höhere Reichweite, bessere Conversion-Raten und gezieltere Ansprache.
Doch diese Vorteile haben ihren Preis: den Schutz unserer Daten und unserer Privatsphäre, unsere Entscheidungsfreiheit und vielleicht sogar demokratische Grundwerte.
Die zentrale Frage, die für mich am Ende bleibt, ist:
Wie wollen wir Marketing machen?
Als Menschen, die einladen und auf Augenhöhe kommunizieren – oder als Teil eines Systems, das immer wieder manipuliert, ausschließt und überwacht?
Shownotes

Themenwünsche?
Wenn dir ein wichtiges Thema im Podcast fehlt, sag mir gerne Bescheid. Ich freu ich mich auf deine Nachricht.