Social-Media-frei

Der Podcast für Marketing ohne Likes, Reels & Selfies


Mock-up eines Smartphones mit dem Podcast ‚Social-Media-frei‘ von Alexandra Polunin – Folge: „Ein kritischer Blick auf Social-Media-Coaches“

Worum geht’s?  

In diesem Podcast nehme ich soziale Medien kritisch unter die Lupe und spreche darüber, wie Selbstständige online sichtbar werden können, ohne ständig ihr Frühstück auf Insta zu posten.

Es geht um „immergrüne“ Marketingstrategien und darum, wie Selbstständige entspannt und nachhaltig ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen.

Dauergeposte und Dauerhustle nicht nötig!

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Alles doof außer LinkedIn? Interview mit Positionierungsberater Sascha Theobald

In dieser Podcastfolge habe ich Sascha Theobald zu Gast. Sascha berät andere Selbstständige bei ihrer Positionierung und hat als Berater Social Media den Rücken gekehrt, ist dann aber nach einiger Zeit zu LinkedIn zurück. Warum? Das wird er uns im Interview erzählen.

In dieser Podcastfolge habe ich Sascha Theobald zu Gast. Sascha berät andere Selbstständige bei ihrer Positionierung und hat als Berater Social Media den Rücken gekehrt, ist dann aber nach einiger Zeit zu LinkedIn zurück.

Warum? Das wird er uns im Interview erzählen. Und wir werden natürlich darüber sprechen, wie sein Marketing (fast) ohne Social Media genau aussieht und warum er Positionierung für Selbstständige für so wichtig hält.

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Wie kam es zum Social-Media-Ausstieg?

[Alex] Ja, hallo Sascha, du bist seit fast zwei Jahrzehnten inzwischen selbstständig, habe ich auf deiner Website gelesen, hast du gerade noch im Vorgespräch gesagt, und du hast dich jetzt vor rund zwei Jahren von den meisten deiner Social-Media-Kanäle verabschiedet. Wie kam es dazu?

[Sascha] Das war tatsächlich ein Prozess, der sich länger angebahnt hatte. Das war also keine Übersprungshandlung von einem Tag auf den anderen. Ich war sehr lange in den Social Media aktiv, vor allen Dingen Twitter war mein Lieblingsnetzwerk, habe da auch viel gemacht, habe da auch Kunden drüber gewonnen.

Und irgendwann merkte ich, dass mich eher diese ganzen Inputs, die man da so gegen den Kopf geknallt kriegt, belasten, dass das zunehmend anstrengender wurde.

Wo früher für mich viel auch so persönlicher Austausch, also mit vielen tollen Menschen, die ich da kennengelernt habe, stattfand, war da immer mehr Belangloses. Also es ging ganz viel um Meinung. Jeder hatte irgendwie das Bedürfnis, alles kommentieren zu müssen.

Es gab sehr viel, naja, zunehmend Hass und Hetze. Wo gerade dann auch, also mal davon abgesehen, dass ich mir das nicht den ganzen Tag antun möchte, aber natürlich auch die ethischen Gedanken, das heißt gerade bei heute X und Facebook hat man so ein bisschen den Eindruck gehabt, das läuft völlig unkontrolliert aus dem Ruder. Da finden Dinge statt, die ich überhaupt nicht gut fand und nicht unterstützen möchte.

Aber halt auch einfach die Tatsache, dass Postings immer lauter, immer, ich nenne es immer pseudo-emotionaler wurden. Also das ist ja keine Emotionalität, die echt ist, sondern um was zu provozieren. Und es wurde immer provozierender gepostet, um Interaktionen zu provozieren und damit halt natürlich die Sichtbarkeit zu steigern.

Und ich habe für mich irgendwann überlegt, also da bin ich ein relativ nüchterner Mensch und habe einfach abgewogen: Wo sind die Vorteile? Wie dringend brauche ich das wirklich für mein Business und was kostet es mich?

Viele sagen oder so der Tenor ist, Social Media ist kostenlos. Wir Selbstständige können da kostenlos Werbung machen, können kostenlos mit Millionen von Menschen in Kontakt kommen, aber es ist nicht kostenlos.

Weil wenn wir mal das Geld beiseite lassen, es kostet sehr viel Zeit, sehr viel Energie und für mich war es halt, wo ich früher wirklich regelmäßig Kunden gewonnen hatte, einfach weniger geworden und stand nicht mehr in Relation zu dessen, was es mich an Energie gekostet hat. Und dann habe ich tatsächlich auch an die Konsequenzen überlegt.

Kann ich das als Business, als Kundengewinnungstool tatsächlich verschmerzen, das komplett abzuschalten? Brauche ich das für meinen Job? Sieht das komisch aus, wenn ich als Kommunikationsmensch das jetzt irgendwie abschalte? Muss ich nicht eigentlich wissen, was da stattfindet, um meine Kunden noch ordentlich zu beraten?

Aber mir wurde halt bewusst, ich bin kein Social-Media-Berater, ich bin kein Online-Marketing-Berater, ich bin Positionierungsberater. Ich kenne die Mechanismen der Social Media, ich sehe sie ja weiterhin, aber ich bin an diesem großen Zirkus einfach nicht mehr beteiligt. Und das konnte ich guten Gewissens entscheiden und für mich hat das auch sehr gut funktioniert.

Wie bist du beim Social-Media-Ausstieg vorgegangen?

[Alex] Und wie bist du dann konkret vorgegangen, als du dich entschieden hast, die zu verlassen? Also hattest du zum Beispiel einen letzten Post, wo du dich verabschiedet hast oder wie bist du da vorgegangen?

[Sascha] Also ich habe meinen kompletten Gedankengang in einem Blogbeitrag tatsächlich aufgeschrieben.

Zum einen, um zu zeigen, was so an Gedanken dahinter steckte, aber halt auch um …, mir war wichtig, andere Selbstständige dazu anzuregen, sich diese nüchternen Gedanken auch mal zu machen und nicht blind diesem „Ihr müsst alle auf Social Media sein“ zu folgen.

Habe da auch die Vorteile und Nachteile abgewägt und habe da auch erklärt, wie mein weiterer Weg sein wird. Also zu welchem Datum schalte ich ab, dass ich wirklich alles komplett abschalte.

Ich habe darauf hingewiesen, worauf ich mich dann in meinem Marketing fokussieren werde, wie man mir weiter folgen kann und bin damit dann auch in alle Netzwerke, in denen ich noch aktiv war, reingegangen und habe da Posts abgesetzt, habe angekündigt – ich glaube, das war irgendwie 6. April oder so bin ich weg, konsequent hier. Und habe den Beitrag verlinkt, habe dann noch mehrmals das wiederholt, damit es wirklich möglichst viele mitbekommen.

Und habe immer wieder auch darauf verwiesen, dass es meinen Letter gibt. Also wer tatsächlich …, weil viele haben geschrieben „Ach wie schade, ich habe immer deine Posts gern gelesen oder mich mal mit dir ausgetauscht“. Und um denen halt quasi nicht so völlig vom Schirm zu fallen, habe ich immer wieder hingewiesen, dass es halt meinen Letter gibt.

Und als der Tag dann tatsächlich da war, habe ich so einen letzten Bin-Weg-Gruß quasi gepostet und habe ein paar Stunden später abgeschaltet und habe in die Profile jeweils reingeschrieben, ist nicht mehr aktiv und bitte hier Website und Letter.

Soweit das ging, habe ich die Profile deaktiviert und nicht komplett gelöscht, weil ich nicht wollte, dass jemand dann meinen Account oder meinen Account-Namen kapert und darunter irgendein Schindluder macht, was anderen teilweise passiert ist.

Bei einigen sozialen Netzwerken kann man tatsächlich das so deaktivieren, dass es nicht mehr findbar ist und man unsichtbar ist. Und bei anderen ist es halt so, da ist das Profil noch da, dann kann man das auf privat stellen, dass quasi Leute, die nicht im Netzwerk sind, auch die Posts nicht mehr sehen. Man kann aber in dieser Biografiebeschreibung irgendwie noch einen Hinweis geben und das habe ich halt komplett gemacht.

Wie haben Menschen auf deinen Social-Media-Ausstieg reagiert?

[Alex] Und wie haben dann die Menschen auf deine Abschiedspost reagiert? Was haben die kommentiert?

[Sascha] Also so die engen Kontakte, die Follower, waren also auf der einen Seite traurig tatsächlich und haben gesagt „Wie schade, hier geht wieder noch ein Guter“. Also im Gegensatz zu denen, die so laut und meinungs- und hassmäßig da unterwegs sind.

Aber was tatsächlich sehr, sehr interessant war, ist, dass 99,9 Prozent der Menschen, und da ist es auch tatsächlich egal, ob das Kollegen aus dem Marketing waren oder ob das Menschen in ganz anderen Berufen waren, die haben meine Argumente verstanden, teilten die ganz oft. Also sie sagten auch „Ja, ich finde das auch anstrengend und das mit dem Hass“ oder mit dem ganzen Social Selling ist halt auch sowas, was völlig absurde Wege in der Zwischenzeit genommen hat und die Leute finden es tatsächlich auch blöd.

Sind aber dann tatsächlich nicht wirklich oder noch nicht bereit, diesen Schritt zu gehen, weil die Selbstständigen zum Beispiel sagen „Ja, aber kann ich denn ohne überhaupt noch Kunden gewinnen? Man muss doch heute auf Social Media sein.“

Und der Tenor war tatsächlich, das ist so ein Übel, das ich in Kauf nehmen muss, beziehungsweise eingehen muss, um als Selbstständiger sichtbar zu sein und Kunden gewinnen zu können.

Und dieser Tenor, der da von vielen Coaches und Gurus umhergetrieben wird, was Social Media alles für ein Wunderwerk für Selbstständige und Business an sich ist, ist bei den Menschen so fest im Kopf drin, dass sie halt auch gar nicht für sich selber nüchtern abwägen, ob es sich für sich noch lohnt. Und gar nicht über den Tellerrand drüber gucken, ob es tatsächlich andere Maßnahmen gibt, die für sie passender sind und, also das weiß ich ja aus eigener Erfahrung, einfach mehr Wirkung bringen.

Und das war halt so dieses Unverständnis, nicht Unverständnis, aber so dieses „Schade, dass du weg bist“ und aber dieses Verständnis für die Argumente, es gab tatsächlich ganz, ganz wenige … Ich erinnere mich gerade an eine Kollegin, die tatsächlich darüber einen Blogbeitrag geschrieben hat und wiederum meinen Gedankengang zerpflückt hat in der Art und Weise, dass sie sagte, ob das die richtige Entscheidung ist, ob das der richtige Weg ist. Sie wird das anders sehen und glaubt, dass, was ja auch stimmt, man kann Stellhebel in seinen eigenen Netzwerken selbst beeinflussen. Also das heißt, man kann gucken, wer im eigenen Netzwerk reinkommt, wen man mutet oder blockiert. Und hat sich da sachlich mit auseinandergesetzt und kam für sich und sie war halt auch oder ist beratend unterwegs, als Beratende da auch zu einem anderen Schluss. Aber 99 Prozent war wirklich positiv und verständnisvoll.

[Alex] Und jetzt bei deinen Kund*innen auch. Also wenn ich mir jetzt überlege, du bist jetzt zwei Jahre nicht mehr auf Social Media, richtig? Hast du in der Zwischenzeit mal irgendwie Anfragen gehabt und als dann klar wurde, du bist nicht mehr auf Social Media, war das dann „Nee danke, dann lieber nicht?“ Oder hast du solche Situationen noch nie erlebt?

[Sascha] Überhaupt nicht. Das Ding ist und das Interessante und das hat mich auch bestärkt, die Art von Menschen, die mit mir arbeiten, sind in der Regel auch eher die ruhigeren, eher die tiefgründigeren. Und ich arbeite eigentlich nicht mit Rampensäulen. Das ist nicht, dass ich sage, ich will nicht mit euch arbeiten, aber das sind halt nicht meine Wunschkunden. Und das, glaube ich, merkt man auf meiner Website und in meinen Posts. Und diese Menschen fühlen sich dann auch nicht angesprochen.

Die Menschen, mit denen ich arbeite, und das war auch schon eine ganze Weile vor meinem Ausstieg so, eine Standardfrage ist, oh, muss ich denn Social Media machen? Ich habe da überhaupt keinen Bock drauf. Und ich glaube, ich bin da einer der wenigen, der direkt sagt: Nee, muss nicht. Kann, kann funktionieren. Wir werden auf jeden Fall darüber sprechen, ob irgendwas davon sinnvoll ist. Aber von mir werden sie nicht hören, dass das muss, dass das Pflicht ist, um überhaupt erfolgreich ein Business führen zu können.

Warum bist du nach einer Zeit zu LinkedIn zurück?

[Alex] Nun hast du ja nicht alle Kanäle, oder du hattest zuerst alle Kanäle gelöscht, aber dann bist du zu LinkedIn zurück. Ist LinkedIn für dich anders als die Meta-Kanäle Instagram und Facebook oder was hat es damit auf sich?

[Sascha] Ja, also erst habe ich alle komplett abgestellt und ich habe einfach gemerkt, wenn ich Menschen treffe, also das heißt, wenn ich, ob das jetzt online oder im realen Leben, Kontakte knüpfe, fehlt mir etwas, um tatsächlich unkompliziert Kontakt zu halten.

Also dass ich diese Menschen auf dem Schirm behalte, dass man sich auch mal unkompliziert austauschen kann, dass man merkt, was bei denen Neues ist etc. Und das hat mir gefehlt.

Das habe ich eine Zeit lang beobachtet, ob ich da gut mit klarkomme oder nicht. Und es war tatsächlich so, dass ich dachte, nee, du schaffst es einfach nicht, auf anderem Wege wirklich das unkompliziert zu halten, in Kontakt zu bleiben.

Das ist ja dann auch immer eine Frage der Menge und der Intensität, so seinen engsten Kreis in Kontakt zu bleiben geht. Aber so Menschen, die man jetzt bei einer Online-Konferenz kennengelernt hat oder so, da ist das schon deutlich schwieriger.

Und ich bin dann tatsächlich hingegangen und habe gesagt: Okay, LinkedIn ist das Netzwerk, was für mich am besten passt und was für diese Aufgabe am besten passt. Also wirklich Kontakte pflegen und wo tatsächlich auch diese Menschen, mit denen ich da Kontakte knüpfen möchte, eigentlich auch alle sind. Das trifft ja auf andere Kanäle einfach nicht mehr zu.

Und bin dann testweise wieder reingegangen und habe im Vorfeld mir Dinge überlegt, die ich anders machen möchte.

Also das heißt selektiver damit umgehen, wem ich folge, mein Stream tatsächlich, ich nenne es mal, sauber zu halten und Menschen, die mich nerven, die so ein plattes Social Selling machen, die irgendwie diese Direktnachrichten schicken mit „Hey, lass uns mal Kooperation oder du brauchst doch bestimmt das und das“ … da einfach konsequenter zu sein und die Sache für mich machbarer und nicht so belastend zu machen.

Und das funktioniert an sich gut. Das ist immer noch in so einer Beobachtungsphase, definitiv. Aber ich merke halt auch, dass wenn ich in diesem neuen Modus für mich, ich nenne es mal gesünder, damit umgehe, dass ich zum einen eine gute Wirkung, also das ist jetzt seit dem Wiedereinstieg noch nicht riesig groß geworden oder so, aber schon so mit Kontakten wieder merke, dass sich da was belebt.

Und ich komme gut damit zurecht und kann das gut in meinen Alltag integrieren, weil ich in der Zwischenzeit halt auch nicht mehr jeden Tag dreimal dann irgendwie nachgucke, was ist, sondern das wirklich komprimierter mache und da feste Blöcke für eingeplant habe und das funktioniert für mich sehr gut.

Und LinkedIn ist da einfach auch ein ruhigeres Netzwerk, wo dieses Hass, Hetze, Meinung auch da ist, aber einfach weniger und es ein bisschen ruhiger zugeht und der Business-Fokus für mich ganz wichtig ist.

Da ist wirklich dieses ganze Butterbrot-Posten, ich war heute am Strand, was weiß ich was, Kaffee hier getrunken, was auch immer, ist da weniger. Dafür ist dieses Social Selling da einfach präsenter, aber vieles, was genervt hat, gerade so auf Twitter etc., ist da deutlich weniger.

Wie sieht dein Marketing ohne Social Media aus?

[Alex] Du hast ja jetzt schon am Anfang gesagt, dass du soziale Medien auch gar nicht wirklich gebraucht hast, jetzt bis auf LinkedIn. Was machst du denn stattdessen? Also kannst du das mal entlang der Customer Journey durchspielen? Wie wirst du online gefunden? Wie baust du Vertrauen auf? Wie verkaufst du ohne Social Media?

[Sascha] Ja, also mein Fokus in meinem eigenen Marketing ist tatsächlich meine eigene Website.

Mit … früher hätte ich Blog gesagt, heute sage ich Content Hub. Also ich veröffentliche Beiträge, kümmere mich da um SEO. Also das heißt, für mich ist tatsächlich ein wichtiger Punkt, wie ich gefunden und dann auch gebucht werde, dass die Menschen nach was googeln, mich dann finden und das, was ich da schreibe, für sich ansprechend finden.

Ich versende einen Letter, einen Newsletter, der dann eher natürlich zur Bindung und zur Pflege ist. Ich, was ich auch gestärkt habe, seitdem ich aus den Social Media raus bin, ich gebe Interviews, ich veröffentliche Gastbeiträge, um quasi in Kanäle zu kommen, die meine Wunschkunden konsumieren. Da halt tatsächlich auch einfach mit Themen, die für mich relevant sind und für die Zielgruppe dann in diesem Medium einfach Sinn machen.

Oder wie zum Beispiel in Büchern, wie zum Beispiel in deinem neuen Buch, dann mit einem Interview dabei zu sein und einfach über seine eigene Arbeit, seine eigenen Ansätze zu sprechen.

Und natürlich sind Empfehlungen einfach auch ein wichtiger Punkt, eine ordentliche Arbeit abzuliefern, ordentlich mit den Kunden zu arbeiten und wirklich Gutes zu schaffen, sodass die dann tatsächlich aus eigener Intention, also ich bin keiner, der sagt, bitte empfehle mich weiter und das pusht. Sondern die Menschen, die mit mir gearbeitet haben und sagen, das hat mir geholfen, das hat mir wirklich ermöglicht, dies, das und jenes zu schaffen, dass die darüber erzählen. Das ist natürlich die ehrlichste und direkteste Art und Weise von meiner Arbeit aus einer anderen Perspektive. Also nicht ich erzähle, was ich mache, sondern die Menschen, die mit mir gearbeitet haben, erzählen, wie sie das empfunden haben und was da tatsächlich sich verändert hat, was ja einfach ganz wichtig ist.

Das Vertrauen schaffen ist für mich tatsächlich über meine Inhalte.

Ich habe für mich den Anspruch, mit meinen Inhalten Einblicke zu geben. Ich nenne es immer die virtuelle Bürotür öffnen.

Also ich bin nicht Wikipedia. Ich muss nicht einfach nur Fachbegriffe erklären und irgendwie drei Tipps dazu um die Ohren hauen, sondern ich versuche tatsächlich einen Einblick zu geben, wie ich arbeite, wie ich Themen sehe. Meine Überzeugungen sind ganz wichtig.

Ich möchte nicht den Standard da irgendwie runterspulen, sondern ich möchte auch zeigen, wie jetzt zum Beispiel mit dem Ausstieg aus Social Media, dass ich da eine andere Haltung zu habe, als die meisten anderen in unserem Marketing-Kommunikationsfeld.

Und das ist wichtig für das Vertrauen, weil die Menschen, das bekomme ich immer wieder als Feedback, tatsächlich sagen, das hat mich sehr angesprochen, ich habe mich darin wiedergefunden.

Das heißt, ich gehe sehr konkret auch in die Situation meiner Wunschkunden und gebe denen das Gefühl, dass ich die Situation, das Problem, den Wunsch verstehe und gehe dann den Weg oder den gedanklichen Ansatz durch, den ich da für richtig und wichtig halte. Und das ist tatsächlich für das Vertrauen unbezahlbar.

Also Menschen, die bei mir auf der Website so ein paar Beiträge gelesen haben, die rufen bei mir an und sagen, das hat mich sehr angesprochen. Und wenn die dann irgendwie zehn Minuten mit mir telefoniert haben, sagen die: Sie klingen genauso, wie ich mir Sie mir vorgestellt habe, aufgrund der Texte. Also Sie klingen genauso wie auf Ihrer Website.

Und ich merke, seitdem ich das mache, dass dieses Vertrauen gar kein Problem mehr ist. Also wo früher, ich habe früher als Designer gearbeitet, ganz oft so ein Gespräch mit „Wir brauchen eine Website, wir brauchen dies und das, was kostet das denn?“ anfing. Und seitdem ich tatsächlich veröffentliche, sowohl auf meiner Website als auch auf anderen Plattformen, und die Menschen tatsächlich so ein bisschen in meinen Kopf gucken können und in meine Arbeit, in mein Büro reingucken können, steht das ganz weit hinten.

Die Menschen haben das Gefühl, mich greifen zu können, mich besser zu verstehen, als wenn sie jetzt irgendwie nur einen nüchternen Erklärbeitrag lesen. Und das ist für mich tatsächlich, warum ich da auch sehr viel Zeit investiere, diese Art von Beiträge zu schreiben, die bei mir halt auch oft länger sind und tiefer gehender sind, als das zum Beispiel auf Social Media ist.

Das heißt, wenn auf Social Media eher so die kurzen plakativen Headlines rausgehauen werden, das ist nicht so meins, gehe ich lieber rein und sage, okay, was heißt das denn konkret und was heißt das aus der Perspektive, was hat das für Vor- und für Nachteile und für wen eignet sich das eher und für wen nicht.

Und ich glaube, die Menschen merken dann einfach, wer nur die üblichen Phrasen drescht oder wer tatsächlich konkret wird und wer da auch eine eigene Meinung und Überzeugung hat.

Und der dritte Punkt, den du angesprochen hast, Verkaufen, den kann ich gar nicht so klar benennen, der ist bei mir gar nicht so separat, weil ich kein Angebot habe, also Positionierungsberatung ist jetzt nichts, was man irgendwie, man sieht eine Anzeige, klickt drauf und bucht das.

Sondern bei mir ist es tatsächlich oft diese Reise, dass Menschen irgendwann über mich gestolpert sind, zufällig in Anführungsstrichen, und immer mal wieder von mir lesen und hören. Und dann, wenn der Bedarf da ist, wenn sie merken, oh, jetzt muss ich echt was tun, es läuft nicht mehr so wie früher oder ich merke, ich komme immer wieder ins Trudeln, wenn ich erzählen soll, was ich mache und wofür ich stehe, dann haben die im Hinterkopf, mich auf der Kurzwahl-Taste und dann melden die sich.

Und das ist für mich immer wirklich faszinierend und überraschend, was in so Kennenlerngesprächen für Sätze kommen. So dieses, ach, ich lese sie schon seit zwei Jahren, irgendwie ihren Newsletter. Oder ich habe damals noch den und den Beitrag auf dem und dem Blog gelesen, wo ich schon überlegen muss, was war das denn damals nochmal? Also ich hatte, ich glaube, letztes Jahr war das, eine Anfrage und der Mensch war seit, ich glaube, acht Jahren irgendwie bei mir im Newsletter und ich hatte den gar nicht so auf dem Schirm. Und dann meldet er sich und sagt, ich brauche jetzt Unterstützung.

Und das ist dann so der Punkt, wie ich verkaufe, ich sage mal so über Reputation und so eine mentale Kurzwahltaste nenne ich das.

Also wirklich da klar abgelegt zu sein, wenn der Bedarf da ist, dass die Leute wissen, ah, da war doch der, den fand ich irgendwie gut.

Warum ist eine Positionierung fürs Marketing so wichtig?

[Alex] Egal, ob mit Social Media oder ohne Social Media, du sagst, erfolgreiches Marketing braucht eine klare Positionierung. Du hast schon gesagt, du hilfst Selbstständigen bei der Positionierung. Warum ist das so wichtig für Selbstständige, sich da klar zu positionieren?

[Sascha] Ja, also bei Selbstständigen und ich arbeite ja wirklich nicht hauptsächlich, sondern nur mit Solo-Selbstständigen. Wir wollen ja als Selbstständige unser Ding machen. Wir wollen selbstbestimmt arbeiten. Wir wollen souverän auftreten. Wir wollen was bewirken. Und da ist halt oft das Problem, dass den Menschen Klarheit fehlt.

Das heißt, viele sind zu breit aufgestellt, wollen zu viel potenzielle Kunden, zu viel potenziellen Umsatz mitnehmen, wissen nicht genau, wie sie vermitteln sollen, was sie ausmacht, was sie tatsächlich bewirken, was sie leisten und sind dann sehr beliebig in ihrem Auftritt und gehen in der Masse unter.

Und das ist wirklich ein großes Problem. Und da ist sowohl in den Social Media ist das ein riesiges Problem, aber natürlich genauso bei Google, bei YouTube, wo auch immer man veröffentlicht und findbar werden möchte oder Aufmerksamkeit schaffen möchte, ist es sehr, sehr wichtig, dass man klar aufgestellt wird und einen Fokus gezogen hat, einen roten Faden für sich hat, den Menschen auch tatsächlich gut abspeichern können.

Also das heißt, dieses Merkbarwerden, Greifbarwerden und Merkbarwerden ist tatsächlich existenziell, um ein Business zu schaffen, was selbstbestimmend ist, was nicht dieses, ich mag „selbst und ständig“ als Erklärung für Selbstständigkeit überhaupt nicht. Ich finde, Selbstständige sollten nicht selbst und ständig sein.

Das heißt, viele sind ja in so einem, ich nenne es gerne so Rödeln-Modus, also dieses, die arbeiten viel rund um die Uhr und das ist ja auch das Bild, was man von uns Solo-Selbstständigen hat, die arbeiten rund um die Uhr und verdienen schlecht.

Das ist so diese prekäre Situation, die auch da in der Politik gerne dargestellt wird. Und um daraus halt wirklich was Selbstbestimmtes zu machen und zu gestalten, wie man arbeiten möchte, mit wem man arbeiten möchte für uns Selbstständige, ein ganz wichtiger Punkt, dieser Freiheitsgedanke.

Ich möchte bestimmen, mit wem ich arbeite. Ich möchte ablehnen können und den Freiraum auch finanziell dafür haben, zu sagen, nee, das passt nicht. Such dir lieber den und den Berater. Und tatsächlich, wie ich möchte.

Ich sehe immer wieder Selbstständige sagen, ja, ich mache hier Stundenkontingente. Eigentlich mag ich gar nicht per Zeit abrechnen oder so Zeit zu stoppen und zu protokollieren, aber die Kunden wollen das ja so.

Und Positionierung ist halt tatsächlich ein Weg, sich sein Business so zu gestalten, wie es einem entspricht und halt auch zu gestalten, wie man selbst wahrgenommen wird. Weil tatsächlich, das ist nicht vorgegeben, wie Kunden einen wahrnehmen und was man erfüllen muss, sondern man kann selbst beeinflussen und gestalten, wie Menschen einen wahrnehmen sollen im Optimalfall und wer sich davon angesprochen fühlt und wie dann so eine Zusammenarbeit aussehen kann.

Das heißt, eine Positionierung ist deswegen wichtig, weil sie zum einen Orientierung gibt, Sicherheit.

Das heißt für mich selber, ich weiß, was ich will, wohin ich will, was ich vermitteln will, wen ich erreichen will. Und natürlich auch nach außen, ich werde greifbar. Und die Leute wissen einfach, wenn du klar positioniert bist und dann auch klar rausgehst, wo sie bei dir dran sind.

Und du hebst dich vom Wettbewerb ab, das ist heute einfach unfassbar wichtig und du schaffst Resonanz. Also das ist wirklich auch noch ein Punkt, das merke ich bei mir selber und bei Kunden.

Der Unterschied ist halt, ob du was sendest und die Leute das wahrnehmen und sagen, nett und weiter. Oder ob Menschen von dir lesen und da ist egal, ob das bei LinkedIn ein Post ist, ob das über eine Google-Suche ein Beitrag ist oder in einem Interview.

Wenn die Menschen sagen, also manchmal habe ich schon gehört, dass Menschen sagen so dieses, ich habe gedacht, sie haben den Beitrag nur für mich geschrieben. Das war so treffgenau ich. Ich war verblüfft. Ich hatte sogar mal einen Kunden angerufen, mit dem ich Jahre zuvor gearbeitet hatte. Er sagte: „Hören Sie mal, Theobald, den letzten Newsletter haben Sie doch für mich geschrieben, oder? Das war doch eins zu eins ich. Und sowas ist einfach für Interessenten total wichtig, weil sie dann, diese Resonanz gibt denen auch Sicherheit und die haben das Gefühl, hier bin ich richtig. Und das ist wirklich sehr wertvoll für Vertrauen und für abgespeichert werden. Deswegen, mein Motto ist ja Positionierung stärkt Selbstständige und das schaffen sie halt mit einem klaren Kopf und klaren Botschaften. Das hilft nach innen und nach außen.

[Alex] Woher weiß ich denn, ob ich klar positioniert bin als Selbstständige? Hast du so ein paar Kriterien?

[Sascha] Ja, so ein bisschen habe ich das eben schon angerissen.

Letztendlich, der Hauptpunkt ist: Kann ich klar vermitteln, wofür ich stehe und was ich biete, welches Problem ich löse?

Ganz viele, die zu mir kommen, sagen, naja, ich weiß an sich, was ich mache. Ich bin Karrierecoach oder Trainer für Kommunikation, Führungskommunikation, aber ich kriege das nicht konkreter darüber gebracht. Ich bin halt da einer von vielen.

Und wenn mich jemand fragt, so nach dem Motto, was machen Sie denn, dann komme ich ganz schnell in Strudeln oder ich erzähle Dinge, die die Leute total uninteressant finden, weil es halt überhaupt nicht greifbar ist. Eine Kundin von mir sagte sogar mal konkret, wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, laufen die weg. Also im übertragenen Sinne, im Sinne von die merkte dann, wenn sie anfängt so ein bisschen zu erzählen, dass die Menschen dann überhaupt kein Interesse hatten und wieder gingen.

Das heißt, man merkt, wenn man angesprochen wird, ob man klar sagen kann, wofür man steht, was man macht, welche Probleme man löst oder man fühlt sich halt selber unsicher und unsouverän.

Genauso ist es dann auch in der Wirkung. Ein sehr untrügerischer Indikator ist, welche Art von Anfragen bekomme ich und wie werde ich empfohlen?

Passt das zu dem, was ich aussende, was ich anziehen möchte oder ist das eher, naja, von allem ein bisschen?

Das heißt, wie hoch ist der Anteil der Anfragen oder Empfehlungen, die zu dem passen, was ich wirklich machen möchte?

Und wie viele, naja, Ausschuss klingt jetzt doof, aber wie viele Anfragen sind dabei, die auch völlig andere in dem Bereich erfüllen könnten?

Und da ist tatsächlich, das weiß ich auch aus eigener Erfahrung über die Jahre, umso klarer man da rausgeht und umso eindeutiger die Botschaften sind, umso treffender sind die Anfragen tatsächlich.

Das heißt, man hat ein Telefonat, ein Kennenlerngespräch mit einem Interessenten oder einer Interessentin und man hat direkt das Gefühl, ja, das passt. Da hat tatsächlich jemand auf der Website sich ein bisschen umgeguckt und hat selber auch das Gefühl gehabt, das könnte passen. Das heißt, ich verbringe dann auch weniger Zeit mit, ich sage mal, unnötigen Kennenlerngesprächen.

Ich schreibe nicht mehr Angebote für Hinz und Kunz, wo es dann eh nicht zu einem Auftrag kommt oder wo Budgeterwartungen völlig auseinandergehen. Das heißt, da ist halt der Indikator auch, schätzen die Menschen, was ich mache und wie ich es mache. Also schätzen die halt auch meine Art und wollen die nicht nur irgendwen haben.

Und das mit der Bezahlung ist tatsächlich dann auch ein häufiger Indikator. Sind die Menschen bereit, das zu zahlen, was meine Arbeit wert ist? Oder habe ich viel Menschen, die einfach vergleichen wollen? Sprich, muss ich über den Preis verkaufen? Muss ich darauf achten, dass ich günstiger bin als der Wettbewerb? Oder habe ich tatsächlich mich so positioniert, dass die Menschen sich angesprochen fühlen, dass sie so eine Resonanz haben, dass sie sagen, ich will mit dem und nicht mit einem anderen arbeiten? Das heißt, wenn Menschen mit Ihnen ein Kennenlerngespräch machen und das Thema Preis ganz hinten kommt.

Und für mich ist es immer ein gutes Zeichen, wenn die Menschen sagen, also bei mir bei Anfragen: „Oh ja, das ist nicht wenig, aber ich will das machen, das ist es mir wert, ich habe das Gefühl, bei Ihnen in den richtigen Händen zu sein und Sie gehen die richtigen Punkte mit mir zusammen an.“

Das sind so die typischen Punkte, über die ich checken kann, ob ich gut positioniert bin, wen das weiter interessiert. Ich habe da auch eine Checkliste bei mir auf der Website, wo man noch diverse Punkte für sich durchchecken kann.

Ja, ich finde da wirklich auch einen guten Hinweis oder einen Tipp, sich, wenn man Kennenlerngespräche hat, wirklich aufzuschreiben und zu protokollieren, was die Menschen anfragen, wie gut das gepasst hat und das auszuwerten, um einen Überblick darüber zu haben, wie da so die Quoten sind.

Und da geht es mir nicht darum, wie viele Abschlüsse mache ich, wie viele Menschen sagen ab, sondern wie viele dieser Menschen passen zu mir und zu dem, wie ich positioniert bin, und wie viele fliegen da einfach dran vorbei, die irgendwie nur jemanden suchen und nicht mit mir arbeiten wollen.

Was sind die Schritte zu einer klaren Positionierung?

[Alex] Und wenn ich jetzt merke, dass ich nicht klar positioniert bin, was wäre so der erste Schritt, den ich gehen könnte?

[Sascha] Also die Arbeit an der Positionierung ist sehr intensiv. Also der erste Schritt wäre für mich tatsächlich, sich bewusst zu machen, was es heißt, sich klar zu positionieren.

Leider ist da draußen oft so dieses Bild: neuer Slogan, neues Logo, neue Website und dann bin ich neu positioniert.

Im Bereich Coaching ist das so, ich habe mich als Coach oder als Berater positioniert. Und wichtig ist erstmal zu verstehen, dass das keine klare Positionierung ist, dass das keine passende Positionierung ist, sondern dass das deutlich tiefer geht, dass das wirklich sehr intensive Gespräche braucht.

Und ich bin halt auch davon überzeugt, dass das nicht quick and dirty zu erarbeiten ist. Es gibt da draußen wirklich sehr viele Angebote, Positionierung in drei Stunden oder mit einem Selbstlernkurs oder über ein Buch. Das ist alles nett gemeint, aber ich bin davon überzeugt, dass man wirklich unter die Oberfläche gucken muss.

Und dazu braucht es jemanden, der als Gesprächspartner unvoreingenommen ist, das heißt, der nicht in dieser Betriebsblindheit ist, nicht seit Jahren in dieser Suppe schwimmt, sondern der von außen drauf guckt und merkt, wo Dinge verborgen sind, die sehr wertvoll sind, wo aber auch Dinge sich eingeschlichen haben, die keinen Sinn mehr machen, die das torpedieren, die das aufweichen. Und dann würde ich tatsächlich hingehen, für mich habe ich da definiert vier Bausteine, die man bearbeiten sollte, in denen man Klarheit schaffen sollte. Der erste Baustein ist Identität.

Das ist auch ein Punkt, der sehr häufig vernachlässigt wird, weil so diese Kundenorientierung immer vorne steht. Und ich bin davon überzeugt, dass sowohl eine klare Positionierung als auch ein selbstbestimmtes Business eine Art von Selbstbewusstsein braucht.

Das heißt, da erstmal wirklich zu gucken, was macht mich aus, welche Erfahrungen bringe ich mit, was für Wissen bringe ich mit, welche Überzeugungen stehen bei mir vorne, was biete ich zum Beispiel an, was andere nicht machen? Oder was schließe ich bei mir aus, weil ich davon überzeugt bin, dass es nicht funktioniert oder dass es nicht zu einem guten Ergebnis führt?

Da sind häufig tatsächlich Dinge verborgen, entweder aus früheren Jobs oder auch aus dem Alltag, die für einen Selbstständigen selber völlig normal sind, völlig unwichtig sind. Und ein Außenstehender sagt, oh, das ist aber total besonders, das machst du, das macht doch sonst keiner.

Und da kommen manchmal Stärken und Besonderheiten zu Tage, die sehr, sehr wichtig sind. Die so eine Arbeit aus einem, ich mache dasselbe wie alle, rausholt und da wirklich was Besonderes und was Individuelles draus macht.

Ich finde da wichtig zu begreifen, dass gerade wenn wir bei Trainern, Beratern, Coaches sind, dass das Was, also das Angebot an sich in der Regel vergleichbar ist.

Wir haben nicht wie Rittersport die quadratische Schokolade, die wir als USP haben, sondern wenn ich einen Steuerberater suche, dann ist die Steuererklärung sachlich erstmal immer gleich.

Wenn ich, weiß ich nicht, einen Social-Media-Berater buche, der mir LinkedIn zeigen soll, dann ist das sachlich erst mal gleich.

Und wenn dieses Was vergleichbar ist, dann kommt es auf das Wie an. Und die Identität zu ergründen und da einzutauchen und für sich selbst zu erkennen, was man selber anders macht, was man besonders macht, ist wirklich das Fundament für alles Weitere.

Im zweiten Schritt würde ich hingehen und Wunschkunden ergründen. Das heißt, nicht nur hinzugehen und diese typische Zielgruppendefinition, Alter, Familienstand, wo wohnt er, wie viel verdient er, das ist nicht dienlich, glaube ich, sondern tatsächlich hinzugehen und sich diese Menschen anzugucken:

Was sind das für Menschen? Welche Probleme haben die? Welche Wünsche haben die? Was ist deren Situation?

Das ist ein anderer Ansatz, auf diese Menschen zu gucken und sie nicht nur als Zahlen und als Gruppe zu sehen, sondern tatsächlich in Gefühle zum Beispiel einzusteigen, Emotionen:

Wie fühlt sich das vor der Zusammenarbeit an, wenn man dieses Problem hat, wenn man in dieser Situation vielleicht schon länger steckt und wirklich Dinge ausprobiert hat und verzweifelt? Wie fühlt sich das an nach der Zusammenarbeit? Was ändert sich für diese Menschen? Also auch wirklich greifbar machen zu können, was verändert sich nicht nur in der Sache, sondern wie verändert sich das Leben dadurch oder andere Aspekte? Welche Auswirkungen hat Produktivität auf Familie? Welche Auswirkungen hat eine klare Buchhaltung damit, dass ich besser schlafen kann, dass ich mich sicherer fühle und souveräner irgendwie auftreten kann zum Beispiel?

Das sind alles Dinge, die man ergründen sollte, um, wir haben eben darüber gesprochen, diese Resonanz tatsächlich zu stärken. Denn nur wenn ich weiß, wen genau ich ansprechen möchte, kann ich auch entsprechende Angebote aufbauen, kann entsprechende Botschaften senden und da wirklich ganz zielgenau vorgehen. Und umgekehrt, wenn ich mir dann Gedanken mache, mit wem möchte ich eigentlich nicht arbeiten, also Anti-Wunsch-Kunden definieren, dann kann ich zum Beispiel meine Texte und Angebote auch so aufstellen, dass diese Menschen sich nicht angesprochen fühlen.

Das heißt, ich muss nicht hinschreiben. „Hey, bitte Rampensau, komm nicht zu mir, das passt nicht.“ Aber indem ich halt zum Beispiel schreibe, dass das tiefgründigere Dinge sind oder dass man auch für Leisere dieses oder jenes schafft, kann man natürlich die einen mehr anziehen und die anderen eher auf Abstand halten.

Der dritte Punkt, den ich empfehle, da durchzugehen, ist Wert.

Viele Selbstständige haben tatsächlich Schwierigkeiten damit, den Wert ihrer Arbeit zu vermitteln. Das heißt, die können erzählen, was sie machen, was ihre Leistung ist, aber das ist vergleichbar. Diese Leistung, ich berate das und das, ich coache das und das, ist absolut vergleichbar.

Wichtig ist tatsächlich diese Kombination aus, was kann ich besonders gut, was mache ich besonders gerne und was brauchen meine Wunschkunden, was wollen die, was ist deren Bedürfnis. Die Schnittmenge zu nehmen und da den Wert herauszuarbeiten. Und das kann tatsächlich für denselben Beruf, für dasselbe sachliche Angebot sehr unterschiedliche Dinge sein. Wenn ich zum Beispiel Rhetoriktrainings mache, kann es darum gehen, Lampenfieber wegzukriegen oder zu reduzieren oder es kann darum gehen, die körperliche Präsenz zu stärken oder, oder, oder.

Das heißt, den Wert, den das für die Wunschkunden hat, zu verdeutlichen, zeigt einfach auch nochmal, in welcher Situation ist das das optimale Angebot, bin ich der optimale Ansprechpartner? Und es zeigt natürlich oder es holt aus dieser Vergleichbarkeit der Leistung und zeigt den Menschen wirklich oder macht es spürbar, was sich verändert und fördert natürlich dann auch, dass man den Wert sieht, was sich natürlich dann auch auf zum Beispiel Honorare auswirkt.

Das heißt, umso besser ich vermitteln kann, welchen Wert meine Arbeit hat für den Menschen, umso besser kann ich meine Honorare vertreten, weil ich halt gar nicht irgendwie groß erklären muss in einem Kennenlerngespräch, sondern weil die Menschen wissen, hey, genau das will ich erreichen und das ist genau das, was ich jetzt brauche und sich da sehr gut aufgehoben fühlen.

An dem vierten Schritt, das ist ein ganz wichtiger Schritt, ist da eine kommunikative Basis zu schaffen. Das heißt, das, was ich in den ersten drei Bausteinen ausgearbeitet habe, tatsächlich klare Botschaften zu entwickeln, die sehr auf den Punkt sind, die reduziert sind. Also möglichst eine Kernbotschaft, die ich nach vorne stellen möchte, diese Überlegung, wenn Menschen sich was zu mir merken, welcher Begriff oder welche Formulierung soll das sein?

Und dann natürlich auch diese strategischen Fragen, welche Themen will ich beackern, in welche Kanäle gehe ich rein, wo erreiche ich meine Wunschkunden am besten und was passt zu mir und meiner Energie? Das heißt, was kann ich überhaupt leisten und wo kann ich Kontinuität aufbauen?

Das ist so der vierte Schritt, der dann quasi die Startrampe für die Umsetzung ist.

Das ist da noch dieses, die Positionierung, die ich erarbeite, ist anders als bei großen Marken und Unternehmen, wo es ja wirklich um Zahlen und um Märkte geht und sowas, sich wirklich sehr bewusst halten, Positionierung für Selbstständige, da geht es nicht nur um Marketing, sondern da geht es um Lebensqualität, da geht es um Selbstbestimmung, also darum, wie ich arbeite, mit wem ich arbeite, ob ich Freiraum habe, mich weiterzuentwickeln und an Dingen zu arbeiten oder ob ich gehetzt durch den Alltag bin und bis in den Abend rein jeden Tag arbeiten muss.

Warum ist Positionierung besonders für introvertierte Menschen wichtig?

[Alex] Ich habe bei dir auf der Website gelesen, dass du eine Positionierung besonders für introvertierte Menschen wichtig hältst. Das finde ich total spannend und deshalb meine letzte Frage an dich. Warum profitieren vor allem introvertierte Menschen von einer klaren Positionierung?

[Sascha] Also introvertiert, ich zähle mich selber dazu.

Diese Marketingwelt da draußen ist ja schon eine recht laute und eine recht wuselige und für Intros kann das sehr herausfordernd sein.

Das heißt, man ist schnell dabei, dass man überfordert ist von all diesen Kanälen, von all diesen Möglichkeiten und natürlich ist es immer eine Hemmschwelle rauszugehen, in dieses Getümmel rauszugehen. Und für Intros sind halt auch nicht die Menschen, die sich irgendwo auf eine Bühne stellen oder in einem Social Network irgendwie rausgehen und sagen, hier bin ich, schaut mich an, wie toll ich bin. Also dieses sich anpreisen müssen, sich verkaufen müssen, ist eine ganz schlimme Formulierung. Das ist natürlich für Intros eine schwierige Sache und Intros torpedieren sich dann häufig, indem sie quasi vor dem Marketing so blockieren, dass sie das nicht wirklich machen oder halt nicht strategisch. Also hier mal ein bisschen und da mal ein bisschen.

Und eine Positionierung ist deswegen so wichtig, um seinen eigenen Weg zu finden, um sein eigenes Ding zu stärken.

Wir haben halt draußen ganz viele Menschen, die einem rund um die Uhr gefühlt entgegenbrüllen, was man tun muss, um erfolgreich selbstständig zu sein. Da ist so dieses, du musst auf Social Media sein, du musst Podcasts machen, du musst Videos machen, ohne geht es nicht. Du musst die und die reißerischen Headlines machen, sonst liest das keiner.

Und Introvertierte, so ist zumindest meine Erfahrung, verbiegen sich häufig, um das zu erfüllen, um ein guter Selbstständiger zu sein, um im Marketing was erreichen zu können, sind dann aber darin nicht gut, weil es ihnen einfach nicht entspricht. Und diese persönliche Komponente, die ich dann häufiger mitkriege, ist:

Die Menschen fühlen sich dann falsch und schlecht, weil sie tun ja oder versuchen das, was gesagt wird, was man tun muss, aber das funktioniert für die nicht.

Und dann ist so dieses, dann bin ich hier falsch, dann ist das nicht meins. Und Positionierung hat halt tatsächlich diesen Weg, diese Selbstsicherheit zu finden, auf seinen eigenen Weg zu hören.

Das heißt, wenn ich sehr klar weiß, wofür ich stehe und was zu mir passt und was vor allen Dingen auch zu meinen Wunschkunden passt, dann kann ich diesen Weg sehr gut gehen und sehr sicher gehen und kann all diese Ratschläge von außen, diese Gurus, diese Erfolgsrezepte, diese geheimen, kann ich tatsächlich zur Seite schieben und kann einfach gute Entscheidungen für mich und mein Business treffen.

Und das Witzige ist, dann wird man halt auch für die passenden Kunden interessanter, weil ja gerade für uns Intros häufig sind unsere Wunschkunden halt auch eher die ruhigeren und nicht die Rampensäue. Das heißt, wenn ich in meiner Art ruhiger und tiefgründiger zum Beispiel schreibe und die schnellen Instagram-Reels nicht mache, weil es zu oberflächlich ist, dafür aber Beiträge schreibe, die tiefer gehen oder Interviews gebe, wo man Einblicke bekommt, dann ist das tatsächlich auch für diese Menschen viel, viel interessanter. Und da ist die Resonanz einfach eine ganz andere.

Deswegen ist es halt auch aus Positionierungsgründen für Social Media, finde ich, eine Entscheidung, will ich da überhaupt stattfinden in diesem oberflächlichen Schnellen? Oder will ich zum Beispiel hingehen und sagen, es gibt sehr erfolgreiche Berater und Coaches, die überhaupt nicht auf Social Media sind, die Bücher veröffentlichen, Vorträge geben, die Interviews geben und unfassbar erfolgreich auf ihre Art und Weise sind und sich konsequent aus diesem Trubel rausnehmen und einfach eine komplett andere Schiene entsprechend ihrer Positionierung ziehen und natürlich dann auch an jedem Kontaktpunkt das konsequent vertreten können, weil sie sich nicht verbiegen.

Das heißt, man verbiegt sich nicht mehr, man bekommt eine andere Einstellung zu dem Prozess. Das heißt, raus aus diesem Ich-muss-mich-verkaufen, Ich-muss-mich-verbiegen, hin zu einer Kommunikation.

Ich spreche darüber, was mich umtreibt, was meine Mission ist, was ich bewirken möchte, gebe Einblicke und Menschen finden das interessant oder nicht. Aber die, die passen, finden es dann in der Regel interessant.

Und das ist ein ganz anderes, in Anführungszeichen, Verkaufen, als das für üblich im Hard Selling und Social Selling propagiert wird. Und gerade für Intros ist das wichtig, um das Frustlevel niedrig zu halten, sich da motiviert zu halten und wirklich auch konsequent in die Umsetzung gehen zu können und auch um ihre Energie fokussieren zu können.

Also da auch wirklich konsequent zu sagen, diese drei Dinge passen zu mir, die kann ich gut umsetzen, die passen zu meinen Wunschkunden und alles andere lasse ich weg. Das gibt ganz viel Energie frei, um die wenigen Dinge, die ich tatsächlich machen will, richtig gut zu machen.

[Alex] Das ist doch ein wunderbares Schlusswort. Sascha, vielen, vielen Dank, dass du heute hier warst und über deinen Social-Media-Ausstieg erzählt hast und über Positionierung für Selbstständige natürlich auch. Vielen, vielen Dank.

[Sascha] Danke dir.

Shownotes

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Instagram verlassen trotz 18k Follower: Interview mit Melina Royer von „Still und Stark“

In dieser Podcastfolge habe ich Melina Royer zu Gast. Ich habe Melina für mein Buch „No Social Media!“ zum Thema „Netzwerken für Introvertierte“ interviewt. Und darüber werden wir auch in dieser Podcastfolge noch einmal sprechen. Und Melina erzählt uns in dieser Folge auch, warum sie sich trotz 18k Follower von Instagram und auch von LinkedIn verabschiedet hat.

In dieser Podcastfolge habe ich Melina Royer zu Gast. Du kennst Melina vielleicht schon durch ihren Blog Vanilla Mind, den sie seit mehreren Jahren für insbesondere schüchterne und introvertierte Menschen betreibt. Melina hat auch den Podcast „Still und Stark“ und arbeitet als systematische Coachin.

Für mein Buch „No Social Media!“ habe ich Melina zum Thema „Netzwerken für Introvertierte“ interviewt. Und darüber werden wir auch in dieser Podcastfolge noch einmal sprechen. Und Melina erzählt uns in dieser Folge auch, warum sie sich trotz 18k Followern von Instagram und auch von LinkedIn verabschiedet hat.

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Warum Erfolg nicht laut sein muss

[Alex] Ja, hallo Melina. Dein Motto ist „Erfolg muss nicht laut sein“. Was bedeutet diese Aussage für dich genau?

[Melina] Also ich hatte ganz häufig das Gefühl und dieses Gefühl habe nicht nur ich, das merke ich jetzt auch mittlerweile immer bei meinen Coachees, dass es oft so ist, man hat das Gefühl, gerade als eher ruhiger, sensibler Mensch, die ganze Welt scheint irgendwie einen Plan für einen zu haben. Also:

„Du musst mehr aus dir rauskommen.“, „Wenn du so weitermachst, dann wirst du nichts aus dir machen.“

Also, man hat immer das Gefühl, dieser Druck von außen ist da, ich muss eigentlich jemand anders sein und alle wissen ganz genau, wie es geht.

Und zum Beispiel, Stichwort Netzwerken: „Das geht so und so und das musst du so und so machen und dann musst du auf dieses Event gehen und bei Meetings musst du das und das sagen und so und so auftreten, damit das erfolgreich ist.“

Und man hat wirklich dieses Gefühl, jeder hat einen Plan für einen, aber man selber weiß gar nicht so richtig: Wer bin ich überhaupt, was brauche ich, was ist eigentlich im Einklang mit meiner Persönlichkeit?

Und deswegen habe ich mir wirklich dieses Motto auf die Fahne geschrieben, Erfolg muss eben nicht laut sein. Also jeder kann mit der Persönlichkeit, die er hat, erfolgreich sein, wenn man sich selber gut kennt und weiß, wie kann ich mit den Karten, die mir ausgeteilt wurden, gut arbeiten? Also wie kann ich die richtig einsetzen und meine Stärken hier ausspielen?

[Alex] Das ist erstmal super befreiend, finde ich, weil, ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe erst neulich mich mit jemandem darüber unterhalten, dass ich das Gefühl habe, also eigentlich schon immer, dass ich so, wie ich bin, nicht richtig bin. Und ich könnte mir vorstellen, dass es halt auch viele Introvertierte auch so haben, wenn sie in so einer extrovertierten Welt leben, dieses Gefühl, nicht richtig zu sein, so wie man ist.

Und dann dein Ansatz ist quasi zu sagen: So, wie du bist, bist du richtig und so, wie du bist, auch als leise Person, kannst du Erfolg mit dem haben, was du machst.

Das finde ich erst mal eine sehr schöne Botschaft. Und was bedeutet denn jetzt Erfolg zum Beispiel für dich persönlich?

Weil, wenn ich das richtig verstehe bei dir, gehörst du ja auch eher zu den introvertierteren Personen.

[Melina] Genau. Also für mich ist ganz, ganz wichtig, wenn ich meine persönliche Definition von Erfolg jetzt nehme, im Einklang mit meinen Werten, mit meinen Bedürfnissen, mit meiner Persönlichkeit leben und arbeiten zu können. Und das zeigt mir auch meine Erfahrung immer wieder. Ich kann ja wirklich meine beste Leistung nur abrufen, wenn ich auf mich selber achte. Also wenn ich gut mit mir selber umgehe.

Natürlich kann ich mich auch zum Erfolg prügeln. Das ist ja leider möglich. Kann man auch immer wieder sehen an Beispielen, wenn man sich Interviews von bestimmten Menschen anhört oder so.

Also natürlich kann man mit Druck sehr, sehr viel erreichen, aber irgendwann kommt halt der Crash oder du bist todunglücklich mit dir selber und du merkst halt, dass du unzufrieden mit deinem Leben bist. Auf dem Papier stimmt alles, aber irgendwie fühlst du dich innerlich leer.

Und seit ich einfach für mich darauf achte, dass ich mich frage: Auf welches Ziel zahlt das hier ein? Passt das zu mir? Fühlt sich das stimmig an? Kann ich das wirklich so machen? Oder wie kann das für mich funktionieren?

Und seitdem ich das mache, merke ich einfach, wie gut es ist und wie ich auch aufblühe oder wie ich dann auch wirklich das zeigen kann, was mich auszeichnet und was ich an Potenzial überhaupt habe.

Weil ich habe nämlich eigentlich früher auch immer eher so mit diesem Leistungsmotor gearbeitet. Also ich bin sehr, sehr stark anfällig für Perfektionismus und Leistungsdruck. Das ist so mein persönlicher Default, meine Baseline aus den unterschiedlichsten Gründen.

Und ich habe einfach wirklich nach Wegen in den letzten Jahren immer wieder gesucht, aus diesem Muster auszubrechen, zu sagen:

„Okay, was tut mir denn eigentlich wirklich gut und wie kann man Leistung zeigen, aber nicht, weil man muss, sondern weil man will und weil es zu einem passt und weil es das Richtige ist?“

Und das ist meine persönliche Definition von Erfolg, wirklich auf mich zu achten und zu gucken, was tut meinem Körper überhaupt gut, mich nicht selber auszubeuten.

[Alex] Ich wollte auch gerade fragen, aber du hast es schon ein bisschen so vorweggenommen. Also es war nicht immer so, dass du diese Definition von Erfolg für dich hattest, sondern das hat sich erst mit der Zeit entwickelt. Wie kam es dazu?

[Melina] Also ich glaube, das ging los mit der Selbstständigkeit. Also ich bin aus einem Angestelltenverhältnis regelrecht ausgebrochen, kann man sagen, weil der Status quo war damals 2014, dass ich in der Grafik gearbeitet habe.

Als Kommunikationsdesignerin ist auch ein Beruf, der mir unfassbar gelegen hat. Habe ich geliebt meine Tätigkeit. Das Problem war allerdings, dass mir die Kolleginnen und Kollegen nacheinander weggebrochen sind. Also die eine Person hat einen Burnout erlitten, die nächste Person ist in Rente gegangen und ich habe keine neuen Kollegen dazu bekommen. Ich musste den Laden quasi da irgendwie, ja, was heißt alleine stemmen, ganz so war es nicht.

Aber mein Vorgesetzter zum Beispiel kam irgendwann nur noch zwei Tage die Woche, weil der sich auf seinen Ruhestand schon vorbereitet hat. Und so war ich da einfach irgendwann quasi wirklich fast alleine die meiste Zeit der Woche und habe das aber alles abgefedert.

Ich habe ja schon den Leistungsdruck und den starken Antrieb angesprochen. Ich habe auch ein unglaubliches Verantwortungsbewusstsein und gedacht, ich reiße mich jetzt zusammen und mache das alles weiter, statt jemandem zu sagen:

„Leute, das geht nicht, ihr müsst Leute einstellen! Ich kann das nicht stemmen.“

Und ich habe einfach immer weitergemacht. Und es ist ja völlig klar, dass das irgendwann zum Crash führt und dass ich todunglücklich war. Ich hatte schon morgens beim Aufstehen Magenkrämpfe und ich hatte Kopfschmerzen und eine Menge körperliche Symptome, die irgendwann dazu geführt haben, dass ich gesagt habe, ich mag so nicht mehr arbeiten, ich muss hier weg.

Und ich bin dann aber tatsächlich nicht in ein neues Angestelltenverhältnis gegangen, sondern ich habe mich selbstständig gemacht, weil mein Mann sowieso selbstständig war und unsere Fähigkeiten sind recht ähnlich gelagert, wir haben große Schnittmengen und dann haben wir gesagt, okay, dann mache ich bei ihm mit, dann probiere ich das mal aus.

Komplette Freiheit. Und diese komplette Freiheit hat mir natürlich auch sehr schnell gezeigt, wo bei mir die Schwachstellen liegen. Also mit kompletter Freiheit irgendwie auf einmal umgehen zu können, das erfordert einen hohen Grad an Selbstführung. Also welche Routinen lege ich mir zu? Das ist, diese Selbstorganisation ist ein Riesenthema, aber auch, wie gehe ich überhaupt auf Leute zu, weil die Kunden kommen ja jetzt nicht von alleine angerannt.

Also gerade als eher zurückhaltender Mensch, der vorher aus so der Grafik kommt, wo alle, also die Aufträge sind zu mir gekommen, also ich musste mich ja nie um irgendwas kümmern, alle sind zu mir gekommen, kannst du dies machen, kannst du das machen, jetzt bin ich in der Position, wo ich auf alle anderen zugehen muss und schauen muss, schau mal, das kann ich dir anbieten, das kann ich für dich ändern, diese Transformation kann ich dir anbieten, das sind meine Fähigkeiten. Das ist schon hart gewesen für mich am Anfang und deswegen musste ich wirklich in vielen kleinen Schritten rausfinden:

Wie kann ich eigentlich gut arbeiten? Was zeichnet mich aus? Welche Strukturen brauche ich, die wirklich auch zu meiner Persönlichkeit passen, die mir gut tun, die mich nicht zurück in so ein Hamsterrad versetzen wie das, was ich vorher hatte, wo ich mich dann selbst ausbeute? Weil das kannst du auch in der Selbstständigkeit.

Selbstständigkeit mag zwar immer so toll klingen nach Freiheit, aber auch da kannst du dich hervorragend selber ausbeuten.

[Alex] Ich wollte gerade sagen, gerade wenn wir auf Social Media gucken, Da wird es ja richtig glorifiziert, wenn Leute quasi ständig busy sind und ständig Dinge zu tun haben. Also da ist die Selbstständigkeit auch nicht unbedingt so der Ausweg aus dem Hamsterrad, sondern man kommt einfach in ein neues Hamsterrad rein. Also da muss man glaube ich auch aufpassen.

[Melina] Genau, weil die Altlasten hast du ja trotzdem bei dir. Diese Routinen und Muster, die du gewohnt bist und die ja häufig auch mit den eigenen inneren Mustern zusammenspielen, wenn du eh so einen starken Leistungsdruck hast in dir, dann nimmst du das natürlich auch in jeder anderen Tätigkeit mit.

Wie es ist, mit seinem Partner zusammenzuarbeiten?

[Alex] Du hast gerade schon erwähnt, du arbeitest mit deinem Mann zusammen, mit Timon. Und ihr seid beide systemische Coaches, ihr schreibt Bücher zusammen, ihr habt einen gemeinsamen Podcast. Wie ist das, mit deinem Mann zusammenzuarbeiten? Ich kann mir vorstellen, da gibt es sowohl schöne Aspekte als auch Herausforderungen.

[Melina] Auf jeden Fall. Also ich will auch nicht behaupten, dass es am Anfang sehr leicht war. Schwupp, Job gekündigt, Selbstständigkeit. Ach Mensch, ist das alles ein Traum. Also wir haben auf jeden Fall gemerkt, wir sind beide sehr freiheitsliebend, brauchen viel eigene kreative Räume, um nachdenken zu können.

Und das ist natürlich erstmal, wenn du dann wirklich zusammenarbeitest, nicht so einfach, dass jeder genügend Freiraum eben noch bekommt. Du arbeitest in den gleichen Projekten, wir machen ja auch zusammen einen Podcast, den „Still und Stark“-Podcast für introvertierte Fach- und Führungskräfte.

Das heißt, wir haben einfach wirklich sehr, sehr viele Dinge, die wir zusammen machen. Und dort genügend Räume zu schaffen, dass man sagt, ich kann mich jetzt hier zurückziehen, ich habe hier meinen Space, ich muss mich jetzt gerade nicht mit dir absprechen in bestimmten Dingen, sondern kann einfach nur mal frei hier Räume schaffen, das ist wirklich schwierig, weil man sich auch einfach mal auf den Nerv gehen kann.

Ich glaube, das ist auch so mit, was die meisten Leute befürchten, wenn man mit seinem Partner zusammenarbeitet. Ich höre das immer, wenn ich das erzähle „Ich arbeite mit meinem Mann“: „Das könnte ich gar nicht. Also ich bin eigentlich ganz froh, wenn ich tagsüber woanders arbeite und den nur abends treffe.“ Also das hört man häufiger. Aber ich muss sagen, es hat uns auch total zusammengebracht.

Also zusammen arbeiten zu können, ist toll, weil die Arbeit bestimmt einfach so einen großen Teil unserer Leben, einfach auch zeitlich. Das nimmt so viel Zeit vom Alltag ein und das miteinander teilen zu können, ist halt sehr, sehr schön und das hat unsere Beziehung auch nochmal gefestigt, weil unsere Absprachen natürlich viel, viel besser geworden sind. Unsere Kommunikation musste viel besser werden, viel wertschätzender.

Man musste sich oft zurücknehmen, wirklich jetzt nicht irgendwie so: „Mann, das geht gar nicht und das ist voll gegen meine Arbeitsweise, so kannst du das nicht machen!“

Sondern wirklich lernen, diese innere Distanz teilweise auch mal zu einem Problem einzunehmen und zu sagen:

„Okay, aber wie können wir denn jetzt hier lösungsorientiert rangehen?“ Also das ist wirklich …, die Kommunikationsskills sind auf jeden Fall durch die Decke geschossen, würde ich sagen.

[Alex] Habt ihr denn so irgendwie Rituale oder so Dinge, von denen du sagen würdest, die helfen euch immer, das so durchzuziehen?

[Melina] Ja, tatsächlich ja. Wir haben ein tolles Ritual, das nennt sich Daily Stand-Up. Einige, die hier mithören, die vielleicht ein bisschen Ahnung vom Programmieren und vom agilen Arbeiten haben, die werden das vielleicht kennen.

Das ist eine Methode aus dem Scrum, wo du ein Daily machst. Das geht maximal so 15 Minuten und du sitzt einfach wirklich nur am Tisch und sagst: Das habe ich gestern gemacht, das werde ich heute machen. Zählst einfach nur einmal auf: Das sind meine Resultate von gestern. Jetzt spreche ich darüber, was ich mir für heute vorgenommen habe. Und dann bist du raus. Dann geht auch jeder wieder seiner Wege.

Aber es ist eben einfach sichergestellt, dass beide wissen, was der nächste Punkt ist. Gerade wenn man zum Beispiel an einem Projekt arbeitet, dann arbeiten wir auch in Sprints und dann ist eben einfach durch dieses Daily Stand-Up sichergestellt, dass jeder weiß, was in diesem Sprint oder in diesem Projekt jetzt gerade anliegt und was wichtig ist. Und dann kannst du auch darauf vertrauen, dass die Person das natürlich dann auch einfach macht.

Also musst halt keine Kontrolle irgendwie ausüben: „Und hast du daran gedacht“ und so weiter. Du hast dich morgens kurz abgesprochen und dann läuft das wie auf Schienen.

Warum hast du deinen Instagram-Account mit 18k Followern verlassen?

[Alex] Du hast vor einigen Monaten deinen Instagram-Account verlassen und ich finde das sehr bemerkenswert, weil damals, als ich mich selbstständig gemacht habe, 2016, war dein Account tatsächlich einer der ersten, denen ich gefolgt bin auf Instagram.

Und ich fand immer, dass du da wie so ein Fisch im Wasser wirktest zumindest. Natürlich als Kommunikationsdesignerin hast du ein Händchen fürs Visuelle und Instagram ist da sehr dankbar. Und trotzdem hast du auch, wenn ich das richtig so verstehe, auch in letzter Zeit mit den Plattformen gehadert und bist da jetzt weg. Und da würde ich jetzt gerne weiter drüber sprechen, weil es ist natürlich sehr spannend für den Podcast. Also zunächst einmal, wie kam es dazu? Was ist so in letzter Zeit passiert, dass du zu dieser Erkenntnis gekommen bist, du willst weg von Instagram?

[Melina] Also, das war keine Entscheidung, wo ich irgendwie einfach so einen Schalter umgelegt habe und dann bin ich morgens aufgestanden und habe gedacht: „Ja, das ist jetzt die richtige Entscheidung, so mache ich das jetzt.“

Ich habe mich sehr, sehr lange mit dieser Entscheidung herumgetragen, Social Media zu verlassen. Also Instagram war ja auch gar nicht das Einzige. Zum Beispiel LinkedIn, da war ich sogar noch am überlegen, ob ich das weiter ausbaue. Und das habe ich jetzt auch quasi fallen gelassen, mehr oder weniger. Und das war eine Sache, die einfach wirklich über bestimmt drei, vier Jahre so in mir gegärt hat oder gegoren hat.

Ja, und einfach, weil ich gemerkt habe: Ich verändere mich. Also die Plattform natürlich auch, klar. Es kommen immer mehr Funktionen dazu und es wird immer wichtiger aufzufallen. Du bist ja nur ein kleiner Fisch in einem riesigen Becken. Aber ich habe mich eben auch selber verändert.

Ich habe mir einfach sehr, sehr viel häufiger in den letzten Jahren die Frage gestellt:

„Auf welches Ziel zahlt diese Aktivität ein?“

Und die große Frage ist halt: Wovon lebt mein Business? Was ist das Herzstück meiner Tätigkeit? Und zahlt eben Social Media darauf ein, auf mein Ziel?

Und was mich unglaublich überrascht, ist, die meisten, die sich diese Frage stellen, die beantworten die relativ diffus. Also die antworten, warum mache ich Social Media, auf welches Ziel zahlt das ein?

Da hörst du dann: Ja, ich will wachsen. Ja, Wachstum, was heißt denn das? Also in welchem Bereich? Oder sie antworten: Ja, ich will möglichst viele Menschen erreichen. Ja, welche Menschen denn eigentlich genau? Sind die hier überhaupt? Sind die überhaupt hier auf Instagram? Wer sind die? Was zeichnet die aus?

Also dieses Social-Media-Ding wird häufig sehr, sehr diffus beantwortet und überhaupt nicht spezifisch auf mich und mein Business bezogen.

Und ich muss auch sagen, ich habe mir diese Fragen halt sehr lange nicht mehr gestellt. Ich bin halt wirklich ein alter Hase auf der Plattform gewesen. Ich war ja irgendwie 2012 schon mit dabei, habe ich meinen privaten Account damals erstellt und den habe ich irgendwann umgewandelt in einen geschäftlichen.

Und deswegen habe ich auch lange Zeit gar nicht in Frage gestellt, dass es richtig ist, da zu sein, weil ich war ja einfach immer dabei und die Zahlen waren ja auch eigentlich immer okay.

Also ich hatte zu Spitzenzeiten, glaube ich, so an die 18k Follower*innen. Und so einen Account gibst du ja auch nicht mir, nichts dir, nichts einfach auf.

Aber ich habe mir einfach wirklich sehr ehrlich die Frage stellen müssen: Guck mal, wo willst du denn damit irgendwann hin?

Weil wenn ich mir meine Zahlen angeguckt habe – ich habe über Instagram keine Geschäfte gemacht, ich habe da nicht verkauft, ich habe dort keine Kunden gewonnen.

Ich habe irgendwann mir tatsächlich einfach eingestehen müssen, die Menschen dort sind viel mehr an meinem Privatleben interessiert als an dem, was ich anzubieten habe. Und das ist okay. Für manche mag diese Erkenntnis in Ordnung sein. Für mich war diese Erkenntnis nicht okay, weil ich nicht mein ganzes Privatleben teilen möchte.

Also so bin ich einfach nicht. Ich möchte diese Offenherzigkeit nicht. Ein Teil sollte immer privat bleiben für mich. Ich rede gerne offen über meine Themen. Ich gebe auch gerne Dinge von mir preis, aber ich möchte nicht dort sein, um Menschen mit meinem Privatleben zu unterhalten.

Also das habe ich ja auch einfach gemerkt. Also welche Bilder waren am meisten geklickt oder kommentiert? Ja, wenn ich zum Beispiel ein Foto gepostet habe zum Hochzeitstag von Timon und mir.

Ja, klar, das ist schön, das kann ich auch verstehen, ist nicht bösartig gemeint, aber das ist nicht der Grund, warum ich da bin. Ich bin da, weil ich etwas zu sagen habe.

Ich bin als Coach hier. Ich möchte introvertierten Menschen helfen, an ihre Stärken zu glauben, ihre Stärken zu entdecken und selbstsicher aufzutreten. Und das erreiche ich ja nicht, indem ich private Fotos von meinem Mann und mir teile oder Urlaubsbildchen.

Ich war einfach irgendwann, ich wollte mich da einfach irgendwann nicht mehr darstellen. Es gab eine Zeit, da hat mir das gut gefallen und da war es auch eine Hilfe. Also ich will nichts Negatives sagen.

Also es ist wirklich so, dass mir auch Instagram schrittweit geholfen hat, beim Netzwerken zu gucken: Wer alles ist denn überhaupt da draußen? Wer tickt ähnlich wie ich? Da kann das sehr nützlich sein. Aber ich bin eben aus der Nummer rausgewachsen.

Und dann stehst du natürlich vor der Frage: Okay, du kannst das ja auch auslagern. Wenn dir das zu viel Arbeit ist, du kannst das ja auch abgeben, kannst es ja jemand anders machen lassen. Social Media Management ist ja eine Option.

Ich habe die Frage für mich aber einfach mit Nein beantwortet, weil ich ja gesehen habe: Hey, dieser Account zahlt sowieso nicht auf meine beruflichen Ziele ein, weil die privaten Sachen interessieren die Leute hier mehr als meine beruflichen.

Und ich mache hier keine Geschäfte in dem Sinne, dass ich hier Kurse launche oder promote oder so. Von daher muss ich jetzt auch niemanden bezahlen, um das weiterzumachen. Muss ich ja nicht noch mehr Geld auf eine Sache werfen, die gar nicht den Effekt hat.

Ja, und deswegen habe ich die Entscheidung dann im letzten Oktober getroffen. Also ein langer Prozess.

[Alex] Ja, vielen Dank, dass du da so detailliert uns daran teilhaben lässt. Ich finde es ganz spannend, weil ich das tatsächlich auch so erstmal wiedererkenne bei mir, dass mir Social Media nie beruflich das gebracht hat, was mir eigentlich wichtig war, um was es mir geht.

Und ich glaube auch, ganz viele Menschen, die zu mir kommen, denen geht es ähnlich. Nur die trauen sich halt nicht, diesen Schritt zu machen und zu sagen: Ja gut, dann gehe ich halt. Also das ist, glaube ich, dann nochmal schwierig. Und wie hast du denn da diesen Mut gehabt oder hat das überhaupt Mut gebraucht? Also wie war das dann, als du wirklich dann letzten Endes, ich weiß nicht, hast du die Konten gelöscht, deaktiviert? Was ist jetzt mit den Konten passiert?

[Melina] Also mein Instagram-Account besteht nach wie vor und dem kannst du auch nach wie vor folgen. Ich bin einfach nur inaktiv. Also ich habe die App nicht mehr auf meinem Handy.

Ich habe einfach die App vom Handy gekickt, sodass ich selber nicht mehr darauf zugreifen kann. Wenn ich wollte, könnte ich es, glaube ich, noch über meinen Desktop-Rechner machen. Ich verbringe aber dort einfach keine Zeit mehr, gar nicht.

Und wie gesagt, man kann mich dort noch finden. Ich wollte den Namen nicht aufgeben, dass man einfach noch „Vanilla Mind“ finden kann und „Still und Stark“.

Aber es steht, glaube ich, auch sogar in der Bio drin, dass man den Kontakt lieber über die Website suchen sollte, weil ich dort nicht poste. Ich glaube, ich habe es bis auf drei Erklärungspostings, was ich eigentlich mache, wer ich bin, was ich mache, habe ich, glaube ich, auch alles andere archiviert.

Dass wirklich nur noch im Fokus steht: Okay, das ist die Message, mit der ich hier bin, und so kann man mich dann noch finden.

[Alex] Und hast du das damals im Oktober so als besonders mutig empfunden für dich oder war das so ein Tag für jede andere?

[Melina] Nee, ich habe mich schon ziemlich mutig gefühlt an dem Tag. Nee, weil ich auch, ich hatte es, glaube ich, schon angedeutet, ich hatte ja nicht gerade einen kleinen Account, also gut, natürlich gibt es immer riesigere Accounts, aber so einfach von der Sache her, wenn du es geschafft hast, dir eine Followerschaft von 18.000 Leuten aufzubauen, dann wirfst du es nicht einfach weg, weil da steckt ja viel Arbeit drin.

Und das ist eben auch immer das, wobei ich am meisten gezögert habe, weil ich habe ja unfassbar viel investiert über die Jahre.

Ich hatte wirklich einen Social-Media-Plan. Ich wusste zu jeder Zeit, wann ich poste. Ich hatte auch Tools, die das dann automatisiert für mich posten können, dass ich das nicht manuell anschieben muss und so. Also ich habe das ja nicht einfach so just for fun gemacht und ach, naja, mache ich heute mal, mache ich heute nicht. Da steckte schon eine Strategie hinter.

Und weil ich eben um diese ganzen Arbeitsstunden wusste, die ich da schon investiert habe, das ganze Herzblut und das ganze Invest, wollte ich das natürlich auch nicht einfach, ja, so einfach mir nichts, dir nichts wegwerfen.

Zumal auch Timon immer gesagt hat: Nee, wirf das doch nicht einfach weg und guck doch nochmal und so. Aber ich habe einfach gemerkt, es bringt nichts. Also ich bin da wirklich einfach rausgewachsen.

Wobei man auch dazu sagen muss, ich würde auch niemandem empfehlen, diese Entscheidung einfach so übers Knie zu brechen, weil du musst dich ja fragen, was trägt denn mein Business? Also wenn ich wirklich nur diesen Social-Media-Kanal habe und dann sage ich: „Nee, will ich ab heute nicht mehr.“ Ja, wie erreiche ich denn dann noch Leute? Also ich muss ja die Leute auf irgendeine Möglichkeit oder auf eine Art und Weise erreichen können, die Menschen, für die ich gerne etwas tun möchte.

Und wenn Instagram jetzt mein einziger Kanal war, über den ich kommuniziert habe, ja, ich muss ja eine Alternative haben mindestens.

So, aber das war ja nie mein Problem. Ich habe einen Newsletter, einen sehr schönen Newsletter, den die Leute wirklich lieben und den nenne ich auch Mut-Letter und nicht Newsletter. Viel besser.

Und ich habe natürlich auch einen Podcast, den ich mit Timon mache und einen Blog. Also ich bin über SEO gut zu finden. Ich ranke für gute Keywords, Podcast, Newsletter.

Also das sind ja mindestens drei Sachen, die sehr tragfähig sind. Und dementsprechend habe ich dann auch gesagt: Okay, also worauf wartest du jetzt eigentlich noch? Also deine stärksten Kanäle waren nie Instagram oder LinkedIn. Deine stärksten Kanäle waren immer der Newsletter, der Blog, der Podcast.

Und auch wenn die über die Jahre ein bisschen geschrumpft sind, weil die nicht so viel Fokus von mir bekommen haben, übrigens auch ein sehr, sehr guter Punkt, den wir gleich auch noch ansprechen können, Fokus, weil du tanzt ja auch so vielen Hochzeiten.

Hast du Instagram, hast du LinkedIn, hast du Newsletter, hast du einen Blog, hast du einen Podcast. Das sind ja alleine fünf Sachen, die ich da bedient habe. Und das ist ja auch einfach die Frage, wenn du deinen Fokus irgendwie durch fünf teilen musst:

Funktioniert dann überhaupt noch irgendwas davon richtig gut?

Und ich habe es ja schon gesagt, der Newsletter ist ein bisschen geschrumpft, der Blog hat weniger Abrufzahlen gehabt, der Podcast ist nicht gewachsen. Ja, ist ja auch irgendwie nicht verwunderlich, wenn man seinen Fokus auf so viele Plattformen verteilen muss. Und das ist wesentlich besser geworden, seitdem ich auf Social Media verzichte.

[Alex] Ja, spannend. Da reden wir definitiv auch nochmal gleich drüber. Aber vorher vielleicht noch eine Frage. Wie haben denn diese ganzen Menschen, du hast gesagt, 18.000 Leute sind dir auf Instagram gefolgt. Wie haben sie denn darauf reagiert?

[Melina] Gar nicht.

[Alex] Gar nicht?

[Melina] Ich bin weg und fertig.

[Alex] Du hast also keinen Abschiedspost gehabt, so nach dem Motto „Ich gehe!“?

[Melina] Nein, das habe ich nicht gemacht.

[Alex] Krass, okay.

[Melina] Ich bin einfach weggeblieben und fertig. Ich habe gedacht, also ich hatte, glaube ich, in der Vergangenheit öfter mal so Postings gemacht, wo schon so durchklang, dass ich mich nicht mehr so ganz wohl fühle mit der Plattform. Ich habe aber nie konkrete Schritte eingeleitet. Ich habe eigentlich sogar eher die Erfahrung gemacht, wenn ich mal eine Pause angekündigt hatte, eine Urlaubspause oder einfach so eine Social-Media-Break – das wird ja öfter mal gemacht, machen auch andere Leute – dann sind sofort die Zahlen ins Bodenlose gegangen.

Also direkt kündigst du an, ich mache jetzt eine Instagram-Pause, zack, 1000 Leute weniger. So gefühlt. Nein, gar nicht so viele, aber ich glaube, so 300, 400 waren es dann schon.

Und ich habe gedacht, gut, dann machst du es diesmal einfach nicht. Du verschwindest einfach sang- und klanglos.

Und weißt du was, das interessiert sowieso niemanden, das fällt gar keinem auf und das ist auch so.

Also du bist ja wirklich auf so einer Riesenplattform wie Instagram, du wirst ja nicht mal vermisst, bist ja sowieso nur eine Person von ganz, ganz vielen.

Du musst dich ja sonst wie verbiegen und anstellen, um irgendwie relevant für diesen Algorithmus zu sein.

Also musst ja ständig was Neues aus dem Hut zaubern, um irgendwie noch in den Feeds der Leute zu landen. Und was dann einfach realistisch wirklich passiert ist, wenn du nicht mehr postest, landest du eben einfach nicht mehr im Feed.

Und das ist, dafür musst du dich nicht erklären oder irgendwas, das passiert einfach.

[Alex] Spannend, spannend. Also ich hätte nicht gedacht, dass es auch so für größere Accounts gilt, aber ja.

[Melina] Gerade für die.

Was hast sich mit dem Social-Media-Ausstieg verändert?

[Alex] Du hast in einer Podcast-Folge von dir, du hast ja schon angesprochen, du hast einen Podcast, über deinen Instagram-Ausstieg gesprochen und ich habe mir die Folge angehört und da hast du gesagt, dass das die beste Entscheidung seit Langem war.

Kannst du uns da mal mitnehmen, was genau hat sich denn jetzt so zum Positiven verändert mit dem Instagram-Ausstieg oder LinkedIn-Ausstieg auch?

[Melina] Also ich bin deutlich mehr bei mir und das meine ich nicht auf so eine egoistische Art, sondern einfach mehr bei mir in Balance. Also ich bin mehr im Moment, ich bin präsenter, weil ich weiß, ich habe jetzt diese Hektik nicht mehr. Ich muss jetzt unbedingt noch was posten, ich habe noch gar nicht den Plan fertig, ich muss dieses, ich muss jenes.

Also ich habe einfach einen klareren Fokus auf die Dinge, die wichtig sind und die anstehen, weil es einfach nicht mehr diese hektische Getriebenheit ist, an x Brennpunkten irgendwie gleichzeitig sein zu müssen.

Alleine auch diese Erreichbarkeit, guck mal, über Instagram hast du ja die DMs, musst ja ständig in die DMs reingucken, damit du eben auch für die Leute da sein kannst. Es ist ja ganz wichtig, eine persönliche Verbindung zu Menschen zu haben. Die hast du ja nicht, wenn du nicht auf Kommentare, auf DMs antwortest.

Und das ist ja nicht mein einziger Kanal, wo ich DMs beantworte. Das muss ich ja dann auch noch für meine E-Mails machen. Leute, die sich über den Podcast melden, oder Leute, die auf dem Blog kommentieren. Gut, Blog kommentieren ist ein bisschen eingeschlafen. Das war früher sehr viel mehr. Das ist heute gar nicht mehr so üblich, dass Leute das machen.

Aber trotzdem ist es ja wirklich, wie kümmerst du dich gut um die Menschen? Wie kümmerst du dich gut um die Leute, die dir Fragen stellen? Und da habe ich einfach jetzt viel mehr Zeit, Energie und ja, viel mehr Zeit und Energie für.

[Alex] Und Fokus hast du gerade schon angesprochen.

[Melina] Genau, ich kann viel besser auf die Menschen eingehen. Ich glaube, das spüren die auch.

Menschen merken ja, ob du einfach nur irgendwie einsilbig antwortest und ob du eigentlich gerade gestresst bist und gar keine Energie hast oder ob du dir Zeit für sie nimmst.

Und als systemischer Coach bin ich ja in einer Branche, wo vertrauensvolle Beziehungen des A und O sind. Also die Person muss ja wirklich, wenn sie mit mir arbeiten möchte, das Gefühl haben: Melina ist da, die versteht mich, die nimmt mich wahr, ich bin sichtbar für die.

Und das kann ich ja nicht, wenn ich total getrieben bin und an x Orten gleichzeitig präsent sein muss.

[Alex] Hast du auch Veränderungen festgestellt an deiner Konzentration? Du hast schon Fokus angesprochen, also hat sich da was verändert?

[Melina] Auf jeden Fall. Also alleine der Zeiteinsatz der Social Media für mich war, der ist ja weggebrochen. Und dann hast du ja Räume für andere Aufgaben, die du vielleicht vorher vernachlässigt hast. So war das auf jeden Fall in meinem Fall, ich würde sagen, es waren schon mehrere Stunden pro Woche, vielleicht sogar täglich, die Social Media beansprucht hat.

Das eine ist ja Postplanung, was willst du schreiben? Und dann ist es ja gleichzeitig auch ein visuelles Medium. Also das, was mich eigentlich am Anfang an Instagram sehr fasziniert hat, dass es eben auch ein visuelles Medium ist. Das entspricht ja sehr meinem Fähigkeiten-Set, eben auch visuell zu arbeiten, weil ich ja meine Design-Skills damit einbringen konnte, aus meiner ersten Karriere quasi.

Gerade das hat mir irgendwann auch das Genick gebrochen. Wie viel Zeit kannst du einsetzen, um solche Grafiken zu gestalten für Instagram, diese Postings zu gestalten, Reels zu drehen? Du kannst dich natürlich total kreativ ausleben und gleichzeitig bricht es dir das Genick, weil du deine anderen Aufgaben gar nicht mehr machst. Weißt du, du kannst Stunden in ein einziges Reel stecken, das dann vielleicht von ein paar tausend Leuten gesehen wird, aber nach 24 Stunden keinen mehr interessiert.

Gab es Nachteile an deinem Social-Media-Ausstieg?

[Alex] Hast du auch Nachteile festgestellt an deinem Instagram-Ausstieg?

[Melina] Einen, ja, tatsächlich. Was mir jetzt gerade auffällt, ist: Ich vermisse so ein bisschen diese Umfragefunktion. Über Newsletter kann man ja schlecht Umfragen machen. Also kannst du zwar, aber du brauchst dann noch ein zweites externes Tool, um das dann irgendwie zu realisieren.

Ich fand die Möglichkeit, über Social Media super schnell einfach in den Storys eine Umfrage posten zu können, einfach um so ein Stimmungsbild zu bekommen, fand ich super toll. Das ist etwas, was ich definitiv vermisse, aber ich denke, da werden sich auch noch andere Möglichkeiten auftun, das in Zukunft zu integrieren.

Genau. Ja, durch Social Media hast du einfach diese Standleitung quasi zu den Leuten. Also es ist immer irgendwer aktiv. Du kannst immer irgendwen erreichen und fragen, was die Leute gerade wirklich denken.

Aber genau, das ist auch schon das Einzige tatsächlich.

[Alex] Ja, aber ich finde auch gerade Nachteile, das muss ja auch nicht gleich bedeuten, dass das eine blöde Idee war, weil Nachteile lassen sich entweder kompensieren oder sie sind gar nicht relevant.

Also vielleicht gibt es auch Menschen, die nutzen gar nicht die Umfragen oder die gehen gar nicht live. Ja, dann brauchen die halt auch nicht Social Media unbedingt. Und gerade bei Umfragen, wie du sagst, ist es ein bisschen komplizierter dann mit einem zweiten Tool, aber die Möglichkeit gibt es ja immer noch.

[Melina] Ja, ich finde das total gut, dass du die Frage nach den Nachteilen stellst, weil das ist ja, ich stand ja selber vor dieser inneren Zerrissenheit, soll ich das machen oder nicht?

Und das eine ist natürlich, was dein Bauchgefühl dir sagt, aber du musst ja auch ganz konkret die Nachteile benennen können, weil erst dann schaffst du es ja vielleicht auch eine Alternativlösung zu schaffen.

Das ist genau, wie du sagst, so ein Nachteil muss ja trotzdem nicht dazu führen, dass du dann vielleicht dort bleibst, aber du wirst ja zumindest in den Zustand versetzt, dass du eine Lösung finden musst, wie du mit diesem Nachteil umgehen willst. Ist dieser Nachteil für dich zu verkraften? Gibt es eine andere Lösung oder eben nicht? Das ist sehr, sehr wichtig. Gab es für dich Nachteile?

[Alex] Total. Also ich würde jetzt auch nicht sagen, dass es nur Vorteile hatte, das zu verlassen. Ich habe auch dieses Unmittelbare eigentlich vermisst. Also ich habe zwar nicht sehr gerne Storys gemacht, aber ich habe sehr gerne auf andere reagiert und mit anderen quasi mich dann ausgetauscht.

Und gerade dieses „Mal schnell irgendwas schicken“ hat natürlich auch Kommunikationsräume eröffnet, die dann fehlen, wenn man das nicht macht. Das heißt, ich muss mich jetzt mal aktiv drum bemühen, auf andere Menschen zuzugehen. Und das ist so als introvertierte Person halt auch nicht immer leicht.

Und das ist definitiv eine Herausforderung.

[Melina] Das stimmt. Das ist mir auch aufgefallen. Genau, hatte ich auch am Anfang gesagt, dass es für mich auch früher ein Sprungbrett war, wirklich Leute kennenzulernen. Wobei ich auch jetzt, wo ich weg bin, gemerkt habe, es hat aber auch meine bestehende Beziehungen intensiviert.

Weil es gab Beziehungen, wie zum Beispiel unser Kontakt.

[Alex] Ja.

[Melina] Wir haben es über Instagram hinaus geschafft, den Kontakt zu halten. Und du hast am Ende viele Kontakte, wo du merkst: Okay, ist Instagram weg, sind auch die Leute weg. Also man hat es nie geschafft, die Hürde Instagram zu überwinden und zu sagen, okay, jetzt lernen wir uns mal wirklich kennen. Aber bei einige Leuten ist das passiert.

Und bei den Leuten, wo wir gesagt haben, okay, wir verstehen uns gut, wir können uns gut austauschen, da sind eben die Beziehungen auch sogar einfach noch tiefer geworden. Oder wo man merkt: Okay, diese Menschen sind immer noch da. Instagram mag weg sein, aber das besteht weiter.

Also konnte ich einfach auch gut daran erkennen, welche Beziehungen sind wirklich tragfähig und wer bleibt eben auch im Leben bestehen und wer nicht. Das fand ich eigentlich eine sehr schöne Erkenntnis.

Ich kann, also gerade nochmal, um über introvertierte Energie zu sprechen, ich habe ja auch nur so viel Energie für eine bestimmte Anzahl von Menschen in meinem Bekanntenkreis, um die ich mich kümmern kann. Ich kann ja nicht irgendwie versuchen, mit 50 Leuten täglich in Kontakt zu bleiben und für die auch wirklich präsent zu sein. Das ist eine große Energiefrage.

[Alex] Und es muss ja auch nicht heißen, dass mehr Kontakte immer besser ist.

Also es kann auch einfach ausreichen, eine Handvoll Leute zu kennen, aber halt richtig zu kennen, und mit denen dann auch beruflich Dinge zu realisieren.

Also ich glaube, da kann sich auch jede selbst fragen: Wie viele Kontakte brauche ich eigentlich, um beruflich das machen zu können, was ich mache, oder auch vorwärts zu kommen?

Es gibt ja diese Dunbar-Zahl, die ist auch nicht unumstritten, aber ich finde es trotzdem ganz spannend, dass quasi auch die Kapazität im Hirn halt einfach endlich ist für die Kontakte, die man zu Menschen hat. Also, ja, kann ja jeder für sich mal überlegen.

Tipp für Menschen, die überlegen, Social Media zu verlassen

Was würdest du denn jetzt so Menschen raten, so mit deiner eigenen Erfahrung, die mit Instagram oder anderen Social-Media-Plattformen hadern und überlegen, soll ich weggehen, soll ich nicht? Also, was wäre so dein Tipp für sie? Worüber können sie nachdenken? Was sollten sie berücksichtigen?

[Melina] Also die wichtigste Frage, die man reflektieren sollte, ist wirklich:

Auf welches Ziel zahlt diese Tätigkeit ein? Auf welches große Ziel zahlt diese Tätigkeit ein?

Das habe ich für mich sehr durchleuchten müssen, wie gesagt, man neigt dazu, so eine oberflächliche Antwort zu geben oder das gar nicht erst in Frage zu stellen, weil: Alle sind ja da, alle machen Social Media.

Social Media wird ja wirklich auch nach wie vor als dieser heilige Gral vermarktet. Du musst da einfach sein und für viele ist das vielleicht die Wahrheit. Zum Beispiel lokale Unternehmen sehe ich immer wieder, das funktioniert super gut, Online-Shops auch. Aber es ist eben trotzdem, du musst für dich selber evaluieren, auf welches Ziel zahlt es ein und passt es eben auch zu mir. Ich habe irgendwann gemerkt, na gut, es passt nicht mehr zusammen. Also diese Selbstkenntnis auch zu fördern, zu sagen: Was passt zu mir? Was möchte ich von mir preisgeben? Was nicht? Und was ist ein gutes Medium dafür?

Und natürlich muss man sich auch fragen, wenn ich jetzt Social Media verlassen möchte, wie möchte ich dann die Menschen erreichen? Aber die Fokusfrage ist wirklich, auf welches Ziel zahlt das ein? Und wenn ich mir dann eingestehen muss, ja, ich bin hier eigentlich nur, weil alle hier sind, das ist halt kein tragfähiger Grund, ne?

[Alex] Ja, und das kann man ja auch eigentlich relativ simpel klären. Also man könnte einfach damit anfangen, seine Kunden und Kundinnen zu fragen, also:

Wie bist du auf mich aufmerksam geworden? Wie hast du mich gefunden?

Und ich habe zum Beispiel auch automatisierte Abfragen nach einer Newsletter-Anmeldung, also: Wie bist du auf mich aufmerksam geworden?

Und so kriege ich dann halt so ein Stimmungsbild. Woher kommen die Menschen eigentlich? Ist es dann eher SEO? Ist es dann eher, dass ich irgendwo anders auftauche? Was ist es denn genau?

Und ich glaube, das kann man so für sich relativ leicht auch umsetzen und einfach mal sich so ein Stimmungsbild machen, wie das im konkreten Fall dann aussieht.

Welche Alternativen für Social Media nutzt du für dein Marketing?

Du hast jetzt auch schon über die Alternativen gesprochen und vielleicht können wir da auch nochmal kurz drauf eingehen. Du hast schon genannt, du hast einen Podcast, du hast einen Newsletter, du hast einen Blog. Suchmaschinenoptimierung spielt eine Rolle.

Kannst du vielleicht mal ganz kurz so das große Bild skizzieren? Also wie kommen die Menschen zu dir? Wie baust du dann Vertrauen auf? Und was sind so deine Verkaufskanäle? Also was funktioniert da bei dir?

[Melina] Die meisten Menschen, die kommen tatsächlich über Google. Also die suchen konkret nach einem Problem. Viele geben zum Beispiel Schüchternheit an als Keyword, aus sich rauskommen, als introvertierter Mensch aus sich rauskommen oder Schüchternheit überwinden. Das sind so die Stichworte, wo Menschen auf unsere Arbeit aufmerksam werden.

Die landen in der Regel auf einem Blogpost zum Thema Schüchternheit. Da erzähle ich zum Beispiel auch meine persönliche Geschichte. Ich bin ein total schüchterner Mensch ursprünglich, der sich das wirklich alles hart erarbeitet hat, irgendwie aus der eigenen Schale zu kommen.

Und wobei ich damit immer, das möchte ich differenzieren, damit möchte ich nie sagen, du musst dich verändern oder so. Aber Schüchternheit ist ja entkoppelt von der reinen Persönlichkeit.

Also Schüchternheit ist ja eine Angst, die vielleicht on top kommt, die man sich antrainiert hat. Man sagt, ich habe Erfahrungen gemacht, wo mich Menschen abgelehnt haben und ich bin einfach ängstlich, weil ich bestimmte Prägungen habe oder so erzogen wurde oder mir viele Gedanken mache, was andere von mir denken könnten. Das ist aber tatsächlich eher antrainiert.

Also es ist nicht unbedingt, wo du sagen musst, also ich muss für immer so bleiben, Ängstlichkeit ist ein Teil von mir. So habe ich das nie betrachtet, sondern für mich ist es wirklich:

Okay, also ich bin schüchtern, aber ich finde eben auch Wege, mit meiner Art und Weise freier zu werden und eben auch ein Stück weit die Hemmungen loszuwerden. Das ist mir sehr gut gelungen in den letzten Jahren.

Deswegen muss man auch wirklich sagen, also schüchtern sein und introvertiert sein sind zwei Paar Schuhe.

Schüchternheit ist diese soziale Angst, die manche Menschen haben. Unsicherheiten, die sind bis zu einem gewissen Grad auch vollkommen normal. Und Introversion ist aber dieses Temperament, wo du sagst, also wie beziehe ich Energie?

Beziehe ich Energie, indem ich ins Außen gehe, mit Menschen interagiere? Das ist diese extravertierte Energie. Oder bin ich eher ein Mensch, der Energie bezieht, wenn er sich mit seiner Innenwelt befassen kann, mit Gedanken und der inneren Welt? Das ist dann eher introvertiert.

Es ist aber auch ein Spektrum. Wir alle bewegen uns irgendwo dazwischen. Es gibt auch viele Menschen, die beide Anteile relativ stark ausgeprägt haben und sich da immer irgendwo in der Mitte bewegen, situativ. Genau.

Und da ist einfach sehr wichtig zu schauen, wo stehe ich gerade? Ist es eine Schüchternheit, die ich vielleicht ein bisschen abbauen möchte, damit ich es auch schaffe, mehr ich selber zu sein? Blockiert mich das darin, ich zu sein, mit anderen in Kontakt zu treten? Und das sind tatsächlich so diese Punkte, wo die Menschen zuerst auf uns aufmerksam werden.

Und dann, wir bearbeiten unsere Website gerade, es kann ein bisschen besser noch werden, dass wir sie dann abholen und sagen, Mensch, du, trag dich in den Mutletter ein. Wir geben hierzu regelmäßig Tipps. Und wir haben auch den „Still und Stark“-Podcast, wir behandeln diese Themen wirklich, wie du als ruhiger Mensch, wie du als sensibler Mensch in dieser lauten Arbeitswelt bestehen kannst, sichtbar bist und eben mit deinen eigenen Stärken arbeiten kannst und das sind dann einfach die Kanäle, über die wir Vertrauen aufbauen können.

Also die Leute hören uns in der Regel, die hören dann, wenn die den Podcast finden, alle Folgen erstmal durch und sagen, oh toll, also wir mögen die Dynamik so zwischen euch und es ist so schön, dass jemand auch offen darüber erzählt, dass er selber ein Problem mit Schüchternheit hatte und so. Also das ist wirklich sehr, sehr hilfreich zu hören:

Ich bin nicht das einzige schüchterne Wesen des Planeten.

Es ist gerade für Menschen, die so eine Unsicherheit haben im sozialen Bereich, ist das oft so, die denken, die wären die Einzigen, weil man darüber natürlich nicht spricht. Man fühlt sich so eingesperrt und traut sich nicht darüber zu reden, dass man sich manchmal ganz schön unsicher fühlt und nicht weiß, was soll man jetzt sagen. Es traut sich halt keiner zuzugeben.

Und dann sitzen wir da halt im Podcast und packen aus und sagen:

Also ja, geht mir dauernd so, keine Ahnung.

Und das ist dann für die Leute immer sehr befreiend und normalisierend so. Und über den Weg kommen die dann irgendwann auch und sagen, hey, also ich vertraue euch da wirklich, ich möchte jetzt einen Stärken-Coaching machen oder ich möchte hier das Me Manual kaufen, sozusagen. Das ist das Jobhandbuch für sich selber, wo man wirklich rausfinden kann mit Coaching-Fragen, wie ticke ich eigentlich, was sind meine Werte, wie arbeite ich überhaupt im Einklang mit meinen persönlichen Werten, was ist meine Motivationsstruktur, was brauche ich überhaupt? Wie kann ich das auch im Team kommunizieren?

Das ist, was wir dann mit den Leuten machen.

[Alex] Eine Social-Media-freie Strategie, die wir jetzt noch gar nicht angesprochen haben, aber zu der du ja auch berätst oder einen Kurs, glaube ich, sogar hast, ist das Thema Netzwerken.

[Melina] Genau, ja.

[Alex] Und ich habe dich darüber auch im Buch noch Social Media interviewt und würde hier gerne auch nochmal ganz kurz zumindest drauf zurückkommen, weil ich glaube, dass es immer noch sehr, sehr unterschätzt wird, dass Beziehungen, Kontakte, einfach ein starkes Netzwerk eigentlich viel wichtiger sind als Social Media, also für die meisten.

Ich will es natürlich jetzt nicht so pauschal sagen, aber sehr häufig, glaube ich, ist das schon der Fall. Aber trotzdem hat ja Netzwerken so einen schlechten Ruf und viele sagen: Netzwerken? Lieber nicht! Komm wir da weg mit Netzwerkevents!

Aber ja, wie kommt es, dass Netzwerken so einen schlechten Ruf hat?

[Melina] Also das Wort ist einfach auch furchtbar. Müssen wir gleich an der Stelle mal sagen. Netzwerken ist halt einfach ein schreckliches Wort.

Weil durch dieses Wort halt einfach nicht transportiert wird, dass es hier um eine Verbindung zwischen Menschen geht.

Also das Wort Netzwerken klingt halt rein transaktional und so wird es eben auch leider häufig in der Praxis gelebt.

Also ich glaube, wir kennen das alle, wenn wir auf irgendeinem Event waren, dass da eine Person mit ihren Visitenkarten durch die Gegend läuft oder das Erste, was du halt hörst, ist nicht, hey, wie war dein Tag bisher, sondern: Was machst du?

Und dann erklärst du, was du machst. Und das muss natürlich auch sehr geschliffen klingen und der Jobtitel muss möglichst abgefahren klingen und der Elevator-Pitch muss sitzen. Und dann wirst du direkt abgecheckt. In den ersten 30 Sekunden des Gesprächs wirst du abgecheckt nach, na, wie viel Wert hast du für mich? Kannst du mir in Zukunft noch nützlich sein? Und das ist halt einfach schrecklich. Und ich glaube, so einer Person sind wir alle schon mal begegnet.

Und gerade für Menschen, die eben ein bisschen sensibler sind und eben auch sagen: Nee, also ich möchte mich aber nicht so in den Vordergrund stellen. Und ich bin ja, natürlich bin ich hier und ich möchte natürlich auch Bekanntschaften schließen und langfristig möchte ich natürlich, dass mein Geschäft wächst oder ich bin hier im Auftrag meines Unternehmens zum Beispiel. Und mein Unternehmen möchte natürlich, dass ich hier langfristig Abschlüsse mache. Trotzdem ist ja der Kern immer, es geht hier um Menschen.

Und wie entstehen Beziehungen? Beziehungen entstehen durch Vertrauen. Und wie schaffe ich Vertrauen? Also nicht, indem ich irgendwie auf die Leute zurenne und sage, kauf mein Produkt.

Sondern, indem ich sage, das ist auch wirklich mein Lieblingsmotto:

Sei jemand, der anderen das Gefühl gibt, jemand zu sein.

Also behandle Menschen wertschätzend, stell denen Fragen, hab echtes Interesse an ihnen, dann stellst du Vertrauen her.

Und dann hast du auch eine tragfähige Beziehung. Aber eben nicht, indem ich vorgehe wie so eine Maschine, wo ich Menschen als Sachen betrachte, die mir nützlich sein sollten. Das ist halt, es geht nur nach hinten los.

[Alex] Und was können dann jetzt Selbstständige, also vor allem wenn sie introvertiert, schüchtern sind, konkret machen, um sich so ein Netzwerk aufzubauen?

[Melina] Das ist natürlich jetzt wirklich die Frage, weil nur weil ich introvertiert bin, heißt das nicht, dass die gleiche Sache zu mir passt.

Wir sind beide introvertiert, aber das heißt trotzdem nicht, dass wir die gleiche Art haben, auf Menschen zuzugehen.

Und auch hier kann Social Media beispielsweise ein Tool sein.

Also für mich war Social Media damals an diesem Punkt, wo es mir schwer fiel, auf andere zuzugehen, ein Tool. Weil ich ausprobieren konnte, wie es ist, andere ganz formlos anzuschreiben.

Für mich spielt zum Beispiel Form oft eine Rolle. Wenn ich irgendwie im 1:1 bin, habe ich das Gefühl, welche Etikette gilt jetzt hier? Also wie muss ich jetzt auftreten, dass ich nicht irgendwelche sozialen Regeln breche vielleicht?

Und da habe ich für mich zum Beispiel festgestellt, das Schriftliche liegt mir besser.

Also ich kann besser Kontakte knüpfen, wenn ich im Erstkontakt erstmal einfach eine E-Mail an jemanden schreibe und sage, guck mal, ich habe das und das von dir gelesen. Das hat mich total weitergebracht. Damit hast du mir geholfen, Problem XY zu lösen. Dafür wollte ich dir danken.

Und so kann sich was entspinnen langfristig. Aber das ist eben eine große Frage, welche Form liegt einem? Ist man eher so ein 1:1-Typ im persönlichen Gespräch?

Mittlerweile würde ich zum Beispiel das persönliche Gespräch bevorzugen, früher war es das schriftliche. Aber da muss man wirklich gucken, wo stehe ich gerade, was passt jetzt gerade zu mir, wo fühle ich mich frei und wo fühle ich mich natürlich?

Und in dem Moment, wo ich weiß, wo ich mich natürlich fühle, komme ich ja dann auch wirklich so rüber, wie ich bin. Also in dem Moment, wo ich so viele Gedanken in meinem Kopf habe, wie trete ich jetzt auf, welche Regeln könnte ich hier gerade brechen und was denken die anderen jetzt von mir, verkrampfe ich mich ja. Und das wollen wir ja vermeiden.

[Alex] Hast du abschließend noch einen Tipp für Menschen, die sich das einfach nicht trauen, also die so eine große Hürde haben? Was könnte das einfacher machen?

[Melina] Ganz, ganz, ganz klein denken. Was ist der allerkleinste Schritt, den ich heute noch machen kann?

Also welcher Schritt ist so klein, dass ich gar nicht darüber nachzudenken brauche, ob ich das kann oder eben nicht. Also wirklich, ich gebe dir mal ein Beispiel, nur damit du weißt, wie schüchtern ich früher wirklich war.

Ich habe mich früher, vor ein bisschen mehr als zehn Jahren, nicht getraut, Menschen auf der Straße zu begrüßen. So. Das heißt, was ich gemacht habe, ist, ich habe einfach erst mal angefangen, auf meiner Morgenrunde Blickkontakt aufzunehmen.

So. Blickkontakt, also es klingt absurd, aber das ist, Blickkontakt aufzunehmen ist ja ganz häufig so ein Startpunkt, wo du selber vielleicht gar nicht so viel machen musst, weil die Person dann schon dir ja auch in die Augen schaut und dann vielleicht selber Hallo sagt oder auf dich zukommt.

Also das ist ja ganz oft der Punkt, gerade auch auf so Networking-Events, wenn du da auch irgendwie Blickkontakt zu jemandem aufbaust und freundlich lächelst, dann ist das auch schon ein Türöffner. Also wirklich ganz, ganz, ganz klein denken.

Kann ich anfangen, meine Nachbarn regelmäßig zu grüßen? Kostet mich das sehr viel Überwindung? Vielleicht ist das etwas, was ein bisschen Überwindung kostet, aber machbar ist. Da anfangen und sich von da an weiterhangeln.

Also das ist jetzt wirklich für Leute, die sagen, okay, ich habe da wirklich ganz, ganz große Hürden, aber das soll einfach verdeutlichen, du kommst in kleinen Schritten auf jeden Fall weiter.

[Alex] Das ist doch ein schönes Schlusswort.

Melina, vielen, vielen Dank, dass du heute hier warst und uns über deinen Instagram-Ausstieg erzählt hast und über das Thema Netzwerken.

Vielen Dank.

Shownotes

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