Kritisches Ignorieren und Social Media

In dieser Folge geht es um kritische Ignoranz: Was ist das, warum ist kritisches Ignorieren in der heutigen Zeit so wichtig und was hat das Ganze mit Social Media zu tun? 

Folge anhören:

Transkript lesen:

Als ich ein Teenie war, habe ich unglaublich gerne Gitarre gespielt. 

Und eine der wichtigsten Dinge für mich als Jugendliche war es, Gitarrennoten bzw. Akkorde für meine Lieblingssongs zu finden. 

Ich verbrachte super viel Zeit damit, im Musikladen meines Vertrauens nach Gitarrenbüchern zu stöbern und dann immer wieder frustriert zu merken, dass es die Noten für die Songs, die ich als Sechzehnjährige toll fand, einfach nicht zu kaufen gab.

Bis – ja, bis – ich das Internet für mich entdeckte und feststellte, dass es doch tatsächlich Menschen gab, die sich die Mühe machten, Akkorde für jeden erdenklichen Song auf der Welt aufzuschreiben und sie online zu stellen. 

Das heißt: Ich konnte auf einmal jeden Song nachspielen, den ich wollte. Das war ungefähr das Jahr 1999, und, ja, das war lebensverändernd für die Teenie-Alex. 

Und wenn du auch ein Kind der 90er oder 80er bist, hast du vielleicht selbst so ein Schlüsselerlebnis mit diesem Internet, das so voller Möglichkeiten war.

Wenn wir jetzt mal 25 Jahre in die Zukunft vorspulen, landen wir im Jahr 2023. Also im Jetzt. 

Und in diesen 25 Jahren hat sich eine Menge verändert. Um nicht zu sagen: Alles ist anders geworden.

Wissen, Informationen, Anleitungen, Ideen, Tipps, Tricks, Hacks, Rezepte, Gitarrennoten – oder was auch immer – sind nichts Besonderes mehr. Sie sind der Normalfall.

Wir stehen jetzt in der Regel nicht mehr staunend vor unserem Bildschirm, wenn wir einen genialen Tipp lesen. Das ist für uns Alltag.

Und das heißt, dass es auch gar nicht mehr so sehr darauf ankommt, Informationen zu suchen – die finden uns schon sowieso – sondern dass eine andere Fähigkeit immer wichtiger wird:

Kritisches Ignorieren.

Denn wir leben ja nicht mehr in den 90ern und sind verzweifelt auf der Suche nach Gitarrennoten oder anderen Informationen. 

Wir sind heute online einer Flut von Informationen ausgeliefert und müssen jetzt lernen, mit dieser Flut umzugehen, ohne unterzugehen.   

Und genau das bedeutet kritisches Ignorieren:

Es ist gewolltes Nichtwissen. Es ist die Klarheit darüber, was unsere Aufmerksamkeit verdient und was nicht. Es ist, wenn man so will, ein strategisches Nein.

Nicht weil wir zu „faul“ oder zu „schwach“ sind, um „ja“ zu sagen.

Sondern weil die Welt sich so verändert hat, dass wir täglich öfter „nein“ als „ja“ sagen müssen, um mit der Fülle an Informationen zurechtzukommen.

Und dass das keine Übertreibung von meiner Seite aus ist, sehen wir zum Beispiel auch daran, dass kritische Ignoranz heute sogar Gegenstand der Forschung ist, was ich total spannend finde. 

Denn in einer Welt des Überflusses sollte „Nein“ unser neuer Standard sein, unser Default-Setting, wenn man so will.

Und man kann unzählige Beispiele dafür finden, wo es wichtig ist, sich in kritischer Ignoranz zu üben.

Wir können zum Beispiel nein sagen zu Social-Media-Accounts, die uns nerven. Oder die uns nicht gut tun. Wir können ihnen entfolgen, uns nicht mehr damit belasten.

Wir können nein sagen zu Social-Media-Plattformen, die uns nichts fürs Marketing bringen. Die Plattformen, wo wir einfach nur Zeit, Geld und Energie reinstecken, ohne wirklich Ergebnisse zu sehen.

Wir können auch grundsätzlich nein zu Social Media sagen, so wie ich es ja handhabe und andere Selbstständige dabei unterstütze.

Wir können natürlich auch außerhalb von Social Media nein sagen, z.B. Nein zum Liveticker, der uns – angesichts all der schlimmen Nachrichten auf der Welt – auf Dauer stresst. Heißt für mich nicht, überhaupt keine Nachrichten mehr zu lesen. Sondern sich für das Format zu entscheiden, das einem gut tut. Und die anderen Formate kritisch zu ignorieren.

Wir können Nein sagen zum gehypten Buch, das uns nicht die Bohne interessiert. Oder zu einer Netzwerkveranstaltung, für die wir gerade keine Energie haben.

Wir können Nein sagen zum allerneuesten Marketingtrend, der einfach nicht zu uns und unseren Stärken passt.

Einfach nur nein.

Es geht nicht darum, nein zu sagen, weil wir grundsätzlich „anti“ sind oder eine rebellische „Dagegen-Haltung“ einnehmen. Auch wenn ich selbst ein kleines Rebellenherz habe. 

Kritisches Ignorieren ist vielmehr eine Überlebensstrategie in der schnellen, übervollen und ja für viele Menschen auch überfordernden Onlinewelt.

Und das Schöne ist: 

Wenn wir „nein“ zu dem sagen, was eh kacke ist, haben wir endlich auch Zeit und Raum, „ja“ zu den wirklich schönen Dingen im Leben zu sagen, zum Beispiel.

Ja zu mehr Platz im Kopf.

Ja zu kreativ sein.

Und konzentriert und produktiv arbeiten.

Ja zu Marketingstrategien, die zu unseren Stärken und Werten passen.

Ja zu „Ich mach einfach mein Ding, egal, was andere davon halten.“

Ja zu innerem Frieden.

Abschließend hab ich noch eine Idee für dich:

  • Erstell doch mal eine Liste mit den Dingen, zu denen du „ja“ sagen willst.

  • Erstell dann eine zweite Liste mit den Dingen, zu denen du tatsächlich „ja“ sagst.

  • Vergleiche dann die beiden Listen und passe an.

Shownotes:

Kritische Ignoranz in der Forschung

Website

Buch „No Social Media!“

Buch „Don’t be evil“

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