Der Kaninchenbau-Effekt auf Social Media

Heute begeben wir uns in den Kaninchenbau. Oder vielmehr: Wir versuchen, da gemeinsam wieder rauszukommen.

Der Kaninchenbau („Rabbit Hole“) wird oft mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht, doch er ist auch für Selbstständige relevant, wenn es um Marketing- und Businessthemen geht.

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Transkript lesen:

Heute begeben wir uns in den Kaninchenbau. Oder vielmehr: Wir versuchen, da gemeinsam wieder rauszukommen.

Du kennst ihn vielleicht – oder bestimmt – aus dem Kinderbuch „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll. Da gibt es auch einen verrückten, weirden Film dazu für alle, die lieber Filme gucken.

Alice döst unter einem Baum und sieht plötzlich ein Kaninchen an ihr vorbeilaufen. Es guckt immer auf die Uhr und sagt: „Ich komme zu spät! Ich komme zu spät!“ Dann springt es in ein Loch und Alice springt einfach hinterher.

Das Buch ist mittlerweile fast 160 Jahre alt und immer noch total aktuell, denn: 

Es ist ist inzwischen zu einer Metapher für das geworden, was vielen Menschen in den sozialen Medien passiert: tief in einen „Kaninchenbau“ zu fallen, ohne zu wissen, „wie in aller Welt sie da wieder rauskommen.“

Der Kaninchenbau (oder „Rabbit Hole“, wie er auf englisch heißt) wird oft mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht, doch:

Wir spüren den Kaninchenbau-Efffekt auch als Selbstständige, wenn wir uns über berufliche Dinge informieren. 

Das könnte zum Beispiel folgendermaßen passieren:

  • Wir wünschen uns mehr zahlende Kund*innen und googeln „Kunden gewinnen als Coach“.

  • Wir gehen die Suchergebnisse durch und besuchen einige Websites, die oben auftauchen.

  • Vielleicht weißt du, dass einige Websites den Meta-Pixel verwenden und diese Informationen natürlich an Meta weiterleiten, also dass wir uns für das Thema interessieren, vereinfacht gesagt. 

  • Und wenn wir dann das nächste Mal Facebook oder Instagram öffnen, bekommen wir passende personalisierte Werbung anzeigt, zum Beispiel: „Selbstständig als Coach? Lerne im Webinar, wie ich mir ein siebenstelliges Business mit Instagram aufgebaut habe“.

  • Wenn wir dann mit solchen Werbeanzeigen interagieren oder uns sogar anmelden, senden wir Facebook das Zeichen, uns doch noch mehr Inhalte zum Thema „Instagram für Coaches“ zu zeigen.

  • Wir werden immer tiefer und tiefer und tiefer in das Thema hineingezogen, bis unser Feed nun überwiegend aus diesem einen Thema besteht und wir denken: „Boah, ich MUSS einfach Instagram für mein Business nutzen, denn alle anderen machen es ja auch so und sind total erfolgreich damit …“

  • Und dann folgen wir auch von uns aus weiteren Businesscoaches, die uns natürlich auch in dieser Annahme bestätigen und wir interagieren wiederum mit ihren Inhalten – und kriegen dann noch mehr von diesem Thema angezeigt. 

Das heißt, es ging ganz schön schnell: Wir wollten EIGENTLICH nur ein paar zahlende Kund*innen mehr – ein paar Wochen später haben wir nahezu unser Weltbild verändert und glauben, dass es ohne Social Media nicht geht.

Es gibt auch immer wieder Versuche von Journalist*innen, die zeigen, dass es manchmal auch nur eine Sache von ein paar Tagen ist, bis sich die Inhalte auf Social Media radikalisieren.

Man konnte zum Beispiel zeigen, dass, wenn jemand fünf Profilen aus der „Thinfluencer“-Szene folgte, er oder sie bereits automatisiert Beiträge von magersüchtigen Körpern in den Feed bekamen.

Ich verlinke dir diesen Versuch auch mal in den Shownotes. 

Es ist also völlig egal, worum es geht. Ob um Verschwörungstheorien geht, Magersucht oder eben Marketing. Das ist für alle Fälle der sogenannte Kaninchenbau-Effekt.

Das heißt: Es ist nicht so, dass die Welt wirklich so ist, wie wir sie auf Social Media sehen, und – jetzt in unserem Beispiel – Marketing nicht ohne Social Media funktionieren könnte.

Sondern dass die Algorithmen uns nur noch die Beiträge anzeigen, die das behaupten, weil sie ja wissen, dass uns das gerade interessiert. 

Bevor wir in diesem Podcast also überhaupt über Alternativen zu Social Media sprechen, ist es wichtig zu verstehen, dass ein Satz wie „Du brauchst Instagram, wenn du selbstständig bist“ keine allgemeingültige Wahrheit ist, sondern ein Resultat des Feeds, den wir uns selbst erschaffen haben.

Wir sind also ganz leicht und fast schon unbemerkt in diesen Kaninchenbau reingekommen. Wie kommen wir da jetzt wieder heraus?

Das ist leider, leider um einiges schwerer.

Eine Möglichkeit ist, gezielt andere Beiträge auf Social Media zu suchen und zu liken und den Algorithmen das Zeichen zu geben, dass du auch andere Themen gezeigt haben möchtest. 

Das funktioniert aber ehrlicherweise bei manchen Plattformen besser als bei anderen. 

Bei YouTube zum Beispiel funktioniert dieses Erziehen ganz gut, finde ich. Das heißt, wir geben in die Suchleiste neue Themen ein, gucken uns da ein paar Videos an. Und vermutlich wird das schon reichen, damit wir die Algorithmen da zumindest in die richtige Richtung schubsen können.

Auf TikTok finde ich das um einiges schwerer. Denn wir starten bei der „For You“-Page und sehen ja nicht, welche Videos da als nächstes kommen. Manchmal war ich bei manchen Videos so geschockt, dass ich im ersten Moment auch gar nichts machen konnte und sie mir doch ein paar Sekunden angeguckt habe. Da ist es also viel schwieriger, Einfluss zu nehmen.

Eine zweite Möglichkeit, den Kaninchenbau zu verlassen, ist, eine größere Social-Media-Pause einzulegen und zumindest gedanklichen Abstand zu den Themen zu bekommen. 

Denn wenn wir mal ein paar Wochen nicht auf Social Media sind, macht das auch was mit unserem Kopf. Wir können endlich auch mal unsere eigenen Gedanken hören und kriegen wieder Zugang zu unseren Ansichten und unserer Intuition. 

Vielleicht trauen wir uns mehr … oder wir trauen uns zumindest, uns auf neuere Gedanken einzulassen und weisen sie nicht gleich als „unmöglich“ ab.

Doch selbst, wenn du fürs Erste nicht vorhast, eine Social-Media-Pause einzulegen oder vielleicht Social Media ganz zu verlassen, kannst du dich zumindest immer daran erinnern:

Das, was du auf Social Media hörst, ist nicht zwingend die Wahrheit. Und wenn alle um uns herum sagen, dass wir zwingend Social Media brauchen, wenn wir selbstständig sind, heißt es nicht zwingend, dass es stimmt. Es heißt, dass wir tief im Kaninchenbau sind und da schleunigst wieder rauskommen sollten.

Shownotes:

Studie zur Radikalisierung der Inhalte

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