Social-Media-frei
Der Podcast für Marketing ohne Likes, Reels & Selfies
Worum geht’s?
In diesem Podcast nehme ich soziale Medien kritisch unter die Lupe und spreche darüber, wie Selbstständige online sichtbar werden können, ohne ständig ihr Frühstück auf Insta zu posten.
Es geht um „immergrüne“ Marketingstrategien und darum, wie Selbstständige entspannt und nachhaltig ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen.
Dauergeposte und Dauerhustle nicht nötig!
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Unbezahlte Arbeit auf Social Media – Teil 2: Contentarbeit
In dieser Podcastfolge geht es um unbezahlte Contentarbeit auf Social Media und die Frage: Was bedeutet es, dass Millionen oder gar Milliarden Menschen ihre Zeit, ihre Energie und ihr Geld in das Posten, Kommentieren und Moderieren von Social-Media-Content stecken? Ist Content für Social Media erstellen ein freiwilliger, kreativer, altruistischer Akt? Oder können wir es vielleicht sogar als Ausbeutung unserer Arbeitskraft verstehen?
In dieser Podcastfolge geht es um unbezahlte Contentarbeit auf Social Media und die Frage:
Was bedeutet es, dass Millionen oder gar Milliarden Menschen ihre Zeit, ihre Energie und ihr Geld in das Posten, Kommentieren und Moderieren von Social-Media-Content stecken?
Ist Content für Social Media erstellen ein freiwilliger, kreativer, altruistischer Akt? Oder können wir es vielleicht sogar als Ausbeutung unserer Arbeitskraft verstehen?
Folge anhören:
Transkript lesen:
Heute geht es weiter mit Teil zwei der Reihe: unbezahlte Arbeit auf Social Media. Und in der Folge heute möchte ich über das Thema Contentarbeit reden und die Frage: Was bedeutet es, dass Milliarden von Menschen ihre Zeit, ihre Energie und ihr Geld in das Posten, Kommentieren und Moderieren von Social-Media-Content stecken?
Und auffällig an diesem Thema ist erst einmal die bemerkenswert dünne Studienlage. Um nicht zu sagen. Bisher wird wissenschaftlich nicht untersucht, was das Ganze eigentlich in konkreten Zahlen bedeutet.
Aber eine Studie habe ich gefunden, und zwar zu der Plattform Reddit. Und die Studie kam zu dem Schluss, dass Reddit-Moderator*innen durch das Moderieren, Hochladen und Teilen der Inhalte jährlich unbezahlte Arbeit im Wert von 3,4 Millionen US-Dollar leisten, was etwa 3 Prozent der Gesamteinnahmen von Reddit entspricht.
Auch wenn Reddit jetzt vielleicht keine klassische Social-Media-Plattform ist, ist die Studie spannend. Denn die Fragen, die in der Studie aufgeworfen wurden, sind natürlich dieselben:
Ist die Erstellung von Inhalten, das Moderieren von Beiträgen oder das Teilen und Weiterverbreiten ein freiwilliger, kreativer, altruistischer Akt oder können wir diese unbezahlte Arbeit im Netz vielleicht sogar als Ausbeutung interpretieren?
Stevie Chancellor, die die Studie zusammen mit ihren Kollegen initiierte, plädiert dafür, bei dieser Frage zwischen gemeinnützigen und profitorientierten Unternehmen zu unterscheiden:
Sie sagt: Wikipedia zum Beispiel sei gemeinnützig. Sie verfolge keine Gewinnabsicht und deshalb sei es auch völlig in Ordnung, wenn Menschen unbezahlt Beiträge für die Wikipedia erstellen. Bei Unternehmen wie Yelp allerdings sei die Lage anders. Yelp ist ein Unternehmen, das mehr als 300 Millionen Dollar Umsatz im Jahr erwirtschaftet und nur deshalb erfolgreich läuft, weil es Menschen gibt, die ohne Vergütung Bewertungen für Restaurants und so weiter schreiben.
Und bei Social Media sieht die Lage aus meiner Sicht da ganz ähnlich aus:
Das Geschäftsmodell von Meta und anderen Betreibern funktioniert nur deshalb, weil Millionen oder gar Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt posten, kommentieren und teilen, ohne dass sie dafür bezahlt werden.
Und der Aufwand, der zum Beispiel alleine hinter dem Posten steckt, ist enorm:
Wir überlegen uns, was wir wann auf Social Media posten und welches der vielen Formate dazu am besten passt.
Wir machen Selfies und bearbeiten manchmal stundenlang Bilder.
Oder wir erstellen Grafiken und Sprüche in Grafikdesigntools wie Canva.
Wir schreiben Captions und planen unsere Posts in einem Planungstool ein, damit sie zu einem optimalen Zeitpunkt veröffentlicht werden.
Und wenn der Post, die Story oder das Reel online sind, bleiben wir auch online, um mit den Menschen, die mit unseren Beiträgen interagieren, ebenfalls zu interagieren.
Wir beantworten Kommentare und DMs und machen Screenshots von den Reaktionen auf unsere Posts und verwerten das weiter in einer Story.
Und wenn unsere Posts veraltet sind und nicht mehr ausgespielt werden bzw. im Falle von Storys gelöscht werden, geht das Spiel wieder von vorne los.
Also extrem viel Arbeit, die alle, die auf Social Media aktiv sind, in die Plattform reinstecken, ohne dass sie dafür auch nur einen Cent von den Plattformbetreibern sehen.
Außerdem ist diese Art von Arbeit ja nicht immer nur Ponyhof, sondern je nach Thema und Nische auch physisch und psychisch anstrengend, weil nicht zuletzt Frauen Belästigungen, Mobbing oder andere Formen von digitaler Gewalt auf Social Media erfahren, sie gleichzeitig aber nur wenig Support von den Plattformbetreibern in dieser Hinsicht bekommen. Meta z.B., das hat Frances Haugen in den Facebook Files öffentlich gemacht, schafft es in mehr als 90 Prozent der Fälle nicht, problematische Inhalte zu prüfen und sie ggf. zu löschen.
Auf dem Höhepunkt meiner Social-Media-Nutzung habe ich zwei Stunden täglich für diese Art von Arbeit gebraucht. Im Durchschnitt. Oft auch mehr.
Das ist zwar weniger als bei so manchem Heavy User, der mehr als vier Stunden täglich auf Social Media verbringt.
Doch es waren immerhin 14 Stunden in der Woche, 60 Stunden im Monat, 720 Stunden im Jahr.
Diese umgerechnet 30 Tage jährlich, die ich brauchte, um Menschen auf Social Media zu bespaßen, wurden – so wie bei Yelp oder Reddit – natürlich nicht vergütet, denn auch das Konzept „Social Media“ sieht keine Bezahlung für Menschen vor, die Contentarbeit leisten.
Ganz zu schweigen davon, dass einem ja auch niemand die Kosten für Bildbearbeitungstools, Grafikdesigntools, Videoschnitttools und Planungstools, Hardware oder Ringlichter ersetzt.
Das zahlen die Menschen, die auf Social Media aktiv sind, ja alles brav selbst.
Warum ist das nun ein Problem? Könnte man nicht auch sagen:
Na ja, die Menschen sind doch freiwillig auf Social Media, um sich mit Menschen zu verbinden, Promis zu folgen oder Marketing für ihr Business zu betreiben.
Doch so einfach ist es aus meiner Sicht nicht. Denn zunächst gilt das, was Stevie Chancellor im Falle von Reddit feststellte:
Meta ist ein börsennotiertes, profitorientiertes Unternehmen, das im Jahr 2022 rund 116 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftete. Damit ihr Geschäftsmodell, das ja darauf beruht, Daten der User zu sammeln und sie an Werbetreibende zu verkaufen, überhaupt funktionieren kann, müssen Menschen Tag für Tag posten, liken, teilen, kommentieren usw.
Man stelle sich nur vor, was passieren würde, wenn eine Woche lang niemand eine Meta-Plattform nutzen würde. Niemand würde posten, niemand würde gucken, was andere gepostet haben – wem sollte Meta dann Werbeanzeigen ausspielen?
Wenn niemand da ist, sieht auch niemand Werbung – und Meta macht kein Geld.
Das heißt: Meta braucht uns. Meta ist für das Funktionieren des Unternehmens darauf angewiesen, dass wir Selfies und Katzenvideos posten, vergütet uns aber nicht.
Und wir können ja einfach mal nachrechnen: Wenn wir mit fünfzig Euro einen Stundenlohn von Selbstständigen annehmen und davon ausgehen, dass sie rund zwei Stunden täglich Contentarbeit leisten, kommen wir auf 36 Tausend Euro im Jahr, um die Menschen, die auf Social Media posten, gebracht werden.
Und das bei der recht konservativen Schätzung von fünfzig Euro Stundenlohn und zwei Stunden täglicher Nutzungsdauer – bei vielen Menschen sind beide Zahlen deutlich höher.
Selbst wenn wir es also lieben, auf Social Media zu sein, ist das verdammt viel Geld, das wir nicht bekommen, weil uns eingeredet wird, dass wir das alles nur zu unserem Vergnügen machen.
Und apropos Vergnügen: Das ist natürlich die Basis dafür, dass wir diese Arbeit unbezahlt erledigen.
Hätte mich jemand, kurz nachdem ich mich selbstständig gemacht habe, gefragt, ob ich freiwillig auf Social Media bin und „Marketing für mein Business“ betreibe, hätte ich geantwortet:
„Auf jeden Fall!“
Denn ich hatte natürlich auch diese schillernden Social-Media-Versprechen verinnerlicht:
Schon der nächste Post könnte viral gehen und damit tausende oder gar Millionen Menschen erreichen. Marken könnten auf mich aufmerksam werden und mir einen Deal anbieten. Ich könnte so viel verdienen, dass ich für immer ausgesorgt hätte.
Ja, Social Media lebt von diesen Konjunktiven und Erfolgsgeschichten und dem klassischen American Dream. Also „From Rags to Riches“ oder von „Unbekannt“ zu „erfolgreicher Influencerin“
Meta ist darauf angewiesen, dass wir alle denken, dass wir uns auf Social Media durch unbezahlte Contentarbeit selbstverwirklichen können. Denn sonst könnten sie ihr Geschäftsmodell so in der Form nicht aufrechterhalten.
Doch wenn wir die schillernden Social-Media-Erfolgsversprechen von dem Glitzer befreien, ist eher Ernüchterung angesagt.
Das fängt schon damit an, dass es kaum Studien dazu gibt, wie viel Influencer*innen zum Beispiel tatsächlich brutto und netto verdienen durch Social Media.
Es gibt viele Statistiken und Rechenbeispiele, die die möglichen Preise pro Post zeigen und sich damit einreihen in dieses Narrativ von Social Media als „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“.
Und ja, diese Zahlen, die wir da zu sehen kriegen, sind oft sehr hoch. Und dann denken wir:
„Wow, 5.000 Euro pro Post! Dann bräuchte ich ja gerade mal einmal im Monat zu posten und hätte mehr Kohle als jetzt durch meinen nervigen Teilzeitjob. OMG!!!“
Doch es bedeutet einfach unfassbar viel Arbeit, aber auch viel Glück fürs richtige Timing und ein Händchen für Grafiken, Worte und Trends, um überhaupt diese Followerzahl zu erreichen, bei der diese Preise gezahlt werden. Außerdem wird oft auch vergessen, dass gesponserte Posts nur ein Bruchteil von den geposteten Posts ausmachen, sodass es natürlich nicht reicht, einmal im Monat einen Post für 5000 Euro zu posten und dann hat man quasi ausgesorgt. Es ist viel komplizierter und anstrengender als das.
Auch bei den Menschen, die zu mir kommen, um sich zu Social-Media-freiem Marketing beraten zu lassen, höre ich immer wieder dieselbe Geschichte:
„Ich bin schon seit zwei Jahren auf Instagram und reiß mir dort ein Bein aus, doch ich dümpel immer noch bei 200 Followern rum und … Kund*innen bekomme ich dadurch schon gar nicht.“
Auch hier gibt es überhaupt keine zuverlässigen Studien darüber, mit welchen Ergebnissen auf Social Media überhaupt rechnen können. Es gibt nur die großen Träume von Social-Media-Erfolgen, aber keine Belege, keine Studien, keine Fakten.
Das heißt:
Die Geschichte, dass wir Social Media brauchen, wenn wir selbstständig sind, hält sich hartnäckig und hilft den Plattformen letzten Endes dabei, unbezahlte Contentarbeit zu legitimieren.
Ja, und ich denke, wir sollten uns dessen in erster Linie bewusst werden, dass es eben nicht einfach nur Posten ist, was wir da tun, sondern dass wir das Ganze als Arbeit verstehen können.
Und dann können wir uns im zweiten Schritt entscheiden, ob wir für Mark Zuckerberg und Co. tatsächlich ohne Bezahlung arbeiten wollen oder ob wir das nicht auch als Ausbeutung verstehen wollen und unsere Zeit und Energie stattdessen lieber in unsere eigenen Projekte und Plattformen stecken.
Shownotes:

Themenwünsche?
Wenn dir ein wichtiges Thema im Podcast fehlt, sag mir gerne Bescheid. Ich freu ich mich auf deine Nachricht.