Social-Media-frei
Der Podcast für Marketing ohne Likes, Reels & Selfies
Worum geht’s?
In diesem Podcast nehme ich soziale Medien kritisch unter die Lupe und spreche darüber, wie Selbstständige online sichtbar werden können, ohne ständig ihr Frühstück auf Insta zu posten.
Es geht um „immergrüne“ Marketingstrategien und darum, wie Selbstständige entspannt und nachhaltig ihre Produkte oder Dienstleistungen verkaufen.
Dauergeposte und Dauerhustle nicht nötig!
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Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Teil 3: Algorithmen und Aufmerksamkeitökonomie
In dieser Podcast-Folge machen wir weiter mit dem Thema Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen? Und heute geht es um die Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie.
In dieser Podcast-Folge machen wir weiter mit dem Thema Social Media und ethisches Marketing – wie passt das zusammen?
Und heute geht es um die Algorithmen und die Aufmerksamkeitsökonomie.
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Hast du schon mal auf YouTube nur ein Video gucken wollen und eine Stunde später schaust du auf einmal einem Typen zu, der 30 Minuten lang Murmeln über eine komplizierte, selbstgebaute Bahn rollen lässt?
Wenn ja: Herzlichen Glückwunsch – du hast Bekanntschaft mit der Aufmerksamkeitsökonomie gemacht!
Der Begriff stammt aus dem Buch „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ von Georg Franck und bedeutet, dass Aufmerksamkeit zu einem knappen, kostbaren Gut geworden ist, um das hart gekämpft wird.
Was heißt das nun genau für Social Media?
Nun, ich bin in der letzten Folge zum Thema „Social Media und ethisches Marketing“ ja darauf eingegangen, dass die Plattformbetreiber unser Verhalten auf Social Media ganz genau überwachen und monetarisieren.
Doch jetzt müssen wir noch einen Schritt weitergehen. Denn die Plattformbetreiber überwachen und monetarisieren nicht nur unser Verhalten. Sie manipulieren Menschen darüber hinaus aktiv dazu, sich in irgendeiner Weise zu verhalten.
Es gibt inzwischen einen eigenen Berufsstand dafür, die sogenannten Aufmerksamkeitsingenieure (Attention Engineers). Und ihre Aufgabe ist es, Social-Media-Oberflächen so zu gestalten, dass sie maximal Aufmerksamkeit erregen und Menschen möglichst lang auf der Plattform halten.
Die meisten Tricks sind inzwischen gut bekannt und auch du bist mit Sicherheit bereits mit den meisten in Berührung gekommen.
Es gibt zum Beispiel den Infinite Scroll. Das heißt, du scrollst und scrollst und scrollst und wirst einfach nicht fertig. Dir wird immer ein weiterer Inhalt, ein weiteres Video angezeigt.
Und es ist natürlich super schwer, dem bewusst ein Ende zu setzen und zu sagen: Ich höre jetzt auf damit.
Und deshalb hängen viel zu viele Menschen viel zu lange auf diesen Plattformen fest. Sich zu sagen „Ich bin jetzt nur 10 Minuten auf TikTok“ funktioniert für die meisten Menschen in der Praxis nicht sooo gut.
Dann gibt es das Autoplay, das Videos automatisch abspielen lässt und so die Hürde minimiert, aktiv auf Play zu drücken.
Es gibt die Pushbenachrichtigungen, die du mit Sicherheit auch gut kennst.
Eine Pushbenachrichtigung macht natürlich sehr neugierig und motiviert uns dazu nachzuschauen, was sich hinter der Benachrichtigung verbirgt. Und meistens werden diese Benachrichtigungen ja auch in der Farbe Rot angezeigt, was noch mal zusätzlich Aufmerksamkeit erregt und suggeriert, dass eine gewisse Dringlichkeit oder vielleicht sogar eine Gefahr besteht.
Überhaupt die Tatsache, dass es Likes oder Shares oder Kommentare gibt, führt dazu, dass Menschen motiviert sind, immer wieder neue Inhalte für Social Media zu erstellen. Denn natürlich wollen die meisten Menschen, die Social Media nutzen, mehr Likes und mehr Herzchen für ihre Inhalte.
Ähnlich sieht es bei Followern aus. Sie zeigen die eigene Beliebtheit an und den sozialen Status, könnte man sagen. Und natürlich wollen alle, die auf Social Media sind, möglichst viel davon.
Das alles ist kein Zufall. Diese Strukturen und das Design sind bewusst so gewählt, damit du maximal viel Zeit auf den Social-Media-Plattformen verbringst.
Denn je mehr Zeit du dort verbringst, desto mehr Daten können die Plattformbetreiber sammeln und desto mehr Geld machen sie.
Es ist deshalb kein Zufall für mich, dass die Implementierung des Like-Buttons zum Beispiel auf Facebook damals zeitlich mehr oder weniger mit der Weiterentwicklung der Werbeanzeigen auf Facebook zusammenfiel.
Denn wenn Menschen mit Inhalten interagieren können, wenn sie sie liken können, können wiederum Engagement Ads erstellt werden, die das Ziel haben, dieses Engagement zu fördern und Menschen dazu zu bringen, Beiträge oder Unternehmensseiten zu liken.
Es geht den Plattformbetreibern also immer um Profit. Möglichst viel davon.
Und ein weiteres wichtiges Rädchen in diesem Getriebe sind Algorithmen. Da die Plattformbetreiber unser Verhalten auf Social Media ja permanent überwachen und auswerten, wissen sie genau, was uns interessiert und was uns emotional berührt. Und deshalb spielen sie uns auch genau diese Inhalte aus.
Und das ist der Grund, warum wir in unserem Feed überwiegend Beiträge sehen, die emotional was mit uns anstellen, uns irgendeine Reaktion entlocken.
Den Algorithmen ist das übrigens egal. Sie sind weder ethisch noch empathisch. Es spielt für sie überhaupt keine Rolle, ob wir uns gut fühlen, nachdem wir einen Post lesen oder traurig oder wütend oder gar hasserfüllt.
Algorithmen sind auch Desinformation egal oder Diskriminierung oder eben Hate Speech. Es geht – erneut – um maximale Verweildauer und damit maximalen Profit.
Warum ist das nun alles nun ein Problem? Und warum sollten sich Selbstständige überhaupt mit dieser Aufmerksamkeitsökonomie beschäftigen?
Ich könnte jetzt weit ausholen, aber ich möchte mich auf zwei Gründe beschränken:
Grund #1 für mich ist:
Dass alle, die auf Social Media erfolgreich sein wollen, den Kampf um die Aufmerksamkeit mitkämpfen müssen.
Das heißt, wenn du dich für Social-Media-Marketing entscheidest, entscheidest du dich auch dafür, nach den Regeln der Plattformen zu spielen.
Klar könntest du sagen: Ich mache Social-Media-Marketing nach meinen eigenen Regeln und poste, wenn ich wirklich was zu sagen hab.
Oder du könntest auch sagen: Video-Content liegt mir nicht und deshalb erstelle ich eben keine Reels.
Aber die Wahrheit ist, dass du mit diesen Strategien wahrscheinlich keine großen Erfolge erwarten darfst. Weil das eben nicht das ist, was die Plattformen zur Zeit belohnen.
Und meine Erfahrung ist, dass die meisten Selbstständigen dann eben nicht sagen: Okay, dann ist es halt so. Dann hab ich eben weniger Erfolg auf Social Media. Sondern dass irgendwann automatisch Fragen wie „Was will ich eigentlich? Was passt zu mir? Über welches Thema möchte ich sprechen?“ automatisch ersetzt werden durch: „Was funktioniert gerade auf Social Media? Was will der Algorithmus? Und: Was gibt viele Klicks und Kommentare?“
Und dann sind wir eben auch sehr schnell bei solchen Phänomenen wie Rage Bait, also dass bewusst Content erstellt wird, der einfach nur das Ziel hat, Menschen wütend zu machen. Weil wütende Menschen sehr gerne wütende Kommentare unter Beiträge schreiben oder Beiträge mit anderen teilen, um sich eben erneut darüber aufzuregen.
Das heißt: Wir haben auf Social Media angefangen, weil wir sichtbar sein wollten. Wir sind sehr schnell dabei gelandet, dass wir uns vor allem damit beschäftigen, was wir dafür machen müssen. Und nehmen unter Umständen dann wirklich problematische Strategien in Kauf.
Ich glaube, dass der Kampf um die Aufmerksamkeit auf Social Media Selbstständige dazu verleitet und es wirklich, wirklich schwer macht, diese Strategien nicht zu nutzen.
Ich mein, schau dich nur mal auf Social Media um. Überall wimmelt es von künstlicher Verknappung und FOMO und emotionalem Druck und Lovebombing und Clickbait und und und.
Ich glaube nicht, dass Selbstständige das alles aus Bösartigkeit tun, sondern weil sie in diesem System einfach bestehen wollen.
Es gibt ein dystopisches Beispiel aus Shanghai. In China gibt es eine eigene TikTok-Variante. Und dort ist es so, dass wer aus ärmeren Stadtvierteln seine Live-Videos streamt, bekommt weniger Reichweite als diejenigen, die aus wohlhabenderen Stadtvierteln streamen. Das hat was mit dem Geo-Tag zu tun.
Und als Konsequenz sitzen dann eben unzählige Influencerinnen in Shanghai unter Brücken in wohlhabenderen Stadtteilen und bauen dort ihre Ringlichter auf und streamen dort ihren Social-Media-Content. Unter Brücken.
Ich verlinke dir das Video mal in den Shownotes, weil ich es so eindringlich finde, was Menschen bereit sind zu tun, um den Kampf um die Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Was uns auch schon direkt zu Grund Nummer #2 bringt, warum es aus meiner Sicht wichtig für Selbstständige ist, sich dieser Aufmerksamkeitsökonomie bewusst zu werden:
Weil Selbstständige auch gesellschaftliche Verantwortung tragen.
Und selbst wenn wir soloselbstständig sind. Selbst wenn wir keine großen, international bekannten Marken sind, ist es doch so, dass unsere Marketingkommunikation nicht im luftleeren Raum stattfindet.
Das heißt, das, was wir im Marketing tun, hat immer auch Konsequenzen:
für uns
für unsere Mitarbeiter*innen, wenn wir welche haben
für unsere Kund*innen und Interessent*innen
für den Wettbewerb
für die Gesellschaft
und für die Umwelt
Ein kleines Beispiel:
Angenommen, du erstellst regelmäßig Content auf Instagram und orientierst dich dabei stark an dem, was der Algorithmus „belohnt“, also Reels mit schneller Schnittfolge, viel Emotionalisierung, catchy Hooks wie „Diese eine Sache verändert ALLES in deinem Business!“
Und das funktioniert vielleicht. Also du bekommst vielleicht mehr Reichweite, mehr Views, mehr Likes.
Aber: Du fütterst damit genau das System, das Aufmerksamkeit um jeden Preis belohnt. Du verstärkst den Trend zu immer kürzeren, reißerischeren Inhalten, auch wenn du eigentlich selbst lieber in der Tiefe arbeitest.
Du wirst Teil eines Marktes, in dem Information zunehmend durch Überinszenierung und austauschbare Inhalte ersetzt wird.
Und dein Publikum lernt dabei: Nur was laut, schnell und dramatisch ist, verdient Beachtung.
Das heißt, auch wenn du „nur“ Content erstellst, gestaltest du mit jedem Reel und mit jedem Hook mit, in welche Richtung sich die digitale Kommunikationskultur entwickelt. Und das ist eine Verantwortung, die wir als Selbstständige nicht unterschätzen sollten.
Und darüber hinaus kann es dabei auch sein, dass dich diese Art des Marketing auch selbst belastet. Dass du dich jeden Tag aufs Neue fragst: Was zum Teufel mache ich da eigentlich? Bin das eigentlich noch ich? Oder zwinge ich mich hier zu Dingen, die meinen Stärken und Werten und Interessen zuwiderlaufen? Riskiere ich hier vielleicht auch meine Gesundheit, nur damit ich Reichweite auf Social Media aufbaue?
Das heißt, sowohl im Kleinen als auch im Großen werden wir unserer Verantwortung als Selbstständige nicht gerecht.
Ja, das war ein kurzer Abriss zum Thema Aufmerksamkeitsökonomie und Algorithmen. Und ich habe dir zum Abschluss ein paar Fragen mitgebracht, die du mitnehmen und für dich reflektieren kannst, wenn du magst:
Warum bin ich ursprünglich auf Social Media aktiv geworden und was davon gilt eigentlich heute noch?
Spiele ich bewusst oder unbewusst mit Angst, Druck und FOMO, um Reichweite zu erzielen?
Und: Möchte ich Teil eines Systems sein, das Aufmerksamkeit über alles stellt, oder kann ich mir Alternativen vorstellen?
Shownotes

Themenwünsche?
Wenn dir ein wichtiges Thema im Podcast fehlt, sag mir gerne Bescheid. Ich freu ich mich auf deine Nachricht.