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Hier dreht sich alles um wertebasiertes Marketing ohne Social Media, Psychotricks und das übliche Marketing-Blabla.
Die Affordanz sozialer Medien
In der Raumsoziologie gibt es den Begriff der Affordanz. Affordanz heißt, dass jeder Gegenstand einen bestimmten Aufforderungscharakter hat, wie er genutzt werden soll. Was ist die Affordanz von Social Media?
In der Raumsoziologie gibt es den Begriff der Affordanz.
Affordanz heißt, dass jeder Gegenstand einen bestimmten Aufforderungscharakter hat, wie er genutzt werden soll.
Ein Hammer fordert uns zum Beispiel zum Nagel-in-die-Wand-Schlagen auf, jedoch nicht zum In-der-Suppe-Rühren.
Ein Eis fordert uns zum Abschlecken auf, ein Messer jedoch nicht und so weiter.
Was ist die Affordanz sozialer Medien? Auf den ersten Blick vielleicht Folgendes:
Interaktion und Kommunikation: Soziale Medien machen es leicht, mit anderen Menschen zu kommunizieren und zu interagieren – sei es durch Likes, Kommentare oder DMs.
Selbstdarstellung und Identitätsgestaltung: Soziale Medien machen es leicht, sich durch Posts, Fotos, Videos und Profile selbst zu präsentieren und die eigene Identität auszudrücken.
Kontakte knüpfen: Soziale Medien machen es leicht, neue soziale Kontakte zu knüpfen, bestehende zu pflegen oder Netzwerke zu erweitern, sei es durch „Freundschaften“, „Follower“ oder Gruppen.
Verbreitung von Informationen: Soziale Medien machen es leicht, Inhalte zu teilen und – zumindest in der Theorie – eine unvorstellbar hohe Zahl an Menschen innerhalb kürzester Zeit zu erreichen.
Gleichzeitig glaube ich auch, dass Entmenschlichung die Affordanz sozialer Medien ist. Denn so sozial, wie sie dem Namen nach tun, sind Facebook, Instagram und Co. gar nicht.
Sie belohnen die Inhalte mit Reichweite, die Emotionen triggern:
Clickbait und heiße Luft
Polarisierende politische Aussagen
Desinformation und Verschwörungstheorien
Falsche oder irreführende Gesundheitsinformationen
Rage Bait
Inszenierte und emotional aufgeladene Geschichten
und vieles mehr
Soziale Medien legen es darauf an, dass wir starke Reaktionen zeigen und gar nicht anders können, als mit den Inhalten zu interagieren.
Denn wenn Menschen sich aufregen, bleiben sie länger auf der Plattform. Und wenn sie länger auf der Plattform bleiben, hinterlassen sie mehr Daten. Und wenn sie mehr Daten hinterlassen, verdienen die Social-Media-Plattformen mehr Geld.
Natürlich zwingen uns soziale Medien nicht dazu, gemein oder gar unsozial zu sein, aber sie machen uns dieses Verhalten leicht, sie legen es uns nahe, andere Menschen, ihre Aussagen oder ihr Verhalten durch Likes oder Kommentare zu bewerten.
Genauso wie die Architektur in München es obdachlosen Menschen schwer macht, sich auf Sitzbänke zu legen (Quelle), machen es uns die sozialen Medien schwer, Menschen in ihrem Menschsein zu sehen.
Es ist fast so, als würden wir beim Öffnen der Social-Media-App unser Menschsein an der Garderobe abgeben und uns ein neues Kostüm aussuchen. User, Followerin, Content Creator, Influencerin – wie wollen wir uns heute verkleiden? Was wollen wir heute sein?
Wir schlüpfen in die neue Kleidung – nicht selten ist sie uns zu schmal oder zu weit geschnitten, zwickt oder hinterlässt rote Flecken auf unserer Haut – und: Action! Die Vorstellung startet und alle wissen genau, was sie zu tun haben.
Klar könnten sich obdachlose Menschen auch auf Sitzbänke mit Armlehnen quetschen und so ausruhen, und klar könnten Menschen auf Social Media versuchen, Menschen wie Menschen zu behandeln. Doch es ist meist nicht so leicht, sich gegen die Affordanz von Gegenständen, einer Software oder einer Plattform zu wehren.
Denn wir Menschen mögen es einfach und bequem. Und wenn ein Gegenstand, eine Software oder eine Plattform ein bestimmtes Verhalten nahelegt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir genau dieses Verhalten zeigen.
Geht es dir auch so?

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